Im Jahr 1994 fällte das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) ein Urteil zur rechtlichen Stellung von Cannabis. Die vorliegende Diplomarbeit beschäftigt sich mit diesem Urteil und seiner Begründung. Ein besonderer Schwerpunkt ist die Erörterung eines der Schlüsselargumente, welches die Unterscheidung von legalen und illegalen Drogen anhand ihrer jeweiligen "kulturellen Einbettung" in die Gesellschaft vornimmt. Das BVerfG vertritt die Ansicht, daß die weitere Prohibition von Cannabis und somit die herausgehobene Stellung gegenüber in Deutschland legalen Drogen wie Alkohol oder Nikotin durch die Illegalisierung im Betäubungsmittelgesetz (BtMG) gerechtfertigt ist. Begründet wird dies mit der weitgehend durch kulturelle Einbettung erreichte und nicht mißbräuchliche Verwendung der legalen Drogen, was das Gericht für Cannabis ausschließt.
Die Analyse der Haltbarkeit und Sinnhaftigkeit dieses Arguments unter Berücksichtigung der neueren sozialwissenschaftlichen Diskussion zu Cannabis ist das Ziel dieser Arbeit.
Hierzu gehört der empirisch geführte Nachweis kultureller Muster und die Erkundung der sozialen Einbindung bei Cannabiskonsum. Das Gericht hat diese Möglichkeit durch seine auf den "klassischen" Annahmen zum Cannabis- bzw. Drogenkonsum basierende Argumentation als nicht vorhanden bzw. unmöglich definiert, da es die seit Jahrzehnten benutzten und sehr einseitig negativ ausgerichteten Gefahrenmodelle als Entscheidungsgrundlage vorrangig heranzieht.
Es ist daher nicht nötig, die Cannabis-Kultur schlechthin ermitteln zu wollen, was auch aus methodischen Schwierigkeiten heraus kaum möglich erscheint. Beispielsweise stellt die Grundgesamtheit und somit auch die Struktur der Gebraucher eine unklare Größe dar. Vielmehr gehört es zum Ziel dieser Arbeit, überhaupt das Vorhandensein kultureller Muster und sozialer Einbindung bei Cannabiskonsum aufzuzeigen. Eine schon aus methodischen Gründen ausgeschlossene repräsentative Erhebung ist bei meiner Fragestellung auch gar nicht erforderlich. Es reicht zur Widerlegung der dies völlig ausschließenden BVerfG-Argumentation aus, eine eventuell vorhandene kulturelle Integration des Konsums von Cannabisgebrauchern überhaupt nachzuweisen.
Inhaltsverzeichnis
- Gliederung der Arbeit
- Einführung ins Thema
- Stand der sozialwissenschaftlichen Cannabisforschung
- Die deutsche Drogenpolitik
- Drogenpolitische Erklärungsansätze
- Zwischenfazit
- Die Rechtsprechung zu Cannabis
- Das Landgericht Lübeck
- Das Bundesverfassungsgericht
- Zwischenfazit
- Exkurs: Der Kulturbegriff
- Empirische Ergebnisse
- Methodische Anmerkungen
- Die Außenperspektive
- Fazit der Außenperspektive
- Innenansichten der Cannabiskonsumenten
- Empfindungen ihrem eigenen Tun gegenüber
- Einstellungen zu Hanf
- Wirkungen und Auswirkungen des Hanfkonsums
- Fazit der eigenen Empirie
- Im Vergleich: Die Hanf & Fuß - Daten
- Schlußfolgerungen
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Diplomarbeit befasst sich mit dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) zur rechtlichen Stellung von Cannabis und analysiert die Haltbarkeit und Sinnhaftigkeit des Arguments der „kulturellen Einbettung“ von Drogen. Ziel ist es, die vermeintliche Kulturfremdheit von Cannabis zu hinterfragen und empirisch nachzuweisen, dass kulturelle Muster und soziale Einbindung beim Cannabiskonsum existieren. Die Arbeit untersucht die aktuellen Erkenntnisse der Cannabisforschung und die deutsche Drogenpolitik, um das Urteil des BVerfG im Kontext dieser Entwicklungen zu interpretieren.
- Das Urteil des Bundesverfassungsgerichts zur rechtlichen Stellung von Cannabis
- Die Bedeutung der „kulturellen Einbettung“ von Drogen
- Die Rolle der Cannabisforschung in der Beurteilung der Drogenpolitik
- Empirische Evidenz für kulturelle Muster und soziale Einbindung beim Cannabiskonsum
- Die Kritik an der Argumentation des BVerfG bezüglich der „Kulturfremdheit“ von Cannabis
Zusammenfassung der Kapitel
Die Arbeit beginnt mit einer Einführung in das Thema Cannabis und stellt den aktuellen Forschungsstand sowie die deutsche Drogenpolitik dar. Im Fokus steht dabei das Urteil des Bundesverfassungsgerichts und die Argumentation der „kulturellen Einbettung“ von Drogen. Die Arbeit analysiert die Rechtsprechung zu Cannabis, insbesondere die Urteile des Landgerichts Lübeck und des Bundesverfassungsgerichts, und beleuchtet den Kulturbegriff im Kontext des BVerfG-Urteils.
Anschließend werden empirische Ergebnisse präsentiert, die Einblicke in die Außen- und Innenperspektive des Cannabiskonsums geben. Die Arbeit untersucht die Empfindungen von Cannabiskonsumenten, ihre Einstellungen zu Hanf und die Wirkungen und Auswirkungen des Konsums. Abschließend werden die Ergebnisse zusammengefasst und diskutiert, um mögliche Handlungsoptionen für die Zukunft aufzuzeigen.
Schlüsselwörter
Cannabis, Drogenpolitik, Bundesverfassungsgericht, kulturelle Einbettung, Kulturbegriff, Cannabisforschung, Empirische Forschung, Hanf, Drogenkonsum, Rechtsprechung, Legalisierung, Prohibition, soziale Einbindung.
- Citation du texte
- Matthias Kirk (Auteur), 1996, Die kulturelle Einbettung des Cannabiskonsums - ein zweckmäßiges Konstrukt?, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/8340