Sogenannte ‚Ellipsen’ in gesprochener Sprache


Term Paper (Advanced seminar), 2007

34 Pages, Grade: 1,7


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Inhaltsverzeichnis

1. Einleitende Bemerkungen

2. Überblick zu Arten von Ellipsen und Ellipsentheorien
2.1. Arten der Ellipse nach Klein
2.2. Ellipsentheorien
2.2.1. Grammatische Ellipsen-Theorien
2.2.2. Funktionale Ellipsentheorien
2.2.3. Kommunikative Ellipsentheorien
2.3. Fazit

3. Definitions- und Abgrenzungsprobleme nach Selting
3.1. Vorbemerkungen
3.2. Versuch einer syntaktischen Abgrenzung
3.3. Versuch einer prosodischen Abgrenzung
3.4. Die Kombination von Syntax, Prosodie und Kontext
3.5. Schlussfolgerungen

4. Verdichtung statt Defizit
4.1. Allgemein
4.2. Uneigentliche Verbspitzenstellung
4.3. Infinitkonstruktionen
4.4. Subjektlose Infinitkonstruktionen
4.5. Minimale Setzungen

5. Suche nach dichten Konstruktionen in einer Stichprobe
5.1. Vorbemerkungen
5.2. Uneigentliche Verbspitzenstellung
5.3. Infinitkonstruktionen
5.4. Subjektlose Infinitkonstruktionen
5.5. Minimale Setzungen

6. Abschließende Bemerkungen

7. Literaturverzeichnis

Anhang:

Transkript: Gespräch Philipp

1. Einleitende Bemerkungen

Wie die Arbeit im weiteren Verlauf noch aufzeigen wird, beinhaltet der Ellipsenbegriff gewisse Probleme. Buss (2004) macht die Entstehungsgeschichte dafür mitverantwortlich. So ist der Begriff der Ellipse zur Beschreibung eines syntaktischen Phänomens aus der Rhetorik importiert worden. Hier bezeichnet die Ellipse die kunstvolle Tilgung bestimmter Elemente der Rede. Neben dieser positiven Wortbedeutung als rhetorische Figur bezeichnet der Begriff allerdings auch bereits bei Quintilian einen zu vermeidenden grammatischen Ausdrucksfehler. Während in der Rhetorik die positive Wortbedeutung, elliptische Konstruktionen als bewusst eingesetztes Verfahren, vorherrscht, wurde in die grammatische Tradition vorwiegend die Bedeutung als Regelverstoß durch mangelnde Vollständigkeit übernommen. Grammatisch wird die Ellipse also als syntaktisches Defizit verstanden, wobei hier immer die Norm der schriftbasierten Standardsprache zu Grunde liegt, auch um Phänomene der gesprochenen Sprache einzuschätzen.[1] Auch bei Bußmann (1990) wird die Ellipse als „Aussparung von sprachlichen Elementen, die aufgrund von syntaktischen Regeln oder lexikalischen Eigenschaften (z.B. Valenz eines Verbs) notwendig sind“[2] definiert, damit auch lediglich über einen Mangel. Auch in der Linguistik, die den Fokus ja eigentlich auf die gesprochene Sprache legt, wurde lange mit schriftsprachorientierten Analyse- und Beschreibungskategorien gearbeitet und zudem wurden schriftliche Texte als empirische Grundlage der Forschung verwendet.[3] Dies hat bezüglich der Ellipsen zur Folge, dass sich zwei Auffassungen gegenüberstehen, zum einen die Ableitungsthese und zum anderen die Autonomiethese.[4]

Bevor jedoch mit Blick auf die unterschiedlichen Ellipsentheorien auch auf diesen Streit eingegangen werden wird, sollen unterschiedliche Ellipsenarten nach Klein (1985 und 1993) dargestellt werden. Nachdem mit Selting (1997) auf die Schwierigkeiten einer klaren Ellipsendefinition eingegangen werden wird und für die Unbrauchbarkeit des Ellipsenbegriffs plädiert wird, soll schließlich auf Günthner (2006) eingegangen werden, die mit ihren ‚dichten Konstruktionen’ eventuell Seltings Forderung nach neuen, passenden Begrifflichkeiten einlöst. Abschließend wird dann versucht werden, dichte Konstruktionen in einer kleiner Stichprobe ausfindig zu machen.

2. Überblick zu Arten von Ellipsen und Ellipsentheorien

2.1. Arten der Ellipse nach Klein

In einem ersten Schritt bietet es sich an, die Unterteilung von Klein vorzustellen, da dieser mit seiner Klassifikation kein abgeschlossenes Theoriesystem, sondern lediglich jene Phänomene, die in der Literatur gemeinhin als in irgendeiner Form elliptisch aufgefasst werden, in einem Überblick darstellen möchte.[5][6] Nach Klein sind in einem ersten Schritt kontextabhängige von kontextkontrollierten Ellipsen zu unterscheiden. Bei ersteren Formen sei der Gebrauch eben sehr stark vom Kontext, also vom Zusammenhang, in welchem die elliptische Äußerung getätigt wird, abhängig. Die kontextkontrollierten Ellipsen würden dagegen einen ganz bestimmten sprachlichen Zusammenhang erfordern, also eine zuvor oder im Anschluss geäußerte Struktur. Die elliptische Äußerung hänge dann von dieser Struktur ab. Die von Klein aufgestellte Klasse der kontextabhängigen Ellipsen lässt sich weiter differenzieren. Zu ihr gehören (1) Aufschriften und ähnliches, (2) Textsortenellipsen, (3) feste Ausdrücke, (4) lexikalische Ellipsen, (5) verarbeitungsbedingte Ellipsen und (6) entwicklungsbedingte Ellipsen. Zu beachten ist bei diesem Versuch einer Klassifizierung allerdings, dass Klein selbst mangelnde Präzision einräumt und lediglich einen Überblick über die als Ellipse aufgefassten Phänomene geben möchte.[7] Diese Unterteilung soll auch deutlich machen, welch viele verschiedene Erscheinungen mit dem Begriff Ellipse zusammengefasst werden. Oft ist deren einzige Gemeinsamkeit, dass sie in irgendeiner Weise als unvollständig angesehen werden.[8]

Die Gruppe der (1) Aufschriften wurde von Bühler als „dingfest angeheftete Namen“[9] bezeichnet, was den Charakter der Ellipsen recht gut beschreibt, denn sie besitzen in der Regel eine physische Verbindung zu ihrem Bezugsobjekt. Beispiele für solche Ellipsen wären etwa die Aufschrift ‚Privat’ an einer Tür oder aber ‚heiße Würstchen’ an einem Würstchenstand. Um diese Ellipsen richtig zu interpretieren, damit also im Sinne desjenigen zu verstehen, der sie produzierte, ist vor allem das Wissen um die Situation und das Weltwissen von Bedeutung. Eine vorstellbare Situation wäre etwa ein öffentlich zugänglicher Gastraum in einem Restaurant und eine verschlossene Tür mit der Aufschrift ‚Privat’, die zu nichtöffentlichen Räumen führt.

Mit der Gruppe der (2) Textsortenellipsen sind solche elliptischen Strukturen zusammengefasst, die charakteristisch für gewisse Textsorten sind. So setzten sich beispielsweise Telegramme, Wetterberichte, Überschriften oder aber Gebrauchsanweisungen oft systematisch aus Kurzformen zusammen.

Die Kategorie der (3) festen Ausdrücke setzt sich wiederum aus Unterformen zusammen, die nach ihrer Verwendung zu unterscheiden sind. Eine erste beinhaltet elliptisch formulierte Aufforderungen oder Fragen, die von Klein auch als Handlungsellipsen bezeichnet werden. Die Aussprüche erfolgen in der Regel in stark vorstrukturierten Handlungssituationen und viele von ihnen sind idiomatisiert. Beispiele für solche Ellipsen wären ‚Raus!’, ‚Ins Bett mit dir!’, ‚Bitte klopfen’ oder am schon diskutierten Würstchenstand die Frage ‚Mit oder ohne (Senf)?’. Zu den festen Ausdrücken gehören auch expressive Ausrufe wie zum Beispiel ‚So ein Mist!’ oder auch ‚Juchu!’. Schließlich werden dieser Kategorie auch rituelle Formeln wie etwa ‚Aus den Augen – aus dem Sinn’, ‚Lange nicht gesehen’ oder ‚Nicht zu fassen’ zugerechnet. Weitere Unterformen seien denkbar. Hervorzuheben ist, dass es zu einigen Fällen dieser Kategorie keine ‚vollständige’ Version zu geben scheint, obwohl doch Ellipsen eigentlich einzig über ihre angebliche Unvollständigkeit definiert werden. Aussprüche wie ‚Ins Bett mit dir!’ lassen sich jedoch nur schwer komplettieren.

Bei den (4) lexikalischen Ellipsen sind erneut Unterformen zu unterscheiden. Zu dieser Gruppe zählt die völlig lexikalisierte Argumentreduktion, wie zum Beispiel in ‚Otto sitzt (im Gefängnis)’. Zudem sind die lexikalisierten N-Ellipsen an dieser Stelle zu erwähnen. Ein Beispiel hierfür wäre ‚der Angeklagte’. Hier ersetzt die Ellipse dann den entsprechenden Namen. Außerdem gehören auch lexikalisierte Auslassungen der infiniten Verbform in diese Klasse. Beispielhaft ist hier die Wendung ‚Er ist in der Stadt’.

Die Gruppe der (5) verarbeitungsbedingten Ellipsen meint unvollständige Äußerungen auf Grund von aktuell auftretenden Problemen in der Sprachproduktion oder aber auch einer manifesten Sprachstörung wie im Falle von Aphatikern. Zudem können dazu auch solche unvollständige Aussagen gerechnet werden, bei welchen der Sprecher seine Äußerung als unpassend oder überflüssig einstuft und deshalb abbricht. Bei letzterem Phänomen ist allerdings eine deutliche Nähe zu den noch zu diskutierenden Adjazenzellipsen zu erkennen.

Als letzte Gruppe in der Kategorie der kontextabhängigen Ellipsen sind die (6) entwicklungsbedingten Ellipsen zu nennen. Hier lassen sich verkürzte und unvollständige Aussprüche auf den Spracherwerbsprozess zurückführen. Sowohl beim Erst- als auch bei Zweitspracherwerb sind mit der jeweiligen Zielsprache verglichen elliptisch einschätzbare Äußerungen typisch.

Die kontextkontrollierten Ellipsen lassen sich wiederum in zwei Gruppen, in (7) Koordinationsellipsen zum einen und (8) Adjazenzellipsen zum anderen, unterscheiden. Kriterium ist hierbei, ob der sprachliche Kontext im selben oder im vorherigen Satz geäußert wird.

Bei (7) Koordinationsellipsen werden identische Teile innerhalb einer Konstruktion ausgelassen. Unterschieden wird ein kontrollierender Ausdruck von einem elliptischen Ausdruck, welche beide innerhalb des Satzes durch Koordination im weitesten Sinne verbunden sind. Besonders die Transformationsgrammatik interessierte sich hier für Spezialfälle, etwa für das ‚Gapping’, was den Wegfall eines identischen Verbs bezeichnet, wie in ‚Martin studiert Geschichte und Laura Philosophie’. Weiterhin vielfach untersucht wurde die sogenannte ‚VP-Ellipse’, bei welcher eine VP entfällt, wie in ‚Pascal sprach mit Martin und dann Laura auch’. Auch von Interesse ist das ‚Sluicing’, was den Wegfall oder die Reduktion eines untergeordneten Fragesatzes nach dem Fragewort meint, wie zum Beispiel in ‚Martin grüßte jemanden und Laura weiß nicht, wen’. Weitere Formen könnten dargestellt werden, was allerdings an dieser Stelle nicht zielführend ist.[10]

Wie bereits angedeutet finden sich bei den (8) Adjazenzellipsen der kontrollierende Ausdruck und der elliptische Ausdruck in unterschiedlichen aber dennoch miteinander verbundenen Äußerungen. Sie bilden sogenannte ‚adjency pairs’. Vier unterschiedliche Formen dieser Paarungen sind von besonderer Bedeutung. Als erste Variante seien die Frage-Antwort-Folgen genannt, wie in dem Beispiel mit der Frage ‚Wie wird das Wetter?’ und der elliptischen Antwort ‚Heiter bis wolkig’. Ebenfalls eine Paarung können sogenannte teilweise Korrekturen bilden, wie etwa in ‚Es wird heiter bis wolkig’ mit der Antwort ‚(Nein,) sonnig’, wo die elliptische Aussage die vermeintlich falsche Behauptung korrigiert. Wie die Korrekturen funktionieren auch teilweise Bestätigungen. So könnte die elliptische Reaktion auf ‚Es regnet sehr stark’ lauten ‚(Ja,) wie aus Eimern’. Die vierte wichtige Gruppe der Adjazenzellipsen bilden parallele Fortführungen wie in ‚Es regnet heute den ganzen Tag’ mit den Fortführungen ‚Gestern auch schon’ und ‚Morgen auch’. Im Gegensatz zu den Koordinationsellipsen sind die Adjazenzellipsen in der Forschung noch nicht so gut untersucht worden. Eine Ausnahme bildet allerdings das ‚Gapping’, da es in beiden kontextkontrollierten Formen vorkommt.[11] Besonders interessant für die weiteren Betrachtungen werden die kontextkontrollierten Ellipsen, also die beiden zuletzt vorgestellten Gruppen sein, da diese in einem sprachlichen und sequenziellen konversationellen Kontext Gebrauch finden.

2.2. Ellipsentheorien

Hier alle Ansätze zur Untersuchung von sogenannten Ellipsen zu referieren, wäre nicht zielführend, doch sollen auch zur besseren Einordnung der nachfolgenden Überlegungen einige wenige Theorien kurz vorgestellt werden. Nach Selting (1997) können die unterschiedlichen Ansätze drei Richtungen zugeordnet werden, den grammatischen, funktionalen sowie kommunikativen Ellipsen-Theorien, wobei es zum Teil natürlich immer auch Überschneidungen geben mag.[12]

2.2.1. Grammatische Ellipsen-Theorien

Die grammatischen Ellipsen-Theorien ließen sich wiederum in einen Aussparungs-, Tilgungs- oder Reduktionsansatz und in einen Koordinations- oder Kompositionsansatz unterteilen, wobei detailliertere Darstellungen an dieser Stelle zu weit gingen. In der neueren generativen Grammatik werden Ellipsen auf der Ebene der ‚Logischen Form’ als vollständige Sätze mit Leerstellen verstanden. Diese Leerstellen würden danach phonologisch nicht produziert.[13]

Klein (1993) vertritt diesen Ansatz in seinem Aufsatz hinsichtlich der durch ihn besonders untersuchten Koordinationsellipsen. Diese enthielten alle nötigen syntaktischen und semantischen Informationen, welche allerdings unter gewissen Bedingungen phonologisch reduziert werden könnten. Klein betont, dass syntaktische Kriterien allein nicht genügen würden, um Ellipsen zu beschreiben, dass dazu der sprachliche und situative Kontext ebenso von Bedeutung sei.[14] Letztlich wird jedoch auch bei ihm die Ellipse als Mangel auf syntaktischer Ebene definiert, wie auch bei Eroms (2000), der Ellipsen über das Fehlen strukturell notwendiger Elemente bestimmt, die allerdings durch normierte Reduktionsmuster rekonstruiert werden könnten.[15] Beide, Klein und Eroms, sind beispielhafte Vertreter der Ableitungsthese, wonach sich Kurzformen eben von vollständigen Sätzen ableiten lassen, sich also über die Auslassung von Satzteilen und damit über ihre Unvollständigkeit definieren lassen.

Doch wie Hoffmann (1999) richtig kritisiert, ist es in jeder Hinsicht schwer Vollständigkeit zu bestimmen. Jeder Sachverhalt könnte umfassender und damit noch vollständiger geäußert werden, weshalb semantische Kriterien unbrauchbar sind. Doch den Grammatikern geht es natürlich nicht um inhaltliche, sondern um strukturelle Vollständigkeit. Jedoch könnten auch grammatisch ‚unvollständige’ Aussprüche verstanden werden und zudem der Situation angemessen sein. Zudem sei auch syntaktisch nur schwer zu bestimmen, was ein vollständiger Satz ist, denn der Verbalsatz wird zwar als Norm angenommen, jedoch sei auch diese Form nur eine neben anderen möglichen Formen. Schließlich seien auch die Erklärungsansätze der Grammatiker wenig überzeugend, da es wenig sinnvoll erscheint, dass der Sprecher eine syntaktisch vollständige Struktur entwickeln würde, um diese dann auf einen elliptischen Ausdruck zu reduzieren, was wiederum durch den Hörer beim Verstehensprozess rückgängig gemacht werden müsse. Ein solches sehr aufwendiges Verfahren scheint beim Verfassen von Telegrammen nachvollziehbar, allerdings bei der Sprachproduktion eher hinderlich. Zudem ist umstritten, ob denn elliptische Kurzform und rekonstruierte ‚vollständige’ Langform den gleichen Bedeutungsinhalt aufweisen. Weitere Schwierigkeiten der Ableitungsthese sind das Auftreten von mehreren möglichen aber nicht bedeutungsgleichen Langformen für eine Kurzform und solche Varianten der Kurzform, zu denen es schlicht keine sinnvolle ‚vollständige’ Version gibt. Gründe genug also, warum viele Linguisten nicht mehr von Ellipsen als Ableitung von vollständigen Sätzen sprechen, sondern sie als eigenständige Konstruktionen begreifen. Neuere Publikationen, wie jene von Eroms zeigen allerdings, dass auch die Ableitungsthese durchaus noch vertreten wird.[16]

2.2.2. Funktionale Ellipsentheorien

Selting unterscheidet bei den funktionalen Ansätzen wiederum zwischen einem klassischen Ansatz nach Bühler und einem neueren funktional-pragmatischen Ansatz, wie er etwa von Hoffmann (1999) vertreten wird.[17] Gerade bei diesem Ansatz wird die Ableitungsthese abgelehnt und stattdessen eine Behandlung elliptischer Strukturen als eigenständige Formen gefordert.[18] In seiner Untersuchung unterscheidet Hoffmann zuerst Analepsen und Katelepsen von Formen der Ellipse. Bei Analepsen werden Satzteile nicht nochmals geäußert, da sie zuvor bereits verbalisiert wurden, noch präsent sind und durch den vorangegangen syntaktischen und semantischen Kontext ergänzt werden können, wie in folgendem Beispiel:

Hans hegte und pflegte seinen Garten.[19]

Analeptische Strukturen sind auch sprecherübergreifend möglich, zum Beispiel bei Antworten auf W-Fragen, Rückfragen oder zustimmenden Wiederholungen.[20] Katalepsen stellen das Gegenstück zu analeptischen Strukturen dar, da bei ihnen Teile des eines ersten Konjunkts freigelassen werden, um im Folgekonjunkt rückwirkend komplettiert zu werden, wie etwa in:

Sie glaubte [] und vertraute [Hanna].[21]

Im Unterschied zu Formen der Ellipse würden Analepsen und Katalepsen also auf vorheriger oder sich anschließender Verbalisierung beruhen. Zum Verständnis von Ellipsen sei dagegen sprachliches, situatives und praktisches Wissen von Bedeutung. Die Beschreibung mit Hilfe von grammatischen Strukturbedingungen sei sowohl für Analepse und Katalepse, als auch für Formen der Ellipse wichtig.[22]

Nachfolgend unterscheidet Hoffmann (1) situative Ellipsen, (2) empraktische Ellipsen, (3) phatische Ellipsen und (4) Ellipsen im Text voneinander. Die (1) situative Ellipse sei dadurch gekennzeichnet, dass situativ Präsentes eine Äußerungsstelle besetzt, aber nicht verbalisiert wird und auch nicht werden muss, weil eine gemeinsame Vor-Orientierung durch Sprecher und Hörer in der Sprechsituation bzw. im Umfeld stattgefunden hat. In folgendem Beispiel wird der Sprecher nicht verbalisiert, weil er bereits durch die Situation, ein Gespräch zwischen ihm als Patient und seinem Arzt, fokussiert ist:

Nee jetz letzte Nacht/ [] Bin mitten in der Nach aufgewacht.[23]

Ähnlich könne auch der Hörer oder ein im Fokus befindliches Objekt ungenannt bleiben.

Im Falle der (2) empraktischen Ellipse wird die Äußerung vor dem Hintergrund einer gemeinsamen Orientierung von Sprecher und Hörer in einem aktualisierten Handlungszusammenhang auf den relevanten Punkt der sprachlichen Handlung reduziert. Hoffmann spricht von einer ‚Pointierung’ der Handlung. In einem Handlungszusammenhang, in welchem Möbelpacker gerade ein Klavier in die Wohnung des Sprechers tragen, ist die Aussage ‚Hierher’ der relevante Punkt, die Pointierung der Anweisung, nämlich in diesem Falle die Richtungsorientierung der Handlung. In anderen Zusammenhängen sind natürlich auch andere Pointierungen möglich.

Bei (3) phatischen Ellipsen handelt es sich um einen Abbruch durch den Sprecher bevor der konstruktive, formal markierte Abschlusspunkt erreicht ist. Der Hörer muss die Aussage mit seinem Wissen vervollständigen. Der Zweck der Sprecheraussage sei davon unberührt, da in der Regel voraussetzbares Wissen zur Vervollständigung genügt. Solche Ellipsen dienen zum einen dazu, Wiederholungen oder Selbstverständliches nochmals zu artikulieren, zum anderen dazu, eine Anspielung zu machen oder Tabuausdrücke zu vermeiden.

Mit der Gruppe der (4) Ellipsen im Text meint Hoffmann ähnliche Phänomene, wie sie Klein unter dem Begriff Textsortenellipsen kategorisiert hat, also etwa Schlagzeilen oder der Text von Telegrammen.[24]

[...]


[1] Vgl. Buss 2004, S. 2-3.

[2] Bußmann, 1990, S. 207.

[3] Vgl. Fiehler/Barden/Elstermann/Kraft 2004, S. 160.

[4] Vgl. Buss 2004, S. 3-4.

[5] Den nachfolgenden Unterscheidungen liegt Klein 1985, S. 2-5 und Klein 1993, S. 767-768 zu Grunde.

[6] Vgl. Klein 1993, S. 767.

[7] Vgl. Klein 1985, S. 2.

[8] Vgl. Klein 1993, S. 765.

[9] Bühler 1934, hier zitiert nach Klein 1985, S. 4-5.

[10] Zu Gapping, VP-Ellipse und Sluicing siehe Klein 1993, S. 777-779.

[11] Zur Unterscheidung der acht Ellipsenformen siehe Klein 1985, S. 2-5 und Klein 1993, S. 767-768.

[12] Vgl. Selting 1997, S. 119-120.

[13] Vgl. Selting 1997, S. 119-120.

[14] Zu Kleins Ansatz siehe Klein 1993, S. 788-798.

[15] Vgl. Eroms 2000, S. 463.

[16] Zur Kritik an der Ableitungsthese vgl. Hoffmann 1999, S. 70-71 und Buss 2004, S. 3-4.

[17] Vgl. Selting 1997, S. 120.

[18] Vgl. Buss 2004, S. 4.

[19] Zitiert nach Hoffmann 1999, S. 73.

[20] Siehe dazu auch Schwitalla 2003, S. 103-106.

[21] Zitiert nach Hoffmann 1999, S. 83. Die Doppelklammer ‚[]’ markiert bei ihm die Position der Ellipse.

[22] Zu Analepse und Katalepse in Abgrenzung zur Ellipse vgl. Hoffmann 1999, S. 72-83.

[23] Zitiert nach Hoffmann 1999, S. 84.

[24] Zu Hoffmanns vier Formen der Ellipse vgl. Hoffmann 1999, S. 83-89.

Excerpt out of 34 pages

Details

Title
Sogenannte ‚Ellipsen’ in gesprochener Sprache
College
University of Potsdam  (Institut für Germanistik)
Course
Grammatik des gesprochenen Deutsch
Grade
1,7
Authors
Year
2007
Pages
34
Catalog Number
V84470
ISBN (eBook)
9783638008174
ISBN (Book)
9783638914093
File size
562 KB
Language
German
Keywords
Sogenannte, Sprache, Grammatik, Deutsch, Ellipsen, Kurzformen, Selting, Günthner, gesprochene Sprache, Gesprochenes Deutsch, Interaktionale Linguistik, Konstruktionsgrammatik
Quote paper
Stefan Grzesikowski (Author)Stefanie Müller (Author), 2007, Sogenannte ‚Ellipsen’ in gesprochener Sprache, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/84470

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