Vorliegende Arbeit beschäftigt sich mit dem Dasein von Kindern in der bürgerlichen Welt. Ziel soll sein, den Begriff einer bürgerlichen Kindheit eng mit dem Begriff einer bürgerlichen Erziehung zu verknüpfen.
Weniger der Begriff des Kindes als der einer „bürgerlichen Welt“ wirft Probleme auf, die zuvorderst einer Klärung bedürfen: Was ist die bürgerliche Welt und wodurch hebt sie sich von anderen Welten ab? Derartige Probleme sollen im Kapitel 2 näher beleuchtet werden.
In einem ersten Hauptteil werden drei Biographien bürgerlicher Kinder vorgestellt, zwischen denen mindestens eine Generation liegt. Hier wird der Frage nachgegangen, inwiefern ein vorhandenes Bürgertum sich Idealkinder konstruierte und welche Möglichkeiten ihm dabei zur Verfügung standen. Der in den Franckeschen Stiftungen des 17. Jahrhunderts ausgebildete Schneidersohn Schulze geht der Gelehrtentochter Schlözer voran, welche in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts eine vom Vater auf sie ausgerichtete Ausbildung erhält. Ferner die Tochter des Leipziger Musikalienhändlers Wieck, der seiner Tochter eine bürgerliche Ausbildung im Sinne der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts angedeihen lässt. Ferner steht die Frage, welche Rückschlüsse sich aus den kindlichen Lebensläufen in Bezug auf ihr Selbstbild und ihre Einstellung gegenüber den Eltern(teilen) ziehen lassen, im Mittelpunkt dieses Kapitels. Möglicherweise gibt es ein konstruiertes Idealbild vom Kind in der bürgerlichen Welt. In einigen herausragenden kindlichen Lebensläufen wird deutlich, dass eine Annäherung an dieses Idealbild explizit versucht wird.
Im Gegensatz zu den „bekannten“ Biographien bürgerlicher Kinder sollen in einem nächsten, thematisch abgegrenzten Hauptteil kindliche Lebenswelten am Beispiel autobiographischer Zeugnisse des 18. und 19. Jh. aufgezeigt werden. Die zeitliche Begrenzung geschieht unter Rücksichtnahme auf die Fülle des Materials.
Welche Erziehungsziele liegen der „normalen“ bürgerlichen Familie zugrunde? Welche bürgerlichen Traditionen und Bräuche in Bezug auf die Lebenswelt der Kinder lassen sich herausarbeiten? Auf welche Weise wird den Kindern ihre bürgerliche Rolle näher gebracht, inwieweit internalisierten oder hinterfragten sie diese? Und wie verbringen bürgerliche Kinder ihre freie Zeit? Hierbei wird insbesondere auf Spielzeug und Selbstbeschäftigungen bürgerlicher Kinder eingegangen.
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- Bürgerliche Welten - Erklärungsversuche und zeitliche Begrenzung
- Bürgerliche Kindheit im Licht der historischen Forschung
- Budde: Erschaffung der Kindheit - Erziehungsraum „Bürgerfamilie“
- (Konstruierte) Biographien bürgerlicher Kinder
- Johann Heinrich Schulze (1687-1744), Wunderkind aus Colbitz und Professor in Halle
- Dorothea Schlözer (1770-1825), Doktorin der Philosophie 1787
- Clara Wieck (1819-18), Leipziger Wunderkind und Klaviervirtuosin
- Fazit I
- Recherchierter) Lebensalltag bürgerlicher Kinder im 18. und 19. Jh.
- Kindheitsbeschreibungen in Selbstzeugnissen
- Erziehung
- Alltag und Festbräuche
- Freizeit, Spiele und Spielzeug
- Fazit II
- Literaturverzeichnis
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Hausarbeit befasst sich mit dem Leben von Kindern in der bürgerlichen Welt. Sie zielt darauf ab, den Begriff einer bürgerlichen Kindheit eng mit dem Konzept der bürgerlichen Erziehung zu verbinden. Anknüpfend an die Arbeiten von Gunilla-Friederike Budde soll ein Zusammenhang zwischen dem Wandel des bürgerlichen Selbstverständnisses im Laufe der Zeit und den sich verändernden bürgerlichen Kinderwelten aufgezeigt werden.
- Definition und Abgrenzung des Begriffs der „bürgerlichen Welt“
- Analyse der bürgerlichen Kindheit als „Erziehungsweg“ nach Gunilla-Friederike Budde
- Untersuchung konstruierter Idealkinder in bürgerlichen Biographien
- Rekonstruktion des Lebensalltags bürgerlicher Kinder im 18. und 19. Jahrhundert anhand autobiographischer Zeugnisse
- Herausarbeitung von Erziehungszielen, Traditionen und Freizeitaktivitäten in der bürgerlichen Kinderwelt
Zusammenfassung der Kapitel
- Einleitung: Die Arbeit stellt das Thema der bürgerlichen Kindheit und ihr Verhältnis zur bürgerlichen Erziehung vor. Der Fokus liegt auf der Frage, wie sich das bürgerliche Selbstverständnis auf die Kinderwelten auswirkt.
- Bürgerliche Welten – Erklärungsversuche und zeitliche Begrenzung: Dieses Kapitel beleuchtet die Entwicklung des Bürgertums und die Schwierigkeiten, den Begriff der „bürgerlichen Welt“ klar zu definieren.
- Bürgerliche Kindheit im Licht der historischen Forschung: Buddes These der „Erschaffung der Kindheit“ wird vorgestellt, die die bürgerliche Familie als Erziehungsraum begreift und den Einfluss der Erziehung auf die Formung des bürgerlichen Selbstverständnisses betont.
- (Konstruierte) Biographien bürgerlicher Kinder: Die Lebensläufe von Johann Heinrich Schulze, Dorothea Schlözer und Clara Wieck werden analysiert. Die Frage, inwiefern ein bürgerliches Idealbild vom Kind in diesen Biographien erkennbar ist, wird untersucht.
- Recherchierter) Lebensalltag bürgerlicher Kinder im 18. und 19. Jh.: Dieses Kapitel befasst sich mit dem Alltag, der Erziehung, den Traditionen, der Freizeit und dem Spielzeug von bürgerlichen Kindern im 18. und 19. Jahrhundert anhand autobiographischer Zeugnisse.
Schlüsselwörter
Die Arbeit befasst sich mit den zentralen Themen der bürgerlichen Kindheit, bürgerlichen Erziehung, Lebenswelten, Biographien, Selbstzeugnissen, Erziehungszielen, Traditionen und Freizeitaktivitäten im 18. und 19. Jahrhundert. Im Fokus stehen wichtige Konzepte wie die „Erschaffung der Kindheit“, der „Erziehungsraum Bürgerfamilie“ und das bürgerliche Idealbild vom Kind.
- Citation du texte
- Norman Grüneberg (Auteur), 2007, Vernünftige Prügel und offener Geist, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/83442