Die Jazz- und Swingjugend der Weimarer Republik


Dossier / Travail de Séminaire, 2001

30 Pages, Note: 1,7


Extrait


Inhaltsverzeichnis

I. Vorbemerkungen

II. Forschungsstand

III. „Es kommt die neue Welt über’s Meer gefahren ...“

IV. „... sie (die Jugend) sieht die Gefahr nicht der Überschwemmung...“

V. Die Jazz und Swingjugend
V.I.Tangojünglinge
V.II. Jugendliche Musiker und Bands
V.III. Jazz- und Hotclubs
V.III.1 Die Trägerschaft
V.III.2 Wertvorstellungen und Ideale der Jazz- und Swingjugend
V.III.3 Das Auftreten und Erscheinungsbild
V.III.4 Die Struktur der Gruppen

VI. Schlussbemerkungen

Literaturverzeichnis

Quellenverzeichnis

I. Vorbemerkungen

„Aber die Melodie ist vorhanden: in den Seelen der Musikanten und Tänzer. Gewissermaßen eine zwischen den Klopfgeräuschen zu lesende Melodie. Sie ist keine Komposition, sondern ein Ausbruch. Sie ist nicht erfunden, sondern geboren. Und sie hat den Wohlklang, den wilden, den gottgewollten Rhythmus. Denn in den Seelen der Neger schlummert die gesetzlose Willkürmusik eines noch nicht in Völkerbündel geordneten Chaos. Das nennen die Weißen in Amerika und Mitteleuropa ‚Jazzband’“[1]

Obwohl die Jazzmusik nicht zu den herausragendsten kulturellen Neuerungen und künstlerischen Errungenschaften in der Zeit der Weimarer Republik gehört, kommt ihr doch gerade in Bezug auf ihre Wirkung auf die Jugend ein besonderer Stellenwert zu.

Die Jugendlichen, die ihre Liebe zu dieser Musik entdeckt hatten, formierten sich sehr schnell zu einer ganz eigenen Jugendbewegung - die Jazz- und Swingjugend.

Die Entwicklung dieser Jugendbewegung in den 20er und 30er Jahren zeigt sich als Reaktion auf die äußeren Lebensumstände der Jugendlichen, die von der zunehmenden Politisierung des Lebens geprägt waren. In der Phase der relativen Stabilisierung entstanden, forcierte sie sich immer mehr am Ende der Weimarer Republik, als zunehmend konservative Kräfte den Handlungsspielraum und die Freiheit der Jugendlichen einschränkten.

In der Zeit des Nationalsozialismus erreichte die Swingbewegung, durch ihr Auftreten und ihre Auffassungen als Bewegung eine höhere gesellschaftspolitische Brisanz und wurde deswegen durch die Gestapo verfolgt.

Die Swingbewegung als solche bildete sich erst Anfang der 30er Jahre aus jenen Jugendlichen, die sich bereits ab Mitte der 20er Jahre für den Jazz und für Swing begeisterten. Um die Bewegung in der Zeit der Weimarer Republik zu charakterisieren, die ihr Selbstverständnis und ihre Lebensformen von der neuen Musik aus Amerika ableitete und aus der sich später die Swingbewegung entwickelte, wird von dem Begriff der Jazz- und Swingjugend ausgegangen.

Im ersten Teil dieser Arbeit sollen, ausgehend von kulturellen, wirtschaftlichen und politischen Gegebenheiten im Bereich der Kultur und Gesellschaft dieser Zeit, die Gründe und Ursachen aufgezeigt werden, die zur Entstehung und Entwicklung der Jazz- und Swingbewegung führten.

Für die Konstituierung von Gruppen oder Bewegungen ist nicht nur die Identifikation mit einer Sache, sondern auch die Abgrenzung von bestimmten Dingen von entscheidender Bedeutung, um ihr Selbstverständnis und ihre Identität zu finden. In dieser Hinsicht werden kontroverse Meinungen über den Jazz berücksichtigt, von denen besonders die rechtskonservativen Aussagen Bedeutung für die Konstituierung der Jazz- und Swingjugend als Bewegung erlangten.

Wertvorstellungen, Auffassungen, äußere Erscheinung, die Struktur und die Trägerschaft einer Gruppe bedingen und beeinflussen sich maßgeblich, erst sie charakterisieren eine Bewegung als solche.

Im zweiten Teil dieser Arbeit soll hinsichtlich dieser gruppenspezifischen Kriterien das Wesen der Jazz- und Swingbewegung näher erläutert werden, um auf diese Weise die Sonderstellung, welche diese Bewegung innerhalb der Jugendbewegungen der Weimarer Republik einnimmt, zu verdeutlichen.

II. Forschungsstand

Erst in den letzten 10-20 Jahren begann eine intensivere Beschäftigung von Historikern und Musikwissenschaftlern mit der Jazz- und Swingbewegung. Im wesentlichen legten diese jedoch ihren Schwerpunkt auf die Swingbewegung in der Zeit des Nationalsozialismus, da wie bereits erwähnt, die Jazz- und Swingbewegung erst in dieser Zeit mehr in den gesellschaftspolitischen Vordergrund trat, sich forcierte und eine zunehmende Protesthaltung gegenüber dem totalitären System einnahm. So finden sich verallgemeinernde Darstellungen zur Swingbewegung bei Detlev Peukert[2] und Rainer Pohl[3] in denen meist aber nur kurz auf die Anfänge der Bewegung in der Weimarer Republik hingewiesen wird. Im Besonderen legt Jan Kurz[4] eine sehr genaue Analyse dieser Bewegung vor, die eben diese Anfänge berücksichtigt. Parallel dazu existieren Analysen über regionale Swingbewegungen im Nationalsozialismus[5], auf die sich diese Arbeit jedoch nicht stützt.

Die wenig umfangreiche Forschungsliteratur zu diesem Thema ist in erheblichem Maße der ohnehin spärlichen Quellenlage geschuldet. Aufgrund der Verfolgung der Swingjugendlichen durch die Gestapo, existieren aus der Zeit des Nationalsozialismus einige Protokolle von Razzien und Verhören, sowie Berichte, die sehr detailliert auf die Gruppenstruktur, ihr Verhalten, ihre Auffassungen und ihr Aussehen eingehen. Vorwiegend befinden sich diese Quellen in den Archiven der Städte, die zu den Zentren der Jazz- und Swingbewegung gehörten wie z.B. Hamburg, Wiesbaden oder Frankfurt.[6] Aus ihnen lassen sich teilweise Merkmale und Grundhaltungen der Jazz- und Swingjugend in der Weimarer Zeit rekonstruieren. Eine wichtige Hilfe bei der Erarbeitung des Themas waren v.a. Interviews und Berichte von Zeitzeugen bzw. Anhängern der Bewegung selbst, die vereinzelt mit den Aufzeichnungen der Gestapo übereinstimmen. Obwohl all diese Interviews und Erzählungen sehr stark subjektiv gefärbt sind und lediglich aus Erinnerungen an diese Zeit resultieren, kommt ihnen in dieser Arbeit ein hoher Stellenwert zu. Sie sind die einzigen Quellen, die nicht nur die Zeit des Nationalsozialismus berücksichtigen, sondern auch über die Jazz- und Swingjugend in der Weimarer Republik Aufschluss geben. Ein weiterer wesentlicher Faktor, besonders in Bezug auf den ersten Teil dieser Arbeit, waren Reflexionen der (rechts)konservativen Presse gegenüber den für sie bedrohlich wirkenden Amerikanismus und der Jazzmusik. Die etwas umfangreichere Quellenlage auf diesem Gebiet, begünstigt ein umfassenderes Bild der Kontroversen und Vorbehalte gegen diese Musik und die damit verbunden Lebensformen.

Insgesamt muss man leider feststellen, dass die Jazz- und Swingjugend in der Zeit der Weimarer Republik in der Forschungsliteratur bislang nur sehr wenig Beachtung gefunden hat.

III. „Es kommt die neue Welt über’s Meer gefahren und erbt das alte Europa durch den Tanz“

„Deutschland, das Volk der Dichter und Denker, die Heimat eines Bach und Dürer, eines Beethoven und Grünewald, eines Goethe und Kant, eines Eckehart und Luther - und nun einer Jauchegrube gleich! [...] Die Bühnen predigen den Untergang, und das Publikum erquickt sich gruselnd am Blicke der eigenen Instinktverwirrung. Das ist die neue Zeit - und der Neger Jonny ist ihr Prophet“[7][8]

Der Neger Jonny als Prophet der neuen Zeit, ist zugleich Sinnbild für das vermehrte Eindringen von amerikanischen Einflüssen in den Bereich der Kunst, Kultur und damit verbunden in die Gesellschaft der Zeit der Weimarer Republik.

Die Amerikanisierung in Europa, welche einherging mit dem Import fremder, v.a. afroamerikanischer Elemente in die deutsche Kultur und Gesellschaft, wurde im besonderen Maße in (rechts)konservativen Kreisen sehr kritisch, ja geradezu ketzerisch beäugt. Sie begriffen den wachsenden Fortschritt, die Modernisierung und v.a. die sich auf dieser Basis immer mehr ausbreitende Vergnügungsindustrie als enorme Gefahr für die deutsche Jugend, das deutsche Kulturerbe und nicht zuletzt als Bedrohung für das gesamte deutsche Volk. Unter den Feinden der republikanischen Ordnung ergab sich somit eine Mitschuld der führenden Politiker am „Untergang der deutschen Kultur und des deutschen Volkes“[9], da diese durch eine liberale Kulturpolitik und die demokratischen Grundsätze der Weimarer Verfassung erst die Rahmenbedingungen für die Ausbreitung einer solch vielfältigen und pluralistischen Kultur, wie man sie in der Zeit der Weimarer Republik findet, schufen.[10]

Die Zensur in Deutschland war, sehr zum Missfallen dieser (rechts)konservativen Kräfte, in den Jahren der Weimarer Republik nicht all zu streng, schien den „Kulturbolschewismus“ zu fördern und sich dadurch für den Verderb der Jugend verantwortlich zu machen.

„Die Oper des Tschechen Krenek "Jonny spielt auf“, sie verherrlicht einen Neger der weiße Mädchen vergewaltigt, der sich dessen brüstet und den ein solches Mädchen anbetet. Ein unverschämtes Lob der Rassenschande, eine Ohrfeige für jeden Weißen.

Ein Volk, das solche Dinge widerstandslos hinnimmt, dessen führende Männer dafür ihren Namen nicht verweigern, ist zum Untergang bestimmt.“[11]

Auch der „Der Blaue Engel“ und „Die Dreigroschenoper“ durften in Deutschland, nicht aber in Frankreich gezeigt werden.[12]

[...]


[1] Roth, Joseph: „Jazzband“ In: Berliner Börsen Courier 1.5. 1921. In: Westermann, Klaus (Hg.): Joseph Roth. Das journalistische Werk. Bd.I. Frankfurt/Main 1989. S. 547

[2] Peukert, Detlev J.K.: Edelweißpiraten, Meuten, Swing. Jugendsubkulturen im Dritten Reich. In: Huck, Gerhard (Hg.): Sozialgeschichte der Freizeit. Wuppertal 1980. S. 307-327

[3] Pohl, Rainer: „Schräge Vögel mausert euch.“ In: Breyvogel, Wilfried (Hg.): Piraten, Swings und Junge Garde. Jugendwiderstand im Nationalsozialismus. Bonn 1991. S. 241-270

[4] Kurz, Jan: “Swinging Democracy”. Jugendprotest im 3.Reich. Münster 1995.

[5] Vgl. Bender, Otto: Swing unterm Hakenkreuz in Hamburg 1933-1943. Hamburg 1993 . Keval, Susanna: Widerstand und Selbstbehauptung in Frankfurt am Main. 1933-1945. Spuren und Materialien. Frankfurt/Main 1988. Bembeneck, Lothar: Widerstand und Verfolgung in Wiesbaden. 1933-1945. Eine Dokumentation. Giessen 1990.

[6] Vgl. Kurz, Jan: „Swinging Democracy“. Jugendprotest im 3. Reich. Auflistung einzelner Archive S. 173 oder Jahnke, Karl Heinz/Buddrus, Michael (Hg.): Deutsche Jugend 1933-1945. Eine Dokumentation. Hamburg 1989. S. 465

[7] Schlusschor aus Ernst Kreneks Oper „Jonny spielt auf“. In: Hermand, Jost/Trommler, Frank: Die Kultur der Weimarer Republik. Frankfurt/Main 1988. S. 314

[8] Schellenberger, Ernst Ludwig: „Verniggerung der Kultur“ In: Der Türmer. Monatsschrift für Gemüt und Geist 30. Jhg. Heft 3, Dezember 1927. S.268 [9] Vgl. „Zur sexuellen Not der Jugend“ In: Der Türmer. Monatsschroft für Gemüt und Geist. 31. Jhg. Heft 6, März 1929. S.527

[10] Vgl. Laqueur, Walter: Weimar. Die Kultur der Republik. Frankfurt/Main 1977. S.279,290 und Kolb, Eberhard: Die Weimarer Republik. 3.Auflage. München 1993. S.93

[11] „Zur sexuellen Not der Jugend“. a.a.O. S.527

[12] Vgl. Laqueur, Walter: Weimar. Die Kultur der Republik. S.290

Fin de l'extrait de 30 pages

Résumé des informations

Titre
Die Jazz- und Swingjugend der Weimarer Republik
Université
University of Leipzig  (Historisches Seminar)
Cours
Die Jugendbewegung in der Weimarer Republik
Note
1,7
Auteur
Année
2001
Pages
30
N° de catalogue
V83969
ISBN (ebook)
9783638004411
ISBN (Livre)
9783638911955
Taille d'un fichier
546 KB
Langue
allemand
Mots clés
Jazz-, Swingjugend, Weimarer, Republik, Jugendbewegung, Weimarer, Republik
Citation du texte
Studienrätin Sandra Müller (Auteur), 2001, Die Jazz- und Swingjugend der Weimarer Republik, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/83969

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