Städtenetzwerke als globale Hierarchie und als Koordinationsmechanismus - Ein Vergleich


Dossier / Travail de Séminaire, 2007

31 Pages, Note: 1,0


Extrait


Inhaltsverzeichnis

A Einleitung

B. Der Netzwerkbegriff in den Sozialwissenschaften

C Raum und Gesellschaft im Denken von Manuel Castells
C.I Die informationelle Gesellschaft
C.II Implikationen für die Stadtforschung
C.III Kritik: Empirische Evidenz und Reichweite der Überlegungen von Castells

D. Stadt als transnationaler Akteur – Städtenetzwerke aus der Policy-Perspektive
D.I Netzwerk als Koordinationsmechanismus
D.II Chancen und Risiken von Städtenetzwerken
D.III Berlin als Knoten des Städtenetzwerkes METROPOLIS

E. Schlussfolgerungen und Ausblick

Abkürzungsverzeichnis

Bibliographie

Anhang I

Anhang II

“It is impossible to tell the story of any individual city without understanding its connections to elsewhere.

Cities are essentially open; they are meeting places, the focus of the geography of social relations.”[1]

A Einleitung

Populär, inflationär, alltäglich – drei Worte, die bei der Charakterisierung des Siegeszuges eines Begriffes häufig zu vernehmen sind: Gemeint ist der des Netzwerkes. ‚Netzwerk’ als Begriff ist populär, weil er scheinbar so zutreffend gesellschaftliche Strukturen und Prozesse heutiger Zeit beschreibt. Wegen vielfältiger Einsatzmöglichkeiten kann tatsächlich gelegentlich der Eindruck inflationärer Verwendung entstehen und dies hängt auch mit dem dritten Merkmal zusammen, der inzwischen zu konstatierenden weitgehenden Alltäglichkeit des Begriffs. Vom Computer- bis zum Beziehungsnetzwerk, insbesondere innerhalb jüngerer Generationen ist ‚Netzwerk’ zumindest sprachlich zur Normalität geworden.

Eng verbunden ist die Konjunktur von ‚Netzwerk’ mit einem weiteren Begriff, der inzwischen zahlreiche gesellschaftliche und politische Diskurse prägt (um nicht zu sagen dominiert) – dem der Globalisierung. Allgemein kann Globalisierung als „auf die Ausweitung, auf die Zunahme und Ausdehnung der Verbindungen zwischen verschiedenen Regionen und/oder gesellschaftlichen Kontexten“[2] gerichtet verstanden werden. Demzufolge beschäftigen sich gerade Soziologie und Politikwissenschaft seit einiger Zeit damit, inwieweit Globalisierung eine Modifikation zentraler sozialwissenschaftlicher Kategorien und Perspektiven erfordert.[3] Wenn in diesem Zusammenhang mögliche Umorientierungen in Bezug auf einen eher an Ökonomie, Politik und Kultur ausgerichteten Gesellschaftsbegriff diskutiert werden, so muss angesichts der im Verständnis von ‚Globalisierung’ inkludierten grenzüberschreitenden Interaktionen auch die Frage nach neuen Raumbezügen gestellt werden. „The concept of globalization represents an important shift in transmuting this temporality into a spatial framework.”[4]

Insofern ist es dem Globalisierungsdiskurs mit zu verdanken, dass sich das bislang anzutreffende, der Geographie entlehnte chorische Denkmuster vom Raum als Objekt und als „Container“[5] von Gesellschaft auf dem Rückzug befindet. Schwerwiegende Auswirkungen hat diese De- und anschließende Rekonstruktion des bisherigen Raumverständnisses auf die Stadt als Objekt sozialwissenschaftlicher Reflexion. Und hier schließt sich letztlich auch wieder der Kreis zum Netzwerkbegriff, denn der Ausgangspunkt vorliegender Arbeit ist in der These zu verorten, Globalisierung bedeute für die Stadtforschung, dass die funktionale Einordnung einer Stadt in ihren regionalen und nationalen Bezugsrahmen unter Umständen nur noch eingeschränkte Gültigkeit habe und sich überdies durch diese nicht mehr hinreichend erklären lasse. Zu finden ist diese deterritorialisierte Sichtweise in den Werken des spanischen Soziologen und Stadtforschers Manuel Castells. Für Castells sind heutige Gesellschaften durch die zentrale Rolle der Informationswirtschaft gekennzeichnet. Strukturmerkmal dieses Gesellschaftstyps ist das Netzwerk als seine Morphologie. Netzwerke von Kapital, Arbeit, Information und Märkten verbinden Funktionen und Bevölkerungen ebenso weltweit wie sie auch Städte vernetzen.

Im Anschluss an andere Forschungsarbeiten – beispielsweise von Saskia Sassen oder John Friedmann – konstruiert Castells mit seinem weltweiten Netz größerer, von ihm informationell genannter, Städte letztlich vor allem eine Hierarchie. Es bleibt jedoch die Frage offen, ob sich dadurch die regionale und globale Stellung von Städten in der heutigen Zeit hinreichend beschreiben lässt. In dieser Hausarbeit wird dieser Frage nachgegangen. Dabei soll die These aufgestellt werden, dass das Netzwerk von Informational Cities bei Castells eher eine hierarchische Konstruktion räumlicher Standorte für global operierende ökonomische Akteure darstellt. Städte – insbesondere solche der nördlichen Hemisphäre – sind in diesem Duktus zwar von zentraler Bedeutung für das globale ökonomische Netzwerk, die Bedeutung der Stadt als eigenständiger Akteur[6] gerät jedoch möglicherweise zu sehr in den Hintergrund. Darüber hinaus ist Castells vornehmliche Orientierung an Ökonomie und Technologie zu überdenken.

Daher wird in dieser Arbeit argumentiert, dass auch die Stadt selbst Akteur in einem von ihr mitzugestaltenden Städtenetzwerk sein kann und dass diese Teilhabe durchaus auch Möglichkeiten eröffnet, regionale und/oder globale Handlungsspielräume (zurück-)zugewinnen und dies unabhängig von ihrer Stellung in der globalen Ökonomie. Insofern sollen Castells Vorstellungen von Städtenetzwerken als globaler Hierarchie mit aus der Policy-Forschung stammenden Überlegungen zu Netzwerken als mögliche Koordinationsmechanismen verglichen werden. Um Grundlagen zu schaffen, ist zunächst der Begriff Netzwerk zu analysieren (Kapitel B): Woher stammt der Begriff? Was sagt er aus? Wozu eignet er sich? Danach werden die Überlegungen von Manuel Castells in Kapitel C rekonstruiert. Weil sich dessen Gedanken nicht allein auf die Stadtsoziologie beziehen, sollen im ersten Abschnitt vorab Castells Diagnosen zur informationellen Gesellschaft diskutiert werden, bevor auf die daraus resultierenden Implikationen für die Stadtforschung einzugehen ist. Daran anschließen soll sich eine Kritik, die letztlich auch den Grund für die hier vorgeschlagene, andere Perspektive auf den Begriff des Städtenetzwerkes liefert. In diesem Sinne ist im folgenden Kapitel (D) der Netzwerkbegriff aus der Perspektive der Policy-Analyse heraus zu konturieren. Nach einer kurzen Einführung in den Begriff des Netzwerkes als Koordinationsmechanismus werden im folgenden Abschnitt Möglichkeiten und Grenzen für Städtenetzwerke erörtert. Das Kapitel abschließen soll ein kurzes Fallbeispiel der Stadt Berlin. Dieses ist mit Bedacht gewählt, da die deutsche Hauptstadt aufgrund ihrer geringeren ökonomischen Bedeutung in Netzwerken globaler Ökonomie nur eine untergeordnete Rolle spielt. Es ist deshalb zu fragen, welche Möglichkeiten politischer Teilhabe und Gestaltung sich für Berlin durch die Mitgliedschaft in Städtenetzwerken ergeben. Zur Beantwortung dieser Frage wurde mit der zuständigen Leiterin des Referats ‚Internationales und EU’ in der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung Berlin, Frau Barbara Berninger, ein schriftliches Interview geführt, das wertvolle Hinweise darauf lieferte, warum es für eine Stadt wie Berlin sinnvoll sein kann, sich in Städtenetzwerken zu engagieren.

B. Der Netzwerkbegriff in den Sozialwissenschaften

Seit der Sozialpsychologe Jakob Levy Moreno 1934 über die so genannte Soziometrie Strukturen und Beziehungen von Gruppen und von aus ihnen bestehenden Personen aufdeckte, gilt dieser als Vorreiter der Netzwerkanalyse. Moreno stellte die Mitglieder einer Gruppe, also Personen, als Punkte in einem Graphen dar. Diese Punkte werden durch Linien verbunden, welche die bestehenden Beziehungen symbolisieren. Diese erste wissenschaftliche Netzwerkuntersuchung wurde von Moreno als Soziogramm bezeichnet.[7] In den nachfolgenden Jahrzehnten entfalteten sich der Netzwerkbegriff und seine Analyseversuche dann in verschiedenen Disziplinen: Anthropologie, Politikwissenschaft, Soziologie, Physik, um nur einige zu nennen. Stets wurde – unter häufiger Zuhilfenahme mathematischer Methoden – versucht, die Stellung der Akteure und ihre Beziehung zueinander sowie die Struktur des Netzwerkes selbst abzubilden und zu untersuchen.

Erst gegen Ende der 1970er-Jahre gelang es den sozialwissenschaftlich relevanten Teil der Untersuchungen zusammenzuführen, der seitdem unter dem Begriff ‚Social Network Analysis’ bzw. in der deutschen Übersetzung als ‚Netzwerkanalyse’ bekannt ist. Soziale Netzwerke bezeichnen dabei eine genau definierte Menge von Akteuren und einer oder mehrerer Beziehungen zwischen ihnen.[8] Die Netzwerkanalyse stellte einen Fortschritt insofern dar, als es bis dahin in den theoretischen Sozialwissenschaften zwar durchaus auch um die Analyse von Akteuren und ihren Eigenschaften ging, allerdings die Eigenschaften einer Gruppe von Akteuren häufig nur als Durchschnittswerte der individuellen Akteurseigenschaften aggregiert wurden. Linton C. Freeman wies darauf hin, dass es erst durch die Netzwerkanalyse gelungen sei, einige bis dato eher metaphorisch genutzte Begriffe zu definieren und somit auch als „research tools“[9] nutzbar zu machen. Beispiele hierfür wären etwa soziologische Begriffe wie Rolle, Position oder Prestige.

Geradezu explodiert ist die Verwendung des Netzwerkbegriffes seit den 1990er-Jahren, allerdings ist hier auch ein gewisser Rückschritt hin zu einer wieder stärker metaphorischen Verwendung festzustellen. Von der Analyse von Unternehmensnetzwerken über Politik- und Entscheidungsnetzwerke bis hin zum Netzwerk global operierender Terroristen: Nicht immer kann der verwendete Netzwerkbegriff auch im Sinne eines sozialwissenschaftlichen Erkenntnisgewinns inhaltlich gefüllt werden. Dabei gereicht dem Begriff offenbar sein größter Vorteil gelegentlich auch zum Nachteil: ‚Netzwerk’ eignet sich gut, um komplexe Organisationen, Beziehungen und Prozesse zu beschreiben und zu analysieren. Seine Nutzung für verschiedene Fachgebiete halten Kenis/ Schneider demzufolge auch für nicht weiter verwunderlich.[10]

Betrachtet man Netzwerke strukturtheoretisch, lassen sich zwei Hauptkomponenten identifizieren, aus denen sie bestehen: Knoten und Kanten zwischen Paaren von Knoten. Knoten können demnach als vernetzte Instanzen begriffen werden, Individuen oder Institutionen mithin also Akteure sein.[11] Die Kanten repräsentieren dann die Beziehung zwischen den Akteuren, in unserem Beispiel seien dies Akteur a und b.[12] Die Beziehungen zwischen zwei (oder entsprechend mehreren) Akteuren können verschiedene Formen annehmen. So heißt eine Beziehung symmetrisch, wenn diese von Akteur a zu b gleich dem umgedrehten Fall ist, also von b zu a. Dies muss nicht so sein, es kann auch eine Beziehung nur von a zu b, aber nicht umgedreht bestehen. Den Graphen der Kante bezeichnet man in diesem Falle als ‚gerichtet’, er wird mit einem Pfeil auf b zeigend dargestellt.[13]

Der Begriff ‚Netzwerk’ kann als eine moderne Organisationsform von Akteursbeziehungen oder auch als Interaktionsgeflecht aufgefasst werden.[14] Zentrale analytische Kategorien sind Akteure und ihre Interaktionen. Eine Netzwerkanalyse ist demnach stets eine Akteurs- und eine Prozessanalyse zugleich. Insofern scheint die Definition von Reinhold aussagekräftig, der Netzwerke als ein „Geflecht sozialer Beziehungen zwischen Personen, Personen und Institutionen sowie zwischen Institutionen und Institutionen“ erklärt.[15] Der Vorteil hierbei ist, dass es durch die Netzwerkanalyse möglich wird, den Kontext der sozialen Beziehungen einzufangen, innerhalb dessen die Akteure (Knoten) agieren und Handlungsentscheidungen treffen.[16] Im Folgenden wird der Begriff Netzwerk demnach als ein Geflecht sozialer, ökonomischer und/oder politischer Beziehungen verstanden. Solche Netzwerke sind dann mehr oder weniger auf Kontinuität angelegt, die Teilnahmen an ihnen beruht auf Freiwilligkeit und Gegenseitigkeit. Eine Präzisierung des Begriffes Städtenetzwerk erfolgt unter Kapitel D.II.

Neben strukturellen und prozessualen Besonderheiten können Netzwerke auch danach unterschieden werden, aus welchem Grunde sie sich bilden. So ist gerade im Zeitalter der Globalisierung ein weltweites Netzwerk ökonomischer Akteure entstanden. Diese haben sich aber nicht bewusst, dass heißt mit der Intention, dieses Netzwerk zur Erreichung gewisser Ziele zu gründen, zusammengeschlossen. Vielmehr kann in diesem Falle von einem stetigen Prozess gesprochen werden, welcher durch verschiedene Faktoren beeinflusst wurde. Einer davon ist in der Entwicklung moderner ökonomischer Infrastruktur zu suchen. Hier hilft also die Ausbildung von Infrastruktursystemen das globale ökonomische Netzwerk erst zu etablieren. Solche Infrastruktursysteme sind beispielsweise Formen der elektronischen Datenübermittlung oder Verkehrsnetze. Es zeigt sich also, dass Technologie eine Bedingung der Implementierung sozialer Netzwerke – hier die globale Ökonomie – sein kann. Weniger entscheidend, aber auch sehr wichtig sind diese bei der Etablierung von Netzwerken im Sinne der Policy-Forschung, besonders dann, wenn sie einen überregionalen oder sogar transnationalen Bezug aufweisen. Solche Policy-Netzwerke unterscheiden sich aber von dem vorangegangenen Beispiel unter anderem hinsichtlich ihrer Entstehung. Zumeist ist die Erkenntnis, ein Problem nur über eine netzwerkartige Kooperationsform lösen zu können, Grund für die Bildung eines Netzwerkes. Im Folgenden sollen zwei verschiedene Perspektiven zu Städtenetzwerken diskutiert und miteinander verglichen werden. Der erste von Manuel Castells interpretiert Städte – und hier vor allem die großen Städte – als Knoten der global vernetzten Ökonomie. Der zweite Ansatz geht aus der Policy-Perspektive mehr auf den ‚Knoten Stadt’ als regionaler und/oder transnationaler Akteur ein.

C Raum und Gesellschaft im Denken von Manuel Castells

C.I Die informationelle Gesellschaft

Manuel Castells Überlegungen zum Informationszeitalter liegen zusammengefasst in der gleichnamigen Trilogie seit etwa zehn Jahren vor und können trotz dieser nur kurzen Zeitspanne mit einiger Berechtigung bereits als soziologische Klassiker bezeichnet werden. Schon 1989 wurden in The Informational City erste Umrisse seiner Gesellschaftsdiagnose sichtbar, stand hier doch erstmals die Frage im Vordergrund, welche Auswirkungen die neuen Informationstechnologien auf die Gesellschaft und auf urbane und regionale Prozesse haben.[17] Nach Castells eigenen Angaben stellt Das Informationszeitalter[18] das Ergebnis einer insgesamt zwanzigjährigen Forschungsarbeit dar. Für die hier vorliegende Fragestellung ist insbesondere der erste Band von Interesse: Die Netzwerkgesellschaft. Für den nachfolgenden Abschnitt werden zudem noch zwei weitere Aufsätze zur Analyse herangezogen.[19]

Generell kann davon gesprochen werden, dass sich Analysen zur informationellen Gesellschaft von anderen soziologischen Diagnosen insbesondere der 1980er-Jahre abheben, in denen Krisen der Arbeitsgesellschaft oder die (vor allem im Zusammenhang mit der Tschernobyl-Katastrophe stehenden) allgemeinen Risiken des technischen Fortschritts im Mittelpunkt standen.[20] Bereits in den Analysen zur „Wissensgesellschaft“ von Peter Drucker oder zur „post-industriellen Gesellschaft“ von Daniel Bell[21] wurde die bedeutende Rolle des wissenschaftlichen und technologischen Fortschritts verbunden mit hohen Erwartungen an eine dadurch induzierte neue Dynamik wirtschaftlichen Wachstums.[22] Manuel Castells empirisch-diagnostische Trilogie steht in dieser Tradition und obwohl er sich bis zu diesem Zeitpunkt vornehmlich einen Ruf als Stadtsoziologe gemacht hatte, war sein Werk nicht allein als Beitrag zu diesem Fach gedacht.

Manuel Castells verknüpfte letztlich die Grundidee der post-industriellen Gesellschaft mit der Revolution der Informations- und Kommunikationstechnologien und leistete so einen eigenen Beitrag zur Idee der informationellen Gesellschaft, deren Evolution er durch drei voneinander unabhängige und seit dem Ende der 1960er-Jahre laufende Entwicklungen befördert sah: Die Revolution der Informationstechnologien ermöglichte zunächst das Aufkommen des Informationalismus als neue materielle Basis der Gesellschaft. Als Reaktion auf die Krisen des Kapitalismus in den 1970er-Jahren vollzog sich dessen neoliberale Restrukturierung und Ausweitung unter Zuhilfenahme der genannten Informationstechnologien zu einer neuen Form, dem globalen und informationellen Kapitalismus. Drittens verortete Castells neue kulturelle und wertorientierte soziale Bewegungen, deren Fokus auf individueller Autonomie zwar eine dem Kapital (und dem Staat) entgegengestellte Kultur implizierte, als Kehrseite allerdings eine Spaltung der Gesellschaft hervorrief, da solchen sich kulturell selbst definierenden und damit unabhängigen Eliten unsichere, ungesicherte und sozial ausgeschlossene Gruppen ohne Ressourcen und Macht gegenüber-standen.[23]

Für einen Wissenschaftler, der sich insbesondere in den Jahren nach seiner Flucht aus dem faschistischen Spanien zu einer marxistisch geprägten Denkweise bekannte, ist diese starke Orientierung an der Ökonomie zunächst keine Überraschung. Zentrale, voneinander unabhängige analytische Kategorien sind für Castells Produktions- (Kapitalismus, Etatismus) und Entwicklungsweisen (Industrialismus, Informationalismus).[24] Kennzeichen der neuen Entwicklungsweise ‚Informationalismus’ in der informationellen Gesellschaft ist die Technologie der Wissensproduktion und der Informationsverarbeitung, die zur wichtigsten Quelle ökonomischer Produktivität geworden sind. Castells weiß natürlich, dass Wissen in allen bisherigen Entwicklungsweisen stets Quelle von Produktivität gewesen ist. Neu ist in seinen Augen jedoch nun „die Einwirkung des Wissens auf das Wissen selbst als der Hauptquelle der Produktivität“.[25] Damit kann diese neue Entwicklungsweise also nicht wie etwa bei Daniel Bell als Wandel von der Güter- zur Dienstleistungswirtschaft beschrieben werden. Produktion und Dienstleistungen können in dieser Diktion gleichermaßen informationalisiert werden, so dass es nicht zu einer neuen, anderen Art ökonomischer Aktivität kommt, sondern zu einer Durchdringung aller bisherigen.[26] Strukturmerkmal dieses neuen Gesellschaftstyps ist die gesellschaftliche Morphologie in Form von Netzwerken. Nach der Auffassung von Manuel Castells werden zentrale Funktionen und Prozesse der informationellen Gesellschaft zunehmend in solchen Netzwerken organisiert. Diese verfügen dabei über eine gewisse Eigendynamik und mit ihrer je spezifischen Logik über eine gesellschaftliche Determination höherer Ordnung. Die Netzwerkmorphologie hat – neben anderen – auch eine Auswirkung auf das Verständnis von Raum. Wir wollen im folgenden Abschnitt Castells Raumverständnis und die daraus für die Stadtsoziologie unmittelbar resultierenden Konsequenzen näher untersuchen.

[...]


[1] Massey et al. 1999, S. 2.

[2] Ahrens 2001, S. 68.

[3] Verschiedene Ansätze dazu in Beck 2003.

[4] Featherston 1995, S. 1.

[5] Ahrens 2001, S. 9

[6] Hauptsächlich verstanden im Sinne einer demokratisch legitimierten und überwiegend selbständig agierenden Stadtregierung.

[7] Vgl. Moreno 1996.

[8] Vgl. Trappmann et al. 2005, S. 14.

[9] Vgl. Freeman 1984.

[10] Vgl. Kenis/Schneider 2001.

[11] Vgl. ebd.

[12] Gelegentlich kann es sich als sinnvoll erweisen, eine so genannte schleifende Kante zu untersuchen, eine Kante also die eine Beziehung des Akteurs zu sich selbst repräsentiert (a, a). In den meisten Fällen sind Beziehungen eines Akteurs zu sich selbst jedoch nicht Gegenstand der Untersuchung.

[13] Vgl. Trappmann S. 15 f.

[14] Vgl. Diller 2002 S. 15.

[15] Vgl. Reinhold 1997, S. 576.

[16] Vgl. Genosko 1999, S. 32.

[17] Vgl. Castells 1989.

[18] Vgl. Castells 2001, 2002a, 2000b. Ins Deutsche übersetzt wurde die zweite Auflage der Originalausgabe.

[19] Vgl. Castells 1997 und Castells (ohne).

[20] Exemplarisch dazu: Offe 1984 und Beck 1986.

[21] Vgl. insbesondere Drucker 1969 und 1989 sowie Bell 1960.

[22] Vgl. Steinbicker 2001, S. 8.

[23] Vgl. Castells 2001, S. 13 ff.

[24] Vgl. ebd., S. 14.

[25] Ebd., S. 18.

[26] Vgl. Steinbicker 2001, S. 82.

Fin de l'extrait de 31 pages

Résumé des informations

Titre
Städtenetzwerke als globale Hierarchie und als Koordinationsmechanismus - Ein Vergleich
Université
Free University of Berlin  (Otto-Suhr-Institut für Politikwissenschaften)
Cours
„Verheißung und Verdammnis – Stadt als Gegenstand sozialwissenschaftlicher Theorie“
Note
1,0
Auteur
Année
2007
Pages
31
N° de catalogue
V84442
ISBN (ebook)
9783638007825
Taille d'un fichier
598 KB
Langue
allemand
Mots clés
Städtenetzwerke, Hierarchie, Koordinationsmechanismus, Vergleich, Verdammnis, Stadt, Gegenstand, Theorie“
Citation du texte
Kai Posmik (Auteur), 2007, Städtenetzwerke als globale Hierarchie und als Koordinationsmechanismus - Ein Vergleich, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/84442

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