Lenz’ „Zerbin oder die Neuere Philosophie“ erzählt fiktive Lebensgeschichte eines gescheiterten, in Unmoral gefallenen Moralphilosophen. Martin Kagel ist Moral jedoch „weniger die Absicht als der Gegenstand“ dieser Erzählung , weil an ihrem Ende keine normative Moral steht. Die Ansicht, dass es in Lenz’ Dichtung nicht um die moralische Belehrung des Lesers geht, wird auch von Karin A. Wurst geteilt. Sie beruft sich auf Lenz’ eigene Aussagen, nach denen es in seiner Prosa nicht um „moralische Endzwecke“ oder „philosophische Sätze“ gehe. Martin Rector bezeichnet „Zerbin“ als eine „ästhetische Wahrheitsprobe“ der Lenz’schen theoretischen Schriften zur Moralphilosophie. Das Ergebnis sei die Infragestellung der Realisierbarkeit des aufklärerischen Autonomie-Ideals und die Entlarvung seines Risiko-Potenzials zur unmoralischen Handlung. Roland Krebs wagt die These, dass der Schluss der Geschichte – Zerbins Selbstmord – zeige, „dass es unmöglich ist, völlig nach dem Gesetz der Eigenliebe zu leben, dass die Stimme sich des Gewissens sich nicht auf Dauer unterdrücken lässt“ . In dieser Arbeit soll untersucht werden, wie diese „Stimme des Gewissens“ beziehungsweise die Moral in „Zerbin oder die Neuere Philosophie zum Ausdruck kommt, und inwieweit Lenz darin die Möglichkeit der Verbindung von Eigenliebe und Moral offen lässt.
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- Der moralische Fall eines Moralphilosophen
- Zerbin - Ein stolzer Charakter mit einer Vorliebe für Moralphilosophie
- Beruflicher Aufstieg, emotionale Enttäuschung
- Ursachen für Zerbins Gesinnungswandel
- Psychologische Erklärungen
- Willenschwäche durch Verlust der Konkupiszenz
- Zerbin' als Dekonstruktion zeitgenössischer Moralkonzeptionen
- Gellerts Sittenlehre als Stolperfalle
- Warnung vor der Modephilosophie
- Das Problem der Ganzheitlichkeit
- Tugend ohne „Plan“
- Marie natürlich tugendhaft
- Bewusstes moralisches Verhalten durch die „starkgewordene Vernunft“
- Zusammenfassung
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die Arbeit befasst sich mit der Analyse von Lenz' „Zerbin oder die Neuere Philosophie“, einer Erzählung, die die fiktive Lebensgeschichte eines gescheiterten Moralphilosophen darstellt. Ziel ist es, die Herausforderungen und Widersprüche aufzudecken, die im Kontext der Aufklärung bei der Verbindung von Eigenliebe und Moral auftreten.
- Der moralische Fall eines Moralphilosophen und die Kritik am aufklärerischen Autonomie-Ideal
- Die Bedeutung von Moralphilosophie und deren Einfluss auf Zerbins Lebensweg
- Die Rolle von Eigenliebe und die Frage nach ihrer Vereinbarkeit mit moralischem Handeln
- Die Dekonstruktion zeitgenössischer Moralkonzeptionen durch Lenz' Erzählung
- Die Darstellung von Tugend und moralisches Verhalten in „Zerbin oder die Neuere Philosophie“
Zusammenfassung der Kapitel
Die Einleitung führt in das Thema der Arbeit ein und beleuchtet die unterschiedlichen Interpretationen von Lenz' Erzählung. Das zweite Kapitel widmet sich der Figur des Zerbin und beschreibt seinen Lebensweg als Moralphilosoph, der mit dem Konflikt zwischen selbstgesetzten moralischen Idealen und der Realität konfrontiert wird. In Kapitel drei werden die psychologischen und philosophischen Ursachen für Zerbins Gesinnungswandel untersucht, wobei besonders die Rolle von Konkupiszenz und rationaler Vernunft beleuchtet werden.
Schlüsselwörter
Die Arbeit fokussiert auf die zentralen Begriffe Moral, Eigenliebe, Autonomie, Moralphilosophie, Tugend, Dekonstruktion, Aufklärung und Konkupiszenz in Lenz' „Zerbin oder die Neuere Philosophie“.
- Citation du texte
- Juliana Hartwig (Auteur), 2007, Die Spaltung von Tugend und Moral in J.M.R. Lenz’ "Zerbin oder die Neuere Philosophie", Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/84519