Afrikanische Schriftkulturen und Sprachen im Schatten des Imperialismus am Beispiel Ghana


Dossier / Travail de Séminaire, 2006

21 Pages, Note: 1,0


Extrait


Inhalt

1.Einleitung

2. Historischer Überblick der Entwicklung in Ghana, Westafrika mit Überlegungen zum Sprachwandel

3. Die sprachliche Situation in Ghana
3.1.Die ethnischen Gruppen und ihre Sprachen
3.2.Die Verbreitung der englischen Sprache in Ghana

4. Sprachbewusstsein der ghanaischen Bevölkerung mit historischen Aspekten
4.1. Die einheimischen Sprachen als Träger der afrikanischen Kultur
4.2. Die Amtssprache als interethnische Kommunikationsmöglichkeit
4.3. Orakel und Opferkulte als mediale Ausdrucksformen

5. Schluss

Literaturverzeichnis

1.Einleitung

In meiner Arbeit über Afrikanische Schrift- und Sprachkulturen möchte ich anhand des Beispiels Ghana die Auswirkungen der europäischen Kolonialisierung auf Schrift und Sprache in Westafrika darstellen. Um die Arbeit in einen angemessenen Rahmen zu stellen, werde ich mich hauptsächlich mit der sprachlichen Situation und dem Sprachbewusstsein in Ghana beschäftigen. Allerdings unter besonderer Berücksichtigung der Kolonialisierung und imperialistischen Tendenzen, die bis in die Gegenwart reichen. Somit spielen Sprach- und Bildungspolitik wie auch europäische Schriftkultur eine wichtige Rolle. Um den Rahmen dieser Arbeit dadurch nicht zu sprengen, soll es gezielt um die Auswirkungen auf Schrift und Sprache in Ghana gehen, ohne die Hintergründe der Politik und Machtstrukturen genau zu beleuchten.

Die Entwicklung einer Darstellungsstruktur zur Beantwortung der Frage, in wie weit ghanaische Schrift- und Sprachkultur im Schatten der imperialistischen „Sprach-Matrix“ steht, und welche Konsequenzen sich daraus für die Bevölkerung ergeben, erfordert ebenso einen historischen Überblick der politischen, kulturellen und sprachlichen Situation Ghanas. Dieser soll auch als Einführung in das Thema dienen.

Die verwendete Literatur stammt teilweise aus Ghana, wie z.B. analytische Bücher über westafrikanische Literatur oder sprachwissenschaftliche Bücher von lokalen Professoren. Erfahrungsberichte von Europäern, die in Nordghana gelebt haben, um den Orakelkult kennen zu lernen, werden ebenfalls zu Rate gezogen. Ein von der UNESCO empfohlener Reiseführer gibt unter anderem Aufschluss über Geschichte und Kultur des Landes aus westlicher Sicht.

2. Historischer Überblick der Entwicklung in Ghana, Westafrika mit Überlegungen zum Sprachwandel

Wenn in Afrika von jungen Staaten die Rede ist, so bezieht sich dies nie auf die afrikanischen Stämme und Kulturen selbst, sondern meint lediglich die politischen Gebilde, die von westlicher Hand in jüngster Zeit geformt wurden. Die früheste menschliche Besiedlung in Ghana, soweit es die Beweislage zulässt, reicht 30.000 bis 40.000 Jahre zurück.[1]

Die drei frühen Kaiserreiche Gana, Mali und Songhai prägten für über ein Jahrtausend die Geschichte des westafrikanischen Subkontinents maßgeblich. Und obwohl noch nie ein „weißer Mensch“ zu diesen frühen Zeiten einen Fuß auf den „schwarzen Kontinent“ gesetzt hatte, gelangten afrikanische Produkte über Handelsrouten nach Europa.[2]

Die Entwicklung in Westafrika zwischen 600 n. Chr. bis ins Mittelalter ist durchzogen von Wandel durch Krieg und Migration. Da viele Legenden der damals ansässigen Völker widersprüchlich sind und es oft keine konkreten Nachweise gibt, wird im Folgenden nur auf die für das behandelte Thema interessanten Aspekte eingegangen.

Einer der interessanten Aspekte der Sprachentwicklung in Westafrika ist die Migration der verschiedenen Akan-Völker. Im heutigen Ghana sind sie zumeist mit anderen Völkern vermischt, hinterließen Spuren im ganzen Land und haben teils die Sprache des Mehrheitsvolkes übernommen.[3] Der Vorläufer der Akansprache ist die sog. Guansprache, die von den ursprünglichen Wandergruppen im heutigen Ghana, den Guan, damals gesprochen wurde.

Weitere Untergruppen der späteren Akan-Zuwanderer, wie die Bono oder Ashanti, sprechen alle den Twi-Dialekt, der sich zu einer eigenen Sprache entwickelt hat, zumindest aus europäischer Sicht. Eigentlich gibt es nur verschiedene Twi-Dialekte der Akansprache, dennoch wird aufgrund der heutigen großen Verbreitung gerne von Twi als eigenständige Sprache gesprochen, um die Komplexität der Sprachsituation in Ghana zu umgehen.

1980 wurde eine genaue Analyse der Sprachsituation in Ghana von hiesigen Sprachforschern angestrebt. Zu diesem Zeitpunkt wurden 44 verschiedene Sprachen registriert.[4] Twi wird dort nicht als Sprache geführt, sondern korrekterweise als Akan-Dialekt betitelt.

Da in Westafrika während der gesamten Entwicklung viele verschiedene Stämme mit eigener Sprache und Kultur koexistierten und sich wechselseitig beeinflussten, kam es zu dieser dynamischen Sprachvielfalt. Jede Sprache unterliegt grundsätzlich einem Wandel, eng geknüpft an Kultur, Politik und Geographie. Edward Hall schreibt dazu folgendes:

Many factors will influence these changes, such as nearness to speakers of politically or economically more dominant group, migration and its resulting isolation, and the occurrence of natural barriers to social intercourse, such as rivers, lakes and mountain ranges.[5]

Diese Faktoren haben die Sprachentwicklung maßgeblich bestimmt, bis 1471 ein weiterer Faktor auftauchte: Die Portugiesen erreichten den Golf von Guinea, landeten an Ghanas Küste an, und tauften sie kurzerhand „Goldmine“, da es ungeahnte Goldvorkommen im heutigen Ghana gab.[6] Ca. 10 Jahre später errichteten sie ihren ersten Stützpunkt bei Elmina, um die Vorherrschaft an der Goldküste zu sichern. Ein harter Konkurrenzkampf der Europäer um Gold und Sklaven bahnte sich an. Ab 1505 begannen die Sklaventransporte von Afrika nach Süd- und Mittelamerika, die über mehr als drei Jahrhunderte lang das Schicksal Afrikas grundlegend bestimmen sollten.[7] Die ökonomischen, sozialen und gar genetischen Folgen sind hinreichend bekannt, wie aber hat sich die Sprach- und Schriftkultur mit dem Imperialismus entwickelt?

Wenn Sprachwandel analysiert wird, sollten keine Berührungsängste zur Diskurs- und Sprachgeschichte vorhanden sein.[8] Im Falle der ghanaischen Sprachen ist der Wandel aufgrund zunächst fehlender Schriftlichkeit von diesem Aspekt her nicht realisierbar, und weitgehend an externe Quellen gebunden, wie z.B. koloniale Literatur.

Aber auch durch die einsetzende christliche Missionierung und die Etablierung von Verschriftlichung einiger einheimischer Sprachen Ende des 19. Jahrhunderts[9], ist der Wandel der Sprachen nicht immanent nachvollziehbar. Vielmehr bekamen die rein phonetischen Sprachen einen graphischen Code aufgesetzt, der die kommunikativen Konzepte beeinflusste und zum Wandel trieb. In diesem Fall ist es tatsächlich wichtig, trotz aller Affinitäten, Medium und Konzeption zu unterscheiden.[10] Zur Mündlichkeit schreibt Wulf Oesterreicher folgendes:

Die in einer derartigen Gesellschaft – hier spricht man auch von primärer Mündlichkeit – notwendig allein phonetisch realisierten Diskurse weisen aber sehr wohl ein beachtliches konzeptionelles Profil auf.[11]

Somit stellt sich die Frage, inwieweit sich durch europäischen Einfluss und die daraus resultierende Teilschriftlichkeit die Konzepte und Diskurse der Einheimischen verändert haben.

1869 wurde die Orthographie des Twi-Dialektes, entwickelt von dem Missionar Rev. H.N. Riis, festgelegt.[12] Weitere ghanaische Sprachen wurden ebenfalls von Missionaren verschriftlicht, vorerst meist mit dem Primärziel, die Bibel zu übersetzen.

An dieser Stelle sei erwähnt, dass es im heutigen Nordghana bereits vor der Kolonialisierung Anzeichen von Literalität gab, allerdings von Moslems importierte arabische Schrift. Obwohl es sich dabei nicht um eine ghanaische Schriftform handelte, beeinflusste sie dennoch den hiesigen Diskurs und kulturelle Praktiken. Jack Goody hat diese beschränkte Literalität, entstanden durch ein Aufeinandertreffen von literaler und oraler Gesellschaft, sehr gut dargestellt. Im Gegensatz zur europäischen Kolonialisierung, wurde mit den Moslems primär Handel betrieben und beidseitig interagiert. Der Islam wurde nicht missioniert, sondern teilweise von den Afrikanern freiwillig angenommen, da sie in der Schrift eine magische Kommunikationsmöglichkeit zu Gott sahen. So wurde die importierte Schriftkultur nicht im herkömmlichen Sinne genutzt, z.B. zur Raum-Zeit Überbrückung oder Speicherung, sondern als magische Kulturpraxen, wie mit arabischen Zeichen bestickte Gewänder, die übernatürlichen Schutz boten.[13] Die Eigenschaften einer oralen Gesellschaft, wie zum Beispiel die Aufbewahrung der Kulturelemente im rein menschlichen Gedächtnis oder die direkte „semantische Ratifizierung“[14], sind für den größten Teil der Bevölkerung erhalten geblieben. Allerdings machten sich eingewanderte Moslems die Schrift zu Nutze und es entstand im Laufe der Zeit eine beschränkte Literalität, die sich in verschiedenen Gesellschaftsbereichen äußerte (z.B. Kennzeichnen von Waren). Darüber hinaus bildete sich eine literalisierte Elite, die mit ihren Ideen, Weltanschauungen und religiösen Ansichten ebenfalls die Gesellschaft prägten. Die Bedeutung der Schrift blieb aber dennoch für die Gesamtbevölkerung marginal.[15]

Am 24.07.1874 wurde Ghana (damals noch „Goldküste“ genannt) formell zur britischen Kronkolonie proklamiert, obwohl die einheimische Elite erheblichen Widerstand leistete.[16] Der Sklavenhandel war zu diesem Zeitpunkt bereits verboten und es ging nun in erster Linie um wirtschaftliches Ausbeuten und damit verbundene Macht. Ein Bildungssystem inklusive anglistischer Schriftkultur wurde ausschließlich zu Missionierungszwecken etabliert.

Mit der Unabhängigkeit am 6. März 1957 wurde der Bildungssektor erweitert und die allgemeine Schulpflicht eingeführt.[17] Das Bildungssystem war nach dem Vorbild Großbritanniens organisiert, hat sich aber später mit der Regierung von Rawlings einer breiteren Front geöffnet. In der Regel wurde und wird heute noch in englischer Sprache unterrichtet, mit Ausnahme der ersten Jahre. Diese sollen immer in der jeweiligen Muttersprache unterrichtet werden, wobei es schriftliches Lernmaterial in neun ghanaischen Sprachen gibt. In jüngster Zeit ist die Debatte über den Unterricht in einer ghanaischen Muttersprache entstanden, da einige Ghanaer den Sinn und Zweck der einheimischen Sprachen im Unterricht anzweifeln. Edward Hall hat bereits 1983 auf diesen Aspekt hingewiesen:

Most educators would agree that a person’s educational foundation, including literacy, is best grasped when it is taught in his own language.[18]

[...]


[1] Vgl. Cobbinah 2005, S. 51.

[2] Vgl. Ebd., S. 52.

[3] Vgl. Ebd., S. 58.

[4] Vgl. Hall 1983, S. 6.

[5] Ebd., S. 10.

[6] Vgl. Cobbinah 2005, S. 60.

[7] Ebd.

[8] Vgl. Formen und Folgen von Schriftlichkeit und Mündlichkeit, Hrsg. U. Schäfer, S. 217.

[9] Vgl. Hall 1983, S.9.

[10] Vgl. Formen und Folgen von Schriftlichkeit und Mündlichkeit, Hrsg. U. Schäfer, S. 217 - 241.

[11] Formen und Folgen von Schriftlichkeit und Mündlichkeit, Hrsg. U. Schäfer S. 220.

[12] Nketia, Twi für Ghana – Wort für Wort, S. 13.

[13] Vgl. Goody 1981, S. 283ff.

[14] Vgl. Ebd., S. 48.

[15] Vgl. Ebd., S. 317.

[16] Vgl. Cobbinah 2005, S. 65.

[17] Vgl. Ebd., S. 109ff.

[18] Hall 1983, S. 19.

Fin de l'extrait de 21 pages

Résumé des informations

Titre
Afrikanische Schriftkulturen und Sprachen im Schatten des Imperialismus am Beispiel Ghana
Université
University of Paderborn
Cours
Schriftkulturen
Note
1,0
Auteur
Année
2006
Pages
21
N° de catalogue
V84178
ISBN (ebook)
9783638002288
ISBN (Livre)
9783638949811
Taille d'un fichier
994 KB
Langue
allemand
Mots clés
Afrikanische, Schriftkulturen, Sprachen, Schatten, Imperialismus, Beispiel, Ghana, Schriftkulturen
Citation du texte
Björn Pötters (Auteur), 2006, Afrikanische Schriftkulturen und Sprachen im Schatten des Imperialismus am Beispiel Ghana, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/84178

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