So wie im Eingangszitat dieser Arbeit, stellt sich in Thomas Manns „Zauberberg“ häufig die Frage nach der Zeit. Bereits im Vorsatz spricht der Erzähler die Zeitthematik an und berührt dabei bereits mehrere Ebenen, von denen aus sie sich betrachten lässt. Vom Imperfekt als die Zeitform, in der die Geschichte erzählt wird, kommt er auf die historische Zeit zu sprechen, in der sie spielt. Dann diskutiert er kurz die Abhängigkeit von Zeit und Raum in Zusammenhang mit Kurz- und Langweiligkeit, bevor er sich schließlich der erzählten Zeit zuwendet, also den sieben Jahren, die Hans Castorp auf dem Zauberberg verbringen wird.
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In der Forschung wurde diese Klassifizierung oft übernommen, doch ist sie in Bezug auf den „Zauberberg“ wirklich gerechtfertigt? Hermann Kurzke gibt in „Thomas Mann. Epoche-Werk-Wirkung“ eine Definition des Begriffs, die daran zweifeln lässt, ob er den Zauberberg auf passende Weise bezeichnet. „Unter ‚Zeitroman‘ wird hier ein Roman verstanden, der ein Abbild einer Epoche zu geben versucht, also mehr oder minder dem Postulat ‚Realismus‘ unterworfen ist.“ Nach seiner Definition ist die Bezeichnung „Zeitroman“ in Bezug auf den „Zauberberg“ problematisch.
Ist die Rückkehr ins „Flachland“ für Hans Castorp jedoch wirklich eine „Befreiung“, wie es der Text hier vorgibt? Dieses Ende ist vom Autor und in der Forschung sehr unterschiedlich bewertet worden. Die Deutungsansätze reichen von einer „Romantisierung des Krieges“ bis zum „Schreckliche(n) als des Schönen Ende“ Wie auch immer das Ende nun zu deuten ist, die Zeitthematik lässt sich auch hier nicht umgehen, wie sich am Ende dieser Arbeit noch zeigen wird.
Auch wenn der Begriff des „Zeitromans“ laut Kurzke problematisch ist, so lässt sich der „Zauberberg“ abweichend von seiner Definition dennoch als solchen bezeichnen und zwar in dem zweiten Sinne, den Thomas Mann anspricht, nämlich „die reine Zeit selbst sein Gegenstand ist.“ Bevor deshalb ein Blick auf das Ende des Romans geworfen werden kann, muss der Focus zunächst auf die Besonderheiten der Zauberbergsphäre und ihr ganz spezifisches Zeitsystem gerichtet werden.
Inhaltsverzeichnis
- „Der Zauberberg“ – Ein Zeitroman?
- Die „Zauberbergsphäre“: Zeit- und Raumstruktur
- „Man ändert hier seine Begriffe“ – Der Übertritt
- „Ewigkeitssuppe“
- Gliederung und Ordnung der „Berghofzeit“
- Die philosophischen Zeitbetrachtungen im Roman
- Erzählzeit – erzählte Zeit
- „Zauberberg“ - Regeln
- Die mythische „Ur“ - Zeit
- „Sympathie mit dem Tode“ durch die Musik
- Der Krieg - Fluch oder Erlösung?
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Hausarbeit analysiert die Zeitthematik in Thomas Manns Roman „Der Zauberberg“ und untersucht, wie die besondere Zeitstruktur des Sanatoriums „Berghof“ auf das Zeitempfinden der Figuren und insbesondere auf den Protagonisten Hans Castorp einwirkt. Der Fokus liegt dabei auf den Auswirkungen der „Zauberbergsphäre“ auf Hans Castorps Zeiterleben sowie den Verstößen gegen die Regeln des Sanatoriums, die auf seine Persönlichkeitsentwicklung schließen lassen. Der Bezug zu Hans Castorps Großvater und Mynheer Peeperkorn als Prägungspunkte für sein Zeiterleben wird ebenfalls beleuchtet.
- Zeitlichkeit in Thomas Manns „Der Zauberberg“
- Die Verzauberung der „Zauberbergsphäre“
- Die „Sympathie mit dem Tode“ als Prägungselement
- Verstöße gegen die Regeln des „Berghofs“
- Die Rolle der Musik in der Zeitstruktur des Romans
Zusammenfassung der Kapitel
Die Arbeit beginnt mit der Frage, ob „Der Zauberberg“ als „Zeitroman“ bezeichnet werden kann und beleuchtet die unterschiedlichen Definitionen des Begriffs. Anschließend wird die besondere Zeit- und Raumstruktur des „Berghofs“ analysiert, wobei die subjektiven Zeiterfahrungen von Hans Castorp im Mittelpunkt stehen. Die Verschwimmen seiner Zeitbegriffe, die Verlagerung seines Fokus vom „Flachland“ auf das „Hier und Jetzt“ und die Wirkung des „Zauberbergs“ als ein Ort der Zeitlosigkeit werden herausgearbeitet.
Darüber hinaus wird die Rolle der Hausordnung und der Konventionen des Sanatoriums untersucht, die Hans Castorps Anpassung an die „Zauberbergsphäre“ fördern, aber auch seine Verstöße gegen diese Regelungen beleuchten, die auf seinen inneren Widerstand gegen die „Zauberbergsphäre“ schließen lassen. Die Prägung von Hans Castorps Persönlichkeit durch seinen Großvater und Mynheer Peeperkorn wird in diesem Zusammenhang ebenfalls betrachtet. Die Arbeit analysiert außerdem die Rolle der Musik im Roman und ihre Wirkung auf Hans Castorps Zeiterleben. Die Schlussbetrachtung fokussiert auf Hans Castorps ungewisse Zukunft im Kontext des Ersten Weltkriegs und hinterfragt, ob er durch die erzwungene Rückkehr in das „Flachland“ eine wahre Erlösung findet oder ob sein Leben auf dem „Zauberberg“ eine prägendere Wirkung auf seine Entwicklung hatte.
Schlüsselwörter
Die zentralen Schlüsselwörter dieser Arbeit sind: Zeit, Raum, Verzauberung, Zeitlosigkeit, „Zauberbergsphäre“, „Berghofzeit“, Regeln, „Sympathie mit dem Tode“, Musik, Krieg, Bildungsroman.
- Arbeit zitieren
- Maria Benz (Autor:in), 2005, Verzauberung und Zeit - Verlust in Thomas Manns „Zauberberg“, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/84215