Niels Stensen, der Herkunft nach Dane, gehört zu den herausragenden Persönlichkeiten seiner Zeit.
Mitten im 17. Jahrhundert, das durch seine tiefgreifenden Anderungen menschlicher Sichtweisen die
Weichen bis in unsere Zeit hinein gestellt hat, lebt Stensen ein vorbildhaftes Leben, das auch, oder
vielleicht sogar gerade, in unseren Tagen nichts an seiner Aktualitat eingebüßt hat. Stensen ist
Wissenschaftler im modernen Sinn, kritisch und sein Urteil auf experimentelle Erfahrung bauend,
bestrebt, die den Sinnen erreichbare Wahrheit zu erforschen. Nicht als eifriger Verfechter der
Cartesischen Methode, sondern als deren konsequenter Nutzer, nicht durch ruhmheischende
Spekulationen, sondern durch klare Darlegung der ihm erkennbaren Tatsachen, nicht nach Ehre und
Macht strebend, sondern der Wahrheit verpflichtet, löst Stensen uber Jahrhunderte bestehende
Fehlinterpretationen im Bereich der Anatomie und Physiologie von Drusen und Lymphe, befreit das
Herz von allen mystisch-religiösen Deutungsversuchen, bereitet den Weg der Neuroanatomie zu einem
tieferen Verstandnis von Struktur und Funktion des menschlichen Gehirns, erkennt auf wahrhaft geniale
Weise die Grundlagen von Paläontologie, Geologie und Mineralogie.
Stensen ist aber auch Christ, unabhangig von seiner Konfession, in beachtenswerter Weise. Er ist nicht,
wie zu seiner Zeit so haufig anzutreffen, kirchlicher Würdentrager mit weltlichen Aufgaben, die ihn ganz
einzunehmen drohen, er ist weltlicher Würdentrager mit einem tiefen kirchlichen Verstandnis, das ihm
die wahre Berufung jedes menschlichen Lebens offenbart: die konsequente und unermüdliche Heiligung
des eigenen Tuns. Nicht erst nach seiner Konversion, auf dem Höhepunkt seiner wissenschaftlichen
Erkenntnis, oder, wie man vielleicht denken mag, nach seiner Ordination zum katholischen Priester
beginnt dieser Weg der eigenen Heiligung, sondern schon in seinen Jugendjahren, als Schuler und Student
in Kopenhagen, Amsterdam und Leiden. Die asketischen Priesterjahre als Missionar im Norden
Deutschlands bilden dann den dornengekrönten Abschluß eines Lebens in Verantwortung und Liebe
dem eigenen Schöpfer gegenuber, das durch Papst Johannes Paul II. mit der Seligsprechung 1988 geehrt
und bestatigt worden ist. [...]
Inhaltsverzeichnis
- ZUR ENTSTEHUNG DIESER ARBEIT
- GESCHICHTE UND MEDIZIN
- ABSICHT
- AUFGABENSTELLUNG
- EINFÜHRUNG
- EUROPA IM 17. JAHRHUNDERT
- STAND DER WISSENSCHAFT
- STATIONEN AUF STENSENS WEG
- JUGENDJAHRE UND STUDIUM IN KOPENHAGEN 1638-59
- VIER MONATE IN AMSTERDAM 1660
- ANATOMISCHE STUDIEN IN LEIDEN 1660-63
- EIN JAHR IN FRANKREICH 1664-65
- PISA-ROM-FLORENZ 1666-69
- Muskelforschung-Geologie-Paläontologie
- Konversion
- Geologische Forschung in der Toskana
- Prodromus
- Aufbruch aus Italien
- DIE REISE NACH ÖSTERREICH UND UNGARN 1669
- GLAUBENSGESPRÄCHE IN HOLLAND 1670
- PISA UND FLORENZ 1670-1671
- ALS KATHOLIK IN KOPENHAGEN 1672-74
- ERZIEHER DES ERBPRINZEN UND PRIESTERWEIHE IN FLORENZ 1675-77
- ALS PRIESTER IN DEUTSCHLAND 1677-86
- Apostolischer Vikar in Hannover 1677-80
- Weihbischof von Münster 1680-83
- Zwei Jahre in Hamburg 1683-85
- Schwerin 1686
- NIELS STENSEN IN LEIDEN
- ANATOMIE UND NATURWISSENSCHAFT
- WISSEN DER ZEIT
- UMFELD
- ÜBERBLICK
- DRÜSEN UND IHRE AUSFÜHRUNGSGÄNGE
- Ductus parotideus stenonianus
- Entdeckung in Amsterdam
- Der Prioritätenstreit mit Blasius
- Tränenapparat und Drüsen der Nasenhöhle
- Zum Ursprung anderer Körperflüssigkeiten
- ZUR MUSKELSTRUKTUR DES HERZENS
- Rückblick Stensens
- Ansichten zur Funktion des Herzens
- Über Muskel und Herz
- PHILOSOPHIE UND RELIGION
- PHILOSOPHIE IM 17. JAHRHUNDERT
- Überblick
- Descartes
- Spinoza
- PRÄGUNGEN DER WELTANSCHAUUNG STENSENS
- Religiöse Erziehung
- Cartesianismus
- Ole Borch
- WEGE ZUR BILDUNG EINER EIGENEN WELTANSCHAUUNG
- Konfessionelle Vielfalt in Holland
- Anatomische Kritik des Cartesianismus
- Stensen und Spinoza
- ZUR STELLUNG NIELS STENSENS IN DER GESCHICHTE DER MEDIZIN
- ZUSAMMENFASSUNG
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die Dissertation befasst sich mit der Biographie und den wissenschaftlichen Leistungen von Niels Stensen, einem bedeutenden Arzt und Naturforscher des 17. Jahrhunderts. Sie verfolgt das Ziel, Stensens Leben und Werk in den Kontext der europäischen Wissenschaft und Philosophie des Barock zu stellen und seinen Beitrag zur Medizin, Geologie und Anatomie zu beleuchten. Besonderes Augenmerk liegt auf seinen Leistungen in der Anatomie und seinem Einfluss auf die Entwicklung der Muskelphysiologie.
- Niels Stensens Lebensweg und seine wissenschaftlichen Stationen
- Stensens Entdeckungen in der Anatomie, insbesondere die des Ductus parotideus stenonianus
- Stensens philosophische und religiöse Entwicklung im Kontext des 17. Jahrhunderts
- Die Bedeutung Stensens für die Geschichte der Medizin und seine Rolle im wissenschaftlichen Diskurs der Barockzeit
Zusammenfassung der Kapitel
- ZUR ENTSTEHUNG DIESER ARBEIT: Dieses Kapitel stellt die Motivation und den Hintergrund der Dissertation dar, wobei die Bedeutung der Geschichte der Medizin und die wissenschaftliche Absicht der Arbeit beleuchtet werden.
- EINFÜHRUNG: Das Kapitel vermittelt einen Einblick in das Europa des 17. Jahrhunderts, den damaligen Wissensstand und die wissenschaftlichen Strömungen, die Stensens Lebensweg und seine Forschungen beeinflussten.
- NIELS STENSEN IN LEIDEN: Dieses Kapitel befasst sich mit Stensens Zeit in Leiden, einem der wichtigsten Zentren der Anatomie und Naturwissenschaft im 17. Jahrhundert. Es beleuchtet Stensens anatomische Forschung, insbesondere seine Entdeckung des Ductus parotideus stenonianus, und seine Auseinandersetzung mit philosophischen und religiösen Fragen.
Schlüsselwörter
Niels Stensen, Anatomie, Physiologie, Muskelforschung, Ductus parotideus stenonianus, Philosophie, Religion, Cartesianismus, Barockzeit, Geschichte der Medizin, Wissenschaftsgeschichte.
- Quote paper
- Max-Joseph Kraus (Author), 1999, Niels Stensen in Leiden, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/8336