Chinesen führen heisst Chinesen verstehen.
Auf der Basis von Experteninterviews liefern die Autoren einen systematischen Leitfaden für westliche Vorgesetzte von chinesischen Mitarbeitenden. Dieser Leitfaden geht von einer Darstellung des Wesens der Chinesen, ihrer Denkart und ihrem Verhalten aus und mündet in konkreten Handlungsanweisungen für die unterschiedlichen Führungsaufgaben.
Eine Grundvoraussetzung für die westliche Führungskraft ist ein Bewusstsein für die eigene Kultur. Nur so kann sie aus dieser heraustreten und sich auf die chinesische Kultur einlassen, in welcher ganz andere Sitten und Gebräuche herrschen. Es ist schier unmöglich, alles darüber zu wissen und sich als Fremder immer tadellos zu verhalten. Chinesen verzeihen Fehler aber gerne, wenn sie spüren, dass ein grundsätzlicher Respekt vorhanden ist. Respekt bedeutet unter anderem ein Verständnis der chinesischen Kultur und Geschichte. Dieses Buch enthält deshalb zusätzlich eine prägnante Zusammenstellung der wichtigsten Ereignisse sowohl aus der westlichen wie auch der chinesischen Geschichte, die helfen, die Unterschiede zwischen den beiden Kulturen zu verstehen.
Eine Entsendung nach China ist in jedem Fall mit hohem persönlichem Aufwand verbunden, aber dies sollte kein Hindernis sein, dieses Abenteuer einzugehen. Denn wie schon Konfuzius wusste: „Wer nur an das angenehme und bequeme Leben denkt, kann nicht wahrhaft gebildet sein.“
Inhaltsverzeichnis
Interessebekundung und Dank
Inhaltsverzeichnis
Abbildungsverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis
1 Management Summary
2 Einleitung
2.1 Ausgangslage
2.2 Problemstellung
2.3 Zielsetzung
2.4 Stand der Forschung
2.5 Methodik der Diplomarbeit
2.5.1 Aufbau der Arbeit
2.5.2 Verwendete Modelle
2.5.3 Vorgehen Datenerhebungen
3 Kulturelle Hintergründe
3.1 Definition von Kultur
3.2 Definition von interkulturell
3.3 Kulturräume
3.4 Vorbemerkungen zu den kulturellen Hintergründen
3.5 Kultureller Hintergrund der westlichen Welt
3.6 Kultureller Hintergrund China
4 Vergleich von Kulturen
4.1 Modell von Hofstede
4.2 Modell von Trompenaars/Hampden-Turner
4.3 Das GLOBE-Projekt
4.4 Evaluation der bestehenden Modelle
4.5 Herleitung des für diese Arbeit verwendeten Modells
4.6 Das verwendete Modell der arbeitsbezogenen Kulturdimensionen
5 Personalführung
5.1 Grundlagen/Definition
5.2 Führungsmodell und Führungsstile
5.3 Aufgaben der Führungsperson
5.3.1 Aufgaben der Führungsperson und Evaluation
5.3.2 Herleitung und Beschrieb des Modells „Architektur des Führungsprozesses“
6 Leitfaden
6.1 Einleitende Hinweise
6.2 Resultatedarstellung bezüglich Dimensionen
6.3 Vergleich der Kulturprofile
6.4 Resultatedarstellung bezüglich des Führungsprozesses
7 Fazit und Zielkontrolle
7.1 Fazit
7.2 Zielkontrolle
8 Ausblick
Literaturverzeichnis
Interessebekundung und Dank
Als das Thema „Diplomarbeit“ diesen Spätwinter langsam aktuell wurde, haben wir uns zusammengesetzt und uns überlegt, was wir machen möchten. Nach wenigen Minuten war klar, dass wir ein Thema aus dem Bereich Personalmanagement in einem internationalen Kontext bearbeiten wollen. Von Anfang an war uns bewusst, dass man auf maximal hundert Seiten nicht die ganze Welt thematisieren kann, sondern dass wir uns geographisch einschränken müssen. Da der Personenkreis, welcher eine (deutschsprachige) Arbeit zum Thema Personalmanagement in Äthiopien oder Nicaragua lesen möchte, doch eher klein ist, und wir abgesehen davon wohl auch ein immenses Problem mit der Literatursuche gehabt hätten, haben es die Länder Russland, Indien und China in die engere Auswahl geschafft. Als definitives Länderauswahlkriterium kam unser Interesse an der Ethik zum Zuge. Unsere Leidenschaft für Ethik hatte nie etwas mit (den populistischen Themen) Korruptionsbekämpfung, Umweltschutz und Ähnlichem zu tun, sondern mit dem traditionellen Ansatz des guten und gerechten Handelns im Allgemeinen, mit den Phänomenen von Moral und Sitte einer Kultur (vgl. Höffe 1997: 66). Russland schien uns für einen ethischen Ansatz zu nahe an der westlichen Kultur und Indien mit seiner Vielzahl von Ethnien und Religionen zu heterogen. Also blieb China übrig. Über China wussten wir eigentlich am Wenigsten, seine betriebswirtschaftliche Relevanz ist aber unbestritten. Dies passte uns ausgezeichnet, da wir vorhatten, im Laufe dieser Diplomarbeit viel Neues zu lernen. Denn wir waren uns eigentlich von Anfang an einig, dass das Verfassen einer Diplomarbeit sehr viel Zeit in Anspruch nimmt und wir demzufolge auch einen entsprechend grossen Nutzen für uns persönlich anstreben wollten.
So ist das Thema „Führung von Chinesen durch westliche Vorgesetzte in China“ entstanden.
Den Leser der folgenden Diplomarbeit, welche für uns den Abschluss unseres Studiums der Betriebsökonomie bedeutet, mag vielleicht erstaunen, dass in unserer Arbeit nicht nur betriebswissenschaftliche Aspekte bearbeitet werden, sondern dass neben Ökonomen auch Philosophen, Kulturwissenschaftler, Psychologen, Ethiker, Soziologen, Juristen, Theologen und vor allem viele Historiker „zu Wort kommen“. In einer immer komplexer werdenden Welt lassen sich unserer Meinung nach die Herausforderungen kaum mehr mit den Konzepten und Glaubenssätzen einer einzigen Fachdisziplin meistern. Interdisziplinarität ist demzufolge das Lösungswort und diesem Ansatz ist unsere Diplomarbeit verpflichtet.
Unsere daher sehr breit angelegte Diplomarbeit mag den einen oder anderen interessanten Aspekt nicht gebührend genug behandeln, vielleicht sogar ein paar Fragen offen lassen. Die Diplomarbeit soll Lösungsansätze bieten, nicht aber ein simples Instant-Erfolgsrezept liefern, kein schwarz-weiss Denken unterstützen. Und sie soll nicht zuletzt – ganz im Sinne des folgenden Zitates von Heidegger (vgl. Höffe 1999: 361f.) – auch zum Nachdenken, Weiterdenken und Weiterlesen anregen:
„Vorerst allerdings – wir wissen nicht für wie lange – befindet sich der Mensch auf dieser Erde in einer gefährlichen Lage. […] Eine seltsame Behauptung. Allerdings, aber nur solange seltsam, als wir nicht nachdenken. Inwiefern gilt der soeben ausgesprochene Satz? Er gilt insofern, als die […] Revolution der Technik den Menschen auf eine Weise fesseln, behexen, blenden und verblenden könnte, dass eines Tages das rechnende Denken als das einzige in Geltung und Übung bliebe.
Welche grosse Gefahr zöge dann herauf? Dann ginge mit dem höchsten und erfolgreichsten Scharfsinn des rechnenden Planens und Erfindens – die Gleichgültigkeit gegen das Nachdenken, die totale Gedankenlosigkeit zusammen. Und dann? Dann hätte der Mensch sein Eigenstes, dass er nämlich ein nachdenkendes Wesen ist, verleugnet und weggeworfen. Darum gilt es, dieses Wesen des Menschen zu retten. Darum gilt es das Nachdenken wach zu halten. “
Heidegger war natürlich nicht völlig gegen Technik, Mathematik, Logik und Rationalität, seine Haltung muss viel mehr als Korrektiv gesehen werden. Er befürchtete lediglich, dass das Technische andere (menschlichere) Arten des Verstehens verdrängen könnte (vgl. Röd 2000b: 451ff.). In diesem Sinne möchten wir an dieser Stelle den Menschen danken, die uns auf die eine oder andere Weise beim Bearbeiten und Verstehen der Thematik „Führung von Chinesen durch westliche Vorgesetzte in China“ geholfen haben:
Unser Dank gilt all jenen Personen, die sich uns als Interviewpartner zur Verfügung gestellt haben, insbesondere den Herren Prof. Dr. P. A. Abplanalp, P. Haller und A. Schöni.
Weiter danken wir unserem Dozenten Benjamin Wall, der sich als Referent für diese Diplomarbeit zur Verfügung gestellt hat.
Susann Schläppi, Christian Bürki, Dipl. sc. nat. ETH Michael Emmenegger und lic. oec. HSG Erwin Haslebacher haben die Diplomarbeit vor der Abgabe noch durchgesehen. Für ihr wertvolles Feedback sind wir ebenfalls dankbar.
Bern, August 2007 Ursina Tanner, Achim Steffen
Aus Gründen der Einfachheit wird in dieser Arbeit häufig nur die männliche Form verwendet, dabei ist immer auch die weibliche Form mitgemeint.
Zusätzlich werden aus Rücksicht auf die berufliche Situation unserer Interviewpartner deren Vornamen nicht bekannt gegeben.
Abbildungsverzeichnis
Abbildung 1: Aufbau der Diplomarbeit
Abbildung 2: Verwendete Modelle
Abbildung 3: Schematische Darstellung der Datenerhebung
Abbildung 4: Kulturebenen nach Schein
Abbildung 5: Kategorien kultureller Hintergründe
Abbildung 6: Das chinesische Regierungssystem
Abbildung 7: Bündelung der Dimensionen zum Kulturvergleich
Abbildung 8: Das GRID-Modell
Abbildung 9: Bündelung der Führungsaufgaben
Abbildung 10: Architektur des Führungsprozesses
Abbildung 11: Vergleich der Kulturprofile
Abkürzungsverzeichnis
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
1 Management Summary
Der chinesische Markt besitzt ein enormes Potential und lockt deshalb viele westliche Unternehmen, welche in ihren angestammten Märkten mit Sättigungseffekten zu kämpfen haben, zur Investition. Häufig werden in den so entstehenden Tochter- oder Gemeinschaftsunternehmen westliche Manager und Fachspezialisten, die bereits länger für das Mutterhaus tätig sind, in Schlüsselpositionen eingesetzt, um die nötige Leistung und Qualität sicherzustellen. Die Mitarbeiter stammen aber aus der lokalen chinesischen Kultur. Damit ergibt sich oftmals die Konstellation, dass westliche Führungskräfte direkte Vorgesetzte von chinesischen Mitarbeitenden sind. In diesen Arbeitsteams prallen unterschiedliche Kulturen aufeinander. Die westlichen Manager müssen deshalb ihren Führungsstil überdenken.
Ziel dieser Diplomarbeit ist die Erarbeitung eines Leitfadens für westliche Manager mit konkreten Handlungsanweisungen für die wirksame Führung von chinesischen Mitarbeitern in China. Zu diesem Zweck führten die Verfasser dieser Arbeit neben einer ausgiebigen Literaturstudie Interviews mit erfahrenen Managern und Experten der chinesischen Kultur und Managementtätigkeit durch.
Zentral erscheint es den Autoren dieser Arbeit, dass sich Manager, die in anderen Ländern Führungsaufgaben haben, der eigenen Kultur und der Kultur des Gastlandes bewusst sind. Nur so kann die interkulturelle Situation bewusst gestaltet werden. Diese Arbeit enthält deshalb eine Darstellung wesentlicher Elemente der westlichen und chinesischen kulturellen Hintergründe, die auf die konkrete Führungssituation einwirken.
Da sich anerkannte Modelle für den Vergleich von Kulturen nicht zur Beantwortung der spezifischen Fragestellung dieser Arbeit eignen, konzipieren die Verfasser dieser Arbeit auf der Basis bestehender Modelle ein eigenes Modell mit elf Dimensionen, welche sich konkret mit dem Vergleich der Führungssituationen im Westen und in China befassen. Dieses Modell kommt sowohl bei der Gestaltung der Interviewfragebogen, als auch bei der Darstellung der Resultate zum Einsatz.
Nicht das ganze Gebiet der Personalführung wird im gleichen Masse durch die interkulturelle Führungssituation beeinflusst. Im Wesentlichen beschränkt sich der Handlungsspielraum des Vorgesetzten auf seine Aufgaben im personal-interaktiven Bereich. Die Autoren dieser Arbeit strukturieren die Aufgaben der personal-interaktiven Führung in einem eigenen Modell, der Architektur des Führungsprozesses, welche zur Gliederung der mündlichen Interviews und des Leitfadens verwendet wird.
Als idealer Führungsstil im westlichen Umfeld wird von den Verfassern der partizipativ-kooperative Stil identifiziert. Zur Ausformulierung der westlichen Führungssituation als Grundlage für die Interviews wird dargestellt, wie die einzelnen Führungsaufgaben im partizipativ-kooperativen Führungsstil erledigt werden können.
Den Autoren dieser Arbeit ist bewusst, dass bei einem derart grossen Volk wie den Chinesen nie allgemeingültige Handlungsempfehlungen gegeben werden können. Dem Unterschied zwischen Generationen und Regionen muss in der Führungssituation Rechnung getragen werden. Chinesen scheinen zudem für Westler oft widersprüchliche Verhaltensweisen aufzuweisen. Die Logik, die sich hinter diesem Verhalten versteckt, kann nur über eine intensive Auseinandersetzung mit der Denkweise der Chinesen gefunden werden.
Für die erfolgreiche Führung von Chinesen durch westliche Vorgesetzte in China definieren die Autoren dieser Arbeit folgende Fähigkeiten der Führungskraft: grosses Mass an Offenheit, Flexibilität, Durchhaltewillen im Ertragen mehrdeutiger oder sehr frustrierender Situationen und Belastbarkeit. Kenntnisse der chinesischen Geschichte, Kultur und Sprache sind unabdingbar, um genügend Respekt und Akzeptanz von den chinesischen Mitarbeitenden zu erhalten. Das Verständnis der vier Grundelemente der chinesischen Kultur - Gesicht, Beziehung Verpflichtung und Etikette – ist fundamental. Situationen in denen Chinesen ihr Gesicht vor anderen verlieren können, sind auf jeden Fall zu vermeiden. In der chinesischen Arbeitswelt sind die zwischenmenschlichen Beziehungen immer wichtiger als die Fakten. Für Chinesen sind Beziehungen immer geprägt von (wechselseitigen) Verpflichtungen. Und die Wahrung der Etikette in Form von Höflichkeit und einer ausreichenden Kontrolle der eigenen Emotionen führt dazu, dass Chinesen die westliche Führungskraft respektieren und akzeptieren können.
Die Autoren dieser Arbeit zeigen im Leitfaden auf, wie die westliche Führungskraft erfolgreich mit chinesischen Untergebenen kommunizieren kann, wie sie sie am besten motiviert und wie sie idealerweise in China Entscheide vorbereitet, durchführt und umsetzt sowie die Umsetzung kontrolliert. Zusätzlich gibt der Leitfaden Hinweise, wie sich Konflikte lösen lassen und wie Chinesen in der Gruppe entwickelt werden können.
Alles in allem erhält die westliche Führungskraft, die nach China entsandt wird, mit den Hinweisen des Leitfadens eine hilfreiche Stütze in der personal-interaktiven Führung von Chinesen.
Die Verfasser dieser Arbeit zeigen im letzten Teil auf, welche Aspekte der Diplomarbeit durch weitere Forschungstätigkeit allenfalls vertieft werden könnten und schlagen eine Reihe von Themen vor, mit denen sich das Resultat erweitern liesse.
2 Einleitung
2.1 Ausgangslage
China – die aufstrebende Wirtschaftsmacht – hatte in den letzten Jahren ein durchschnittliches Wirtschaftswachstum von ca. 10 Prozent und ist im 2006 bereits die viertgrösste Wirtschaft gemessen am BIP weltweit (vgl. World Bank 2007: 1). In wenigen Jahren wird sich China noch weiter an die Weltspitze vorgearbeitet haben. Zu diesem Erfolg tragen vor allem folgende Faktoren bei: die riesigen Ressourcen an Mensch und Material, die zentralistische Organisation des Staates, de Aufstiegswille und Nachholbedarf von mehr als einer Milliarde Menschen und der wachsende Zugang zu mehr und besserer Information (vgl. Brasser 2005: 2).
Der chinesische Markt besitzt ein enormes Potential und lockt deshalb viele westliche Konzerne, welche in ihren angestammten Märkten mit Sättigungseffekten zu kämpfen haben, zur Investition. So versuchen Produktionsunternehmen über den Aufbau oder Kauf von Tochtergesellschaften oder über Joint Ventures mit chinesischen Betrieben im rasch wachsenden Markt Fuss zu fassen und ihre Produkte und Dienstleistungen der neu entstehenden Mittelschicht anzubieten. Dienstleistungsunternehmen folgen als Zulieferer für die bereits ansässigen Betriebe. Die real genutzten auswärtigen Investitionen beliefen sich Ende 2004 auf insgesamt rund 562.1 Milliarden US-Dollar (vgl. Embassy of Switzerland in Bejing 2005: 14).
Damit die chinesischen Tochtergesellschaften sich in die Konzernstruktur einfügen, werden meist westliche Manager und Fachspezialisten, die bereits länger für das Mutterhaus tätig sind, in Schlüsselpositionen eingesetzt, um die nötige Leistung und Qualität sicherzustellen. Westliche Führungskräfte werden auch in Joint Ventures und chinesischen Unternehmungen eingesetzt. Viele Mitarbeitende stammen allerdings aus der lokalen (chinesischen) Bevölkerung.
2.2 Problemstellung
Durch die vermehrte Zusammenarbeit von ausländischen Unternehmen mit lokalen chinesischen Unternehmen oder den Betrieb von Tochtergesellschaften ausländischer Unternehmen im chinesischen Markt ergibt sich häufig die Konstellation, dass westliche Führungskräfte direkte Vorgesetzte von chinesischen Mitarbeitenden werden. In diesen Arbeitsteams prallen unterschiedliche Kulturen aufeinander. Nicht nur, dass sich die chinesischen Mitarbeitenden zum Teil wesentlich von ihren Vorgesetzten hinsichtlich der Art und des Umfangs der Ausbildung differenzieren, die kulturellen Hintergründe sind zudem völlig verschieden. Dies führt zu unterschiedlichen Wertvorstellungen, Verhaltensweisen und persönlichen Bedürfnissen hinsichtlich der Arbeit. So können zwischen der westlichen Führungskraft und den chinesischen Mitarbeitenden Missverständnisse und Konflikte entstehen, welche die Zusammenarbeit deutlich erschweren.
Westliche Manager müssen deshalb beim Führen von chinesischen Arbeitskräften ihren Führungsstil überdenken und gegebenenfalls von den bewährten Rezepten abweichen, welche sich zwar für die westliche Arbeitswelt eignen, mit Chinesen aber wenig erfolgreich sind.
2.3 Zielsetzung
Ziel dieser Diplomarbeit soll ein Leitfaden für westliche Führungskräfte mit konkreten Handlungsanweisungen für die wirksame Führung von chinesischen Mitarbeitern in China sein.
Der Leitfaden soll in einem ersten Teil allgemeine Hinweise für die westliche Führungskraft enthalten. In einem zweiten Teil werden konkrete Aussagen zu den chinesischen arbeitsbezogenen Wertvorstellungen gemacht. Diese Aussagen werden anhand eines von den Autoren dieser Arbeit zusammengestellten Modells mit Kulturdimensionen strukturiert und enthalten jeweils Anweisungen für die westlichen Führungskraft zu grundlegenden Verhaltensweisen, die sich positiv auf die Führungssituation auswirken. Zusätzlich erläutern die Autoren dieser Arbeit in einem dritten Teil des Leitfadens auf der Grundlage eines eigens erarbeiteten Modells der Führungsaufgaben, was die westliche Führungskraft in den einzelnen Führungsaufgaben tun muss, um die gemeinsamen Wertvorstellungen im konkreten Führungsverhältnis zu unterstützen und Konflikte zu vermeiden oder zu lösen.
Die Inhalte des Leitfadens werden aus speziell für diese Arbeit geführten Interviews mit erfahrenen westlichen Führungspersonen gewonnen, die bereits in China tätig waren oder immer noch sind, und mit Erkenntnissen aus aktueller Literatur ergänzt.
2.4 Stand der Forschung
Obwohl heutzutage viele westliche Unternehmen auf den chinesischen Markt drängen, gilt das Thema „Personalführung in China durch westliche Vorgesetzte“ als noch wenig erforscht. Westliche Unternehmen investieren erst seit Mitte der neunziger Jahre des letzten Jahrhunderts im grossen Stil in den chinesischen Markt. Bis dahin kamen die Investitionen mehrheitlich aus den wirtschaftlich erfolgreichen Nachbarländern Hongkong und Taiwan, zum Teil von ehemaligen chinesischen Auswanderern (vgl. Seitz 2006: 263ff.).
Forschung im Gebiet der interkulturellen Personalführung beschäftigt sich aktuell mit der Frage, in wie weit sich die unterschiedlichen Kulturen überhaupt in der Personalführungssituation auswirken. Hofstede (2005: 20) vertritt hier klar die Meinung, dass Management und Leader-ship nicht von der Gesellschaft getrennt werden können. Entsprechend kann nach Hentze u. a. (2005: 536f.) kein einheitliches Modell der Personalführung für alle Kulturen angewandt werden. Die Forschung muss sich also der verschiedenen Kulturräume einzeln annehmen.
Da die Zahl der westlichen Führungskräfte im chinesischen Arbeitsmarkt insbesondere seit der Jahrtausendwende sprunghaft angestiegen ist, existieren heute viele Erfahrungsberichte, die auf eine wissenschaftliche Aufarbeitung warten. Entsprechend sind im Handel einige Ratgeber mit Anweisungen für westliche Führungskräfte zur Führung von Chinesen verfügbar. Oft widerspiegeln sie aber nur Meinungen und Erfahrungen von einzelnen Personen.
Zusätzlich gilt es zu sagen, dass in einem sich derart schnell verändernden Umfeld wie China, Forschungsergebnisse bezüglich der Personalführung von Chinesen eine geringe Halbwertszeit haben.
2.5 Methodik der Diplomarbeit
2.5.1 Aufbau der Arbeit
Die vorliegende Diplomarbeit ist gemäss untenstehender Grafik aufgebaut:
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 1: Aufbau der Diplomarbeit (eigene Abbildung)
Der Arbeit vorangestellt wird ein Management Summary (Kapitel 1) welches die ganze Arbeit inklusive Ausblick zusammenfasst. Das Kapitel 2 mit seinen Unterkapiteln Ausgangslage, Problemstellung, Ziel, Stand der Forschung und Methodik bildet den Rahmen für die Arbeit.
Der eigentliche Inhalt der Arbeit beginnt mit Kapitel 3. In diesem Kapitel werden einleitend einige notwendige kulturelle Begriffe eingeführt und anschliessend die westliche und die chinesische Kultur als Ganzes dargestellt. Die Autoren dieser Arbeit erachten es als wichtig, sich intensiv mit der westlichen und der chinesischen Kultur auseinanderzusetzen. Das Aufzeigen der beiden Kulturen mit ihren unterschiedlichen, manchmal aber auch gemeinsamen Ausprägungen, gestattet es den Autoren dieser Arbeit, ein Bild vom „Wesen“ des chinesischen Mitarbeiters resp. der westlichen Führungskraft als Mitglied einer Gesellschaft mit ihren Wertvorstellungen, Verhaltensgrundsätzen und Zielen zu zeichnen. Die Darstellung der Kulturen befasst sich insbesondere mit der Entwicklung und Ausprägung der aktuellen Geisteshaltung und mit damit zusammenhängenden Konsequenzen im Verhalten. Das Kapitel 3 dient den Verfassern dieser Arbeit zusätzlich als Grundlage für die Erarbeitung der Kapitel 4 und 5.
Im Kapitel 4 werden bestehende Modelle zur Erforschung von kulturellen Ausprägungen dargestellt. Daraus abgeleitet wird ein eigenes Modell entwickelt und erläutert, mit welchem die Autoren dieser Arbeit die kulturellen Ausprägungen von Chinesen bezogen auf die Personalführung untersuchen wollen.
Mit den Grundlagen der Personalführung befasst sich das Kapitel 5. Die Erkenntnisse aus diesem Kapitel fliessen ebenfalls in das durch die Autoren dieser Arbeit entwickelte Modell zur Untersuchung der kulturellen Ausprägungen ein.
Im Kapitel 6 werden die Resultate der Untersuchungen der Verfasser dieser Arbeit in Form eines Leitfadens dargestellt. Der Leitfaden soll westlichen Führungskräften aufzeigen, wie chinesische Mitarbeiter in China zu führen sind. Der Leitfaden ist einerseits (aus der ganzen Arbeit) herausgelöst lesbar. Um die Komplexität der Thematik besser erfassen und vor allem begreifen zu können, empfiehlt sich jedoch mindestens auch die Lektüre der Kapitel 3, 4 und 5.
Im Kapitel 7 wird ein Fazit gezogen und eine Zielkontrolle vorgenommen und das Kapitel 8 enthält einen Ausblick.
2.5.2 Verwendete Modelle
Im Laufe dieser Diplomarbeit werden verschiedene Modelle zur Hilfe gezogen. Folgende Abbildung soll einen systematischen Überblick über die Modelle und die Kapitel, in denen sie eingeführt werden, geben. Weiter soll die Grafik schematisch aufzeigen, wie die eingesetzten Modelle zum eigentlichen Resultat der Arbeit, dem Leitfaden für westliche Führungskräfte, beitragen:
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 2: Verwendete Modelle (eigene Abbildung)
Auf der Basis der Modelle und dazugehörenden Dimensionen von Hofstede, Trompenaars/Hampden-Turner und dem GLOBE-Projekt, welche im Kapitel 4 eingeführt werden, entwickeln die Autoren dieser Arbeit ein eigenes Modell zur Untersuchung von für die Arbeitswelt relevanten kulturellen Ausprägungen, auf welchem die von den Autoren dieser Arbeit eingesetzten Interviewleitfäden teilweise basieren
Wunderer teilt die Personalführung in zwei Dimensionen ein. Für diese Arbeit wird von den Verfassern aber nur die Dimension „personal-interaktiv“ als relevant angesehen. Die Zusammenstellung der Aufgaben der Führungsperson in dieser Dimension wird mit den Elementen des Führungsprozesses nach Hentze u. a. abgeglichen. Aus diesen zwei Grundlagen entwickeln die Autoren dieser Arbeit ein eigenes Modell, die Architektur des Führungsprozesses, auf welchem die von den Autoren eingesetzten Interviewleitfäden teilweise basieren.
Zur Identifikation des idealtypischen westlichen Führungsstils nehmen die Verfasser dieser Arbeit das GRID-Führungsmodell von Blake/McCanse als Grundlage. Das Modell benennt den „partizipativ-kooperativen“ Führungsstil als denjenigen, welcher in der Führung zu bevorzugen ist. Da es sich beim GRID-Modell um ein klar westliches Führungsmodell handelt, wird dieser Führungsstil von den Autoren dieser Arbeit als der „westliche Führungsstil“ herangezogen und für die Interviewleitfäden als Grundlage verwendet.
Mit Hilfe des Modells der Kulturebenen von Schein, welches im Kapitel 3 eingeführt wird, können kulturelle Ausprägungen differenzierter untersucht und interpretiert werden. Es dient den Autoren dieser Arbeit zusätzlich dazu, im Leitfaden für westliche Führungskräfte dem Leser gewisse Resultate (verständlicher) zu erläutern.
2.5.3 Vorgehen Datenerhebungen
Zum Verfassen eines Leitfadens für westliche Führungskräfte werden Befragungen mit Experten (Primärerhebung) durchgeführt und die Resultate durch Hinweise aus der Literatur verifiziert bzw. ergänzt (Sekundärerhebung).
Auswahl der Experten für die Interviews: Gemäss Meuser/Nagel (1991: 443) eignet sich als Experte, wer Verantwortung trägt für den Entwurf, die Implementierung oder die Kontrolle einer Problemlösung oder wer über einen überdurchschnittlich hohen Zugang zu Informationen über Personengruppen oder Entscheidungsprozesse verfügt. Dabei sind die Experten oftmals nicht in der obersten Ebene einer Organisation sondern in der zweiten oder dritten Ebene zu suchen.
Damit die Thematik durch die Befragungen für diese Diplomarbeit möglichst breit abgedeckt wird, werden Interviewpartner mit unterschiedlichem Bezug zur Problemstellung gesucht. Die Experten, die für diese Arbeit herangezogen werden, lassen sich in folgende zwei Kategorien einordnen:
- (schweizer) Experten für chinesische Kultur und Managementtätigkeiten in China
- westliche Manager mit konkreten Erfahrungen in der Führung von chinesischem Personal
Erarbeiten der Interviewleitfäden: Die Experteninterviews werden mit Hilfe offener Leitfäden geführt. Die Orientierung an einem Leitfaden verhindert, dass das Gespräch sich in Themen verliert, die keinen Mehrwert für die Diplomarbeit bringen, erlaubt es dem Experten aber gleichwohl, seine Sicht der Dinge auszuführen oder neue, ihm als relevant erscheinende Aspekte und Themen einzubringen. Zusätzlich stellt die Entwicklung eines Leitfadens sicher, dass sich die Interviewer eingehend mit der Thematik beschäftigt haben und sich den Experten nicht als inkompetente Gesprächspartner präsentieren (vgl. Meuser/Nagel 1991: 448).
Die Experten für chinesische Kultur und Managementtätigkeit in China werden mit einem Leitfaden befragt, der auf der Architektur des Führungsprozesses basiert und in dem die Kulturdimensionen ergänzend angesprochen werden. Der Führungsprozess behandelt dabei insbesondere nur den personal-interaktiven Teil der Personalführung, in welchem die interkulturellen Probleme vornehmlich auftreten. Anhand dieser Architektur des Führungsprozesses werden die Interviewpartner gebeten, ihre Erfahrungen und geeignete Strategien in jedem Teilbereich der Führung zu nennen.
Bei den westlichen Managern mit China-Erfahrung wird ein Leitfaden eingesetzt, der auf den Kulturdimensionen aufbaut und ergänzend die Themen der Architektur des Führungsprozesses beinhaltet. Die Beurteilung der chinesischen Kultur soll sich bei der Befragung ausschliesslich auf die erlebte Kultur in der Arbeitswelt beziehen. Die Einschätzung der Ausprägung in den einzelnen Dimensionen wird zudem nicht absolut von den Interviewpartnern abgefragt, sondern relativ zum eingeschätzten westlichen Wert.
Durchführen der Experteninterviews: Da die Thematik nicht nur mit Hilfe von Schweizer Managern bearbeitet werden soll, sondern möglichst auch mit Experten anderer westlicher Nationalitäten, finden die Interviews zum Teil in mündlicher Form statt, teilweise werden sie schriftlich über E-Mail abgewickelt.
Der Leitfaden für die westlichen Manager, der für die schriftlich stattfindenden Befragungen eingesetzt werden kann, wird im Vorfeld einem Pretest unterzogen und anschliessend angepasst, um so die Verständlichkeit und Zielorientierung sicherzustellen. Weiter wird die Reihenfolge der Themen bei jeder schriftlichen Befragung variiert, um zu verhindern, dass die Antworten einem Positionseffekt oder Carry-over-Effekt unterliegen (vgl. Huber 1997: 153ff.).
Die mündlichen Befragungen werden in der Muttersprache (Schweizerdeutsch) der Experten für chinesische Kultur und Managementtätigkeit durchgeführt (vgl. Meuser/Nagel 1991: 449).
Rücklauf Experteninterviews: Von den 22 verschickten Fragebogen sind 10 beantwortet worden, was einer Rücklaufquote von 46% entspricht. Einer der beantworteten Fragebögen konnte aufgrund mangelnder Qualifikation des Experten nicht für die Auswertung verwendet werden. Bei 3 von 4 Personen, die für ein mündliches Expertengespräch von 1.5 - 2h angefragt worden sind, konnte das Gespräch schlussendlich auch durchgeführt werden, was einer Quote von 75% entspricht.
Transkription der mündlich durchgeführten Experteninterviews: Die Auswertung der auf Tonband aufgenommenen Experteninterviews setzt die Transkription voraus. Dabei wird auf die inhaltliche Vollständigkeit und wortgetreue Transkription Wert gelegt. Da die Gespräche auf Schweizerdeutsch geführt werden, ergeben sich bei der Transkription ins Hochdeutsche gewisse sprachliche Schwierigkeiten. Um die Aussagen der Experten beim Übersetzen ins Hochdeutsche so wenig wie möglich zu verfälschen, wird die sprachliche Korrektheit und Angemessenheit weit weniger gewichtet als die Authentizität der gemachten Aussagen. Dies kann zu Satzstellungen oder Begriffsverwendungen führen, die so in der deutschen Sprache wenig üblich oder angemessen erscheinen, dafür aber die Zwischentöne der gemachten Aussagen weiterhin erkennen lassen. Auf ein aufwendiges Notationssystem, welches Pausen, Stimmlagen und andere nonverbale und parasprachliche Elemente beinhaltet, wird verzichtet, da dies für die Zielerreichung nicht als notwendig erachtet wird. Die Experteninterviews werden grundsätzlich wortgetreu transkribiert, Zusammenfassungen von Sequenzen werden nur vorgenommen, falls sich Aussagen wiederholen oder stark vom Kernthema abweichen (vgl. Meuser/Nagel 1991: 455).
Auswertung der Experteninterviews: Die Auswertung der Experteninterviews beinhaltet einen Textvergleich mit der Absicht, das Repräsentative im Expertenwissen herauszuarbeiten. Dabei werden die einzelnen Passagen einem oder mehreren Themen zugeordnet, wobei das Zerreissen der Sequenzialität auch innerhalb von Passagen notwendig ist (vgl. Meuser/Nagel 1991: 451ff.). Als Themen werden einerseits die verschiedenen Kulturdimensionen und anderseits die Aspekte des Führungsprozesses eingesetzt; nicht zuordenbare, relevante Sequenzen werden dem Thema "Einleitung, Allgemeines" zugeteilt.
Die schriftlich befragten Personen wurden gebeten, für jede Dimension die chinesischen Mitarbeiter auf einer Fünferskala von „-2“ bis „+2“ einzuordnen, wobei "0" jeweils „gleich wie westliche Mitarbeiter“ bedeutet. Mit Hilfe des arithmetischen Mittels und des Modalwertes[1] (vgl. Bortz 1999: 36ff.) kann so ein Profil des chinesischen Mitarbeiters graphisch dargestellt werden. Auf Grund der zu kleinen Anzahl an Befragten (n) kann diese grafische Darstellung allerdings nur als Tendenz aufgefasst werden.
Darstellung der Resultate: Die den einzelnen Themen zugeordneten Textpassagen werden verdichtet dargestellt, wobei eine Allgemeingültigkeit der Aussagen erreicht werden soll. Die Resultate der Befragungen werden ergänzt durch Hinweise aus der Literatur und in Form eines Leitfadens dargestellt, welcher westlichen Managern ohne China-Erfahrung Handlungs- und Verhaltensempfehlungen aufzeigt.
Der erste Teil des Leitfadens für westliche Führungskräfte umfasst eine Einleitung, die wesentliche Aspekte beim Führen von chinesischen Mitarbeitern erläutert, welche nicht den einzelnen Dimensionen oder den Aspekten des Führungsprozesses zugeordnet werden können.
Im zweiten Teil wird anhand der Dimensionen aufgezeigt, wie chinesische Mitarbeiter sind und welche Konsequenzen sich daraus für westliche Manager für die Personalführung von Chinesen ergeben. Das aus der Abfrage der Kulturdimensionen entstandene grafische Profil des chinesischen Mitarbeiters, mit dem ersichtlich ist, in welchen Dimensionen sich chinesische Mitarbeiter von westlichen Mitarbeitern unterscheiden und wie gross der jeweilige Unterschied ist, dient als Basis für die Erläuterungen und Handlungsempfehlungen je Dimension.
Im dritten Teil wird anhand der Architektur des Führungsprozesses dargelegt, welche chinaspezifischen Gegebenheiten bei der Führung von Chinesen berücksichtigt werden müssen.
Zusammenfassend lässt sich die Datenerhebung, auf dessen Grundlagen der Leitfaden für westliche Führungskräfte basiert, grafisch wie folgt darstellen:
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 3: Schematische Darstellung der Datenerhebung (eigene Abbildung)
3 Kulturelle Hintergründe
Auf Grund fehlender Effizienz und unerwarteter Konflikte bei Auslandaktivitäten westlicher Unternehmungen kamen ab den sechziger Jahren Zweifel auf, ob sich westliche Managementinstrumente auf Länder anderer Kulturkreise übertragen lassen. Schliesslich führte dies zur interkulturellen Managementforschung (vgl. Weber u. a. 2001: 32).
Manzey (2006: o. S.) betont die Wichtigkeit der nationalen Kultur als Einflussfaktor auf die Unternehmung: Die Organisationskultur wird gemäss Manzey massgeblich von 3 Faktoren beeinflusst: einerseits durch von aussen gesteuerten Elementen wie Mission, Strategie und Zielen, andererseits von internen Integrationsfaktoren, wie Allokation von Annerkennung und Status, gemeinsame Sprache, Identität und die Gestaltung von Beziehungen. Drittens von den so genannten tieferen Annahmen betreffend Realität und Wahrheit, Zeit und Raum oder Annahmen betreffend die menschliche Natur und die zwischenmenschlichen Beziehungen, die stark von der nationalen Kultur abhängig sind.
Eine US-amerikanische Studie zur Eruierung der nötigen interkulturellen Kompetenzen für Führungskräfte ergab „self-awareness“ als wichtigste Kompetenz in der intrapersonalen Dimension. Der Begriff self-awareness bedeutet in dieser Studie, dass die Führungskraft sich ihrer eigenen Kultur, wie auch der Kultur der anderen bewusst ist (vgl. Sheridan 2005: 7).
In diesem Kapitel werden nun die Begriffe „Kultur“ und „interkulturell“ definiert und die zwei Kulturräume, mit denen sich diese Arbeit beschäftigt - die westliche Welt und China - abgegrenzt. Anschliessend werden die kulturellen Hintergründe beider Kulturräume dargestellt, um dem Leser dieser Arbeit das nötige Bewusstsein für die westliche und die chinesische Kultur zu vermitteln. In diesem Kapitel 3 wird damit die Grundlage gelegt, die Handlungsanweisungen des Leitfadens im Kapitel 6 nicht nur umzusetzen, sondern in der täglichen Führungspraxis weiterentwickeln zu können.
3.1 Definition von Kultur
Da die Grundlage des interkulturellen Managements die Kultur ist, soll vorab dieser Begriff erläutert werden.
Der Begriff „Kultur“ stammt aus dem lateinischen und bedeutet pflegen, bebauen und bestellen einerseits und anbeten anderseits. In der deutschen Alltagssprache wird das Wort Kultur in unterschiedlichen Bedeutungen verwendet. Kultur kann sich auf kreative und künstlerische Arbeit beziehen (bildende Künste, Theater, Musik), Menschen verfügen über Kultur oder auch nicht (Kultur bezeichnet hier Bildung, Geschmack, Manieren u. ä.), Kultur wird aber auch in der Landwirtschaft (z.B. Monokultur), Geographie (z.B. Kulturlandschaft) oder der Medizin (z.B. Bakterienkultur) verwendet im Sinne von anbauenden und pflegenden Tätigkeiten. Der Begriff Kultur wird auch häufig als Bezeichnung einer bestimmten Lebensart (beispielsweise die einer fremde Kultur oder einer Subkultur) verwendet, und beschreibt Brauchtum, Sitten, Manieren und Glaubenssätze, den „way of life“ einer Gemeinschaft. Allumfassend bedeutet das Wort Kultur die Veränderung der äusseren und inneren Natur durch Arbeit. Kultur ist demzufolge der Gegensatz zu Natur und setzt Bewusstsein des eigenen Tuns und Vernunft voraus. Eigenschaften, über die Tiere beispielsweise nicht verfügen. Der Mensch ist sowohl Subjekt der Kultur, da er diese erschafft und laufend weiterentwickelt, der Mensch ist aber auch ein Objekt der Kultur, da die Kultur, in der er lebt, ihn formt und sozialisiert (vgl. Hansen 2003: 11ff.).
Hansen (2003: 39ff.) schlägt folgende Definition vor: „Kultur umfasst Standardisierungen, die in Kollektiven gelten. Dementsprechend beschäftigt sich Kulturwissenschaft weder mit dem Individuellen noch dem Anthropologischen, dem Gattungsüblichen, sondern mit dem, was dazwischen liegt“. Kultur besteht gemäss Hansen aus drei Faktoren, aus Standardisierung, Kommunikation und Kollektivität.
Der Philosophieprofessor Höffe (1997: 166) erläutert, wie der Kulturbegriff im traditionellen Verständnis als Kulturwerke (Ergebnis eines Handelns, dass seinen Zweck in sich selbst hat) im Gegensatz zur Zivilisation (als instrumentale, funktionale, von sozialen Zwecken bestimmte Lebensform) verstanden wurde. Weiter erklärt Höffe, wie die Kritik, dass viele Kulturdefinitionen von Eurozentrismus geprägt sind, umgesetzt worden ist: Es wird vom Vorrang des an sittlichen Normen orientierten Handelns über technischen und ökonomischen Errungenschaften ausgegangen. Jene Leistungen haben also einen kulturellen („höheren“) Wert, die sittliche und humane Normen anerkennen.
Der Organisationspsychologe Schein (2004: 17) definiert Kultur als “a pattern of shared basic assumptions that was learned by a group as it solved its problems of external adaptation and internal integration, that has worked well enough to be considered valid and, therefore, to be taught to new members as the correct way to perceive, think, and feel in relation to those problems.“
Das Konzept der Kulturebenen von Schein zeigt auf, dass sich Kultur auf verschiedenen Stufen unterschiedlich zeigt:
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 4: Kulturebenen nach Schein (2004: 25ff.)
So gesehen ist Kultur der „way of life“ einer Gesellschaft. Technische Errungenschaften machen eine Kultur nicht besser oder wertvoller, eine Kultur kann höchstens auf Grund ihrer Orientierung an sittlichen Normen bewertet werden. Zu beachten gilt immer, dass Kultur auf verschiedenen Ebenen stattfindet, die für einen Beobachter nicht alle gleich einfach zugänglich sind.
3.2 Definition von interkulturell
Buhl-Böhnert (2004: 13ff.) erläutert den Begriff "interkulturell" wie folgt: interkulturell bedeutet, dass die an einer Beziehung Beteiligten sich nicht ausschliesslich ihrer eigenen Kodes, Konventionen, Einstellungen und Verhaltensformen bedienen, sondern auch die der anderen erfahren. Die Werte der anderen werden dabei als fremd erlebt. Eine interkulturelle Beziehung ist demzufolge eine Beziehung, in der die kulturelle Systemhaftigkeit durch die Überschreitung der Systemgrenzen erfahren wird. Interkulturelles Handeln kann nur bewusst gestaltet werden, wenn Situationen als kulturelle Überschneidungssituationen verstanden werden. Nur wenn die emotionale Einstellung gegenüber Eigen- und Fremdkultur, Bewusstsein eigener Verhaltensmuster und Wissen um kulturspezifische Unterschiede der Beteiligten kombiniert werden, können Handlungskompetenzen für kulturelle Überschneidungssituationen aufgebaut werden. Erfolgreich können interkulturelle Handlungskompetenzen schlussendlich aber nur eingesetzt werden, wenn interkulturelles Handeln als Funktion der Wechselwirkung zwischen Person (mit ihrem Fühlen, Denken und Verhalten), Kultur (als spezifisches Orientierungssystem) und Situation (als fassbares Ereignis) verstanden wird.
3.3 Kulturräume
In dieser Arbeit wird oftmals der Begriff „Westen“ verwendet. Was besagt dieser nun aber genau? Er kann je nach Kontext recht unterschiedliche Bedeutungen haben und dementsprechend unterschiedliche Länder/Kulturräume ein- respektive ausschliessen. Der Westen wird oftmals für Westeuropa verwendet, zum Teil werden auch Mitteleuropa und Nordamerika hinzugefügt, manchmal sogar auch eng verwandte (ehemalige) Kolonien dieser Länder, deren Identität von der europäischen Kultur stark beeinflusst worden sind. In diesem Sinne würde auch Lateinamerika zum Westen gehören. Die westliche Welt wird oftmals als Gegensatz zum Osten verstanden, wie es auch die zueinander im Gegensatz stehenden Begriffe Orient (Morgenland) und Okzident (Abendland) implizieren. Häufig wird Westen auch gleichbedeutend zum Begriff erste Welt versus zweite Welt (Schwellenländer) und dritte Welt (Entwicklungsländer) benützt, was aber anbetrachts von den im Osten liegenden entwickelten Ländern wie Singapur, Südkorea oder Japan wenig Sinn macht. Da „Westen versus Osten“ über eine starke Assimilation zum Kalten Krieg verfügt, wird auch der Begriff Norden (versus Süden) verwendet. Diese geographische Abgrenzung stellt Asien, Europa und Nordamerika gegenüber von Australien, Afrika und Lateinamerika. In Anlehnung an Huntington (vgl. 1996: 60) soll unter Westen in der folgenden Arbeit prinzipiell Nordamerika, Westeuropa und der australische Kontinent verstanden werden. Es handelt sich hierbei um Länder, die stark christlich geprägt sind, die über ähnliche Wertsysteme (geprägt durch Renaissance und Aufklärung) und eine demokratische Tradition verfügen und ähnliche wirtschaftliche Rahmenbedingungen besitzen.
Wenn wir von China oder der chinesischen Kultur sprechen, scheint das Problem, eine genaue Abgrenzung zu machen, bedeutend einfacher: China beinhaltet das, was heute innerhalb der politischen Grenzen der VR China liegt. Dies täuscht aber über die Tatsache hinweg, dass das chinesische Staatsgebiet in den meisten Phasen der Geschichte nur Teile der heutigen VR China umfasste und grosse Gebiete wie Tibet, Xinjiang oder Taiwan erst relativ spät oder auch nur zeitweilig ins chinesische Reich eingegliedert wurden und nicht zum Kerngebiet der chinesischen Kultur gehören (vgl. Heilmann 2004: 15). Allerdings ist die VR China (z.B. im Vergleich zur ehemaligen Sowjetunion oder zum heutigen Indien) ein eher homogener Staat, im Jahr 2000 stellten die Han-Chinesen 91,6 % der Bevölkerung (vgl. Heilmann 2004: 231). Eine (für diese Arbeit allenfalls problematische) Heterogenität zeigt China im Bereich von Lebensstandard und Bildung auf: Unterschiedliche Untersuchungen haben gezeigt, dass die VR China zu den ostasiatischen Ländern mit besonders stark ausgeprägter Ungleichverteilung bezüglich Einkommen gehört. So verfügen beispielsweise die Shanghaier (Stadt) über ein Nettojahreseinkommen pro Kopf von 10.932 Yuan und auf 100 Haushalte kommen 103 Kühlschränke. In Guizhou (Land) ist das Nettojahreseinkommen 1.363 Yuan und 100 Haushalte verfügen alle zusammen nur gerade über einen Kühlschrank (vgl. Heilmann 2004: 206f.). China hatte im Jahr 1999 einen Bevölkerungsanteil mit Hochschulbildung von 3,1% (vs. bspw. Japan mit 34%). Bezüglich Analphabetismus liessen sich im Jahr 2002 in einigen Städten Raten um 5 - 6% (Beijing, Shanghai oder Tianjin) messen, in ärmeren Provinzen liegen die Raten jedoch deutlich höher, Qinghai erreichte 25,44% und Tibet sogar 45% (vgl. INSIDE A Communications AG 2003: o. S.). Da die folgende Arbeit untersucht, wie westliche Führungskräfte chinesische Mitarbeitende führen sollen, betrifft sie in ihren Aussagen insbesondere diejenigen Chinesen, welche in den entsprechenden Unternehmen als Mitarbeiter tätig sind. Es werden also vor allem die städtischen Gebiete an der wirtschaftlich prosperierenden Ostküste abgedeckt.
3.4 Vorbemerkungen zu den kulturellen Hintergründen
Schon Nietzsche (1994: 178) hatte erkannt: „Denn da wir nun einmal die Resultate früherer Geschlechter sind, sind wir auch die Resultate ihrer Verwirrungen, Leidenschaften und Irrtümer, ja Verbrechen; es ist nicht möglich, sich ganz von dieser Kette zu lösen.“
Es stellt sich nun die Frage welche Teile der kulturellen Hintergründe in welchem Umfang dargestellt werden müssen. Grundsätzlich versuchen die Autoren dieser Arbeit, die wesentlichen Elemente, zu erfassen, die sich auf das Wesen der heutigen Menschen in der Kultur auswirken.
Um Übersichtlichkeit und Lesbarkeit in den Kapiteln 3.5 und 3.6 zu verbessern, werden die kulturellen Hintergründe in Anlehnung an Friedell nach folgenden Kategorien aufgeteilt:
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 5: Kategorien kultureller Hintergründe (eigene Abbildung i. A. a. Friedell (2005: 25))
Die einzelnen Kategorien beeinflussen sich selbstverständlich gegenseitig und dass die Abgrenzungen zwischen den Kategorien nicht immer klar gezogen werden, ist beabsichtigt, um nicht eine Einfachheit vorzutäuschen, wo effektiv Komplexität vorherrschend ist.
Natürlich kann die folgende Darstellung nicht auf alle Ereignisse, Strömungen und Aspekte der Geschichte eingehen und wird nicht allen Menschen der Geschichte gleich gerecht. Vielmehr geht es darum, gewisse Grundzüge herauszuarbeiten. Denn gemäss Friedell (2005: 26) hat jedes Zeitalter einen bestimmten Fundus an Befürchtungen, Träumen, Gedanken, Irrtümern, Tugenden. Die Geschichte jedes Zeitalters ist die Geschichte der Taten und Leiden eines bestimmten niemals so da gewesenen Menschentypen. Er kann Repräsentativmensch genannt werden: der Mensch der empirisch nie erscheint, aber doch das Diagramm darstellt, das allen wirklichen Menschen zugrunde liegt, die Urpflanze, nach der alle gebildet sind.
3.5 Kultureller Hintergrund der westlichen Welt
Die Antike: Griechenland (8. – 4. Jh. v. Chr.), Hellenismus (4. – 1. Jh. v. Chr.), Imperium Romanum (5. Jh. v. Chr. bis 5. Jh.)
Staat / Gesellschaft / Recht: Die heute im Westen so selbstverständliche Idee der Demokratie hat ihre Anfänge in der griechischen Antike. Nach athenischer Auffassung ist Demokratie eine Verfassungsform, in der das Volk (demos) über die Macht (kratos) in der Polis (Stadtstaat) verfügt. Das Wort Demokratie wird erst relativ spät benutzt. Die Gesellschaftsordnung wird anfänglich als isonomia (Gleichordnung, Gleichverteilung) bezeichnet. Zu Beginn bedeutet das vor allem Gleichheit für alle Adligen und richtet sich gegen die Herrschaft von Tyrannen. Erst später ist die Demokratie Athens eine direkte Demokratie, an der alle männlichen Bürger (i. Ggs. z. Sklaven und Frauen) einer Polis beteiligt sind. Im 4. Jh. v. Chr. wird die Macht der Athener Volksversammlung relativiert, sie kann keine höherrangige Gesetze mehr erlassen. Dies hat mehr Stabilität und eine höhere Rechtssicherheit zum Ziel. Von diesem Zeitpunkt an werden Gesetze auch gesammelt und schriftlich festgehalten. Es sind erstmals verfassungsgerichtliche Beschwerden möglich, was als Vorläufer des modernen Verfassungsstaates (Ausübung der Staatsgewalt innerhalb von Rechtsschranken) angesehen wird (vgl. Piepenbrink 2006: 54ff.; Vorländer 2003:11ff). Während des Hellenismus findet der Untergang der Polis als selbständige politische Einheit statt (vgl. Piepenbrink 2006: 120).
Im römischen Reich gilt vorerst die Staatsform der Republik, deren Institutionen hauptsächlich vom Adel beherrscht sind. Die nichtadligen Plebejer (freie Bürger) erkämpfen sich im Laufe der Zeit das Wahlrecht in Standeskämpfen. Mit den römischen Expansionen kommt es zur Stärkung der Magistratur und zu einem Kontrollverlusts des Senats. Die Republik wird in Folge von der Diktatur Caesars und danach vom Prinzipat (der Kaiser als erster unter den Senatoren) abgelöst. Der Kaiser gibt zwar die Gewalt offiziell dem Senat und dem Volk zurück, ist aber oberster Richter und Heerführer, wobei das Heer die Macht über den Senat hat (vgl. Piepenbrink 2006: 135ff.).
Um etwa 450 v. Chr. tritt das römische Recht in Form des XII-Tafel-Gesetzes in die Geschichte ein. Gesetze sind für das antike Rechtsleben allerdings noch nicht sehr bedeutend, denn Regeln und Sitten haben in der Antike einen viel höheren Stellenwert als das gesetzte (geschriebene) Recht. Das römische Recht verfügt über ein stark das Individuum betonendes Privatrecht. Die Tatsache, dass das römische Recht über einen hohen Abstraktionsgrad verfügt, nicht religiös legitimiert wird und sich nicht auf eine nationale Ethik beruft, führt dazu, dass das römische Recht in beliebigen Gesellschafts- und Wirtschaftsformen, in Ländern mit unterschiedlichen Religionen und Kulturen und in unterschiedlichen Epochen eingesetzt werden wird (vgl. Manthe 2003: 7ff.).
Philosophie / Wissenschaft: Der Grieche Thales gilt als Begründer der westlichen Philosophie (geb. ca. 620 v. Chr.), ihm werden verschiedene mathematische, astronomische, geographische und meteorologische Kenntnisse zugeschrieben. Denn Philosophie bedeutete ursprünglich nicht „Liebe zur Weisheit“ sondern „Streben nach Wissen“, wobei unter „sophia“ nicht nur wissenschaftliche Erkenntnisse, sondern auch die für Fertigkeiten betreffend Aufgaben des praktischen Lebens erforderlichen Kenntnisse verstanden wurden (vgl. Röd 2000a: 40).
Das philosophische Gedankengut in der Antike behandelt die Frage nach dem Ursprung der Dinge, der Wirklichkeit und ihrer Erkennbarkeit und damit zusammenhängende Probleme von objektiver Gesetzmässigkeit und Subjektivität und ist von Hinterfragen und Anzweifeln geprägt. Die klassischen griechischen Philosophen beginnen Rechts- und Staatslehre zu betreiben und behandeln auch Themen wie Gesellschaftsordnung, Gerechtigkeit und Moral.
Während der Zeit des Hellenismus fordert Epikur die Anerkennung des Primats der Praxis und erklärt, dass die Philosophie dem Menschen zu einem Leben der inneren Ruhe, Ausgeglichenheit und Freude verhelfen soll. Mit der hellenistischen Philosophie beginnt die Philosophie auch ausserhalb Griechenlands, vorab in Rom, Fuss zu fassen (vgl. Röd 2000a: 189ff.; Piepenbrink 2006: 120ff.).
Religion / Kirche: In der Antike sind pagane, polytheistische Glaubensrichtungen und damit verbundene Mysterienkulte weit verbreitet.
Das Christentum hat seine Anfänge in einer kleinen jüdischen Gemeinde in Jerusalem und verbreitet sich während der hellenistisch-römischen Zeit, was auch zu einer Beeinflussung des Christentums durch die paganen Religionen und deren Mysterienkulte führt.
Im römischen Reich werden Christen meistens toleriert, zeitweise aber auch verfolgt. Im Jahre 311 wird das Christentum unter Konstantin I. zur religio licita (staatlich erlaubt und gefördert) erklärt und es kommt zur ersten Kooperation zwischen der christlichen Kirche und dem Staat. Im Jahre 391 wird das Christentum im römischen Reich Staatsreligion und die Kirche beginnt politische Herrschaftsfunktionen wahrzunehmen (vgl. Piepenbrink 2006: 122ff.; Kloft 1999: 110ff.).
Frühes Mittelalter (Ende 5. Jh. bis 10. Jh.), Hochmittelalter (11. Jh. bis 13. Jh.), Spätmittelalter (14. und 15. Jh.)
Religion: Europa wird bis etwa 600 weitgehend christianisiert, das Christentum beeinflusst nachhaltig Politik, Gesellschaft und Wirtschaft, aber auch Literatur, Kunst und Wissenschaft.
Das Christentum ist eine monotheistische Religion basierend auf dem neuen Testament mit folgenden grundlegenden Glaubensinhalten:
- Der Glaube an Gott als Vater, Allmächtiger und Schöpfer von Himmel und Erde. Gottes Schöpfung ist nicht umkehrbar und hat Anfang und Ende.
- Der Glaube an eine gottfeindliche Wirklichkeit (Satan, Diabolos) in der Welt Gottes. Der Mensch ist ursprünglich sünd- und schuldlos geschaffen und wird durch Satan Opfer von Streben nach (gottfeindlicher) Freiheit.
- Der Glaube an Jesus als Sohn Gottes, der durch seinen Tod am Kreuz Erlösung und Vergebung für die Gläubigen bringt und sie von Gottes Zorn befreit. Die endgültige Erlösung für den Menschen und die gesamte Schöpfung findet am Jüngsten Tag statt.
Die Christen dürfen sich ihres Glaubens vergewissern und können von Gott durch den Heiligen Geist angesprochen und so zu Trägern geistlicher Erkenntnis werden (vgl. Nowak 2007: 61ff.).
Staat / Gesellschaft / Wirtschaft: Könige und Fürsten herrschen zu Beginn des Mittelalters nicht über Territorien, sondern über Personenverbände, es gibt kaum feste Grenzlinien und eine einheitliche Staatsgewalt ist nicht ausgebildet. Die soziale Schichtung ist stark ausgeprägt, Rollen, Zusammensetzungen und Strukturen wandeln sich jedoch mit der Zeit. Im Feudalismus beherrscht die Oberschicht (Adel) Land und Leute und betreibt keine Handarbeit sondern beschäftigt sich mit Kämpfen, Herrschen oder Verwalten. Die Adligen vergeben oftmals Boden an Vasallen, die ihnen im Gegenzug zu Waffendienst verpflichtet sind. Die Vasallen ihrerseits lassen den Boden durch Leibeigene bebauen. Auch die hohen Geistlichen stammen aus dem Adel. Die Könige versuchen meist, die Eigenherrschaft und Macht des Adels zu begrenzen. Ein ähnlicher Konflikt besteht auch zwischen Herrschern und der Kirche, als letztere versucht, sich von ihrer Unterordnung unter die weltliche Macht zu befreien. Mit dem Aufstieg der Städte verändern sich soziale Schichten: nicht mehr nur Geburtsherkunft sondern auch Reichtum wird ein wichtiger Faktor, der Aufstieg in eine höhere Schicht wird in Städten möglich (vgl. Hilsch 2006: 17ff.).
Das Mittelalter ist zu Beginn durch Landwirtschaft und Naturalwirtschaft geprägt. Ab dem Hochmittelalter werden Ackerbau und Handwerk intensiviert, der Handel wird (auch als Folge der Kreuzzüge) ausgebaut. Noch ist allerdings die Bindung der Wirtschaft an die christliche Moral eine Selbstverständlichkeit, so gilt beispielsweise die Arbeit nicht mehr als verächtliche Pflicht, sondern als sittliche Notwendigkeit. Nur langsam entwickeln sich im Spätmittelalter erste Züge einer marktorientierten (Geld-) Wirtschaft (vgl. Hilsch 2006: 123ff.; Röd 2000a: 380).
Recht: Mitteleuropa ist geprägt von Einflüssen des römischen Rechts, nur England entzieht sich diesem Einfluss und entwickelt sein einheimisches Recht weiter. Im 14. Jh. werden in Oberitalien die Lehren des römischen Rechts mit den Bedürfnissen der Praxis verbunden und so die Grundlage des modernen Handelsrechts geschaffen (vgl. Manthe 2003: 119f.).
Religion / Philosophie / Wissenschaft: Die Welt ist zu Beginn des Mittelalters kein wissenschaftliches Phänomen, sondern eine Tatsache des Glaubens: Wissen soll der Erbauung dienen und Wissen um des Wissens Willen wird als heidnisch angesehen (vgl. Friedell 2005: 91). Mit der Renaissance rückt der Humanismus den Menschen - unabhängig von seiner Beziehung zu Gott – und die Naturphilosophie die Natur als solche wieder in den Mittelpunkt des philosophischen Interesses. Durch diese Wiedergeburt der Antike soll das mittelalterliche, stark mit dem Christentum in Verbindung stehende Denken überwunden werden. Aufgabe der Philosophie ist es, einen Beitrag zu den aktuellen Problemen des Diesseits zu leisten (vgl. Röd 2000a: 395ff.).
Ab dem Spätmittelalter machen die Städte den ländlichen Klöstern als Bildungszentren Konkurrenz. ln Paris, Bologna und Oxford werden um 1200 die ersten Universitäten gegründet und Mitte des 15 Jh. wird von Mainz aus der Buchdruck in Europa eingeführt (vgl. Hilsch 2006: 188ff.).
Ab 1348 breitet sich die Pest in Europa stark aus und rafft ca. 30% der Bevölkerung dahin. Diese Dezimierung der Bevölkerung begünstig gesellschaftliche Veränderungen (vgl. Hilsch: 2006: 214 ff.).
Frühe Neuzeit (16. und 17. Jh.): die (deutsche) Reformation (ab 1517)
Religion / Staat: Die Bemühungen um eine Reform in der Kirche haben ihren Ursprung im Mittelalter und es entsteht unter Luther eine einheitliche Bewegung. Seiner Überzeugung nach hängt der Mensch vom göttlichen Wort alleine ab und ist unabhängig von äusserlichen Verhältnissen. Die kirchliche Autorität und der Ablasshandel werden abgelehnt, die Worte des Evangeliums sind ausschlaggebend, nicht die Tradition und Dogmen der katholischen Kirche. Jeder Mensch hat gemäss Luther seine Berufung, und diese erfolgreich zu erfüllen, ist eine religiöse Pflicht. Durch unermüdliche Arbeit dient der Mensch Gott. Calvin geht noch weiter und sieht in weltlichem Erfolg ein Gnadezeichen Gottes. Der aufkeimende Nationalismus verurteilt den ausländischen (römischen) Souverän, der ein Grossteil der Steuern erhält. Es kommt zu einer Loslösung grosser Teile Europas von der Kirche in Rom und damit einhergehend zu einer Machtkonzentration beim Staat, der als einziger Ordnungsfaktor übrig bleibt. Die Machtansprüche des Staates verfügen nicht länger über das Gegengewicht der Kirche (vgl. Röd 2000a: 424ff.; Singer 2004: 73ff.; Friedell 2005: 266ff.).
Gesellschaft / Wirtschaft / Recht: Bis zum Niedergang der Ancien Régimes herrscht der auf das Evangelium gestützte Feudalismus vor. Das herrschaftliche Rechtssystem welches das Verhältnis zwischen Lehnsherren und Vasallen bestimmt, bringt mit sich, das Grundherren oftmals auch Gerichtsherren für die von ihnen abhängigen Bauern sind. Letztere müssen den Lehnsherren Abgaben leisten und können zu Frondienst verpflichtet werden. Dieses System wird jedoch immer mehr kritisiert und soziale Reformen werden gefordert. So kommt es beispielsweise zum Bauernkrieg in Deutschland (1524-1525) (vgl. Thamer 2006: 13ff.).
Wissenschaft / Philosophie: Die mathematischen Wissenschaften siegen über das aristotelisch-scholastische Weltbild. Der auf der Renaissance aufbauende Humanismus („Erwachen der gelehrten Kritik“) prägt das geistige Klima. Die cartesianische Philosophie und das rationalistische Erkenntnisideal lehren, dass nur das Vertrauen verdient, was nicht bezweifelt werden kann.
Hobbes vertritt die Ansicht, dass es ohne staatliche Ordnung keine Sicherheit gibt. Der Souverän garantiert, dass eine Rechtsordnung („Sozialvertrag“) eingehalten wird, damit die Interessen („Überleben“) des sich unterwerfenden Individuums gewahrt werden. Es gibt keine Berufung auf ein göttliches Recht. Im Gegensatz dazu sieht Spinoza den Sozialvertrag als Vereinigungsvertrag im Sinne einer republikanischen Verfassung dessen Zweck nicht die alleinige Daseinserhaltung, sondern ein Leben in Freiheit darstellt (vgl. Röd 2000b: 17ff.).
Gemäss Bauer (2006: 18) liefern die Errungenschaften von Philosophie und Wissenschaft im 16. und 17. Jh. die Basis für die aufklärerische Kritik an kirchlicher und weltlicher Autorität, der ständischen Gesellschaftsordnung und letztendlich auch für die technische Unterwerfung der Welt und des Menschen in der industriellen Revolution.
[...]
[1] Der Modalwert einer Verteilung ist derjenige Wert, der in einer Verteilung am häufigsten vorkommt (vgl. Bortz 1999: 37).
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