Motivation zur Sportteilnahme. Eine stadienanalytische Betrachtung der Selbstkonkordanz


Examensarbeit, 2007

73 Seiten, Note: 1,5


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Begriffsklärung
2.1 Motivation und Volition
2.2 Körperliche und sportliche Aktivität
2.3 Zusammenfassung

3. Die Selbstdeterminationstheorie
3.1 Konzept der psychologischen Grundbedürfnisse
3.2 Motivationskonzepte
3.3 Mini-Theorien
3.4 Zusammenfassung

4. Das Selbstkonkordanz-Modell
4.1 Theoretische Grundlagen und praktische Forschungsergebnisse
4.2 Komplexität der Messung und Validierung
4.3. Zusammenfassung

5. Das Berliner Stadien-Modell
5.1 Die Stadien des Berliner Stadien-Modells
5.2 Diskussion und Zusammenfassung

6. Konzeption der empirischen Studie
6.1 Ideen und Zielsetzungen
6.2 Der Fragebogen und dessen Items
6.2.1 Allgemeine Beschreibung
6.2.2 Die Items der Skala zur Selbstkonkordanz
6.2.3 Reliabilität der Skala zur Selbstkonkordanz
6.3 Die Datenerhebung

7. Deskriptive Statistik
7.1 Soziodemographischen Daten
7.2 Daten zur aktuellen Sportaktivität

8. Analyse der Selbstkonkordanz
8.1 Analyse des Item sechs (zur Absichtstärke)
8.2 Analyse des Item sieben (zur Selbstkonkordanz)
8.3 Selbstkonkordanz und der allgemeine Gesundheitszustand
8.4 Selbstkonkordanz und das Berliner Stadien-Modell

9. Methodische Einschränkungen

10. Abschließende Diskussion

11. Schluss

12. Literaturverzeichnis

14. Anhang

15. Abschlusserklärung

1. Einleitung

"Gäbe es ein Medikament, das nur annähernd ähnliche segensreiche Wirkungen wie ein regelmäßiges Ausdauertraining auf alle Risikofaktoren degenerativer Herz-Kreislauf Erkrankungen hätte, man könnte es wohl kaum bezahlen!" (Weineck zit. nach sportwissenschaften.info ). Wie Sportmediziner[1] Jürgen Weineck in seiner Aussage richtig postuliert, ist sowohl der wirtschaftliche, als auch der gesundheitliche Nutzen eines Ausdauertrainings und anderer körperlicher Aktivitäten immens hoch und dies wird jährlich neu bestätigt. Aktuelle Zahlen aus den USA belegen die wirtschaftliche Mehrbelastung derjenigen Menschen, die sich unzureichend bewegen. Dort sind zum Beispiel die jährlichen Gesundheitskosten für Adipöse (Menschen mit einem Body Mass Index (BMI) ≥ 30 kg/m²) um 26% höher als die für Menschen mit einem niedrigeren BMI (vgl. Europäische Ministerkonferenz der WHO zur Bekämpfung der Adipositas, 2006). Dieser wirtschaftliche Nutzen regelmäßiger körperlicher Aktivität ist bedingt durch die positive Wirkung, welche ein ausgewogenes Bewegungspensum auf das physische sowie psychische Gesundheitsbild des Menschen hat. Laut dem Deutschen Olympischen Sportbund haben Bewegung bzw. sportliche Betätigung umfassende Wirkungen auf das Wohlbefinden, die Zufriedenheit und die Lebensqualität eines Menschen. Darüber hinaus tragen sportliche Aktivitäten wesentlich dazu bei, Risikofaktoren zu vermindern und somit Krankheiten vorzubeugen (vgl. Deutscher Olympischer Sportbund, 2007). Die Effektivität regelmäßiger sportlicher Aktivität bei der primären und sekundären Prävention ist bei Adipositas, sowie bei einer Vielzahl anderer chronischer Krankheiten, wie zum Beispiel Herz-Kreislauferkrankungen, Diabetes, Krebs, Hypertonie, Depression und Osteoporose, medizinisch nachgewiesen (vgl. Brownson, Boehmer, Douglas, 2005; Dickhuth, 2000; Warburton, Nicol, Bredin, 2006). Zudem kann, gemäß neueren Forschungen aus Dänemark und Großbritannien, ein Mensch durch regelmäßige Bewegung seine Lebenserwartung um 3-5 Jahre verlängern (vgl. Europäische Ministerkonferenz der WHO zur Bekämpfung der Adipositas, 2006). Obwohl der enge Zusammenhang zwischen Körperlicher Aktivität und dem Gesundheitszustand häufig, insbesondere durch diverse Medien, erwähnt und angepriesen wird und deshalb in der Bevölkerung weitläufig bekannt sein sollte, wird die große Zahl der Sportangebote in Deutschland, vor allem von Erwachsenen nur in einem unzureichenden Maße genutzt.

In diesem Zusammenhang untersuchte das Statistische Bundesamt Deutschland Daten von Zeitbudgeterhebungen der Zeitspanne April 2001 bis April 2002. Hierbei führte eine repräsentative Stichprobe Erwachsener an einem Wochentag und an einem Tag am Wochenende, verteilt über das ganze Jahr (einschließlich Urlaubszeiten), ein Zeittagebuch. Im Rahmen dieser nationalen Zeitbudgeterhebungen wurden unter anderem der durchschnittliche Zeitaufwand für Freizeitaktivitäten von Frauen und Männern im Alter von 20 bis 74 Jahren erfasst. Die Ergebnisse zeigten, dass Frauen durchschnittlich 5:46 Stunden und Männer 5:19 Stunden pro Tag für Freizeitaktivitäten zu ihrer Verfügung hatten. Der Anteil, den sie während ihrer Freizeit dem Bereich Sport widmeten, unterschied sich zwischen den beiden Geschlechtern (Frauen: 28 Minuten, Männer: 29 Minuten) nur unwesentlich. Hierbei ist anzumerken, dass das Item Sport Insgesamt die Aktivitäten „Gehen und Wandern, sämtliche Sportarten (z.B. Jogging, Ballspiele, Wassersport usw.), produktive Tätigkeiten (z.B. Jagen und Fischen, Beerenpflücken) und sportbezogene Aktivitäten“ umfasste (Aliaga, 2006, S. 11). Den Löwenanteil (Frauen: 1:41 Stunden, Männer: 1:59 Stunden) ihrer Freizeit verbrachte die untersuchte Population damit Fern- bzw. Video zu schauen (vgl. Aliaga, 2006).

Dass die Deutschen sich laut dem Statistischen Bundesamt durchschnittlich knapp eine halbe Stunde pro Tag sportlich betätigen ist überraschend. Denn gemäß Dr. Marc Danzon, dem Regionaldirektor der World Health Organization (WHO) für Europa, sind genau diese täglichen 30 Minuten an körperlicher Betätigung, bei denen man 150 Kcal verbrennt, ausreichend, „um die Gesundheit zu schützen und somit Krankheiten zu verhindern“ (Weltgesundheitsorganisation Regionalbüro für Europa, 2002). Obwohl gemäß den Ergebnissen der Zeitbudgeterhebungen laut Danzon die deutsche Bevölkerung gesund sein müsste, steigt jedoch die Zahl der Adipositas- und Herzpatienten in Deutschland jährlich an. Zudem weisen Adipositaspatienten eine ein- bis zweifach höhere Gesamtmortalität vor. Laut dem Mikrozensus aus dem Jahr 2003 bestand bei 36 Prozent aller Erwachsenen in Deutschland Übergewicht und bei 13 Prozent eine Adipositas (vgl. Reincke, Beuschlein, Slawik, 2006).

Aufgrund der Vielzahl an Übergewichtigen und Adipositaspatienten in Deutschland sind Zweifel an den überraschend hohen Zahlen des Items Sport Insgesamt in den Zeitbudgeterhebungen des Statistischen Bundesamts berechtigt. Der Widerspruch zwischen dem gemessenen ausreichenden Bewegungspensum und der hohen Anzahl übergewichtiger Erwachsener könnte in der sehr gedehnten Definition des Items Sport Insgesamt begründet liegen. Da das Item Sport Insgesamt, wie oben erwähnt, die Aktivitäten Gehen und Wandern, sämtliche Sportarten, produktive Tätigkeiten (z.B. Beerenpflücken) sowie sportbezogene Aktivitäten mit einschloss, könnte es den Befragten schwer gefallen sein abzugrenzen, welche Aktivitäten ihres Alltags dem besagten Item zugehörig waren und welche nicht. Aus diesem Grunde könnten ebenfalls eher bewegungsarme produktive Tätigkeiten, wie zum Beispiel das Stricken oder das Anfertigen eines Briefes, fälschlicherweise dem Item Sport Insgesamt zugewiesen worden sein. Besonders im Hinblick auf empirische Untersuchungen, welche die Sportteilnahme erfassen sollen, ist die Vereinheitlichung eines Begriffes, welcher alle mit Sport identifizierbaren Phänomene beinhaltet, sehr wichtig. Da sich die im empirischen Teil beschriebene Feldstudie jedoch nicht nur mit der Teilnahme an Sportaktivitäten alleine, sondern auch mit den sie positiv beeinflussenden Effekten der Motivation beschäftigt, werden zunächst in Kapitel 2 die Begriffe der Sportaktivität, der Motivation, sowie der Volition geklärt.

Im Gegensatz zum Statistischen Bundesamt Deutschland legt die WHO deutlich negativer zu wertende Resultate vor. So konstatiert die WHO, dass „über 30 Prozent der Erwachsenen [in Europa] sich im Laufe einer typischen Woche nicht ausreichend bewegen“ (Weltgesundheitsorganisation Regionalbüro für Europa, 2002). Zudem stelle Bewegungsarmut nach dem Rauchen den zweitwichtigsten gesundheitlichen Risikofaktor der Industriestaaten dar (vgl. Weltgesundheitsorganisation Regionalbüro für Europa, 2002).

Die Zusammenhänge zwischen unzureichender Bewegung einerseits und Krankheiten, wie zum Beispiel die der Adipositas, sowie einer höheren Morbiditätsrate andererseits liegen daher auf der Hand. Dennoch zieht eine Vielzahl der Deutschen den gemütlichen Abend vor dem Fernseher einem gesunden Lauf im Park vor. Zudem schaffen es diejenigen, die eine sportliche Aktivität beginnen, nicht, dieses positive Verhalten aufrecht zu erhalten und fallen bereits während der ersten sechs Monate in ihre inaktive Lebensweise zurück (vgl. Marcus et al., 2000). Einfach macht man es sich, wenn man dieses unvernünftige Verhalten eines bewegungsarmen Lebens mit Faulheit erklärt. Faulheit ist jedoch nur das messbare Ergebnis, welches sich im „Nichtstun“, hier dem körperlich inaktiven Fernsehschauen, zeigt.

Die Psychologie, und insbesondere die Gesundheitspsychologie, möchte und kann die Bewegungsarmut vieler Menschen nicht einfach auf deren Faulheit schieben. Sie ist vielmehr daran interessiert Gründe zu finden, die zu diesem Zustand des Nichtstuns führen, und damit verfolgt sie das Ziel eines bewegungsreichen Lebenswandels der Bevölkerung. In dieser Hinsicht beschäftigen sich ihre Vertreter grundsätzlich mit der folgenden Frage: Warum treiben einige Menschen viel und regelmäßig Sport und andere nicht bzw. hören schnell wieder auf, nachdem sie damit angefangen haben? Dies ist vereinfacht dargestellt die Fragestellung, welche in der vorliegenden Arbeit behandelt werden soll. Die Suche nach einer Antwort auf diese Frage gestaltet sich komplex und die Psychologie bzw. deren Unterbereiche haben etliche Erklärungsvorschläge vorzubringen, welche von so genannten Determinanten der Aufrechterhaltung sportlicher Aktivität abhängig sind. Einige Beispiele solcher Determinanten sind physische, psychische, sowie subjektive Gesundheit, Selbstwirksamkeitserwartung, soziale Unterstützung, Konsequenzerwartung und Intention zur regelmäßigen Sportaktivität (vgl. Wagner, 2000).

Die letztgenannte Determinante, genauer die Selbstkonkordanz, wird zentrales Thema dieser Arbeit sein. Zunächst werden in dieser Hinsicht Begriffe, die für das Verständnis dieser Thematik und der später analysierten empirischen Studie wichtig sind, in Kapitel zwei geklärt. Danach werden Kapitel drei und vier wichtige Vorstellungen und Erkenntnisses dieses Forschungsbereichs näher verdeutlichen. Hierbei handelt es sich um die Selbstdeterminationstheorie von Deci & Ryan (1985) und das darauf aufbauende Selbstkonkordanz-Modell von Sheldon & Elliot (1999). An diese Gedankenkonstrukte anknüpfend beschreibt Kapitel 5 das von Fuchs (2001) entwickelte Berliner Stadien-Modell, welches eine Kategorisierung von Verhaltensänderungen, insbesondere im Bereich der Sportteilnahme, in acht distinktive Phasen bzw. Stadien ermöglicht. Im anschließenden empirischen Teil der Arbeit wird die an der Freiburger Normalbevölkerung durchgeführte „Fragebogenuntersuchung zur Gesundheit“ präsentiert. Hierbei wird zunächst in Kapitel sechs die Konzeption der Fragebogenuntersuchung dargestellt, danach werden in Kapitel sieben die ermittelten deskriptiven Ergebnisse kurz vorgestellt und in Kapitel acht werden die in Bezug auf Selbstkonkordanz zentral wichtigen Beobachtungen der Fragebogenuntersuchung analysiert. Abschließend werden am Ende dieser Arbeit die beobachteten praktischen Ergebnisse der „Fragebogenuntersuchung“ und die daraus gewonnenen Erkenntnisse in den Kapiteln 9 und 10 noch einmal zusammengefasst und kritisch diskutiert.

2. Begriffsklärung

Eine Klärung der eng in Verbindung stehenden Begriffe der Motivation und Volition, sowie des Begriffs der Sportaktivität ist essentiell, wenn man sich mit dem Thema der Motivation zur Sportteilnahme beschäftigt. Daher werden diese Begriffe in den nächsten zwei Unterkapiteln 2.1 & 2.2 näher beleuchtet um in den darauf folgenden Kapiteln ein besseres Verständnis von Deci & Ryans Selbstdeterminationstheorie (Deci & Ryan, 1985), Sheldon & Elliots Selbstkonkordanz-Modell (Sheldon & Elliot, 1999) und Fuchs’ Berliner Stadien-Modell (Fuchs, 2005) zu ermöglichen.

2.1 Motivation und Volition

Greifen wir nochmals das in der Einleitung erwähnte Problem der Adipositas auf. Ein Mensch mit einem Körpermasse-Index oder Body Mass Index (BMI = Gewicht in kg/Länge in m²), der größer oder gleich 30 ist, wird als fettleibig oder adipös eingestuft (vgl. Vögele, 2005). Das Ungleichgewicht der Körpermasse eines Adipösen ist nach Vögele im Wesentlichen bedingt durch dessen genetische Faktoren, Ernährung und körperliche Aktivität (vgl. Vögele, 2005). In dieser Arbeit besteht das Hauptinteresse in dem Faktor der körperlichen Aktivität, auf die beiden erstgenannten wird deshalb nicht näher eingegangen (weitere Informationen entnehmen Sie bitte Vögele, 2005). Die mitunter durch mangelnde Bewegung verursachte Adipositas stellt ein wachsendes Problem in der deutschen Bevölkerung dar und die Medizin betrachtet deren Therapie als eine langfristige Aufgabe. Daher müssen geeignete Voraussetzungen bestehen, um eine Behandlung der zur Volkskrankheit avancierenden Adipositas zum Erfolg führen zu können. Hierbei sehen Ärzte die Motivation des Patienten als wichtigste Voraussetzung für einen Therapieerfolg an (vgl. Reincke, Beuschlein, Slawik, 2006). Demnach gilt, dass umso mehr Motivation ein Patient aus sich selbst oder anderen entwickeln kann, desto größer ist die Wahrscheinlichkeit, dass er wieder gesundet.

Wie definiert sich nun aber das abstrakte Konstrukt der Motivation? Die Frage lässt bereits vermuten, dass Motivation nicht direkt messbar ist, wie z.B. die Körpergröße eines Menschen, sondern dass sie ein abstraktes Gedankenkonstrukt darstellt, welches indirekt am menschlichen Verhalten bezüglich eines bestimmten Ziels spezifiziert werden kann (vgl. Rheinberg, 2002). Wie komplex sich die Erfassung und Definition dieses Konstrukts gestaltet, zeigt die Vielfalt der Begriffe, die von den zahlreichen Motivationsforschern bei dessen Beschreibung verwendet werden. Neben dem traditionellen und in der Bevölkerung populären Begriff der Motivation kommen in der Psychologie bei der Beschreibung des Motivationskonstrukts auch die Begriffe Anreiz, Antrieb, Interesse, Lust, Trieb, Volition, Wille und Wunsch zur Anwendung (vgl. Fuchs, 2006; Kehr, 2004; Kuhl, 2001; Rheinberg, 2002; Röthig, 1992). Zwei dieser Begriffe - Motivation und Volition - scheinen jedoch erhöhte Signifikanz zu besitzen und werden von vielen Autoren (Fuchs 2005; Gollwitzer, 1991; Heckhausen, 1987; Kehr 2004; Sokolowski, 1997) in zahlreichen Modellen beschrieben und miteinander verknüpft. Rheinberg bezeichnet den Begriff der Motivation als eine „Sammelkategorie [...], in der viele verschiedene Sammelprozesse und Phänomene zusammengefasst sind“ (Rheinberg, 2002, S.17). Des Weiteren sei Motivation ein Abstraktum, welches verschiedene „Komponenten und Teilprozesse“ (Rheinberg, 2002, S. 17) des zielgerichteten Verhaltens eines Menschen impliziert.

Die Sportwissenschaften, insbesondere die Sport- und Gesundheitspsychologie, sehen ihre Aufgabe darin, diese Komponenten und Teilprozesse möglichst genau zu analysieren um die Zahl der regelmäßig Sporttreibenden zu maximieren. In diesem Bestreben ist es nach Fuchs (2006) wichtig eine Unterscheidung zwischen motivationalen und volitionalen Interventionen vorzunehmen (vgl. Fuchs, 2006). Um Menschen längerfristig zum Sport motivieren zu können genügt es nicht den Menschen nur schlicht zum Sporttreiben zu motivieren (motivationale Intervention), sondern man muss ihnen das „nötige Handwerkszeug“ (volitionale Intervention) mitgeben damit sie dieses Bewegungsverhalten auf lange Sicht gesehen aufrechterhalten können (vgl. Fuchs, 2006). Volitionale Interventionen oder Prozesse dienen daher zur Abschirmung gegen Faktoren, die zum Abbruch oder zur Unterbrechung eines bereits bestehenden motivationsorientierten Sportverhaltens führen. In der Praxis gibt es verschiedene Methoden (einen Überblick hierzu gibt: Fuchs, 2006, S. 277), die solch einer Abschirmung dienlich sein können. Ein Beispiel einer solchen Methode ist das so genannte Selbstmanagement-Training (SMT). Bei diesem Training steht, wie der Name vermuten lässt, der einzelne selbst im Mittelpunkt, da oftmals der Betroffene selbst am besten einschätzen bzw. beobachten kann, welches die Faktoren sind, die ihn von einem bestimmten Ziel, zum Beispiel dem Sporttreiben, abbringen und wie er diese Störfaktoren verhindern kann (vgl. Kehr, 2004). Latham und Locke (1991) charakterisieren die Aufgabe des SMTs wie folgt:

Training in self-management teaches people to assess their problems, to set specific hard goals in relation to those problems, to self-monitor ways in which the environment facilitates or hinders goal attainment, and to identify and administer rewards for working toward and penalties for failing to work toward goal attainment. (Latham, G.P. & Locke, E.A. (1991). Self-regulation through goal setting. Organizational Behavior and Human Decision Processes, 50, 212-247. Zit. n.: Kehr, 2004, S. 167).

Demnach ist es nach Latham und Locke nicht nur wichtig, dass der Sporttreibende sich selbst gut beobachten und einschätzen lernt, sondern auch seine Umwelt, d.h. Freunde, Familie und andere Personen seines täglichen Lebens, kritisch betrachtet und so danach strebt alle sein Bewegungsverhalten negativ beeinflussenden Faktoren zu identifizieren und zu verhindern. Diese Aufgabe ist sicherlich schwierig, mit viel Arbeit verbunden und kann in vielen Fällen zu Konflikten mit sich selbst und anderen führen. Dennoch ist der eigene Wille die wichtigste Komponente, welche zu regelmäßigem und engagiertem Sporttreiben führt. Daher ist es enorm wichtig, Menschen nicht nur an den Sport heranzuführen, sondern, wie oben erwähnt, ihnen Methoden zu vermitteln mit denen sie dieses neue Verhalten regelmäßig, dauerhaft und letztendlich auch mit Freude aufrechterhalten können. Auf die Wichtigkeit der Abschirmstrategien wird in Kapitel 5.1 bei der Beschreibung des Berliner Stadien-Modells (Fuchs, 2001) erneut eingegangen. So ist die Signifikanz des Zusammenspiels zwischen Motivation und Volition längst von Psychologen (z.B. Fuchs, 2006) erkannt und wird in Kapitel 3 und 4 in Form von Deci & Ryans Selbstdeterminationstheorie (1985) und Sheldon & Elliots Selbstkonkordanzmodell (1999) weiter ausgeführt.

2.2 Körperliche und sportliche Aktivität

Den in der Einleitung erwähnten Zeitbudgeterhebungen des Statistischen Bundesamts wurde eine großzügige Definition des Items Sport Insgesamt zugrunde gelegt. Seiner Definition zufolge beinhaltet das Item Sport insgesamt die Aktivitäten „Gehen und Wandern, sämtliche Sportarten (z.B. Jogging, Ballspiele, Wassersport usw.), produktive Tätigkeiten (z.B. Jagen und Fischen, Beerenpflücken) und sportbezogene Aktivitäten“ (Aliaga, 2006). Neben dieser Definition existieren noch eine Vielzahl anderer, welche sportliche Aktivitäten in einem Begriff vereinen. Die hohe Anzahl an Publikationen (Balz, 2000; Court, 2001; Fuchs, 2003; Röthig, 1992), welche sich mit der Definition des Sportbegriffs beschäftigen, zeigen, dass eine einheitliche Definition eines Begriffes, welcher alle Phänomene einschließt, die mit aktiver sportlicher Betätigung in Verbindung zu bringen sind, sich schwierig gestaltet, bzw. nahezu unmöglich ist. Fuchs (2003) differenziert daher zwischen zwei Formen der Aktivität: Körperlicher Aktivität und sportlicher Aktivität. Als körperliche Aktivität bezeichnet er „alle Bewegungen, die durch Skelettmuskeln hervorgerufen werden und zur Verausgabung von Energie führen“ (Fuchs, 2003, S. 7). Sportliche Aktivität hingegen definiert er „als Überbegriff für alle Formen sowohl des organisierten Sports (z.B. im Verein) als auch der selbst-initiierten körperlichen Aktivitäten wie etwa das Joggen oder Skilanglaufen“ (Fuchs, 2003, S. 9).

Demnach ist, nach Fuchs, eine produktive Tätigkeit, wenn sie selbst-initiiert ist und körperlich aktiv ausgeübt wird, ebenfalls der Kategorie sportliche Aktivität zuzuordnen. Dennoch dürfte sich die körperliche Aktivität beim Fischen oder Beerenpflücken im Allgemeinen in Grenzen halten und deshalb ist die Zugehörigkeit sportliche dieser produktiven Tätigkeiten zum Überbegriff „Sportaktivitäten“ auch nach Fuchs Definition diskussionswürdig. Die Entwicklung eines einheitlichen Begriffes und dessen genaue, im Idealfall messbare Definition, ist eine Herausforderung an die Sportpsychologie, da eine solche Vereinheitlichung den Vergleich von unterschiedlichen Untersuchungen in der Zukunft möglich machen könnte und damit eventuelle Unstimmigkeiten vermieden werden könnten. Da sowohl körperliche als auch sportliche Aktivitäten jedoch mit unterschiedlichen Intensitäts- und Umfangsgrößen betrieben werden und sich das Beanspruchungsniveau eines zügig vorankommenden Walkers von dem eines an einem Sonntag Mittag durch den Wald schlendernden Spaziergängers deutlich unterscheidet, dürfte sich eine eindeutige Definition eines Überbegriffs der dem Sport zugehörigen Bewegungsformen auch in Zukunft schwierig gestalten.

2.3 Zusammenfassung

Die vorigen Unterkapitel zeigten, dass sich bereits die Klärung der im Zusammenhang mit Sportmotivation stehenden Begriffe äußerst komplex & vielfältig gestaltet. Sowohl über die Definition des Begriffes der Motivation als auch über die Vereinheitlichung eines Begriffes, der alle dem Sport zugehörigen körperlichen Aktivitäten einschließt, bestehen mehr oder minder unterschiedliche Meinungen und Ansichten. Daher ist zu erwarten, dass sich die Entwicklung einer Theorie, welche Aufschluss über motivationssteigernde bzw. –senkende Faktoren im Sport geben kann, äußerst arbeits- und zeitintensiv gestaltet. Zwei Forscher, welche sich dennoch der Herausforderung der Entwicklung einer solcher Theorie gestellt haben sind Edward L. Deci und Richard M. Ryan (1985; Ryan & Deci 2000). Zwar hatten Deci und Ryan zu Beginn ihrer jahrzehntelangen Forschungen nicht die Verbesserung der Sportteilnahme als Forschungsziel im Auge, dennoch hat sich im Verlauf ihrer Arbeit herausgestellt, dass sich ihre Theorie hervorragend im Bereich des Sports anwenden lässt und sie bzw. weitere Autoren belegen dies in zahlreichen Studien und Publikationen (Bailis et al., 2005; Ntoumanis, 2005; Ryan & Deci, 2000). Deci und Ryans Selbstdeterminationstheorie wird im nachfolgenden Kapitel vorgestellt.

3. Die Selbstdeterminationstheorie

Seit mehr als einem Jahrhundert bieten zahlreiche Autoren (z.B. Ajzen, 1991; Atkinson, 1964; Bandura, 1986; Deci & Ryan, 1985; Fuchs, 2001; Gollwitzer, 1996; Heckhausen, 1980; James, 1890; Sheldon & Elliot, 1999; Wagner, 2000; Weiner, 1972 & 1980; Young, 1936) Theorien und Modelle der Motivationsforschung an um das Handeln des Menschen zu erklären. In den neunziger Jahren haben im Bereich der Sportmotivation vornehmlich die Selbstwirksamkeitstheorie Banduras (1986) und die Theorie des Zielansatzes (goals approach) Dudas (1992) große Popularität erfahren. Beide Theorien haben signifikante Erkenntnisse hervorgebracht, welche zum besseren Verständnis der Sportmotivation beigetragen haben. Ihr Fokus auf eher kognitive Bereiche wie Selbstwirksamkeit und Kompetenz, haben den komplexen Bereich der Sportmotivation und Motivation allgemein jedoch nur sehr eingeschränkt erschließen lassen. Deci und Ryan (1985; Ryan & Deci, 2000) hingegen liefern mit ihrer Selbstdeterminationstheorie eine Theorie, welche Motivation in einem umfangreicheren Rahmen betrachtet und in der auch andere wichtige Faktoren, wie z.B. die Selbstbestimmtheit und die Verbundenheit mit anderen Menschen, berücksichtigt werden.

Edward L. Deci und Richard M. Ryan (1985; Ryan & Deci, 2000) haben ihre Selbstdeterminationstheorie in einer Zeitspanne von 35 Jahren aus vier Mini-Theorien (mini-theories) Schritt für Schritt zusammengesetzt (vgl. Ryan & Deci, 2002, S. 9). Bei dieser langjährigen Arbeit haben die Autoren verschiedene Phänomene in den Bereichen Bildung, Psychotherapie, Arbeit und Sport erforscht und daraus ihre einzelnen Theorien entwickelt. Alle dieser vier Mini-Theorien beachten das sogenannte Konzept der psychologischen Grundbedürfnisse (concept of basic psychological needs), welches zusammen mit den Motivationskonzepten und den damit in Zusammenhang stehenden Minitheorien in den nachfolgenden drei Unterkapiteln erklärt wird.

3.1 Konzept der psychologischen Grundbedürfnisse

Wie eingangs dieses Kapitels erwähnt, findet das Konzept der psychologischen Grundbedürfnisse in allen Minitheorien der Selbstdeterminationstheorie Deci und Ryans (1985; Ryan & Deci, 2000) große Bedeutung und wird deshalb hier vorab beschrieben. Gemäß Ryan und Deci (2000) ist die Befriedigung sowohl körperlicher als auch psychologischer Grundbedürfnisse essentiell für die Aufrechterhaltung der Gesundheit des Menschen. Grundbedürfnisse sind per Definition allgemein gültig, d.h. es sind angeborene Bedürfnisse und nicht erlernte Beweggründe (vgl. Ryan & Deci, 2002, S. 7). Über sie wird angenommen, dass sie als solche in allen Kulturen und Entwicklungsstufen vorkommen. Sicherlich werden diese Grundbedürfnisse von Mensch zu Mensch auf eine unterschiedliche Art und Weise ausgedrückt und befriedigt, dennoch bleiben den Autoren zufolge deren Kernmerkmale gleich (vgl. Ryan & Deci, 2002, S. 7). Offensichtlich sind Grundbedürfnisse per Definition sehr eng gesteckt, und vermutlich haben Ryan und Deci (2000) aus diesem Grund ihre psychologischen Grundbedürfnisse auf nur drei beschränken können. Laut den Autoren sind daher folgende psychologische Grundbedürfnisse in jedem Menschen existent: Tüchtigkeit (competence), Verbundenheit (relatedness) und Selbstbestimmtheit (autonomy). Tüchtigkeit bedeutet, dass der Mensch sich in der Interaktion mit seinem sozialen Umfeld als nützlich ansieht und verschiedene Arten der körperlichen und geistigen Betätigung erfährt (vgl. Ryan & Deci, 2002). Durch das Bedürfnis tüchtig zu sein sucht sich der Mensch Herausforderungen, die an seine Fähigkeiten optimal angepasst sind und strebt danach diese Fähigkeiten durch das Ausüben verschiedener Tätigkeiten beizubehalten bzw. zu verbessern. Tüchtigkeit ist daher keine erlernte Fähigkeit oder Fertigkeit, sondern vielmehr gefühltes Selbstbewusstsein und ein Gefühl sich nützlich zu fühlen, welches durch das Ausführen bestimmter Tätigkeiten erreicht wird (Ryan & Deci, 2002). Desweiteren bezieht sich das Bedürfnis der Verbundenheit auf das Verlangen nach einer Gemeinschaft für deren Mitglieder man sorgt bzw. deren Mitglieder sich auch um einen selbst sorgen (Ryan, 1995). Hierbei scheint sowohl des Menschen Sehnsucht nach Respekt und nach Anerkennung anderer, als auch dessen Trieb nach Geborgenheit im Schutze einer sicheren Gemeinschaft eine wichtige Rolle zu spielen. Als drittes und letztes Bedürfnis des Konzeptes psychologischer Grundbedürfnisse beschreibt die Selbstbestimmtheit das Verlangen, bestimmte Verhaltensweisen aus sich selbst heraus zu tun. Die Quelle des Tuns entspringt daher aus dem Selbst. Dies heißt jedoch nicht, dass selbstbestimmte Tätigkeiten nicht von außen beeinflusst sein können. Ganz im Gegenteil, selbst bestimmte Tätigkeiten werden vor allem im Bereich Sport oftmals durch Trainer und Übungsleiter extrinsisch, d.h. von außen, beeinflusst. Dennoch kann der Athlet bei dieser extrinsischen Beeinflussung einen hohen Grad an Selbstbestimmtheit empfinden, wenn die von ihm geforderten Tätigkeiten im Einklang mit seinen Werten und Zielen stehen. Auf den Zusammenhang zwischen extrinsischer Motivation und gewahrter Selbstbestimmtheit wird im nachfolgenden Unterkapitel noch ausgiebig eingegangen.

Neben dem Konzept der psychologischen Grundbedürfnisse haben die einzelnen Mini-Theorien noch eine weitere Gemeinsamkeit; und zwar beschäftigen sich alle mit intrinsischer Motivation, extrinsischer Motivation und Amotivation. Daher werden im folgenden Unterkapitel zunächst diese von unterschiedlichen Richtungen ausgehenden Motivationskonzepte näher erläutert und danach in 3.1.3 bei der Beschreibung der Mini-Theorien Deci & Ryans (1985, 2000) miteinander verknüpft.

3.2 Motivationskonzepte

Nach Deci und Ryan (1985; Ryan & Deci 2000) kann eine Verhaltensweise intrinsisch motiviert, extrinsisch motiviert oder amotiviert sein. Den Autoren zufolge bezieht sich das Konzept der intrinsischen Motivation auf Verhaltensweisen, die ein Mensch aus eigenem Interesse bzw. eigener Freude zeigt. Freizeitaktivitäten, wie z.B. Kino- oder Diskobesuche, sind meist intrinsisch motiviert. Dennoch können auch Freizeitaktivitäten extrinsisch motiviert sein. Zwei Beispiele möglicher Szenarien, bei denen unterschiedliche Motivationskonzepte eine Rolle spielen, sollen hier anhand eines fiktiven Kinobesuchs veranschaulicht werden. Stellen Sie sich vor ein Mann geht mit seiner Frau ins Kino und schaut sich mit ihr einen Liebesfilm, wie z.B. Titanic, an. Dieser Kinobesuch kann für den Mann sowohl intrinsisch als auch extrinsisch motiviert sein. Ein intrinsisch motiviertes Verhalten liegt z.B. vor, wenn der Mann im allgemeinen Kinobesuche mag, Leonardo Di Caprio, einer der Hauptdarsteller des Films, sein Lieblingsschauspieler ist und er somit diesen Film mit Freude anschaut. Extrinsisch ist der Mann motiviert, wenn der Grund des Kinobesuchs z.B. lediglich auf der Hoffnung beruht, dass sich durch den romantischen Kinobesuch eventuell die seit Tagen vorherrschende schlechte Laune seiner Frau verbessern wird und er sich dann endlich wieder in Ruhe und ungestört seinem Hobby der Modelleisenbahn widmen kann. Extrinsisch motiviert ist man daher dann, wenn man etwas nicht aus Freude bzw. Interesse an der Sache selbst tut, sondern weil man sich durch das Verhalten bestimmte Konsequenzen verspricht. Im Rahmen der Selbstdeterminationstheorie wird intrinsische Motivation als der motivationale Antrieb der wachstumorientierten Natur des Menschen angesehen (vgl. Vaanstenkinste, Lens, Deci, 2006). In der Tat stellen intrinsisch motivierte Verhaltensmuster die natürliche Basis für eine fortschrittliche und bildungsorientierte Umwelt dar. Menschen streben danach anderen Menschen ihre Tüchtigkeit und Effektivität zu zeigen und sehen sich dabei am liebsten selbst in der Rolle des Initiators bzw. Motivators ihres eigenen Verhaltens (vgl. Vaanstenkinste et al., 2006, S. 20).

Zu diesem Streben setzte Deci (1971) zu seiner ersten Studie im Jahre 1971 Überlegungen an und belohnte darin einige Probanden nachdem sie eine intrinsisch motivierte Aktivität ausgeführt hatten. Hierbei beobachtete er, dass die Probanden, welche belohnt wurden, die ausgeführte Aktivität weniger genossen und auch weniger ausdauernd betrieben als diejenigen, die keine Belohnung erhielten (vgl. Vaanstenkinste et al., 2006, S. 20). Nachdem deren anfangs noch intrinsisch existierende Motivation durch die Belohnung sozusagen zu einer kontrollierten, extrinsischen transformiert wurde, fühlten sich die Probanden ihrer Selbstbestimmtheit (autonomy) beraubt, führten die Aktivität nicht mehr mit der ursprünglichen Freude aus und so führten die Belohnungen letztendlich zu einer schlechteren Leistungsfähigkeit bzw. zu einem früheren Abbruch der Aktivität im Vergleich zu einer nicht belohnten Gruppe. Auch andere Studien ergaben, dass weitere extrinsische Faktoren, wie z.B. Deadlines, Überwachungen, Prüfungen und das Kontrollieren der Sprache ebenfalls die Eigenmotivation und Ausdauer einer Person bezüglich einer bestimmten Aktivität verschlechterten (vgl. Vaanstenkinste et al., 2006, S. 20). Diesen Studien zufolge scheint die Förderung der intrinsischen Motivation einer Einflussnahme durch extrinsische Motivationsmaßnahmen immer bevorzugen zu sein.

Dennoch, einige Studien (Ryan & Deci, 2002) zeigen auch, dass extrinsische Motivation nicht grundsätzlich die intrinsische untergräbt und dass sie ganz im Gegenteil durchaus unterstützend auf sie wirken kann. Bei der Ergebnisanalyse dieser Studien wurden extrinsische Motivationsmaßnahmen unterteilt nach dem Grad ihrer Selbstbestimmtheit indem untersucht wurde wie stark Probanden die anfangs extrinsische Regulierungsmaßnahme zu einer intrinsischen Motivation verinnerlicht hatten (Deci & Ryan, 1985; Ryan & Connell, 1989). Dieser Prozess der Verinnerlichung (internalization) einer extrinsischen Motivationsmaßnahme kann dazu führen, dass eine zuvor ausschließlich extrinsisch motivierte Tätigkeit mit einer größeren Anstrengung und Ausdauer betrieben wird als zuvor. Wichtige Voraussetzung für den Prozess der Verinnerlichung einer extrinsischen Motivationsmaßnahme ist, dass die Selbstbestimmtheit der betreffenden Person auf einem hohen Maß gehalten wird. Eine geringfügige, angemessene Belohnung z.B. nach einer guten Leistung in einem Training oder Spiel, könnte sich demnach durchaus positiv auf die durchschnittliche Anwesenheit und Leistungsbereitschaft einer Gruppe auswirken. Fällt die Belohnung jedoch in einem unangemessen hohen Rahmen aus, dann kann es sein, dass einige Teilnehmer die Aktivität ausschließlich aufgrund der überaus attraktiven Belohnung betreiben und eine solche extrinsische Maßnahme wird deren Selbstbestimmtheit mit hoher Wahrscheinlichkeit mindern bzw. minimieren und ihre zuvor intrinsische zu einer rein extrinsischen Motivation umwandeln. Forschungen haben gezeigt, dass vor allem Sachbelohnungen, aber auch Drohungen, Befehle, erzwungene Evaluierungen und aufgedrängte Zielsetzungen die intrinsische Motivation negativ beeinflussen (vgl. Deci & Ryan, 2000). Im Gegensatz dazu wird anderen Studien zufolge ein intrinsisches Motivationsverhalten durch das Zugeständnis von Wahlmöglichkeiten, Gefühlen und Selbststeuerung gesteigert, da diese Maßnahmen dem Menschen ein stärkeres Gefühl vermitteln selbstbestimmt zu sein (Deci & Ryan, 1985).

Obwohl der Grad der Selbstbestimmtheit bei intrinsischer Motivation am höchsten ist, erscheint es wichtig anzumerken, dass auch extrinsisch motivierte Verhaltensweisen relativ selbstbestimmt sein können und untereinander variieren. So kann zum Beispiel die Motivation eines Sportlers, täglich zum Training zu gehen, zum einen in dem Bestreben verankert sein, Profisportler werden zu wollen um später mit dem verdienten Geld seine Familie versorgen zu können oder aber der Sportler strebt danach Profi zu werden um den Erwartungen anderer, z.B. des Trainers, gerecht zu werden. Beide Beispiele sind von extrinsischer Motivation gesteuert, jedoch unterscheiden sie sich in so fern, dass der um seine Familie besorgte Sportler eher aus persönlichen Gründen und aus seinem freien Willen heraus motiviert ist Profisportler zu werden, wohingegen der allen Erwartungen gerecht werden wollende Sportler eher durch ein gewisses Folgsamkeitsverhalten äußerer Bedingungen zu seinem Trainingsfleiß getrieben wird. Diese zwei Beispiele sollen zeigen, dass innerhalb extrinsischer Motivation durchaus Unterschiede bestehen und es nicht nur eine extrinsische Motivation gibt. So differenzieren Deci & Ryan (1985; Ryan & Deci, 2000) die folgenden vier in ihrer Selbstbestimmtheit variierenden Regulationsarten der extrinsischen Motivation: Externale Regulation, introjizierte Regulation, identifizierte Regulation und integrierte Regulation (vgl. Ryan & Deci 2000).

Die Verhaltensweisen, die am wenigsten bzw. annähernd keine Selbstbestimmtheit beinhalten, sind die der externalen Regulation und der introjizierten Regulation. Die Motivation von extern regulierten Verhaltsweisen zeugt lediglich von äußeren Erwartungen, Belohnungen und Bestrafungen (vgl. Ryan & Deci, 2000). Ist ein Verhalten introjiziert reguliert, bedeutet dies, dass ein verlangtes Verhalten zwar gezeigt wird, nicht aber als eigenes, sondern eher etwas fremdes und von außen auferlegtes Verhalten angesehen wird. Menschen zeigen die verlangte Verhaltensweise um sich nicht schuldig fühlen zu müssen bzw. Angst vor etwaigen Konsequenzen haben zu müssen. Introjiziert reguliertes Verhalten wird oftmals von Menschen gezeigt, die wenig Selbstbewusstsein haben und so Respekt erlangen bzw. Disrespekt vermeiden möchten.

Eher selbstbestimmt und autonom ist die integrierte Regulation. Sie beinhaltet eine Identifikation, in der ein Mensch eine gewisse Verhaltensweise oder das Streben nach einem Ziel bewusst akzeptiert bzw. als für sich persönlich wichtig ansieht. Den höchsten Grad an Selbstbestimmtheit unter den vier Regulationsarten der extrinsischen Motivation weist die integrierte Regulation auf. Integration besteht dann, wenn Verhaltensweisen wertgeschätzt werden und im Einklang mit den Werten und Bedürfnissen der Person stehen. Integrierte Motivation teilt viele der Eigenschaften der intrinsischen Motivation, dennoch gehört sie zur extrinsischen Motivation, da die von ihr regulierten Verhaltensweisen auf der Erwartung gewisser Konsequenzen basieren und nicht aus reinem Interesse oder Freude erfolgen (vgl. Ryan & Deci, 2000). Betrachtet man nun die eingangs dieses Kapitels erwähnten Beispiele der verschieden motivierten Sportler, so kann man feststellen, dass der Sportler, welcher den Erwartungen anderer gerecht werden möchte der introjizierten Regulation entspricht und der auf das Wohl seiner Familie bedachte Sportler eher identifiziert bzw. eventuell sogar integriert reguliert ist.

Neben der intrinsischen und der extrinsischen Motivation beschreiben Deci und Ryan (1985; Ryan & Deci, 2000) die Amotivation als das Motivationskonzept welches am wenigsten Selbstbestimmtheit zeigt. Amotivierte Personen führen ein bestimmtes Verhalten entweder gar nicht aus oder das von ihnen gezeigte Verhalten ist ohne Bedeutung für sie und sie tun es unbewusst. Amotivation signalisiert, dass eine Person eine Tätigkeit nicht wertschätzt, sich bei ihrer Ausführung nicht wohl fühlt oder keine gewünschten Konsequenzen damit verbindet. Unsportliche und generell Sport desinteressierte Schüler nehmen z.B. dennoch, oftmals etwas lustlos, am Sportunterricht teil, weil sie es müssen und deren Sportteilnahme ist deshalb ein gutes Beispiel für eine amotivierte Verhaltensweise.

Die im nachfolgenden Kapitel dargelegten Minitheorien Ryan und Decis (2002) beschreiben die Thematik der Motivationskonzepte bezüglich deren Regulationsarten, Orten der Handlungsverursachung (locus of causality) und relevanten Regulationsprozessen noch etwas näher.

3.3 Mini-Theorien

Die nachfolgenden von Deci und Ryan (1985; Ryan & Deci, 2000) entwickelten vier Mini-Theorien lassen sich gut auf das Thema der Sportpartizipation anwenden und deren Inhalte können sich bei der Entwicklung eines langfristig wirksamen Sportmotivationsprogrammes als hilfreich erweisen. Es handelt sich hierbei um die kognitive Evaluationstheorie, die organismische Integrationstheorie, die Kausalitätsorientierungstheorie und die Theorie der Grundbedürfnisse.

Die erste der vier Mini-Theorien, die sogenannte kognitive Evaluationstheorie (cognitive evaluation theory), beschreibt die Auswirkungen sozialer Einflüsse auf die intrinsische Motivation des Menschen. Hierbei unterscheiden die Autoren ob diese sozialen bzw. vom Umfeld abhängigen Faktoren die Selbstbestimmtheit einer Person fördern, kontrollieren oder eventuell demotivieren (vgl. Ryan & Deci, 2002, S. 9). In diesem Zusammenhang wird nach Deci und Ryan (1980) Selbstbestimmtheit und somit auch intrinsische Motivation dann gefördert, wenn der Ort der Handlungsverursachung einer extrinsischen Motivationsmaßnahme als eher intern empfunden wird. Ein eher extern empfundener Ort der Handlungsverursachung mindert dementsprechend die intrinsische Motivation. Ein weiterer wichtiger Faktor der kognitiven Evaluationstheorie ist die Tüchtigkeit, die durch die Ausführung einer Tätigkeit empfunden wird. Der Mensch hat das Bedürfnis tüchtig zu sein, daher steigt dessen intrinsische Motivation bei extrinsischen Motivationsmaßnahmen, wenn diese ihm das Gefühl vermitteln tüchtig zu sein (vgl. Ryan & Deci, 2002, S. 11). Dieses in den vorigen Kapiteln bereits erläuterte Phänomen der intrinsischen Motivation bei extrinsischen Regulationsmaßnahmen wird im Folgenden in Form der Organismischen Integrationstheorie (organismic integration theory) noch etwas näher beschrieben.

Die Organismische Integrationstheorie basiert auf der Annahme, dass der Mensch von Natur aus dazu neigt seine Erfahrungen und Erlebnisse zu verinnerlichen. Daher beschäftigt sich die Organismische Integrationstheorie mit der Verinnerlichung und Integration von Werten und Regulationsmaßnahmen, und diese Mini-Theorie wurde entwickelt um die Entstehungs- bzw. Veränderungsprozesse extrinsischer Motivation näher beschreiben zu können. Dieser natürliche Prozess der Verinnerlichung wird je nach persönlicher Neigung bezüglich der Regulationsmaßnahme in unterschiedlichem Ausmaße vollzogen und Deci und Ryan (1985; Ryan & Deci, 2000) teilen ihn in vier verschiedene Regulationsarten ein. Diese Einteilung des Prozesses der Verinnerlichung nehmen die Autoren jedoch nicht, wie andere (z.B. Bandura, 1996) als strikt getrennt vor, sondern sie positionieren ihre fließenden Regulationsarten entlang eines in der Abbildung 3-1 gezeigten Kontinuums. Dieses Kontinuum spiegelt die unterschiedliche Ausprägung des bereits in 3.1.2 beschriebenen Selbstbestimmtheitsgrads der externalen, introjizierten, identifizierten und integrierten Regulation wieder. In dem auf der nächsten Seite abgebildeten Selbstbestimmtheitskontinuum Ryan & Decis (2000) ist das ganz links angeordnete Konzept der Amotivation am wenigsten selbstbestimmt und dementsprechend weist das am Ende des Kontinuums ganz rechts angeordnete Konzept der intrinsischen Motivation den höchsten Selbstbestimmtheitsgrad auf. Der Abbildung zufolge kann die Aussage getroffen werden, dass umso eher der Ort der Handlungsverursachung innerhalb der handelnden Person (intern) liegt desto eher ist die Handlung selbst bestimmt und desto eher wird sie aus Eigeninteresse, Freude oder aus einer allgemeinen Grundzufriedenheit heraus ausgeführt. Die Autoren betonen, dass ihr Kontinuum ein deskriptives ist und, dass weder die Motivationskonzepte noch deren Regulationsarten in einer bestimmten Reihenfolge von dem Handelnden durchlaufen werden müssen. Dennoch nehmen sie an, dass die Anzahl selbst bestimmter Verhaltensweisen und Handlungen im Laufe des Lebens zunehmen und Studien belegen, dass die Motivation von Kindern mit zunehmendem Alter sich eher zu einer internalen entwickelt (vgl. Deci & Ryan, 2002, S. 18).

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 3-1. Selbstbestimmtheits-Kontinuum der Motivationskonzepte (nach Ryan &

Deci, 2000, S. 72).

Bezüglich der Wirkungsweise der einzelnen Motivationskonzepte bzw. deren Regulationsarten wurden zahlreiche Studien (Chatzisarantis et al., 1997; Chatzisarantis et al., 2003; Miserandino, 1996; Ryan & Connell, 1989; Vallerand & Bissonnette, 1992; Williams et al., 1998) in verschiedenen Forschungsbereichen (z.B. Arbeit, Bildung, Gesundheit, Politik, Religion, Sport und Umwelt) durchgeführt. Ergebnisse im Bereich des Sports von Chatzisarantis et al. (1997; 2003) zeigten dabei, dass Menschen, die aus intrinsischen oder eher verinnerlichten Motivationsgründen heraus Sport treiben bzw. sich körperlich bewegen, sich zufriedener fühlen und eine Tätigkeit langfristiger ausführen als Menschen mit eher externen Beweggründen. Interessant ist dabei auch, dass nicht nur die Regulationsart und der Ort der Verursachung einer Handlung entscheidend dafür ist, ob sie von einem Menschen langfristig und regelmäßig ausgeführt wird, sondern, dass auch die Handlung selbst das Motivationspotential beeinflusst. So untersuchte Ryan mit seinem Forschungsteam (Ryan et al., 1997) die Motivationsunterschiede von Menschen die der Ausübung von Tae Kwon Do und Aerobics nachgingen. Hier stellte sich heraus, dass diejenigen, die Tae Kwon Do betrieben einen höheren Grad an Freude und Tüchtigkeit empfanden als diejenigen, die Aerobics betrieben. Die Erklärung hierfür finden die Autoren darin, dass Aerobics von vielen Teilnehmern eher zur Gewichtsreduktion bzw. allgemeinen Gesundheitsverbesserung betrieben wird und Tae Kwon Do zwar auch zur Gewichts- und Gesundheitsverbesserung beiträgt, dessen Motivationsgrund jedoch verglichen zu Aerobics eher intern verankert ist und somit aufgrund von eigenem Interesse betrieben wird.. Demnach werden körperbezogene Aktivitäten, wie z.B. Aerobics, Body Building und Krafttraining allgemein, eher von Menschen betrieben, die ein geringeres Maß an Selbstbestimmtheit bezüglich der Partizipation an ihrer Aktivität aufweisen. Menschen für die der wichtigste Grund sich körperlich zu bewegen in dem Erlebnis während der Aktivität an sich liegt, haben hingegen einen höheren Grad an Selbstbestimmtheit und werden diese Aktivität längerfristiger und regelmäßiger ausüben als eher extern motivierte Sportteilnehmer (vgl. Frederick-Recascino, 2002, S. 283-284).

[...]


[1] Anmerkung: Aus Vereinfachungsgründen wird in der vorliegenden Arbeit jeweils nur die maskuline

Form verwendet – alle in dieser Arbeit vorkommenden Bezeichnungen beziehen sich

jedoch selbstverständlich auf beide Geschlechter.

Ende der Leseprobe aus 73 Seiten

Details

Titel
Motivation zur Sportteilnahme. Eine stadienanalytische Betrachtung der Selbstkonkordanz
Hochschule
Albert-Ludwigs-Universität Freiburg  (Institut für Sport und Sportwissenschaft)
Note
1,5
Autor
Jahr
2007
Seiten
73
Katalognummer
V84148
ISBN (eBook)
9783638878463
ISBN (Buch)
9783638887779
Dateigröße
1579 KB
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
Auszug des Gutachtens: Eine sehr schöne Arbeit, die sowohl im theoretischen als auch im empirischen Teil hoch interessante Passagen aufweist. Im Theorieteil hat mir insbesondere die prägnante Darstellung des komplexen Ansatzes der Selbstdeterminationstheorie von Deci und Ryan gefallen. Hervorhebung verdient auch der empirische Teil, der insbesondere hinsichtlich der Qualität der erhobenen Daten hohen Ansprüchen genügt. [...] Insgesamt eine sehr wertvolle Arbeit, die ich mit großem Gewinn gelesen habe.
Schlagworte
Motivation, Sportteilnahme, Eine, Betrachtung, Selbstkonkordanz
Arbeit zitieren
Jan Deni Maurischat (Autor:in), 2007, Motivation zur Sportteilnahme. Eine stadienanalytische Betrachtung der Selbstkonkordanz, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/84148

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