Kunsttherapeutische Methoden in der Sozialen Arbeit


Mémoire (de fin d'études), 2006

76 Pages, Note: 1,3


Extrait


1. Einleitung

Meine eigene berufliche Biografie, die Arbeit als Künstler und Kunsttherapeut, sind Hintergrund dafür, dass ich Überlegungen angestellt habe, wie ich mein bisher erworbenes Wissen im Beruf des Sozialarbeiters nutzen kann, bzw. wie ich auch kunsttherapeutisch in der Sozialen Arbeit tätig sein könnte.

Die Frage nach der Übertragbarkeit und Anwendbarkeit kunsttherapeutischer Methoden auf die Soziale Arbeit ist nicht leicht zu beantworten.

Unbestritten ist, dass sich die Kunsttherapie auf dem Feld der Sozialen Arbeit zum Beispiel in der Psychiatrie etablieren konnte und von Kunsttherapeuten dort ausgeübt wird.

Die Frage ob jedoch auch Sozialarbeiter/Sozialpädagogen einzelne aus der Kunsttherapie stammende Methoden im sozialen Bereich einsetzen können oder nicht, ist Gegenstand dieser Arbeit.

Bei der Beantwortung dieser Frage soll vermieden werden Übernahmemöglichkeiten kunsttherapeutischer Methoden „rezeptartig“ aufzuzeigen.

Zunächst soll die Frage geklärt werden was Kunsttherapie ist. Einerseits bietet Menzen hierzu eine Definition an, andererseits lässt sich die Vielfältigkeit und Vielgestaltigkeit kunsttherapeutischer Richtungen nur dann wirklich erfassen,

wenn man sich mit den verschiedenen Ansätzen befasst.

Im weiteren Verlauf der Arbeit werde ich bei meinen Erläuterungen den Fokus auf die tiefenpsychologischen Ansätze richten und in der Beschreibung der Methodiken etwas näher auf Grundannahmen C. G. Jungs eingehen, um beispielhaft das theoretische Fundament einer Kunsttherapierichtung aufzuzeigen.

Ich werde einige spezifische kunsttherapeutische Methoden herausgreifen und der Frage nachgehen, ob eine Anwendungsmöglichkeit bezogen auf den Sozialen Bereich gegeben ist und die Bedeutung bildnerisch-kreativer Arbeit unter verschiedenen Aspekten beleuchten.

Die vielfältigen Überschneidungen kreativer Arbeit in Therapie und Pädagogik werden immer wieder zur Sprache kommen. Aber auch Grenzen von Übernahmemöglichkeiten zwischen diesen Arbeitsbereichen werde ich aufzeigen.

Den nicht unwichtigen methodisch fundierten Einsatz verschiedener Materialien habe in dieser Arbeit nicht bearbeitet.

2. Kunsttherapie

Kreativität und Erfindungsgeist begleiteten die Menschheitsgeschichte von Beginn an. Sie scheinen ein wesentliches Merkmal menschlicher Entwicklung überhaupt zu sein. Kunst und Therapie wurzeln nach Biniek in kultischen Ritualen des Schamanismus. In einer Zeit eines magisch-animistischen Weltbildes war der Schamane Heiler und Gestalter zugleich. Biniek geht also von einer ursprünglichen Einheit von Kunst und Therapie aus. Allerdings relativiert er den Begriff der Kunst ( er habe mit dem heutigen Kunstbegriff wenig zu tun) und meint damit, frühe Formen der Gestaltung: den Gesang, den Tanz, das instrumentale Spiel und die Malerei ( vgl. Biniek 1992, S. 8 ff).

Es kann hinzugefügt werden, dass auch das plastische Gestalten, die Herstellung von Masken und kultischen Objekten seine Wurzeln in rituellen Handlungen hat.

Das Wissen, um die Kraft von Ritualen, hypnotischen oder autosuggestiven Zuständen, Suggestionen und Gestaltungsprozessen, ist bis zum heutigen Tage nicht verloren gegangen. Zwar führte die Verwissenschaftlichung der Welt, das Anhäufen von Wissen in vielen Bereichen, z. B. der Medizin, zu mechanistischen Denkweisen (der Mensch gewissermaßen als funktionierende oder nicht funktionierende Maschine), indes gibt es auch in der Wissenschaft zunehmende Bestrebungen, den Menschen mehr ganzheitlich zu sehen. Die Entwicklung der modernen psychosomatischen Medizin mag dafür ein Beispiel sein, aber auch die Integration künstlerischer Therapiemethoden in den medizinischen Alltag.

Der Begriff der Kunsttherapie wurde in den letzten Jahren vielfältig diskutiert und in Frage gestellt. Er suggeriert zunächst eine gewisse Einheitlichkeit, die tatsächlich jedoch nicht vorhanden ist. Das Wort Therapie innerhalb des Begriffes führt zu Missverständnissen, weil es von vielen Fachautoren synonym verwendet wird mit Psychotherapie. Psychotherapie wird heute allgemein definiert als „das Heilen seelischer Erkrankungen mit psychologischen Mitteln“. Kunsttherapie schließt zwar dieses Gebiet mit ein, findet jedoch auch da Anwendung, wo von Psychotherapie nicht gesprochen werden kann, z. B. bei der Begleitung von demenzkranken Menschen, bei der Arbeit mit geistig Behinderten und Autisten. Der Begriff Kunsttherapie ist also generell nicht gleichzusetzen mit Kunstpsychotherapie. Das Wort Kunst innerhalb des Begriffes Kunsttherapie ist ebenfalls irreführend, denn es geht in der Kunsttherapie nicht um das Schaffen künstlerisch wertvoller Objekte. Vielmehr geht es darum, Kreativprozesse therapeutisch zu nutzen.

Nach Menzen meint Kunsttherapie im engeren Sinne Therapie mit bildnerischen Mitteln, mit Mitteln der Zeichnung, der Grafik, der Malerei, der Plastik, der Drucktechnik und der Fotografie; im weiteren Sinne bezieht sie musisch – kreative Tätigkeiten, wie Bewegung, Tanz, Psychodrama, Theater und Puppenspiel, Poesie und Musik mit ein (vgl. Menzen in Schottenloher, Hg., 1994b, S. 39). Kunsttherapie bezieht sich also im engeren Sinne auf das klassische Feld der Bildenden Kunst.

Bildende Künstler arbeiten heutzutage nicht nur mit den klassischen Ausdrucksmitteln, sondern auch mit anderen Gestaltungsmitteln (z. B. Musik, Bewegung, Film usw.). Der erweiterte Kunstbegriff nach Beuys hat sich in der täglichen künstlerischen Praxis durchgesetzt. Ebenso arbeiten viele Kunsttherapeuten nicht nur mit den klassischen Mitteln der Bildenden Kunst. Der vielleicht angebrachtere Ausdruck Gestaltungs- oder Kreativitätstherapie hat sich im allgemeinen Sprachgebrauch jedoch nicht durchgesetzt. Es wird nach wie vor meist von Kunsttherapie gesprochen, die jedoch nicht einheitlich zu sehen ist, sondern historisch betrachtet aus verschiedenen Ansätzen resultiert.

2.1. Ansätze der Kunsttherapie

Nach Menzen lässt sich die Kunsttherapie ihrer Herkunft nach in sechs Ansätze differenzieren:

1. ein kunstpsychologischer Ansatz,
2. ein kunstpädagogischer Ansatz,
3. ein psychiatrischer Ansatz,
4. ein heilpädagogischer Ansatz,
5. ein kreativ- und gestaltungstherapeutischer Ansatz
6. ein tiefenpsychologischer Ansatz

(vgl. Menzen 2001, S. 13).

Ich füge der Aufzählung Menzens noch zwei weitere bedeutsame Ansätze hinzu:

7. den humanistischen Ansatz und
8. den anthroposophischen Ansatz.

2.1.1. Der kunstpsychologische Ansatz

Der kunstpsychologische Ansatz hat eine gewisse Sonderstellung weil ihm kaum eine kunsttherapeutische Richtung zugeordnet werden kann. Vielmehr geht es hier um ein Forschungsinteresse der Psychologie dessen Ergebnisse verschiedene kunsttherapeutische Verfahrensweisen beeinflusst oder erkenntnistheoretisch untermauert haben.

Menzen beschreibt den Forschungsbereich der Kunstpsychologie folgendermaßen:

„Sie befasst sich seit ihren Anfängen mit den rezeptiven, reproduktiven und produktiven Äußerungsformen des künstlerischen Vorgangs, insoweit diese auf ein psychisches Korrelat der Empfindung oder des Gefühls, also auf die Organisierung von Bewusstseinsprozessen, verweisen“ (Menzen 2001, S. 13).

Die Kunstpsychologie versucht ästhetische Phänomene und deren Auswirkungen auf die menschliche Psyche mit Methoden und Theorien der Psychologie zu ergründen. Die Wirkung von Farben auf die menschliche Gefühlswelt ist beispielsweise Gegenstand kunstpsychologischer Experimente.

2.1.2. Der kunstpädagogische Ansatz

Nach Menzen ist dieser Ansatz hervorgegangen aus einer Entwicklungslinie, die seit den Zeiten der Aufklärung zu verzeichnen ist (vgl. Menzen 2001, S. 14). Ausgangspunkt dafür waren Überlegungen über den Wert einer ästhetischen Erziehung, die sich nur auf dem Hintergrund einer (philosophischen) Lehre von der Verfassung und den Wirkungen der Kunst („des Schönen“) erklären lassen (vgl. Richter, 1984, S. 13). Sie sind aus erkenntnistheoretischen Grundlagen, Kants (1790), Schillers (1802), Hegels (1835) u.v.a. abgeleitet worden (vgl. ebd., S. 14). In der frühen europäischen Pädagogik, die auf diesen philosophischen Überlegungen gründet, ging es um die Nutzbarmachung einer allgemein anerkannten Ästhetik im Sinne des „Schönen“ in der kindlichen Erziehung. An die Wert- und Normvorstellungen der damaligen Zeit, wie ein Kind zu sein habe, wurde die Kunstpädagogik ausgerichtet. Später, mit dem Gewinnen von Erkenntnissen der Entwicklungspsychologie, fand ein Paradigmenwechsel in der Pädagogik statt. Pädagogisches und auch kunstpädagogisches Handeln ging nunmehr verstärkt von den entwicklungspsychologischen Erkenntnissen, den Bedürfnissen der Kinder aus. Pädagogische Kunsttherapie versteht sich heute als Weiterführung dieser Entwicklung und als ein Konzept von Handlungsstrategien welches in Bezug auf ein bestimmtes Klientel z. B. auf verhaltensauffällige Kinder in schulischen und außerschulischen Institutionen angewendet wird, aber auch dort, wo es darum geht schon im Vorfeld Fehlentwicklungen zu verhindern.

2.1.3. Der psychiatrische Ansatz

Nach Menzen ist seit dem frühen 19. Jahrhundert in der Psychiatrie im Sinne einer musisch-bildnerischen Einflussnahme beschäftigungstherapeutisch gearbeitet worden. Die Arbeits-, Ergo-, Werk- und Beschäftigungstherapien der damaligen Zeit waren auf die Funktion von Körper und Geist bezogen und sollten das Arbeitsvermögen wiederherstellen. Innerhalb dieser Therapieformen nahmen auch künstlerische Beschäftigungen ihren Platz ein. In den Folgejahren entstanden einzelne heilpädagogische und beschäftigungstherapeutische Werkstätten in Europa, die teils mit beschäftigungstherapeutischen, teils mit gestaltungstherapeutischen Maßnahmen versuchten, Einfluss auf die psychiatrischen Erkrankungen zu nehmen (vgl. Menzen 2001, S. 15 ff).

Nach Menzen sind künstlerische Therapieformen heute in der Psychiatrie in pädagogischer Hinsicht auf die Ausweitung von ästhetischen und mit diesen korrelierenden sozialpraktischen Kompetenzen ausgerichtet. In eher therapeutischer Hinsicht suchen sie das psychische Verarbeitungsrepertoire zu erweitern (vgl. ebd., S. 17 f).

Das auf wissenschaftlicher Grundlage entwickelte kunsttherapeutische Formenzeichnen findet hier Anwendung. In der Ausübung der Methode geht es um die Wechselwirkung organischer Störungen und psychischer Erkrankungen,

z. B. bei an Alzheimer erkrankten Menschen. Es soll über die Seele auf den Körper Einfluss genommen werden. Die zentrierende Ich- bildende Wirkung wird als ordnend und seelisch harmonisierend empfunden ( vgl. Schorer 2002, S. 38 ff).

2.1.4. Der heilpädagogische Ansatz

Nach Menzen wurde dieser Ansatz 1860 von dem Heilpädagogen Deinhardt und dem Ehepaar Georgens in Bezug auf Sinnes- und Teilleistungsstörungen formuliert. 60 Jahre später orientierte er sich an den damals aufkommenden Ganzheits- und gestaltpsychologischen Ansätzen. Seit etwa 1990 ist die Heilpädagogik neurologisch ausgerichtet. Fehlerhafte Hirnfunktionen, Fehlverknüpfungen und Wahrnehmungsstörungen des teilleistungsgestörten Menschen sollen mit Hilfe kunsttherapeutischer Trainingsmaßnahmen korrigiert oder vermindert werden. In der heilpädagogischen Kunsttherapie geht es folglich um das Ermöglichen sinnesstimulierender Wahrnehmungen (vgl. Menzen 2001, S. 18 ff).

2.1.5. Der kreativ- und gestaltungstherapeutische Ansatz

Menzen unterscheidet der Herkunft nach noch einen weiteren kunsttherapeutischen Ansatz, der sich im Laufe unseres Jahrhunderts entwickelt hat. Dieser Ansatz überschneidet sich teilweise mit dem psychiatrischen. Während sich der psychiatrische Ansatz im Sinne einer Beschäftigungs- und Arbeitstherapie gegen die geistige Verwirrung und den körperlichen Verfall richtete, motorisch anregend und anfordernd sein sollte (vgl. Menzen 2001, S. 16), entstand der kreativ- und gestaltungstherapeutische Ansatz aus einem Forschungsinteresse von Psychiatern, aber auch Künstlern an den künstlerischen Produkten der Psychiatriepatienten. Die medizinisch-psychiatrische Auswertung der Kunst so genannter „Geisteskranker“ ( durch Prinzhorn, Navratil u.a.) führte einerseits zu diagnostischen Überlegungen. Das Interesse der zeitgenössischen Künstler für diese „unverbildete Kunst“ ging andererseits ein in die Kunstrichtung der „Art Brut“ (Dubuffet u.a.) und erfuhr damit eine öffentliche Aufwertung. Der kreativ- und gestaltungstherapeutische Ansatz setzt damit auf die gesellschaftlich integrative Funktion von Kunst. Wer sich als Kreativschaffender erlebt, gewinnt im Kontakt mit sich und der Außenwelt innere Autonomie und Selbstwert. Insofern wirkt Gestaltung auch identitätsfördernd. Bestes Beispiel dafür ist das Künstlerhaus von Gugging.

Heute gibt es besonders in den USA eine breite kunsttherapeutische Richtung, die historisch gesehen eher aus dem künstlerischen Bereich kommt. Viele Kunsttherapeuten sind dort auch ausgebildete Künstler.

2.1.6. Der tiefenpsychologische Ansatz

Der tiefenpsychologische Ansatz in der Kunsttherapie basiert auf den Grundannahmen Freuds, der Existenz des Unbewussten und den Verdrängungsmechanismen des Ich. Grundlegendes Modell dieser Überlegungen ist dabei das sog. Strukturmodell. Es geht von drei verschiedenen im Menschen angelegten psychischen Instanzen aus. Das Ich als Vermittler zwischen den Instanzen Über-Ich (die Summe aller verinnerlichten Werte und Normen der Außenwelt) und dem Es, (dem Teil der Psyche, die zur Triebbefriedigung drängt), stellt die regulierende Instanz dar. Die für das Ich bedrohlichen Triebregungen werden nach psychoanalytischer Auffassung ins Unbewusste verdrängt. Sie kommen in verstellter Form in sogenannten Fehlleistungen, in Assoziationen und in Träumen zum Ausdruck.

Die psychoanalytische Kunsttherapie geht davon aus, dass auch bei der künstlerischen Betätigung unbewusstes Material zu Tage befördert wird, welches dann bearbeitbar wird. Psychoanalytische Kunsttherapie steht im Dienste eines Erkenntnisprozesses, dem Bewusstmachen von innerpsychischen Konflikten, die zu psychischen Leidenszuständen – oder Fehlentwicklungen führen.

Die Psychoanalyse als Wissenschaft und Behandlungsmethode ist seit Freud um viele weitere Konzepte, z. B. der Ich-Psychologie (Hartmann) oder der Selbstpsychologie (Kohut) ergänzt worden. Die moderne psychoanalytische Kunsttherapie berücksichtigt diese Konzepte und Sichtweisen.

Eine andere starke Strömung kunsttherapeutischer Arbeit basiert auf den Theorien C. G. Jungs.

Jungs Analytische Psychologie begreift sich als Ganzheitspsychologie, indem sie versucht, allen Lebensäußerungen des Menschen gerecht zu werden und diese nicht auf einzelne Grundbedürfnisse (z. B. Triebbefriedigung) zu reduzieren. Die wichtigste Entwicklungsaufgabe des Menschen ist nach dieser Theorie die Individuation (vgl. Müller, Seifert in Petzold 1984, S. 175). Nach Jungs Theorie verläuft der Selbstfindungsprozess über die Vereinigung der Polaritäten menschlicher Persönlichkeit in Richtung einer Bewusstseinserweiterung und Ganzwerdung gekoppelt an die Bewusstmachung von Inhalten des persönlichen sowie des kollektiven Unbewussten (archetypische Wirkkräfte) (vgl. ebd., S. 175).

2.1.7. Der humanistische Ansatz

Die humanistische Psychologie, als „dritte Kraft“ neben dem Behaviorismus und der Tiefenpsychologie, hat eine humanistisch ausgerichtete Kunsttherapie hervorgebracht. Die humanistische Grundannahme, die Idee vom Menschen als einen aktiven Gestalter seiner eigenen Existenz (vgl. Bühler, Allen 1973, S. 57) führt zu einer therapeutischen Haltung, die den Klienten gewissermaßen zum „Experten“ seines Problems macht, eine Haltung, die sich auch in der Entwicklung der Methoden, z. B. der Methode des Ausdrucksmalen nach Egger, niederschlägt.

Die von Fritz und Lore Perls und Paul Goodman entwickelte Gestalttherapie als eines von den Wurzeln her tiefenpsychologisch fundiertes Verfahren steht ebenfalls im Dienste der humanistischen Denkrichtung. Sie bezieht ebenso, wie die Integrative Therapie als Weiterentwicklung, künstlerische Ausdrucksformen in ihre Gestaltarbeit mit ein. Beide Therapieformen sind konzeptuell, erkenntnistheoretisch fundierte Verfahren, die sich den Menschen als eine untrennbare Leib-Seele-Geist-Einheit widmen (vgl. Bünte-Ludwig in Petzold, Hg., 1984, S. 220). Beide bedienen sich auch nonverbaler Übungen, in denen Patient und Therapeut mittels einer bildnerisch dokumentierten Ausdrucksgestalt kommunizieren (vgl. Menzen 2001, S. 105).

2.1.8. Der anthroposophische Ansatz

Die anthroposophische Kunsttherapie orientiert sich an der von Rudolf Steiner (1861 – 1925) begründeten Weltanschauungslehre, einer Sichtweise, nach der sich der Mensch stufenweise in Richtung Vervollkommnung entwickelt. Als wichtiges Werkzeug für diese Entwicklung wird auch das Kreativ-Künstlerische prozesshaft eingesetzt. Wichtige Bedeutung hat in der anthroposophischen Kunsttherapie der Einsatz von Formen und Farben als Mittel innerpsychischer Stabilisierung. Diese sollen, methodisch eingesetzt, die natürlichen Selbstheilungskräfte des Menschen stärken. Farben, Formen oder auch Themen werden in der anthroposophischen Kunsttherapie bei bestimmten psychischen Erkrankungen gewissermaßen eingesetzt wie ein „Heilmittel“.

2.2. Zusammenfassung

Zusammenfassend kann gesagt werden, dass die verschiedenen kunsttherapeutischen Ansätze aus sehr unterschiedlichen Denkrichtungen und Traditionen hervorgegangen sind. Ansatzübergreifend formuliert Menzen:

„In der Kunsttherapie geht es um einen innerpsychischen Formbildungs- und Gestaltungsvorgang, der sich in der bildnerischen Formdynamik eines ästhetischen Mediums spiegelt“ (Menzen 1992 , S. 10).

Wichtig zu betonen ist also, dass es in der Kunsttherapie um den Zusammenhang von innerpsychischen Vorgängen und Gestaltungsvorgängen geht. Ergänzend kann angefügt werden, dass diese innerpsychischen Vorgänge natürlich ihre Entsprechungen auf der körperlichen (z. B. neuronalen) Ebene haben. Zunehmende Bestrebungen den Menschen ganzheitlich zu sehen haben dazu geführt, dass auch der Körper mehr und mehr in der kunsttherapeutischen Methodik Berücksichtigung findet, z. B. in der Kombination von Mal- und Atemübungen oder in der Kombination von Kunsttherapie und Qi Gong z. B. bei Traumapatienten.

3. Zielsetzungen kunsttherapeutischer Arbeit

Methodik und spezifische Methoden

3.1. Zielsetzungen

Zielsetzungen kunsttherapeutischer Arbeit können in Abhängigkeit von der Klientel, der Ausrichtung des Therapeuten und den institutionellen- oder auch außerinstitutionellen Gegebenheiten sehr unterschiedlich sein.

Es lassen sich jedoch drei grundlegende Zielsetzungen unterscheiden:

1. Kunsttherapie als Psychotherapie
2. Kunsttherapie als Selbsterfahrung
3. Kunsttherapie als Förderprozess

3.1.1. Kunsttherapie als Psychotherapie

Der Begriff Therapie wird von Petzold folgendermaßen definiert:

„Therapie ist die wissenschaftlich begründete, zielgerichtete klinische Arbeit mit einem Patienten auf der Grundlage einer sorgfältigen Diagnose und Indikationsstellung mit dem Ziel der Heilung oder Linderung seiner Krankheit“ (Petzold 1991 in Petzold, Orth, Hg., Band 1, S. 170).

Kunsttherapie im Sinne von Kunstpsychotherapie oder auch Gestaltungspsychotherapie kann in Anlehnung an Biniek definiert werden als Psychotherapie mit gestalterischen Mitteln (vgl. Biniek 1982, S. 2).

Anders ausgedrückt könnte man anknüpfend an die allgemein übliche Definition von Psychotherapie sagen: Kunsttherapie als Kunstpsychotherapie ist die Heilung oder Linderung seelischer oder körperlich-seelischer Erkrankungen mit gestalterisch- psychologischen Mitteln.

Der wissenschaftlich begründete, zielgerichtete Einsatz dieser Mittel, die spezifischen in einer Therapie eingesetzten Methoden sind dabei eingebettet in eine allgemeine Methodik (verstanden als eine Lehre vom zielgerichteten Einsatz und der sinnvollen Koordination von Einzelmethoden) der jeweiligen Therapierichtung.

Die wie Petzold es formuliert „wissenschaftliche Begründung“ schließt damit die Grundannahmen einer Therapieschule mit ein. Sie bestimmen neben anderen Faktoren die Methodik und letztlich die angewandten spezifischen Methoden und Techniken.

Als Beispiel sei die psychoanalytische Richtung genannt, die u. a. von dem Strukturmodell Freuds ausgeht, der Annahme des Unbewussten, der Therapie als ein Prozess der Bewusstmachung verdrängter Inhalte und Konflikte, die zu seelischem Leiden führen. Dementsprechend arbeitet die Psychoanalyse mit verdrängten Inhalten, die aufgedeckt werden sollen und bedient sich u. a. der Übertragung als Erkenntnisinstrument. Das Entwickeln der therapeutischen Übertragungsbeziehung ist wichtigstes methodisches Instrument. Ziel ist das Bewusstmachen und schließlich die Auflösung dieser Übertragung durch spezifische Methoden wie z. B. der Deutung. Letztlich geht es darum alte Konflikte und Übertragungsmuster bewusst werden zu lassen und aufzugeben.

Dabei werden auch neue Lernerfahrungen gemacht.

Helena Schrode sagt zum Ziel ihrer tiefenpsychologisch orientierten Kunsttherapie, die in Gruppen im klinischen Setting stattfindet, dass der Patient im Therapieprozess, in der Beziehung zum Therapeuten und gegebenenfalls in der Gruppe, korrigierende emotionale und soziale Erfahrungen machen soll (vgl. Schrode 1995, S. 12).

[...]

Fin de l'extrait de 76 pages

Résumé des informations

Titre
Kunsttherapeutische Methoden in der Sozialen Arbeit
Université
University of Applied Sciences Hanover
Note
1,3
Auteur
Année
2006
Pages
76
N° de catalogue
V83900
ISBN (ebook)
9783638884334
Taille d'un fichier
566 KB
Langue
allemand
Mots clés
Anwendbarkeit, Einsatz, Methoden, Sozialen, Arbeit
Citation du texte
Rainer Landeck (Auteur), 2006, Kunsttherapeutische Methoden in der Sozialen Arbeit, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/83900

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