Ist die duale Rundfunkordnung ordnungspolitisch vertretbar? Bietet das Modell Neuseeland einen geeigneten Reformvorschlag


Dossier / Travail, 2002

43 Pages, Note: 2,3


Extrait


Gliederung

1. Was ist Ordnungspolitik, was soll in dieser Arbeit geleistet werden?

2. Theoretische Basis
2.1. Das wettbewerbspolitische Konzept der Wettbewerbsfreiheit als ordnungspolitisches Referenzbild
2.1.1. Theoretische Grundlagen des Konzeptes 2.1.2. Die Freiheit des Wettbewerbs
2.1.3. Die ökonomische Vorteilhaftigkeit
2.1.4. Die Identitätsthese
2.2. Konsequenzen für die Wettbewerbspolitik
2.2.1. Orientierungspunkt wettbewerbspolitischer Maßnahmen
2.2.2. Diagnoseinstrumente von Beschränkungen der Wettbewerbsfreiheit

3. Problemfeld und Lösungsansätze
3.1. Warum Rundfunkordnung ?
3.1.1 Rundfunkordnung als Instrument der Medienpolitik
3.1.2. Ziele und Instrumente der Rundfunkordnung
3.1.3. Rundunkordnung als Ergebnis einer Sonderstellung des Rundfunkmarktes
3.1.4. Öffentlich rechtlicher Rundfunk
3.1.5. Privatrechtlicher Rundfunk
3.2. Die duale Rundfunkordnung im Wandel: Vorstellung verschiedener Ordnungspolitischer Extrempositionen
3.2.1 Verstaatlichung des Rundfunks
3.2.2. Pay TV als Gestaltung des Fernsehmarktes
3.3. Die jetzige duale Rundfunkordnung in der Kritik
3.3.1 Der Regulierungsrahmen
3.3.2. Marktversagen im Rundfunk
3.3.3. Binnenpluralismus als Garant von Staats und Gruppenferne sowie publizistischer Vielfalt
3.3.4. Wettbewerbsverzerrungen durch die Rundfunkgebühr
3.4. Das Modell Neuseeland als Lösungsvorschlag
3.4.1. Vorstellung des Modells
3.4.2. Ordnungspolitische Bewertung
3.4.3. Übertragbarkeit

4. Ergebnis

Literatur

Abkürzungsverzeichnis

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

1. Was ist Ordnungspolitik und was soll in dieser Arbeit geleistet werden?

Ordnungspolitik ist gekennzeichnet durch wirtschaftspolitische Regeln und staatliche Maßnahmen, welche die längerfristigen Rahmenbedingungen für den Wirtschaftsprozess innerhalb einer Wirtschaftsordnung setzen.[1] Die Ausgestaltung der Ordnungspolitik wird durch das jeweilige vorherrschende wirtschaftsordnungspolitische Leitbild beeinflusst.

Die wirtschaftspolitischen Ziele werden dabei mit Hilfe von wirtschaftspolitischen Instrumenten erreicht. Der Einsatz dieser Instrumente sollte sich im Rahmen der bestehenden Wirtschaftsordnung bewegen. Daraus ergibt sich die Notwendigkeit zu prüfen, ob die gewählten Instrumente mit der Ordnung übereinstimmen.[2]

Im Rahmen der Medienpolitik ist die Rundfunkordnung ein Regelgeflecht, das als wirtschaftspolitisches Instrument bestimmte wirtschaftspolitische und gesellschaftliche Ziele erreichen soll.

Medien sind aber kein Wirtschaftsgut wie jedes andere. Die Logik des Marktes wird der politischen und gesellschaftlichen Bedeutung der Medien nicht gerecht. Von dieser Überzeugung ist die geltende Medienordnung geprägt.[3]

Im Zuge der von technischen Neuerungen vorangetriebenen Marktdynamik auf dem Rundfunkmarkt werden tradierte institutionelle Arrangements obsolet, womit neue ordnungspolitische Herausforderungen entstehen.[4]

Auf Grund der großen Bedeutung der Medien für unsere Gesellschaft ist die ordnungspolitische Herausforderung besonders groß und bedarf wissenschaftlicher Reflexion.

Diese Arbeit zielt somit auf eine kritische ordnungspolitische Überprüfung der bestehenden Rundfunkordnung ab. Sie zieht zudem ein alternatives Ordnungsmodell für den deutschen Rundfunkmarkt als Reformvorschlag mit in die Analyse ein.

2. Theoretische Basis

2.1. Das wettbewerbspolitische Konzept der Wettbewerbsfreiheit als ordnungspolitisches Referenzbild

In dieser Arbeit soll das Konzept der Wettbewerbsfreiheit, zurückgeführt auf von Hayek und Hoppmann, als ordnungspolitisches Leitbild dienen, um die Ordnungskonformität der Rundfunkordnung zu beleuchten.

2.1.1.Theoretische Grundlagen des Konzeptes

Das Konzept der Wettbewerbsfreiheit fasst Marktphänomene als sehr komplexe Strukturen auf, die einen systemtheoretischen Ansatz zur Erklärung von Marktprozessen erfordern.[5] Die Struktur des marktwirtschaftlichen Interaktionssystems kann nicht auf einfache Vorgänge reduziert werden, da individuelle Marktergebnisse von sehr vielen Umständen abhängen, die praktisch nie alle zu ermitteln sind.[6] Unser Wissen ist zu begrenzt, um all das wissen zu können, was wir zu einer vollständigen Erklärung der Phänomene wissen müssten.[7]

Das theoretische Verständnis von der Funktionsweise marktwirtschaftlicher Systeme kann also nicht in eine konkrete Voraussage für einen individuellen Fall umgesetzt werden, sondern es können lediglich Muster vorausgesagt werden.[8] Innerhalb des Ansatzes ist es dann möglich, Faktoren und Verhaltensweisen zu erfassen und praktikabel zu definieren, die die erwartete Wirksamkeit des wettbewerblichen Koordinierungsprozesses beeinträchtigen. Dieser Koordinierungsprozess soll ein Entdeckungsverfahren sein, der es ermöglicht, Wissen zu entdecken. Positiv vorgeschriebene Idealzustände kann es deswegen nicht geben, genauso wenig wie empirische Effizienzmessungen.[9] Sieht man den Medienmarkt als ein Verfahren zur freien Meinungsbildung in einem offenen Kommunikationssystem, dann sind auch hier keine Idealzustände und Effizienzbeurteilung möglich, da Meinungsbildung ebenfalls ein Entdeckungsverfahren darstellt, in dem sich die öffentliche Meinung erst herauskristallisieren wird.[10]

Dieser Ansatzpunkt ist adäquat innerhalb der wirtschaftspolitischen Konzeption der Marktwirtschaft. Für die Gestaltung wettbewerblicher Marktprozesse sind die Ziele der Wettbewerbspolitik geeignete Kriterien.[11] Allerdings ist die formale Zielbestimmung nur eine hinreichende Bedingung, da wettbewerbspolitische Maßnahmen immer mit Werturteilen verbunden sind.[12] Im Falle der Rundfunkordnung sind die Wertgrundlagen durch Art.5 Abs. I GG vorgegeben.

Vor dem Hintergrund des Konzeptes, werden folgende Zielkomplexe aus der Wettbewerbspolitik herausgebildet: Wettbewerbsfreiheit und ökonomische Vorteilhaftigkeit.

2.1.2. Die Freiheit des Wettbewerbs

Um den Wettbewerb praktikabel zu definieren, bediente man sich in bisherigen Ansätzen des begrifflichen Instrumentariums der Marktstruktur, des Marktverhaltens und des Marktergebnisses und versuchte damit, die Marktprozesse zu analysieren.

Allerdings führte dieser Versuch zu keinen brauchbaren Ergebnissen auf Grund von sich ändernden Strukturen. Es ist aber vom Standpunkt der wettbewerbspolitischen Ziele entscheidend, wie sich Ausmaße und relative Verteilung der Freiheitsbereiche im Ablauf der Marktprozesse verändern. Somit ist es sinnvoller Marktstruktur, Marktverhalten und Marktergebnis unter dem Aspekt der Wettbewerbsfreiheit zu betrachten.[13]

Dabei wird der Begriff der Wettbewerbsfreiheit von zwei Aspekten geprägt.

Ersterer wird als Austauschprozess bezeichnet. Hier geht es um die Freiheit der jeweiligen Marktgegenseite, unter mehreren Alternativen wählen zu können. „Das Ausmaß der Freiheit hängt insgesamt davon ab, wie weit Nachfrager ein Erzeugnis in einer bestimmten Verwendung durch andere Erzeugnisse substituieren können und wie weit bei Anbietern die Produktion eines Gutes durch die eines anderen substituiert werden kann.“[14]

Unter dem Einfluss der Marktprozesse ändert sich die Substituierbarkeit.

Der zweite Aspekt ist der Parallelprozess. Er beschreibt das wettbewerbliche Nebeneinander auf jeder Marktseite. Zunächst bedeutet Freiheit in Bezug auf die Akteure, dass Freiheit sowohl die aktuellen, als auch die potentiellen Wettbewerber umfasst. Weiter umspannt die Freiheit auch den Gebrauch von Wettbewerbsmitteln der Akteure, wie z. B. Preis und Qualität. Wettbewerbsfreiheit steht schließlich für einen dynamischen Prozess, so dass die Freiheit zur Initiative, zum Vorstoß in technisches und ökonomisches Neuland, zur Schaffung neuer Produkte, neuer Märkte, zur Verfolgung und Imitation gewährleistet werden sollte.[15]

Austauschprozess und Parallelprozess bedingen einander, indem die Auswahlmöglichkeiten der Nachfrager und Anbieter um so besser sind, je größer die Freiheit im Parallelprozess vorhanden ist.[16]

Die individuelle Freiheit des Marktteilnehmers findet jedoch seine Grenze in der Freiheit seiner Wettbewerber, so dass Wettbewerbsfreiheit als relatives Ziel zu verstehen ist. Sollte eine relative Wettbewerbsfreiheit realisiert sein, kann jeder Wettbewerber seine Mittel und Fähigkeiten für seine gewählten Zwecke einsetzen, so dass letztendlich die Marktprozesse durch die Koordinierung der Marktteilnehmer eine spontane Ordnung bilden.[17]

Die Zielsetzung Wettbewerbsfreiheit bedeutet also, dass man Wettbewerb als gesamtwirtschaftliches Ordnungs- und Koordinierungsprinzip wünscht.[18]

2.1.3. Die ökonomische Vorteilhaftigkeit

Unter dem zweiten Zielkomplex, der ökonomischen Vorteilhaftigkeit, versteht man insgesamt einen Sammelbegriff für Wachstum, technischen Fortschritt, Allokationseffizienz und Leistungssteigerung. Wettbewerb wird als das nützliche Instrument für alle Marktteilnehmer bewertet, um ökonomisch vorteilhafte Ergebnisse zu erreichen,[19] da derjenige, der besseres leistet, irgendeinen Vorteil vor seinen Mitbewerbern erzielt.

Damit wird Wettbewerb als Entdeckungsverfahren aufgefasst, in denen Marktteilnehmer dezentral Wissen entdecken und für ihre Zwecke nutzen.[20] So ist es ein Verfahren, mit dessen Hilfe mehr und bessere Entdeckungen in einer Gesellschaft möglich sind und tatsächlich anfallen, als bei jeder anderen bekannten gesellschaftlichen Organisation.

Vor diesem Hintergrund ist zu differenzieren zwischen individuelle und überindividuelle Vorteile.

Wettbewerbliche Prozesse auf der einen Marktseite bewirken individuelle Vorteile auf der anderen Seite, die wiederum führen zu individuellen Vorteilen auf der ersten Marktseite. Die Marktteilnehmer profitieren also wechselseitig von den ökonomischen Vorteilen vom Standpunkt ihrer eigenen Zwecke und nicht durch vorgeschriebene Wertsetzungen oder Zielfunktionen.

Abgegrenzt davon, wird Wettbewerb als Funktionsmechanismus im gesamtwirtschaftlichen Sinne verstanden, wenn von der überindividuellen Vorteilhaftigkeit gesprochen wird.

Problematisch ist bei diesem Verständnis von ökonomischer Vorteilhaftigkeit, dass durch eine neue Definition der Zielfunktion der Wettbewerb neue Inhalte bekommt.[21]

2.1.4. Die Identitätsthese

Kritikpunkt an dem hier zugrunde gelegten theoretischen Ansatz der Wettbewerbspolitik ist ein angeblicher Konflikt zwischen den Zielkomplexen „Wettbewerbsfreiheit“ und „ökonomische Vorteilhaftigkeit“. Die Kritik spitz sich in der Frage zu, welcher Zielkomplex Vorrang haben soll.

Die Identitätsthese bestreitet jedoch eine Spannung unter den beiden Richtungspunkten.

Danach ist die Wettbewerbsfreiheit vielmehr eine Voraussetzung für ökonomische Vorteile. Es handelt sich folglich um einen einheitlichen Wertkomplex.[22]

Begründet wird dies mit der Überlegung, dass durch die Wettbewerbsfreiheit ein marktwirtschaftlicher Koordinierungsprozess entsteht. Aus der Freiheit zur Initiative entwickeln sich neue organisatorisch- ökonomische Einrichtungen, Güter und Märkte, die individuelle ökonomische Vorteile für innovative Wettbewerber bringen. Gleichzeitig sind konservative Wettbewerber in Folge der Entwicklung bedroht, wenn sie die Freiheit der Imitation für sich außer acht lassen. Eine Bedingung für die Zielkompatibilität ist somit ein gewisser „spirit of competition“, damit aus der Wettbewerbsfreiheit ökonomische Vorteile resultieren.[23]

Berücksichtigt werden sollte aber die Tatsache, dass auch andere Faktoren neben der Wettbewerbsfreiheit den Wettbewerb beeinflussen.[24] Dazu zählen z. B. die Entwicklungsphasen des Marktes, oder die Mobilität der Wirtschaftssubjekte. Allerdings ist feststellbar, dass durch Einschränkungen des Wettbewerbs, die Marktergebnisse schlechter ausfallen.[25]

2.2. Konsequenzen für die Wettbewerbspolitik

2.2.1. Orientierungspunkt wettbewerbspolitischer Maßnahmen

Ziel der Wettbewerbspolitik ist es, beiden Marktseiten Wettbewerbsfreiheit zu gewährleisten. Auf Grund der Komplexität eines Marktsystems und der Ungewissheit, wie sich die Freiheitsspielräume im einzelnen verändern, ist es aber nicht möglich, positiv erwünschte Freiheitsspielräume oder konkrete Marktergebnisse als Orientierungspunkt zu definieren.

Folglich wird versucht, Wettbewerbsfreiheit indirekt zu bestimmen, indem man festlegt, wann die Wettbewerbsfreiheit spürbar beeinträchtigt ist. Orientierungspunkt ist dann die Verhinderung von wettbewerbsbeschränkenden Maßnahmen.[26] Dazu werden geeignete Kriterien benötigt.

2.2.2. Diagnoseinstrumente von Beschränkungen der Wettbewerbsfreiheit

Bevor wettbewerbspolitische Maßnahmen überlegt werden können, ist nach Ursachen der Beschränkung der Wettbewerbsfreiheit zu fragen. Bei natürlichen Beschränkungen ist Wettbewerb auf Grund von bestimmten Faktoren nicht möglich, so dass Ausnahmeregelungen geschaffen werden müssen. Künstliche Beschränkungen sind solche, die durch staatliche oder unternehmerische Handlungen verursacht werden.[27] Staatliche Beschränkungen sind in marktwirtschaftlichen Ordnungen grundsätzlich begründungpflichtig und sind dann zu rechtfertigen, wenn gravierende Marktstörungen vorliegen, die nicht mit vergleichsweise weniger eingriffsintensiven, ordnungskonformeren und kostengünstigeren Anordnungen behoben werden können.

Beschränkungen auf Grund von unternehmerischen Handlungen können durch wettbewerbspolitische Spielregeln entgegengewirkt werden. Das Aufstellen der Spielregeln folgt dem Grundsatz des Konzeptes, dass möglichst viele Freiräume den Marktteilnehmern gewährleistet sein sollen. Charakterisiert sind die Spielregeln daher durch allgemeine Verbote.[28] Generell sind alle Handlungen, die die Wettbewerbsfreiheit beschränken, nicht erlaubt, sofern die Marktmacht unangemessen ist.

Zur Diagnose von künstlicher Beschränkung der Wettbewerbsfreiheit bedient man sich eines zweifachen Schrittes. Nach der Feststellung welche Form der Beschränkung vorliegt, soll untersucht werden, ob die entstandene Marktmacht unangemessen ist. Als Instrumentarium zur Lösung der ersten Aufgabe erfasst man im Ablauf der Marktprozesse das Ausmaß und die Verteilung der Freiheitsbereiche innerhalb der Bereiche Austauschprozess und Parallelprozess. Mit Hilfe eines Tests wird dann die Marktmacht in ihrem Ausmaß festgestellt. Dieser Test setzt bei den objektiven Bedingungen des Marktes an, z. B. bei den Substituierbarkeiten. Ob die Beschränkung unangemessen ist, ist an Hand der Generalklausel der Wesentlichkeit im Rahmen einer Gesamtbewertung eines Marktprozesses zu beurteilen.

Durch diese begrifflichen Grundlagen und adäquate Tests kann im konkreten Fall bei der Analyse und Beurteilung eines Marktprozesses die Frage nach Marktmacht richtig gestellt und beantwortet werden.[29] Auf diese Weise können auch die in Argumenten, Maßnahmen und Behauptungen verborgenen Wertsetzungen explizit gemacht und einer wissenschaftlichen Kritik zugeführt werden.

3. Problemfeld und Lösungsansätze

3.1. Warum Rundfunkordnung ?

3.1.2. Rundfunkordnung als Instrument der Medienpolitik

Medienpolitik ist die geordnete Summe der Maßnahmen, die darauf hinzielen, den Massenmedien jenen Raum an Freiheit und Unabhängigkeit vom Staat, von anderen gesellschaftlichen Machtgebilden oder von privaten Monopolen zu sichern, dessen sie bedürfen, um ihre publizistischen Funktionen angemessen und ungehindert erfüllen zu können.[30] Ziel ist es, Informations- und Meinungsvielfalt zu sichern und ein plurales Angebot der Massenmedien nach Programm und Inhalt zu gewährleisten.

Medienpolitik ist nach alledem ein elementares Stück Verfassungspolitik. Das hängt auch mit der Bedeutung der Medien und des Rundfunks insbesondere zusammen.

Den Medien kommt eine gesellschaftliche Dimension zu, die dadurch gekennzeichnet ist, dass sie nicht nur als Informationsträger fungieren, sondern sogar das politische und wirtschaftliche System beeinflussen und funktionsfähig machen.[31] Insbesondere dem Rundfunk wird vor diesem Hintergrund eine besondere Stellung zugewiesen. Bezeichnet wird er als publizistisches Instrument ohne Vorbild, als ein Machtmittel aller ersten Ranges.[32]

Ebenso hat das Bundesverfassungsgericht die potentiellen Gefahren, die vom Rundfunk ausgehen, erkannt. In der Terminologie des Gerichts wird der Rundfunk somit zu einem „eminenten Faktor“[33] des individuellen und öffentlichen Meinungsbildungsprozesses.

In den bisherigen Rundfunkurteilen verlangt das Gericht folglich eine in sich geschlossene Rundfunkordnung, um die aus der starken kommunikativen Wirkungskraft fließenden Gefahren für die Meinungsfreiheit zu begegnen. Normativ stellt der Staatsvertrag dafür grundlegende Regelungen für das Rundfunksystem bereit.

Die Ziele der Medienpolitik werden also mit Hilfe der Rundfunkordnung angestrebt.

3.1.2. Ziele und Instrumente der dualen Rundfunkordnung

Die Rundfunkordnung manifestiert sich in dem Rundfunkstaatsvertrag, der das deutsche Rundfunksystem als ein duales Rundfunksystem auffasst. Darunter ist das Nebeneinander von öffentlich rechtlichem und privat rechtlichem Rundfunk zu verstehen. Während der öffentlich rechtliche Rundfunk das Ziel verfolgt, die Grundversorgung zu gewährleisten, fällt dem privat rechtlichem Rundfunk die Aufgabe zu, Informationsvielfalt und kulturelles Angebot durch Konkurrenzprogramme ergänzend zu liefern.[34]

Ausgangspunkt dieses Konzeptes ist die Hervorhebung der Funktion der Rundfunkfreiheit und des Rundfunks für die Gewährleistung freier, individueller und öffentlicher Meinungsbildung im Rahmen des durch Art.5 Abs. I GG geschützten Kommunikationsprozesses.

Meinungsvielfalt bedeutet, dass sich im Medium Fernsehen die Vielfalt der in der Gesellschaft vorgetragenen Meinungen widerspiegeln sollte.[35] Ferner soll der Rundfunk ein meinungserzeugendes Element enthalten.[36] Der Rundfunk hat somit einmal die Funktion, den relevanten Gruppen und Kräften der Gesellschaft ein Forum der Meinungsübermittlung anzubieten. Zum anderen ist er selbst ein Faktor des Meinungsbildungsprozesses, indem er die Ausstrahlung der Meinungen bestimmt.[37] Um diesen Aspekten gerecht zu werden, gebietet die Rundfunkfreiheit seinen Schutz vor staatlichen und privaten Kollektiveinflüssen.[38] Mit dem Begriff der Staats- und Gruppenferne wird dieses Ziel umschrieben.

Ziele der Rundfunkordnung sind folglich die Meinungsvielfalt bzw. publizistische Vielfalt und die Staats- und Gruppenferne, die mit Hilfe folgender Instrumente erreicht werden sollen.

Die Absicherung der Meinungsvielfalt im Programm des öffentlich rechtlichen Rundfunks geschieht mit Hilfe des Modells des Binnenpluralismus. Der Begriff Binnenpluralismus beinhaltet sowohl ein Programminhaltsmodell als auch ein kombiniertes Inhalts- und Veranstalterorganisationsmodell.[39] Damit ist die Überprüfung inhaltlicher Vielfalt durch veranstalterinterne Gremien gemeint (Repräsentanzprinzip).

Konkret erfolgt die Überprüfung durch Vertreter aller gesellschaftlichen Gruppen in den Aufsichtsgremien. Zentrales Aufsichtsorgan ist der Rundfunkrat, der Programminhalte kontrolliert und auf die Einhaltung des Grundversorgungsauftrags achtet. Gleichzeitig kann auch die Staats- und Gruppenferne durch das Modell des Binnenpluralismus sichergestellt werden. Die Grundversorgung wird durch eine Bestands- und Entwicklungsgarantie für den öffentlich rechtlichen Rundfunk abgesichert, die auch eine Finanzierung mittels Zwangsgebühren rechtfertigt.[40]

Die Regulierung des privat rechtlichen Rundfunks erfolgt durch externe Aufsichtsinstanzen in Form der Landesmedienanstalten.[41] Diese entscheiden über Zulassung der Veranstalter und kontrollieren Programminhalte, so dass dadurch die Staatsferne sichergestellt werden soll. Vorherrschende Meinungsmacht versucht eine branchenspezifische Konzentrationskontrolle zu verhindern, womit Meinungsvielfalt erreicht und gewährleistet werden soll.

3.1.3. Rundfunkordnung als Ergebnis einer Sonderstellung des Rundfunkmarktes

Auf der Grundlage der Bedeutung des Rundfunks für die Meinungsbildung und damit für die Demokratie wurde die Notwendigkeit ausgestaltender Gesetze mit den Bedingungen der Lebenswirklichkeit begründet, denen die Rundfunkfreiheit bei ihrer Entfaltung unterworfen ist.[42] Diese dem Rundfunk zugeordnete Sonderstellung stützt sich auf Überlegungen, aus der die Rundfunkordnung als Ausgestaltung der Rundfunkfreiheit und letztlich als Intervention des Staates in den Markt resultiert

Dem Rundfunk kommt durch die Zielvorgabe der Verfassung die Aufgabe zu teil, Meinungsvielfalt zu gewährleisten. Es besteht jedoch eine Gefahr für Interessenminderheiten aus kommerziellen Gründen vom Rundfunk ausgeschlossen zu werden,[43] wenn die Rundfunkfreiheit nicht durch Gesetze ausgestaltet wird, weil kommerzielles Fernsehen von Minderheiten nachgefragte Meinungen diskriminiert.[44]

Letztlich ergibt sich eine publizistische Sonderlage des Rundfunks aus den weitreichenden Wirkungen und Möglichkeiten der Gefahr des Missbrauchs.[45] Durch Werbeeinnahmen finanzierte Programme führen dazu, massenattraktive Sendungen bei der Programmgestaltung zu bevorzugen, wodurch ein inhaltlich differenziertes Angebot verhindert wird.[46] Ein echter Markt, so das Bundesverfassungsgericht, sei nicht zu erwarten.

Diese Besonderheiten des Rundfunks dienen dem Erfordernis einer Ausgestaltung der Rundfunkfreiheit in Form der Rundfunkordnung als Begründung.

[...]


[1] Streit, (1997), S. 2891

[2] Gutmann, (1980 a), S. 137 ff.

[3] Wissenschaftlicher Beirat beim Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie (1999), S. 1

[4] Hippe, Klimmt, Ratzke, Ring, Schneider, Voß, (1997) S. 5

[5] Hoppmann (1973), S. 256-257

[6] Clapham, (1981), S. 132

[7] vgl. Hayek, (1972)

[8] vgl. Graf, (1978)

[9] vgl. Jünnemann, (1980), S. 54

[10] vgl. Hoppmann, (1988 b)

[11] Hoppmann, (1966), S. 288

[12] Hoppmann, (1988 a), S. 276, 277

[13] vgl. Hoppmann, (1968), S. 38-39

[14] Hoppmann, (1968), S. 40

[15] Hoppmann, (1988 a), S. 241

[16] Hoppmann, (1968), S.43

[17] vgl.Hayek, (1963) S.3-20, insbes. S. 9

[18] Hoppmann, (1968), S. 17

[19] Hoppmann, (1968), S. 19

[20] Hayek, (1968), S.1 und 2

[21] Hoppmann, (1970), S. 401 und 404

[22] Hoppmann, (1968), S. 21

[23] Hoppmann, (1968), S. 21

[24] Arndt, (1952), S35

[25] Clapham, (1981), S. 136

[26] Aberle, (1992), S. 39

[27] vgl. Machlup, (1961), S. 423

[28] Clapham, (1981), S. 139

[29] Hoppmann, (1968), S. 48

[30] Wilhelm, (1994), S. 229

[31] Hartwig/Schröder, (1999), S. 275

[32] Stern/Bethge, (1971), S. 41

[33] BVerfGE (1961), S. 260

[34] Harstein/Ring/Kreile/Dörr/Stettner, (1995), S. 455

[35] Neumann, (1988), S. 124

[36] Eickhoff/Never, (2000), S. 295

[37] vgl. Stender-Vorwachs, (1988), S. 39

[38] Börner, (1984), S. 16

[39] Schuster, (1990), S. 141

[40] Harstein/Ring/Kreile/Dörr/Stettner, (1995), S. 456

[41] Knorr/Winkler, (2000), S. 327, 328

[42] Hain, (1993), S. 46; Hoffmann- Riem, (1996), S. 74

[43] Giehl, (1993), S. 212

[44] Schellhaaß, (1994), S. 233

[45] vgl. Mestmäcker, (1978), S. 210

[46] BVerfGE (1987), S. 155f.

Fin de l'extrait de 43 pages

Résumé des informations

Titre
Ist die duale Rundfunkordnung ordnungspolitisch vertretbar? Bietet das Modell Neuseeland einen geeigneten Reformvorschlag
Université
University of Bayreuth  (Lehrstuhl für Volkswirtschaftslehre)
Cours
Wirtschaftswissenschaftliche Zusatzausbildung
Note
2,3
Auteur
Année
2002
Pages
43
N° de catalogue
V8431
ISBN (ebook)
9783638154055
Taille d'un fichier
701 KB
Langue
allemand
Mots clés
Ordnungspolitik, Wettbewerbsfreiheit, Ordnungspolitische Analyse, Hayek, Neuseeland, Rundfunkordnung, duales System, wirtschaftswissenschaftliche Zusatzausbildung Uni-Bayreuth
Citation du texte
Marc Schriever (Auteur), 2002, Ist die duale Rundfunkordnung ordnungspolitisch vertretbar? Bietet das Modell Neuseeland einen geeigneten Reformvorschlag, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/8431

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