Die Behandlung des Wunderbaren in Torquato Tassos (1544-1595) Gerusalemme Liberata (entstanden 1570-75) erfordert zunächst eine Auseinandersetzung sowohl mit den diesbezüglichen theoretischen Äußerungen des Dichters in den Discorsi dell’arte poetica (entstanden um 1564), als auch mit dem zeitgeschichtlichen Kontext von Magie und Zauberei. Die dichtungstheoretischen Gedanken der Discorsi dell’arte poetica entwickeln mit den Konzepten des ‘meraviglioso cristiano’ und des ‘verosimile meraviglioso’ die Voraussetzungen für das Wunderbare im Epos. Diese und weitere Überlegungen Tassos im Zusammenhang mit einem glaubwürdigen Wunderbaren im christlichen Epos werden vor der Folie der Poetik des Aristoteles und der Tradition des italienischen ‘romanzo cavalleresco’ erörtert. Das sich an die dichtungstheoretischen Darstellungen anschließende Kapitel zum zeitgeschichtlichen Kontext soll einen kursorischen Überblick über die für das Diskursuniversum des Wunderbaren wichtigsten Aspekte, Traktate und Positionen geben.
Ausgangsgangspunkt der Betrachtung des Wunderbaren in der Gerusalemme Liberata ist das Proömium, in dem mit der Opposition Hölle – Himmel gleich in der ersten Oktave die doppelte Ausrichtung des ‘meraviglioso cristiano’ betont wird. Auf dieser Opposition bauen dann die Vergleiche zwischen dem Höllenkonzil und dem Himmelskonzil sowie zwischen den Vertretern der ‘magia diabolica’ und der ‘magia naturale’ auf. Anhand dieser Gegenüberstellungen wird deutlich, dass das Epos von dem Eingreifen der Agenten beider Instanzen geprägt ist und dass sich auf übergeordneter Ebene eine Art religionsideologischer Konflikt abzeichnet, dem sich auch die übernatürlichen Geschehnisse durch die Einteilung in ‘incanti’ und ‘miracoli’ unterordnen.
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- Der theoretische Hintergrund: die Discorsi dell'arte poetica
- Der zeitgeschichtliche Kontext
- Das Wunderbare in der Gerusalemme Liberata
- Der Ausgangspunkt: das Proömium
- Das Höllen- und das Himmelskonzil
- ‘magia diabolica' vs. ‘magia naturale'
- Der Zauber der Armida
- Die Insel der Armida
- Armida als liebende Frau
- Die Selva di Saron
- Exkurs zur Interpretation der Selva di Saron und der Insel Armidas und von G. Güntert
- Das Wunderbare in Theorie und Praxis
- Zusammenfassung
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die Arbeit untersucht das Thema des Wunderbaren in Torquato Tassos Epos Gerusalemme Liberata. Sie analysiert die theoretischen Grundlagen des Wunderbaren in Tassos Discorsi dell'arte poetica und setzt diese in Beziehung zum zeitgeschichtlichen Kontext der Magie und Zauberei im 16. Jahrhundert. Im Fokus stehen die Konzepte des 'meraviglioso cristiano' und des 'verosimile meraviglioso', die Tasso für die Darstellung des Wunderbaren in seinem Epos verwendet.
- Die theoretischen Grundlagen des Wunderbaren in Tassos Discorsi dell'arte poetica
- Der zeitgeschichtliche Kontext von Magie und Zauberei
- Die Anwendung des 'meraviglioso cristiano' und des 'verosimile meraviglioso' in der Gerusalemme Liberata
- Die Rolle der ambivalenten Figur der Armida und ihrer magischen Fähigkeiten
- Die psychologischen Auswirkungen des Wunderbaren in der Selva di Saron
Zusammenfassung der Kapitel
- Einleitung: Die Einleitung stellt das Thema der Arbeit und die wichtigsten Forschungsfragen vor. Sie erläutert die Relevanz der Analyse des Wunderbaren in Tassos Epos im Kontext der zeitgenössischen Poetik und des zeitgeschichtlichen Kontextes.
- Der theoretische Hintergrund: die Discorsi dell'arte poetica: Dieses Kapitel analysiert Tassos theoretische Überlegungen zum Wunderbaren in seinen Discorsi dell'arte poetica. Es geht insbesondere auf die Konzepte des 'meraviglioso cristiano' und des 'verosimile meraviglioso' ein und erörtert, wie diese Konzepte in der Gerusalemme Liberata zur Geltung kommen.
- Der zeitgeschichtliche Kontext: Dieses Kapitel gibt einen Überblick über den zeitgeschichtlichen Kontext von Magie und Zauberei im 16. Jahrhundert. Es stellt die wichtigsten Traktate und Positionen zu diesem Thema dar und verdeutlicht, wie diese den Diskurs über das Wunderbare beeinflusst haben.
- Das Wunderbare in der Gerusalemme Liberata: Dieses Kapitel untersucht die Darstellung des Wunderbaren in Tassos Epos. Es analysiert das Proömium, die beiden Höllen- und Himmelskonzile, die Magie der Armida und die Selva di Saron. Es zeigt, wie Tasso die Konzepte des 'meraviglioso cristiano' und des 'verosimile meraviglioso' in der Praxis umsetzt.
- Das Wunderbare in Theorie und Praxis: Dieses Kapitel setzt die theoretischen Überlegungen aus den Discorsi dell'arte poetica in Beziehung zur praktischen Umsetzung des Wunderbaren in der Gerusalemme Liberata. Es zeigt, wie Tasso die theoretischen Konzepte in seinem Epos adaptiert und für seine eigenen Zwecke nutzt.
Schlüsselwörter
Die Arbeit befasst sich mit den Themen Wunderbares, meraviglioso, 'meraviglioso cristiano', 'verosimile meraviglioso', Magie, Zauberei, romanzo cavalleresco, Torquato Tasso, Gerusalemme Liberata, Discorsi dell'arte poetica. Sie untersucht die Bedeutung dieser Konzepte für die Epoche und die poetische Gestaltung von Tassos Epos.
- Arbeit zitieren
- Stephanie Pfeiffer (Autor:in), 2006, Das 'verosimile meraviglioso' und 'meraviglioso cristiano' als Voraussetzung für das Wunderbare in Torquato Tassos "Gerusalemme Liberata", München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/83839