Robert Schumans Erklärung vom 9. Mai 1950

Quelleninterpretation


Trabajo de Seminario, 2006

25 Páginas, Calificación: 1,3


Extracto


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Quellenkritik
2.1. Quellenbeschreibung
2.2. Äußere Kritik
2.3. Innere Kritik
2.3.1. Sprachliche Aufschlüsselung
2.3.2. Sachliche Aufschlüsselung

3. Quelleninterpretation
3.1. Inhalt
3.2. Einordnung in den historischen Kontext
3.2.1. Die politische Lage in Europa um 1950
3.2.2. Zur Person Robert Schuman
3.2.3. Was wollte Schuman erreichen?
3.3. Ergebnis und Zusammenfassung

4. Bibliographie
4.1. Quellen
4.2. Literatur

5. Anlage: Die Rede

1. Einleitung

„Der Schuman-Plan wird jeden deutsch-französischen Krieg unmöglich machen; dies ist der erste Stein im Europäischen Gebäude.“[1]

Nach den Verheerungen zweier Kriege in ganz Europa war es vornehmlichstes Ziel der Alliierten, Deutschland auf lange Zeit, wenn möglich auf ewig die Möglichkeiten zum Ausbau eigener Macht zu nehmen. Dies geschah anfangs durch wirtschaftliche Restriktionen, nach und nach aber vermehrt durch die Einbindung (West-)Deutschlands in die westliche Staatenwelt. Dabei war es gleichsam die Kernfrage des Erfolgs, ob es gelingen würde die Erbfeinde Frankreich und Deutschland zusammen zu bringen. Den wichtigsten Schritt einer Annäherung stellt die ‚Europäische Gemeinschaft für Kohle und Stahl' (Montanunion) dar, die Schuman ab 1950 gemeinsam mit dem Leiter des französischen Planungsamtes, Jean Monnet, in die Wege leitete. Am 9. Mai 1950 machte er vor der internationalen Presse den Vorschlag, die gesamte deutsch-französische Kohle- und Stahlproduktion einer Hohen Behörde zu unterstellen. Dieser ‚Schuman-Plan' markierte für Europa den Beginn eines freien Marktes und für Westdeutschland zugleich die Aufhebung der internationalen Kontrolle des Ruhrgebiets. Er wurde am 18. April 1951 von Frankreich, Italien, den Beneluxländern und der Bundesrepublik unterzeichnet und trat am 23. Juni 1952 in Kraft.[2]

Der Vorschlag, heute als ‚Schuman-Erklärung’ oder ‚Historische Erklärung Schumans’ bekannt, gilt nach allgemeiner Auffassung als Grundstein der Europäischen Union. Heute ist dieser 9. Mai, der Tag der Rede, zu einem Europäischen Symbol, dem Europatag geworden, welcher zusammen mit der Flagge,[3] der Hymne[4] und der einheitlichen Währung[5] die Einheit der Europäischen Union darstellt.

Im Folgenden soll durch die Mittel einer Quellenkritik dieser erste große Schritt zu einem europäischen Bündnis historisch analysiert und interpretiert werden. Dazu ist es unerlässlich die historische Ausgangslage zu betrachten, sowie die internationalen politischen Beziehungen um das Jahr 1950 darzulegen. Des Weiteren sollen die Person Robert Schumans knapp beleuchtet, die Motivation hinter der Rede untersucht und die kurzfristigen Ergebnisse und langfristigen Konsequenzen dargestellt werden. Hintergrund all dessen ist die Frage, ob die Schuman-Erklärung die Ziele und Mittel darlegte, die ihr in den Nachbetrachtungen zugeschrieben wurden oder ob sie beziehungsweise ihr Verleser Robert Schuman und ihr Hauptautor Jean Monnet ursprünglich andere Intentionen hatten, welche nicht zu der Überlieferung und dem heute fast als Schöpfungsmythos zu erinnernden Ereignis des 9. Mai 1951 passten und somit vernachlässigt oder angepasst wurden.

Die Literaturlage zum Thema EGKS und Entwicklung über Europäische Gemeinschaften zur Europäischen Union ist sehr gut. Verschiedene national und international anerkannte Politik- und Geschichtswissenschaftler, unter anderem Weidenfeld, Loth und Brunn, haben hierzu Werke veröffentlicht. Zum Schuman-Plan und zu Robert Schuman und der Rede vom 9. Mai 1950 im Speziellen ist die Lage übersichtlicher. Kaum sind Monographien oder auch nur Zeitschriftenaufsätze zu finden. Interessant unter den bekannten sind hierbei vor allem die zeitgenössischen Betrachtungen von Bacmeister und Philip. Bacmeister, ein langjähriger Berliner Verleger analysiert aus geographisch wie politischer Entfernung, während André Philip Generaldelegierter für Propaganda der Europäischen Bewegung in Brüssel ist. Sein Buch Der Schuman Plan Ein entscheidender Schritt auf dem Wege zum Vereinigten Europa dessen Inhalt verständlicherweise pro-Schuman adressiert ist, ist genau wie die Festschriften und Reden, die direkt von europäischen Organen herausgegeben wurden nicht von ernsthafter Kritik durchsetzt aber dennoch informativ und weist auf damals entstehende beziehungsweise seitdem entstandene Probleme hin.

2. Quellenkritik

2.1. Quellenbeschreibung

Die hier dargestellte und zu interpretierende Quelle ist eine verschriftlichte Rede des französischen Außenministers Robert Schuman, welche dieser vor einer Versammlung internationaler Journalisten am 9. Mai 1950 gehalten hat. Sie ist als Primärquelle der Gruppe der Überreste, genauer der der Akten zuzuordnen.

Die Quelle liegt als übersetzter Abdruck der französischen Fassung vom 09.05.1950 vor. Die Originale der Rede und ihre Vorentwürfe liegen im Archives Nationales du Luxembourg als Plan Schuman (Négociations). La déclaration du 9 mai 1950 et premières réactions unter der Registrierung AE 11346. Abdrucke enthält das schmale Werk „Un changement d'espérance dans l'histoire“ des Schweizer Europaforschers Henri Rieben.

Die vor den versammelten Journalisten verlesene Fassung ist die endgültige Version einer Reihe von Überarbeitungen. Die erste und zweite Fassung stammen vom 17.04.[6] Die Texte sind im Original schreibmaschinenschriftlich auf Papier verfasst und mit handschriftlichen Anmerkungen und Überarbeitungen versehen. Der Text hatte am Anfang einen Umfang von etwa drei und einviertel Seiten. Naturgemäß sind die ersten Überarbeitungen umfangreicher ausgefallen, als die des folgenden dritten bis siebten Entwurfes aus der Zeit vom 17. bis 28.04.[7] Zwischenzeitlich war der Text auf fünf Seiten Schreibmaschinenschrift angewachsen, jedoch in der Vorendversion vom 04.05. wieder auf vier Seiten zusammengestrichen worden. Alle diese Entwürfe sowie das fertige Redemanuskript befinden sich im Besitz der ‚Fondation Jean Monnet pour l'Europe et Centre de recherches européennes’.[8] Die Herkunft und die Entstehungszeit sind damit paläographisch gesichert.

Die Quelle liegt in verschiedenen Abdrucken vor, die großteils von europäischen Organen herausgegeben wurden und jeweils den Wortlaut wiedergeben.[9] Diese unterscheiden sich neben wenigen orthographischen Unterschieden[10] einzig durch die Benennung der im vorliegenden Abdruck von 1950 als „Oberste Aufsichtbehörde (Haute Autorité)“[11] betitelten Institution, die im Abdruck von 1960 als „Hohe Behörde“[12] benannt wird. Hier besteht nur eine sprachliche, nicht jedoch eine begriffliche Unterscheidung, so dass darauf nicht weiter eingegangen wird. Einige Versionen sind nicht vollständig, da die Editoren entweder Textauslassungen vornahmen oder der Schlussteil zu den Ausführungsbestimmungen weggelassen wurde. Nach Durchsicht der verschiedenen Abdrucke soll der älteste und damit vermutlich ursprünglichste Text der weiteren Untersuchung als alleinige Vorlage dienen. Dieser wurde veröffentlicht in der Zeitschrift Europa-Archiv.[13] Es ist anzunehmen, dass später erschienene Übersetzungen und leicht veränderte Abdrucke sich an dieser vorliegenden Fassung orientieren, da wie erwähnt kaum Unterschiede zwischen den Fassungen aus inzwischen 55 Jahren bestehen. Die Quelle liegt somit in ausgezeichnetem Zustand und sehr gut lesbar vor. Der äußere Zustand und die Lesbarkeit des Originaldokuments zum gegenwärtigen Zeitpunkt sind nicht bekannt. Es kann allerdings davon ausgegangen werden, dass sie auf Grund ihres relativ geringen Alters in einem guten Zustand bei ebenfalls guter Lesbarkeit erhalten ist.[14]

2.2. Äußere Kritik

Am Abend des 09.05.1950 ab 18:00 Uhr wurde im Salon de l’Horloge am Quai d’Orsay, dem Französischen Außenministerium eine Pressekonferenz vor über 200 internationalen Journalisten abgehalten. Auf dieser verlas Robert Schuman die Konzeption der Zusammenlegung der deutsch und französischen Stahl- und Kohlproduktion. Die verlesene Fassung ist auf den 06.05.1950 datiert. Sie wurde verfasst von Étienne Hirsch, Paul Reuter, Pierre Uri, Jean Monnet, Bernard Clapper und Robert Schuman.[15] Wobei die letzten drei genannten die endgültige Fassung am 6. Mai im Büro Monnets in der Rue de Martignac[16] verfassten. Sie war als Vorschlag direkt an den deutschen Bundeskanzler Konrad Adenauer gerichtet, um nach dessen Zustimmung am 10.05.1950 auf der Konferenz von London den USA und Großbritannien den Plan vorzustellen. Dazu musste allerdings vorab die Zustimmung der französischen Regierung eingeholt werden. Während auf der Sitzung am 03.05.1950 von Schuman nur vage Andeutungen gemacht wurden, eröffnete er die Rede im Wortlaut erst am 09.05.1950 dem Ministerrat Frankreichs. Nachdem die Regierung zustimmte wurde die oben benannte Pressekonferenz einberufen und der Vorschlag Monnets verlesen, so dass dieser am nächsten Tag in der internationalen Presse präsentiert und kommentiert wurde. Zu diesem Zeitpunkt lud Schuman nun auch alle interessierten (west-) europäischen Staaten zur Teilnahme ein, welche bereits im Vorschlag vorgesehen war.

2.3. Innere Kritik

2.3.1. Sprachliche Aufschlüsselung

Die Quelle enthält fast keine Fremdwörter oder veralteten Begriffe, was in der relativen Aktualität, zum Zeitpunkt dieser Untersuchung ist die Quelle erst 55 Jahre alt, aber auch mit dem Umstand der vorherigen generellen Übersetzung zu erklären ist. Da der französische Originaltext im Gesamten übersetzt wurde um eventuelle Unklarheiten zu vermeiden, sind alle Wörter entsprechend ihrer Bedeutung ins Deutsche übertragen worden. Zu klären sind damit nur das nicht mehr gebräuchliche Wort „Ferment“ und der Sachkomplex „(europäische) Föderation“.

- „(europäische) Föderation“

Eine Föderation ist im Allgemeinen ein Zusammenschluss von Einzelstaaten zu einem Staatenbund (eigentlich: Konföderation), innerhalb dessen sie aber ihre Souveränität behalten oder einem Bundesstaat, in dem die bisherigen Einzelstaaten souveräne Rechte an die Föderation abgeben. Der Unterschied zwischen des Lesarten ist die Kompetenzkompetenz, also die Frage welche der beiden Ebenen (national oder supranational) das Recht hat, die Kompetenzen zwischen den Ebenen zu verlagern oder zu verteilen. Gerade im Bezug auf die Gründung und weitere Entwicklung der Europäischen Union gab es um diese Begrifflichkeit herbe Auseinandersetzungen, die keine der Parteien und Befürworter bzw. Ablehner für sich entscheiden konnten. Seit dem Entwurf eines Verfassungsvertrages für Europa sind diese wieder öffentlicher geworden. Es ist allerdings anzunehmen, dass Schuman und Monnet sich auf die ursprüngliche Bedeutung eines Bundesstaates bezogen.[17]

- „Ferment“

Etymologisch ist Ferment eine alte Bedeutung des Wortes Enzym, einem „Mittel um einen chemischen Prozeß durchzuführen.“[18] In seinem Sinnzusammenhang „[…] und das Ferment einer weiteren und tieferen Gemeinschaft der Länder einschließt […]“ ist das Wort unverändert aus dem französischen Text übernommen worden „[…] et introduit le ferment d’une communauté plus large […]“, in dem es bedeutet die Katalysation dieses Prozesses, also eine Beschleunigung der Gemeinschaftsbildung zu erreichen.

[...]


[1] Konrad Adenauer. Zitiert nach: Philipp, André: Der Schuman-Plan: Ein entscheidender Schritt auf dem Wege zum Vereinten Europa. Europäische Bewegung, Brüssel 1951, S. 2.

[2] Europäische Gemeinschaften / Europäisches Parlament (Hrsg.): Vor 25 Jahren: Die Erklärung Robert Schumans. Generalsekretär des Europäischen Parlaments, Luxemburg 1975, S. 5 f..

[3] Zwölf goldene Sterne im Kreis vor Blau als Symbol der Ganzheit. Seit 1985 offizielles Symbol der Gemeinschaft.

[4] Der letzte Satz der Neunten Symphonie Ludwig van Beethovens von 1823. Seit 1985 offizielle Hymne der Gemeinschaft.

[5] Der Euro. Eingeführt im Jahr 2000, physikalisch im Umlauf seit 2002.

[6] Rieben, Henri; Nathusius, Martin; Nicod, Françoise; Camperio-Tixier, Claire. Un changement d'espérance, La Déclaration du 9 mai 1950: Jean Monnet-Robert Schuman. Fondation Jean Monnet pour l'Europe. Centre de recherches européennes, Lausanne 2000, S. 114-121.

[7] ebd., S. 122-144.

[8] Die Fondation wurde 1978 von Jean Monnet selbst gegründet mit dem Ziel, Sitz in Lausanne, Ferme de Dorigny CH-1015 Schweiz.

[9] U.a. in: Veröffentlichungsdienst der Europäischen Gemeinschaften: Eine große Idee wird Wirklichkeit: Europa 9. Mai 1960. Festschrift zum 10. Jahrestag der Erklärung Robert Schumans. Luxemburg 1960 und Europäische Gemeinschaften / Europäisches Parlament (Hrsg.): Vor 25 Jahren: Die Erklärung Robert Schumans. Generalsekretär des Europäischen Parlaments, Luxemburg 1975 sowie Fontaine, Pascal: Ein neues Konzept für Europa: die Erklärung von Robert Schuman; 1950 - 2000. 2. Auflg., Amt für Amtliche Veröff. der Europ. Gemeinschaften, Luxemburg 2000.

[10] Hierbei handelt es sich um unterschiedliche ss- beziehungsweise ß-Schreibungen und fehlende Buchstaben, die wohl Druckfehlern zuzuschreiben sind.

[11] Rede Robert Schumans vom 9. Mai 1950. In: Europa-Archiv. Halbmonatsschrift der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik / Institut für Europäische Politik und Wirtschaft. Ausgabe 11 (1950), S. 3091 f.. und Brunn, Gerhard: Die europäische Einigung von 1945 bis heute. Reclam, Stuttgart 2002, welcher allerdings vorher genannte Veröffentlichung als Quelle angibt.

[12] Europäische Gemeinschaften / Europäisches Parlament (Hrsg.): Vor 25 Jahren: Die Erklärung Robert Schumans. Generalsekretär des Europäischen Parlaments, Luxemburg 1975.

[13] Ersterscheinung, Registrierung und Zulassung der Zeitung durch die Besatzungsbehörde im Juli 1946. Später umbenannt in Internationale Politik.

[14] Siehe dazu die Fotokopie in der Datenbank des CVCE (Centre Virtuel de la Connaissance sur l’Europe) unter www.ena.lu (Zugriff 21.08.2006)

[15] Monnet, Jean: Erinnerungen eines Europäers. Nomos, Baden-Baden 1988, S. 375 – 382.

[16] Sitz des Commissariat Général du Plan in der 18, rue de Martignac in Paris.

[17] Siehe dazu u.a.: Fischer, Joschka: Vom Staatenbund zur Föderation – Gedanken über die Finalität der europäischen Integration, Rede am 12. Mai an der Humboldt-Universität in Berlin. Auf: http://www.auswaertiges-amt.de/www/de/infoservice/downloads/pdf/reden/2000/r000512a.pdf (Zugriff am 30.12.2005). und: Herzog, Roman / Stephan Hobe: Die Europäische Union auf dem Weg zum Staatenverbund: Perspektiven der europäischen Verfassungsordnung. Verlag C.H. Beck, München 2004.

[18] Kluge Etymologisches Wörterbuch, 24. Auflage, DeGruyter 2002, S. 286.

Final del extracto de 25 páginas

Detalles

Título
Robert Schumans Erklärung vom 9. Mai 1950
Subtítulo
Quelleninterpretation
Universidad
University of Rostock  (Historisches Institut)
Curso
Einführung in das Studium der Geschichtswissenschaft
Calificación
1,3
Autor
Año
2006
Páginas
25
No. de catálogo
V84670
ISBN (Ebook)
9783638011136
Tamaño de fichero
523 KB
Idioma
Alemán
Notas
Einziger Kommentar: "Sehr gut!"
Palabras clave
Robert, Schumans, Erklärung, Einführung, Studium, Geschichtswissenschaft
Citar trabajo
B.A. Stephan Mehlhorn (Autor), 2006, Robert Schumans Erklärung vom 9. Mai 1950, Múnich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/84670

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Título: Robert Schumans Erklärung vom 9. Mai 1950



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