Im 19. Jahrhundert teilte sich das Gebiet der Ukrainer auf die Reiche Russland und Habsburg auf. Der österreichische Teil setzte sich aus dem Kronland Bukowina, der ungarischen Karpato-Ukraine und Galizien zusammen. Als ein Beispiel ukrainischer Nationsbildung soll (deshalb) das österreichische Kronland „Galizien und Lodomerien“ Gegenstand dieser Arbeit sein.
Die bereits erwähnte gesellschaftliche Multikulturalität Galiziens traf lediglich für die Stadträume zu. Die ländlichen Regionen waren geprägt durch das Aufeinandertreffen der polnischen und der ukrainischen Welt. Das Ergebnis der Jahrhunderte langen Vormachtstellung des polnischen großgrundbesitzenden Adels gegenüber den (ukrainischen) leibeigenen Bauern war ein konfessioneller, sozialer, wirtschaftlicher und nationalistischer Graben zwischen diesen beiden Nationen.
Die Ursprünge nationaler Identität der ukrainischen bzw. ruthenischen Bauern sollen im Besonderen Gegenstand dieser Arbeit sein.
Die Situation der Bauern rund 60 Jahre vor ihrem nationalen Erwachen wird von Reisenden durch die Region folgendermaßen beschrieben:
„Der Bauersmann ist zur Knechtschaft gewöhnt. Er zeichnet sich durch stille Demuth aus, und trägt auch unschuldige Schläge gedultig.
Und weiter:
„Ich kenne so leicht kein elenderes, sklavischeres, selbst bei der möglichen Unterstützung des Staates durch sich selbst gedrückteres Volk, als dieses. Geschmidet an das eiserne Ruder des Aberglaubens, unwissend im Feldbau, (...) dumm, träge, fühllos, mit einer sklavischen Seele, und einem steten siechen, traurigen, durch einen unersättlichen Hang zur taumelnden Trunkenheit entkräfteten, und verunstalteten Körper, schmutzig in Kleidung und Haushaltung, verwöhnt an eine rauche, thierische Kost.“
Die Belange der leibeigenen Bauernschaft hatten wenig bis gar kein politisches Gewicht. Erst mit der Revolutionsbewegung 1848 entwickelten sich Bewusstsein für Nation und nationale Identität und daraus die ukrainische Nationalbewegung, die sich für ihre Rechte einsetzte und politische Teilnahme auch niederer Bevölkerungsschichten ermöglichte. In der vorliegenden Arbeit sollen Antworten auf die Frage gegeben werden, wo die Ursprünge der ukrainischen Nationalbewegung liegen und wie diese, getragen durch die Motivation der Bauernschaft, sich zum Beginn des 20. Jahrhunderts zu einer Massenbewegung entwickeln konnte. Dazu werden relevante Eckpunkte zum Nationsbildungsprozess aufgezeigt und analysiert werden.
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- Galizien bis 1848
- Galizien bis 1772
- Kiewer Rus' (981)
- Königreich Polen-Litauen (1340 bzw. 1387)
- „Königreich Galizien und Lodomerien“ bis 1848
- Lage der Bauern
- Österreichische Reformen
- Auswirkungen der Neuordnung
- Galizien bis 1772
- Voraussetzungen für die Neubelebung der ukrainischen Nationalbewegung
- Revolution von 1848/49
- Kulturelles Erwachen
- Politisches Erwachen...
- Politische Entwicklungen 1850-1914
- Politik des Neoabsolutismus 1850-1859
- Die konstitutionelle Ära (seit 1859)
- „Der Kampf um Boden, Wald und Wiesen“
- Nationalbewegung und nationale Identität
- Erste Organisationsversuche
- Überwindung der Distanz?
- Neue Generation politisch aktiver Bauern......
- Zusammenrücken innerhalb der Nationalbewegung
- Revolution von 1848/49
- Schlussbetrachtung
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die Arbeit untersucht die Ursprünge nationaler Identität der ukrainischen Bauern in Galizien von der Mitte des 19. Jahrhunderts bis zum beginnenden 20. Jahrhundert. Ziel ist es, die Entstehung des ukrainischen Nationalbewusstseins in diesem Zeitraum aufzuzeigen und die dafür relevanten Faktoren zu analysieren. Dazu werden die politischen, sozialen und kulturellen Entwicklungen in Galizien beleuchtet.
- Entwicklung des ukrainischen Nationalbewusstseins in Galizien
- Bedeutung der politischen und sozialen Reformen für die ukrainische Nationalbewegung
- Rolle der Bauern in der Herausbildung der nationalen Identität
- Einfluss der kulturellen Strömungen und des „Kampfes um Boden, Wald und Wiesen“
- Zusammenwirken von nationaler Identität und Nationalbewegung
Zusammenfassung der Kapitel
- Einleitung: Die Arbeit führt in das Thema ein und erläutert die geografische und historische Lage der Ukraine als Grenzland zwischen Ost und West. Sie definiert die Begriffe „Nation“, „Nationalbewusstsein“ und „Nationalismus“ und setzt die Arbeit in den Kontext der Entwicklung des Nationalismus in Europa im 19. Jahrhundert.
- Galizien bis 1848: Dieses Kapitel beleuchtet die historische Entwicklung Galiziens bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts. Es beschreibt die Zugehörigkeit Galiziens zu verschiedenen Herrschaftsgebieten wie der Kiewer Rus', dem Königreich Polen-Litauen und dem österreichischen „Königreich Galizien und Lodomerien“. Es werden die Lebensbedingungen der Bauern und die Auswirkungen der österreichischen Reformen auf die Gesellschaft in Galizien dargestellt.
- Voraussetzungen für die Neubelebung der ukrainischen Nationalbewegung: Dieses Kapitel untersucht die Revolution von 1848/49 und ihre Auswirkungen auf die Entwicklung des ukrainischen Nationalbewusstseins. Es beleuchtet die Aspekte des kulturellen und politischen Erwachens der ukrainischen Bevölkerung in Galizien. Zudem werden die politischen Entwicklungen in Galizien von 1850 bis 1914 beleuchtet, die die nationale Bewegung weiter beeinflussten.
Schlüsselwörter
Die Arbeit fokussiert auf die Themen ukrainische Nationalität, Nationalbewusstsein, Galizien, Bauern, österreichische Reformen, Revolution von 1848/49, Nationalbewegung, nationale Identität und die Entwicklung des modernen Nationalismus.
- Citation du texte
- Bachelor of Arts Kristina Lubahn (Auteur), 2006, Ursprünge nationaler Identität der ukrainischen Bauern in Galizien von der Mitte des 19. Jahrhunderts bis zum beginnenden 20. Jahrhundert, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/83840