Palliativpflege in der Geriatrie


Diplomarbeit, 2005

53 Seiten, Note: 2,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Abstract

1. Vorwort

2. Gedicht

3. Palliativpflege in der Geriatrie - Was ist das?
3.1 Definition
3.2 Eine Geschichte zum Nachdenken
3.3 Neue Wege in der palliativen Geriatrie
3.3.1 Sind hochbetagte Menschen Palliativpatienten?
3.3.2 Kurative Behandlung
3.3.3 Rehabilitation
3.3.3.1 Kleine Exkursion in die aktivierende Pflege
3.3.4 Palliative Behandlung

4. Methoden der geriatrischen PalliativpflegeS
4.1 Pflege bei psychischen Beschwerden
4.1.1 Auslöser für Verhaltensveränderungen
4.1.2 Pflege bei Aggression und Gewalttätigkeit
4.1.3 Pflege bei Angst
4.1.4 Pflege bei Delir (akuter Verwirrtheitszustand)
4.1.5 Pflege bei Depressionen
4.1.6 Pflege bei Desorientierung
4.1.7 Pflege bei Weglaufen, Laufzwang, zielloses Umherirren
4.1.8 Zehn Bitten alter Menschen an alle Berufsgruppen
4.2 Pflege bei körperlichen Beschwerden
4.2.1 Pflege bei Atemnot (Dyspnoe)
4.2.2 Pflege bei Exsikkose
4.2.3 Pflege bei Dekubitus
4.2.4 Pflege bei Kachexie (Kräfteverfall)
4.2.5 Pflege bei Schmerzen
4.2.6 Pflege bei Übelkeit und Erbrechen

5. Der Fragebogen
5.1 Forschungsansatz und Methodik
5.2 Der Aufbau des Fragebogens
5.3 Darstellung der Ergebnisse
5.4 Interpretation der Ergebnisse

6. Fazit

7. Literaturverzeichnis

Abstract

Im Unterkurs der Krankenpflegeschule, genauer gesagt im zweiten Praktikum, arbeitete ich das erste Mal in der Altenpflege. Zu diesem Zeitpunkt hatte ich erst­mals die Idee über Palliativpflege in der Geriatrie zu schreiben und nun habe ich dies wahrgemacht.

Meine Arbeit beginnt mit einer „Einführung in die palliative Geriatrie“, damit sich jeder vorstellen kann, was damit gemeint ist und was alles mit der Palliativpflege in der Geriatrie zusammenhängt. Dabei habe ich erst bemerkt wie weitläufig dieses Thema ist und so habe ich auch noch über die Therapien und die Rehabilitation geschrieben und zusätzlich einen kleiner Abstecher in die aktivierende Pflege gemacht.

Den Großteil meiner Arbeit habe ich jedoch der Pflege bei psychischen und körper­lichen Beschwerden hochbetagter Menschen gewidmet, welche ich durch eigene Erfahrungen veranschaulichen wollte, was mir hoffentlich gelungen ist.

So habe ich die wichtigsten psychischen und körperlichen Symptome beschrieben, denn auf alle konnte ich nicht eingehen, das hätte den Rahmen dieser Arbeit gesprengt.

Abschließend finden Sie, liebe Leser, die Auswertung meines Fragebogens zum Thema „Palliativpflege in der Geriatrie“, mit welcher ich die Situation in der Praxis darstellen möchte.

1. Vorwort

Die Idee für das Thema meiner Fachbereichsarbeit hatte ich bereits im Unterkurs nach meinem ersten Praktikum im Altersheim.

Obwohl ich in einem sehr guten Heim war, gaben mir doch einige Vorkommnisse, gerade im Bereich der Palliativpflege, zu denken. Deshalb hielt ich es für eine gute Idee über dieses Thema zu schreiben und ich bin nicht enttäuscht worden, denn es gibt vielleicht nicht viel Literatur zu diesem Thema, aber wirklich gute (siehe Literaturverzeichnis).

Es war mir überaus wichtig in meiner Arbeit immer wieder eine Brücke zur Praxis zu bauen, von meinen persönlichen Erfahrungen zu berichten und durch eine empirische Studie die Situation in der Praxis darzustellen.

Mit dieser Arbeit möchte ich allen Menschen, die beruflich oder privat mit sterben­den, alten Menschen zu tun haben, einen Leitfaden geben, damit sie sich nicht so machtlos fühlen wie mir anfangs zumute war. Weiters ist es mir noch ein Anliegen zu sagen, dass die Arbeit mit alten Menschen eine überaus erfüllende und wun­derschöne Tätigkeit ist, auch für junge Menschen, und dass ich mir gar nicht vorstellen könnte auf einem anderen Gebiet zu arbeiten.

Nun möchte ich mich noch bei einigen Menschen bedanken: Herzlichen Dank an Herr Stadelmann, der immer Zeit für mich hatte und meine vielen Fragen immerzu beantworten wusste.

Meiner Freundin Vera Kühnel (Studentin an der FH Vorarlberg, Dornbirn) gilt ein besonderes Dankeschön, da sie meine Arbeit korrigiert und formatiert hat. Abschließend möchte ich auch meiner Mama danken, die während dieser an­strengenden Zeit in meiner Ausbildungen sämtliche Dinge für mich erledigt hat. Nun wünsche ich allen viel Vergnügen beim Lesen!

FALTEN

Wenn ich alt werde
möchte ich Falten haben,
ganz viele Falten
vom Lachen
Lächeln
Schmunzeln
Gütigsein

Sorgenmachen über und für andere.
Meine ganze Geschichte soll in meinem
Gesicht stehen.

Und jeder, der sie liest, soll sagen:

Das ist eine gute Geschichte.

Mein Gesicht soll eine Landschaft werden
mit Berg und Tal,

in denen Menschen sich verlieren und
wiederfinden können.

Mit Furchen,

in denen der Schabernack lauert
und Winkeln voll Güte und Trost,
mit Ebenen, um sich auszuruhen,
und Gruben, in denen man sich geborgen fühlt.

Und jeder soll sagen:

Das ist eine gute Landschaft,
das ist die Landschaft,
die ein Mensch ist.

Verfasser unbekannt

3. Palliativpflege in der Geriatrie - Was ist das?

3.1 Definition

Die für mich wohl beste Definition (Grond, 2004: S 5f) ist die nun folgende:

„Die WHO-Definition für Palliativmedizin trifft auch für psychisch veränderte Heimbewohner zu: Sie haben viele unheilbare, fortschreitende Erkrankungen mit Schmerzen, eine begrenzte Lebenserwartung und wollen Lebensqualität bis zu­letzt erhalten statt aktiver Sterbehilfe und statt der Resignation der Betreuer: „Wir können nichts mehr für Sie tun!“ Palliativpflege (pallium = Mantel) ist gesund­heitsfördernde aktive Lebenshilfe, nicht Sterbehilfe. Sie sucht den ständigen Austausch mit den Kranken, Ehrenamtlichen, Ärzten und Angehörigen anderer Berufsgruppen.

Für die von der Medizin als „austherapiert“ aufgegebenen alten Kranken hat nicht mehr ärztliche Verantwortung Vorrang, sonder das Wohlbefinden der Patienten.

Palliative Care bedeutet nicht nur Pflege, sondern ganzheitliche, d. h. körperliche, psychische, soziale und spirituelle Begleitung. Ziel der Palliative Care ist es, den alten, multimorbiden und unheilbaren Menschen die Leiden zu lindern, ein selbst­bestimmtes Leben bis zuletzt zu ermöglichen sowie Lebensfreude und Lebens­qualität zu verbessern. Es geht nicht nur um Schmerztherapie und Symptom­kontrolle wie bei Krebskranken, sondern um Hilfe für psychisch veränderte alte Menschen, den noch nicht Sterbenden beizustehen, ihr Leiden akzeptieren zu können, und denen, die nicht länger leben können, den Tod weder zu beschleu­nigen, noch zu verzögern, sondern zu gewährleisten, dass sie in Würde sterben dürfen. Palliative Care ist nicht nur in Kliniken, sondern auch in Pflegeheimen dringend gefordert, weil diese zunehmend schwerst Pflegebedürftige aufnehmen und fast jeder 4. im Heim stirbt. In jeder Stadt ist in mindestens einem Pflegeheim ein stationäres Hospiz nötig. Mobile Einheiten eines multidisziplinären Begleit­teams im Versorgungsnetz zu Hause, in Heim oder Klinik erreichen eine men- schenwüdige Sterbebegleitung, besser Lebensbegleitung, die nur finanzierbar ist, wenn Ehrenamt zur Bürgerpflicht wird.

Während die Hospizarbeit Sterbende in der Terminalphase begleitet, wendet sich Palliative Care den alten Kranken im letzten Jahr zu und bemüht sich um eine Teilrehabilitation zu mehr Lebensfreude. Eine klare Abgrenzung ist nicht möglich. Alte Pflegebedürftige schwanken oft zwischen Hoffnung und Verzweiflung, die Angehörigen zwischen Tröstenwollen und Erschöpfung und die Pflegenden zwischen Kompetenz und Zeitnot. Die Helfer projizieren oft die eigene Hilflosig­keit und Angst auf die alten Kranken. Palliative Care berücksichtigt die Lebens­qualität der Pflegebedürftigen und Begleiter.“

3.2 Eine Geschichte zum Nachdenken

Während meiner Praktika im Altersheim konnte ich viele verschiedene Erfahrun­gen im Umgang mit alten Menschen machen. Auf unserer Station lebten 20 Be­wohner, die sich sehr voneinander unterschieden haben. Es gab Bewohner, die noch sehr mobil waren, viel Besuch bekamen und einen guten Kontakt zu den Schwestern pflegten. Genauso gab es jedoch Bewohner, die schon dement waren, und solche, die an Alzheimer und Parkinson litten.

Ich habe während meiner Praktika einige Bewohner sterben gesehen und auch selbst versucht, sie, so gut ich eben konnte, zu begleiten. Immer mehr ist mir dabei klar geworden, wie verschieden die Menschen sind. Sie unterscheiden sich in ihrer Lebensgeschichte, ihren Gewohnheiten, ihrer Krankengeschichte und ihrem Alter.

Der Fall, der mir wohl am besten in Erinnerung geblieben ist, ist jener der Luise J. Als sie ins Altersheim kam, war sie bereits 90 Jahre alt. Sie hatte drei Insulte hinter sich, wobei ihre Probleme weniger physischer, sondern eher psychischer Natur waren. Um es auf den Punkt zu bringen: sie sprach kaum noch. Sehr selten sagte sie „ja“ oder „nein“ und auch wenn sie antwortete waren ihre Antworten meistens unpassend. Wenn eine ihrer Töchter zu Besuch kam, lächelte sie meist die ganze Zeit, andererseits verzog sie ihr Gesicht, wenn ihr etwas nicht passte. Ihre einzige sprachliche Ressource, die vollkommen erhalten war, war singen. Sie konnte wirklich fast jeden alten Schlager, der im Radio kam, auswendig mit­singen.

Von Praktikum zu Praktikum (ich absolvierte auch zwei Ferialpraktika in diesem Altersheim) fiel mir auf, dass Frau J. immer mehr abbaute. Sie schien von Mal zu Mal weniger von ihrer Umwelt wahrzunehmen. Irgendwann sagte sie auch nicht mehr „ja“ und „nein“, freute sich nicht mehr und war auch nicht mehr traurig. Ihr Gesicht war ausdruckslos und leer und so saß sie wochenlang im Wohnzimmer des Altersheimes. Während meines letzten Praktikums in diesem Altersheim lag sie dann nur noch im Bett. Sie ließ sich kaum noch Essen eingeben und wollte auch kaum mehr trinken.

Ich wusste, dass es nur natürlich ist, wenn das Leben mit 92 Jahren langsam zu Ende geht und auch alle meine Arbeitskolleginnen waren sich dessen bewusst. Was uns verunsicherte, war die Tatsache, dass sich Frau J. absolut nicht äußern konnte. Sie konnte uns nicht sagen, ob sie Schmerzen hatte oder ihr zu warm oder zu kalt war und so wussten wir nie genau, ob das, was wir taten, für sie in Ordnung war.

Frau J. ist dann bald gestorben. Sie ist ganz friedlich im Beisein ihrer Töchter eingeschlafen.

Nach ihrem Tod begann ich darüber nachzudenken, wie sehr sich die Pallia­tivpflege im Allgemeinen von der geriatrischen Palliativpflege unterscheidet. Ich nahm mir vor, viel über dieses Thema zu lesen und zu lernen, damit ich mir in Zukunft nicht mehr so hilflos vorkomme. Vor allem möchte ich das für meine zukünftigen Patienten tun, jedoch auch für mich, denn es gibt nichts Schlimmeres, als abends nach Hause zu gehen und das Gefühl zu haben nicht professionell gehandelt zu haben bzw. zu wenig getan zu haben.

3.3 Neue Wege in der palliativen Geriatrie

Es ist eine Tatsache, dass die Menschen in unserer Zeit immer älter werden. Das haben wir den Errungenschaften der modernen Medizin zu verdanken. Diese Veränderung stellt uns jedoch auch vor ein Problem. Wir brauchen neue Wege in der Begleitung alter, kranker und verwirrter Patienten. Das gilt in gleichem Maß für die Medizin und für die Pflege.

3.3.1 Sind hochbetagte Menschen Palliativpatienten?

Hochbetagte Patienten haben oft unheilbare Krankheiten (Kojer, 2002: S. 33ff), wie z.B Herzinsuffizienz (Herzschwäche), Niereninsuffizienz (Nierenversagen), Demenz, Atemwegserkrankungen, Diabetes und Durchblutungsstörungen. Die meisten alten Menschen leiden an mehreren schweren Krankheiten, wobei eine von ihnen meist im Vordergrund steht.

Chronische Schmerzen und quälende Symptome wie Atemnot, Übelkeit, Er­brechen, Angst, akute Verwirrtheit, Hautjucken und Stuhlschwierigkeiten sind keine Seltenheit.

Die Lebenserwartung von hochbetagten Patienten ist aus Alters- und/oder Krank­heitsgründen oft zeitlich beschränkt. Kurative Heilmethoden können in den meisten Fällen nicht mehr angewendet werden, da man die Strapazen solcher Metho­den (z.B. Chemotherapie) einem alten Menschen nicht mehr zumuten kann.

Dazu kommt, dass die Eigendynamik einer solchen Krankheit meistens sowieso keinerlei Besserung mehr zulässt.

Man darf dennoch nicht vergessen, dass viele hochbetagte Menschen den Tod nicht mehr als Feind ansehen. Sie fürchten sich um einiges mehr vor den Din­gen, die sie in der ihnen noch verbleibenden Zeit erwarten. Genau aus diesem Grunde müssen wir als Pflegepersonen immerzu versuchen, die Lebensqualität unserer betagten Patienten zu erhalten bzw. zu verbessern. Das heißt, dass wir in Zusammenarbeit mit den Ärzten herausfinden müssen, welche Beschwerden unseren Patienten das Leben unerträglich machen und anschließend müssen wir versuchen, diese zu lindern. Hochbetagte Menschen brauchen aber nicht nur pal­liative Versorgung. Selbstverständlich gibt es auch Krankheiten, deren Therapie sinnvoll ist und welche auch therapiert werden sollen.

3.3.2 Kurative Behandlung

Eine kurative Behandlung ist in manchen Situationen gerade bei hochbetagten Patienten nicht nur möglich, sondern auch sinnvoll.

Dies gilt besonders für die Therapie akuter Erkrankungen (Kojer, 2002: S 35): - akute Infekte - akute Entgleisungen - Unfälle

Der akute Krankheitszustand sollte geheilt oder zumindest wesentlich gebessert werden. Es ist jedoch wichtig im Vorhinein zu prüfen, ob eine realistische Chan­ce auf Besserung besteht, denn auch im Falle einer akuten Erkrankung gilt der Grundsatz den Patienten nicht unnötig zu belasten (wie z.B. durch wiederholte Pleurapunktionen).

3.3.3 Rehabilitation

Auch für die Rehabilitation gilt der Grundsatz, dass sich nichts erzwingen lässt.

Es muss von Fall zu Fall eigens entschieden werden, inwieweit eine Rehabilitation möglich ist und Lebensqualität zurückgewonnen werden kann. Zu diesem Thema schreibt Marina Kojer, Ärztin für Geriatrie (2002: S.35): „Im Zusammenhang mit unseren Patienten verstehen wir Rehabilitation nicht nur als „Akutmaßnahme“, wenn Krankheit, Unfall oder ungünstige Lebensumstände den Bewegungsradius eingeschränkt haben, sondern, falls erforderlich, auch als lebenslanges Angebot. Das Angebot soll gewährleisten, dass jeder einzelne bis zuletzt so viel wie möglich an Selbständigkeit bewahrt. Auch wenn jemand nur noch kurze Zeit zu leben hat, ist es nicht gleichgültig, ob er seinen Trinkbecher noch alleine zum Mund führen kann oder warten muss, bis jemand ihm hilft. Es ist nicht gleichgültig, ob er eine Fliege, die ihn belästigt, selbst verscheuchen kann oder hilflos dulden muss, dass sie sich auf seiner Nase niederlässt.“

Rehabilitation ist keinesfalls nur den Physiotherapeuten vorbehalten. Wir Pflege­kräfte können mit der Methode der aktivierenden Pflege sehr viel dazu bei­tragen.

3.3.3.1 Kleine Exkursion in die aktivierende Pflege

Viele Patienten, besonders hochbetagte, müssen sich auf eine bleibende Be­hinderung einstellen (Schober, 2003: S. 29). In der aktivierenden Pflege geht es einfach darum den Patienten „Hilfe zur Selbsthilfe“ zu geben. Selbst Palliativ­patienten müssen nicht hilflos sein. Man muss ihnen ihre eigenen Ressourcen klarmachen, damit sie durch diese ihre Defizite überwinden können. Die Aufgabe der Pflegenden ist in diesem Fall nicht die Körperpflege, sondern die Patien­ten zu selbständigem Tun anzuleiten. In der aktivierenden Pflege soll auf ein bestimmtes größeres oder kleineres Ziel, je nachdem, hingearbeitet werden.

Dieses Ziel wird von den Pflegenden gemeinsam mit dem Patienten bestimmt und auch dokumentiert. Wird dieses Ziel dann erreicht, kann das nächste in An­griff genommen werden.

Aktivierende Pflege ist ein tolles Instrument, welches sehr viel zur Rehabilitation beitragen kann, allerdings ist sie auch sehr zeitaufwendig und fordert einiges an Geduld von den Pflegekräften. Sie kann auch nicht überall angewendet werden, da der Personalstand dies oft nicht zulässt. Wenn man es jedoch genau betrachtet ist die aktivierende Pflege der einzige Weg, um den Patienten die nötige Selbst­ständigkeit zurückzugeben und ihnen die Hilflosigkeit zu nehmen.

3.3.4 Palliative Behandlung

Wie bereits oben erwähnt, leiden die meisten hochbetagten Patienten an Schmerzen und/oder anderen quälenden Symptomen, die dringend behandelt werden müssen, um Lebensqualität zu gewährleisten. Die Aussage zu diesem Thema von Marina Kojer (2002: S. 36) empfinde ich als sehr treffend: „Alle weit fortgeschrittenen chronischen Krankheiten (einschließlich der Demenz!), Todesnähe (aus welcher Ursache auch immer) aber auch bloße Altersschwäche rufen geradezu nach Pallia­tive Care.“

Die Palliativpflege, welche für andere Altersgruppen entwickelt wurde, kann den Bedürfnissen der geriatrischen Patienten meist nicht gerecht werden. Im Wesent­lichen geht es darum, mit den schwer kontaktierbaren Patienten auf irgendeinem Weg in Kontakt zu treten. Klingt einfach, will jedoch erlernt sein!

4.Methoden der geriatrischen Palliativpflege

4.1 Pflege bei psychischen Beschwerden

Eine der häufigsten Ursachen für Verhaltensveränderungen hochbetagter und vor allem dementer Patienten im Sterbeprozess ist die Angst (Grond, 2004: S.13). Unter normalen Umständen hat ein Mensch, wenn er Angst hat, zwei Möglichkei­ten: kämpfen oder fliehen. Ein alter Mensch kann keines von beidem. So äußert seine Angst sich durch Unruhe, Umherwandern und auch durch Schlafstörungen. Es ist sehr interessant zu wissen, dass Halluzinationen, vor allem wenn sie bei Sonnenuntergang auftreten, die Flucht in eine Fantasiewelt sind. So versuchen demente Menschen dieser Welt, in der sie sowieso nur noch Schmerzen erleiden müssen, zu entkommen. Der sogenannte „Bestehlungswahn“, den wir alle von dementen Patienten kennen, ist ein Versuch, das eigene Selbstwertgefühl zu erhalten. Eher selten treten Verhaltensstörungen wie Verkennung der Situation, sexuelle Enthemmung und Schreien auf. Genauso selten ist das ständige Schaukeln, welches einen Versuch der Selbstheilung zum Ausdruck bringen soll. Am Ende dieser Liste - und Gott sei Dank auch eher selten vorkommend - steht der apathi­sche Rückzug, der Ausdruck für das Bedürfnis nach Ruhe sein kann.

Manche demente Patienten reagieren auf ihre Angst mit Kampf. Sie sind aggressiv gegen sich und Pflegepersonen und oftmals sogar gegen Angehörige. Mit dieser Verhaltensveränderung habe ich selbst Erfahrungen gemacht, von denen ich an dieser Stelle erzählen möchte: Frau H. lebte auch in dem Altersheim, in dem ich einige meiner Praktika absolviert habe. Sie kam schon vor über 10 Jahren in dieses Altersheim und wehrte sich nach Leibeskräften gegen manche Pflege­personen. Frau H. boxte, kratzte, zog an den Haaren und gebrauchte allerlei Schimpfworte. Man könnte zwar sagen, dass sie an Demenz litt, aber diese war nicht sehr weit fortgeschritten. Oft dauerte es etwas länger, bis sie genau sagen konnte, was sie wollte. Diese Zeit wollten ihr bestimmte Pflegekräfte jedoch nicht zugestehen, woraufhin sie sich wehrte, was ich nur allzu gut verstehen konnte. Viele pflegerischen Tätigkeiten gingen ihr zu schnell, man brachte sie ins Bett, obwohl sie gar nicht wollte und ohne ihr zu erklären, warum.

Als ich begonnen habe, mich mit geriatrischer Pflege zu beschäftigen, wurde mir klar, dass Frau H. nicht nur Angst hatte. Sie war überfordert und konnte ihre Bedürfnisse nicht schnell genug äußern, außerdem wurde ihr Bedürfnis nach Zuwendung nicht erkannt und deshalb wurde sie aggressiv, was durch ange­messene Pflege wohl zu vermeiden gewesen wäre.

4.1.1 Auslöser für Verhaltensänderungen

Es gibt verschiedenste Auslöser für Verhaltensveränderungen. Diesen Auslösern kommt man sehr oft nur dann auf die Spur, wenn man sich intensiv mit der Bio­graphie des alten Menschen befasst.

Bei den Auslösern für die psychischen Verhaltensveränderungen unterscheidet Erich Grond, Dozent für Gerontopsychiatrie (2004, S.15), zwischen unbeeinfluss­baren und beeinflussbaren Faktoren:

- Unbeeinflussbare Faktoren:
- Belastungen durch die Biographie
- Hirnschädigungen, z.B. bei Mb. Alzheimer, Schädel - Hirntrauma

-Beeinflussbare Faktoren:

- beim Kranken: Schmerzen, Reaktion auf Überforderung, Verkennen der Situation, Furcht vor würdelosem Sterben
- bei Angehörigen und Pflegenden: falsches Einschätzen der Situation durch fehlendes Fachwissen, Verlust der Empathie durch Hektik und Routine, zu hohe Erwartungen an sich und den Kranken, unbewusste Vorurteile, sich im Stich gelassen fühlen,
- in der Umwelt: fehlendes Licht, Dauerlärm
- in Rahmenbedingungen: Personalmangel führt zu Zuwendungsmangel
- in Mangel an Solidarität: „Mitarbeiter denken schlecht von mir, wenn ich zulange am Bett sitze.“

Alle diese Faktoren können zu Verhaltensveränderungen beim hochbetagten Patien­ten führen und deswegen gilt es, diese so gut wie möglich zu vermeiden und falls sich manche von ihnen doch nicht vermeiden lassen, denn Personalmangel ist z.B. ein Problem, welches sich nicht so einfach vermeiden lassen wird, dann sollten wenigstens die richtigen Schritte gegen diese Verhaltensveränderungen unternommen werden.

4.1.2 Pflege bei aggressivem Verhalten und Gewalttätigkeit

Wenn hochbetagten Patienten auf pflegerische Maßnahmen mit aggressivem Verhalten reagieren und sogar um sich schlagen, kratzen und beißen, stellt das die Pflegepersonen meist vor ein Rätsel. Oft denkt man dann bei sich, dass man dem Patienten doch eigentlich nur etwas Gutes möchte und so etwas nicht ver­dient hat. Meine Meinung dazu ist, dass alte Menschen sich oft total „ohnmächtig“ fühlen. Sie finden keine andere Möglichkeit mehr, zu zeigen, dass sie etwas nicht wollen und greifen deshalb zu den äußersten Mitteln. Aus eigener Erfahrung weiß ich, dass es ab und zu am besten ist, verhasste Pflegehandlungen, die nicht un­bedingt nötig sind, einfach bleiben zu lassen.

In dem Altersheim, von welchem ich nun schon einige Male berichtet habe, hatten wir unter anderem einen schon recht dementen Mann, Herrn V. Dieser recht eigen­willige, alte Herr hasste nichts mehr, als rasiert zu werden. Um ihn zu rasieren wurden ca. drei Pflegepersonen benötigt.

[...]

Ende der Leseprobe aus 53 Seiten

Details

Titel
Palliativpflege in der Geriatrie
Note
2,0
Autor
Jahr
2005
Seiten
53
Katalognummer
V83989
ISBN (eBook)
9783638877084
ISBN (Buch)
9783638877114
Dateigröße
718 KB
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
Im Unterkurs der Krankenpflege, genauer gesagt im zweitwn Praktikum, arbeitete ich das erste Mal in der Altenpflege. Zu diesem Zeitpunkt hatte ich erstmalig die Idee über Palliativpflege in der Geriatrie zu schreiben und nun habe ich das wahr gemacht. Meine Arbeit beginnt mit einer "Einführung in die palliative Geriatrie"
Schlagworte
Palliativpflege, Geriatrie
Arbeit zitieren
Bakk. Marina Amann (Autor:in), 2005, Palliativpflege in der Geriatrie, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/83989

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