Portugal, Griechenland und Spanien bildeten die letzten Diktaturen des europäischen Westens. Bis zum Jahr 1974: Da wurde Portugal zu einer Demokratie, und kurz darauf zogen Griechenland und Spanien nach. Innerhalb von sieben bis acht Jahren wurden aus drei Diktaturen konsolidierte Demokratien.
Diese Ereignisse sind für die Geschichte außerordentlich bedeutsam: Mit Portugal, Griechenland und Spanien war der gesamte Westteil Europas demokratisch geworden. Mehr noch: Ihr Systemwechsel bildete den Ausgang für zahlreiche weitere Demokratisierungen in Lateinamerika, dem Osten Europas und Afrika.
In dieser Arbeit untersuche ich die Rolle der „Massen“ und „Eliten“ beim Systemwechsel. Portugal, Griechenland und Spanien sind für solch eine vergleichende Untersuchung besonders interessant, weil sie als die drei letzten Diktaturen im Westteil Europas sehr viele Gemeinsamkeiten haben, die Rolle ihrer Akteure jedoch differiert: In Portugal erzwangen Offiziere den Systemwechsel von unten, in Griechenland kollabierte das Regime, und in Spanien handelten Eliten den Wechsel aus. Das spricht dafür, dass die Rolle der Akteure die entscheidende Differenzvariable im Regimewechsel darstellte und macht diese Länder besonders geeignet für eine akteurstheoretische Untersuchung (vgl. Naßmacher 1991: 24).
Ich beschränke mich dabei auf Portugal und Spanien. Aus Platzgründen, und weil ich den Vergleich benachbarter Länder für besonders fruchtbar halte: Dabei dürften weitere Differenzvariablen wegfallen.
Ferner untersuche ich die Rolle nur jeweils einiger weniger Akteure. In Portugal das Militär: gefährlichster Vetoakteur, hier aber Motor des Umsturzes. Die Parteien: wichtigste Institutionen des politischen Systems. In Spanien den König und „seinen“ Ministerpräsidenten. Ferner Kirche und Opus Dei als Repräsentanten der reformbereiten alten Eliten. Und die Massen - diese scheinen mir besonders interessant: Manch ein Wissenschaftler gesteht ihnen keine eigene Rolle zu, dabei sind sie nicht nur (wenn überhaupt) manipulierbare Massen, sondern auch Demonstranten und Wähler. Vor allem: Letztlich geht es gerade um sie.
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung: Die letzten Diktaturen Westeuropas
- Theoretische Verortung und methodische Vorüberlegungen
- Begriffe der Transformationstheorie
- Transformationsforschung
- Die Ursachen
- Der Verlauf
- Der Erfolg
- Demokratisierungswellen
- Die Transformation in Portugal
- Portugal als Diktatur
- Die Ablösung des diktatorischen Regimes
- Hintergrund: internationaler Kontext, sozioökonomische Modernisierung und Kolonialkriege
- Das Militär
- Die Parteien
- Die „Massen“: Die Zivilbevölkerung
- Portugal wird Demokratie: Institutionalisierung und Konsolidierung
- Die Verfassung: Konstitutionelle Institutionalisierung und Konsolidierung
- Das Militär: Institutionalisierung und Verhaltenskonsolidierung
- Die Parteien: Institutionalisierung und repräsentative Konsolidierung
- Die Rolle der „Massen“ bei der Institutionalisierung und die Entstehung einer Civil Society
- Die Transformation in Spanien
- Spanien als Diktatur
- Die Ablösung des diktatorischen Regimes
- Hintergrund: internationaler Kontext, sozioökonomische Modernisierung und Francos Tod
- Juan Carlos de Bourbon und Adolfo Suarez
- Die alten Eliten und ihre Softliner: Die Kirche und das Opus Dei
- Die Parteien: Alte Eliten und Opposition
- Die „Massen“: Die Zivilbevölkerung
- Spanien wird Demokratie: Institutionalisierung und Konsolidierung
- Die Parteien: Institutionalisierung und repräsentative Konsolidierung
- Die Verfassung: Konstitutionelle Institutionalisierung und Konsolidierung
- Ministerpräsident Adolfo Suarez, König Juan Carlos I und das Militär: Institutionalisierung und Verhaltenskonsolidierung
- Die Rolle der „Massen“ bei der Institutionalisierung und die Entstehung einer Civil Society
- Was zeigt der Transformationsbegriff „Massen und Eliten“ bei der vergleichenden Analyse dieser Systemwechsel?
- Zusammenfassung
- mit Blick auf den Ansatz des akteurszentrierten Institutionalismus
- Das Rätsel „Massen“: Zivilgesellschaft, was ist das?
- Schluss: Wie sollte sich ein demokratischer Staat gegenüber Diktaturen verhalten?
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Arbeit untersucht die Transformation von Diktaturen zu Demokratien in Portugal und Spanien mit besonderem Fokus auf die Rolle der „Massen“ und „Eliten“ während des Systemwechsels. Das Ziel ist es, die entscheidenden Unterschiede in den Transformationsprozessen dieser beiden Länder zu beleuchten und den Einfluss der Akteure auf den Erfolg des Wechsels zu analysieren.
- Die Rolle von „Massen“ und „Eliten“ bei der Transformation
- Vergleichende Analyse der Systemwechsel in Portugal und Spanien
- Untersuchung der Ursachen, des Verlaufs und des Erfolgs der Transformation
- Der akteurstheoretische Ansatz als Grundlage für die Analyse
- Die Bedeutung des internationalen Kontexts, sozioökonomischer Veränderungen und der Rolle des Militärs
Zusammenfassung der Kapitel
Die Einleitung stellt die drei letzten Diktaturen des europäischen Westens – Portugal, Griechenland und Spanien – vor und erläutert die Besonderheiten ihrer Transformationsprozesse. Sie argumentiert, dass die Rolle der Akteure die entscheidende Variable im Regimewechsel darstellte und diese Länder daher ideal für eine akteurstheoretische Untersuchung sind. Das zweite Kapitel beleuchtet die theoretische Verortung und methodische Vorüberlegungen der Arbeit. Es definiert den Begriff der Transformation, beschreibt die Transformationsforschung und ihre drei Untersuchungsgegenstände (Ursachen, Verlauf, Erfolg) und stellt verschiedene Theorien und Methoden zur Erklärung des Verhaltens von Akteuren vor. Das dritte Kapitel behandelt die Transformation in Portugal. Es analysiert die Situation Portugals als Diktatur, die Ablösung des diktatorischen Regimes durch das Militär, die Rolle der Parteien und die „Massen“, sowie die Institutionalisierung und Konsolidierung der neuen Demokratie, die Entstehung einer Civil Society und die Rolle der Akteure. Das vierte Kapitel beschäftigt sich mit der Transformation in Spanien. Es untersucht die Situation Spaniens als Diktatur, die Ablösung des Regimes, die Rolle von Juan Carlos de Bourbon, Adolfo Suarez, der alten Eliten und der „Massen“, die Institutionalisierung und Konsolidierung der neuen Demokratie und die Rolle der Akteure. Das fünfte Kapitel fasst die Ergebnisse der vergleichenden Analyse der beiden Transformationsprozesse zusammen und bewertet sie mit Blick auf den akteurszentrierten Institutionalismus. Schliesslich wird das „Rätsel“ der „Massen“ und die Bedeutung der Zivilgesellschaft diskutiert. Der Schluss beleuchtet die Frage, wie sich ein demokratischer Staat gegenüber Diktaturen verhalten sollte.
Schlüsselwörter
Transformation, Systemwechsel, Diktatur, Demokratie, Portugal, Spanien, „Massen“, „Eliten“, Akteure, Militär, Parteien, Zivilgesellschaft, Institutionalisierung, Konsolidierung, akteurszentrierter Institutionalismus, Modernisierungstheorie.
- Citation du texte
- Ulrike Heitmüller (Auteur), 2006, „Massen“ und „Eliten“ bei der Transformation in Südeuropa, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/83136