Philosophie von Feuerbach, Kritik und „Philosophie“ des jungen Marx

Sensualistische Anthropologie und historischer Materialismus - ein Vergleich


Mémoire pour le Diplôme Intermédiaire, 2000

27 Pages, Note: 2


Extrait


INHALT

I. Einführung

II. Feuerbachs Philosophie
1. Feuerbachs am Göttlichen als Ausgangspunkt seiner anthropologischen Philosophie
2. Wirklichkeit als Wahrheit - Feuerbachs erkenntnistheoretische Ansicht
3. Zwei Schlüsse: Feuerbachs philosophische Leistungen

III. Marxens philosophische Überlegungen
1. Marxens Verhältnis zu Feuerbach und Kritik an ihn
2. Marxens Denkansatz

IV. Kritik und Würdigung zu Feuerbach und Marx
1. Feuerbachs Bedeutung für Marx
2. Marxens kritische Überlegung und Feuerbachs Position
3. Schlußfolgerung und Kritik an Marx

Literaturverzeichnis

I. Einführung

L. Feuerbach stellt in seinen kleinen Schriften grundsätzliche Thesen zur anthropologischen Philosophie auf. Es ist bekannt, daß K. Marx durch seine Kritik dagegen, über Feuerbach hinausgehend, zu einer kommunistischen Weltanschauung gelangte.

Diese Studie versucht keinesfalls bloß diese Tatsache bzw. einen Vergleich beider Denkansätze und ihrer Rechtfertigungen darzustellen. Durch die Untersuchung von Zusammenhängen beider Ansätze ergibt sich über die marxsche Kritik an Feuerbach hinaus ein klares Ergebnis, das uns die philosophische Aufgabe für die Gesellschaft deutlich macht.

In den ersten und zweiten Kapiteln werden so jeweils Feuerbachs existentielle Philosophie und Marxens Kritik dagegen und darüber hinaus seine Analyse der menschlichen Gesellschaft dargestellt. Daraufhin wird im letzten Kapitel anhand Marxens Kritik untersucht, welche Schlußfolgerung aus ihren Gemeinsamkeiten sich entwickelt, und ihre Bedeutung dargelegt.

II. Feuerbachs Philosophie

1. Feuerbachs am Göttlichen als Ausgangspunkt seiner anthropologischen Philosophie

Für die Aufgabenstellung der Philosophie, Feuerbachs neuer Philosophie, war seine Analyse und Kritik an der Theologie und an Hegels Idealismus entscheidend. Ohne diese wäre sein eigentlicher Hauptverdienst für die Philosophie nicht möglich gewesen.

Bereits während seiner Schulzeit interessierte sich Feuerbach für die Religion. Dies ist in der Hinsicht bedeutsam, weil er durch sein Theologiestudium in Heidelberg später anfing, Hegels Philosophie zu studieren. Neben diesen beiden Interessen spielte auch seine Herausarbeitung der Geschichte der Philosophie während der Dozenturzeit eine Rolle, die ihn, vermutlich, eine objektive Ansicht über die verschiedenen philosophischen Richtungen gab, um seine wesentliche Kritik an der Theologie und dem Idealismus zu entwickeln, die sich zu einem Gedankenaspekt als dem ursprünglichen Kernpunkt der Philosophie entfaltete.

Nach den vorangegangenen Veröffentlichungen der Hegelkritik[1] hatte seine religionskritische Publikation D as Wesen des Christentums 1841 maßgeblichen Einfluß auf die Auseinandersetzung unter den deutschen Intellektuellen.

Mit dieser Schrift machte Feuerbach durch seinen „Geheimnis“-Beweis des Gottes darauf aufmerksam, daß die Menschheit in der Gefangenschaft der theologischen Macht des bloßen Vorstellungsbildes sitzt, ihre eigene Mentalität von Gottesglauben durchdringen ließ und ihre eigene menschliche Beschäftigung, Ziele und Lebensart überhaupt verloren hat. Diese Situation versucht er mit seiner Kritik aufzubrechen. Feuerbach sieht zuerst, was Gott sei. Nach ihm hat Gott im Wesentlichen einen sinnlichen Charakter wie Liebe, Emotionalität und Erkenntnisvermögen der Sinne, und ideellen Charakter wie Vernünftigkeit. Diese beiden Charakterarten sind nur beim Menschen erkennbar, d.h., sie besitzen ihre Eigenschaften gemeinsam. Um dieses Phänomen zu klären, bleibt eine einzige Möglichkeit: daß ein Wesen vom anderen vorgestellt gebildet wird. Gott sei ein von Menschen vorgestelltes, erschaffenes Wesen, das aus dem Selbstbildnis des Menschen entsprungen ist, zuzüglich einiger vollkommener Eigenschaften wie Ewigkeit, die der Mensch eigentlich haben soll, jedoch in der Tat nicht hat. Gott und somit die Theologie überhaupt sind ein „romantisiertes“[2] Resultat der menschlichen Hoffnung, des Hauptakteurs Menschheit selbst.

Es ist deutlich, daß Feuerbach erstens das ursprüngliche Wesen der Religion aufdeckte: „Das Geheimnis der Theologie ist die Anthropologie.“[3], die Selbstthematisierung der Menschheit.

Zweitens lebte die Menschheit in einer Art romantisierter „Entfremdung“, die darauf zurückzuführen ist, daß die Menschen nicht mehr von ihren eigenen Vorstellungen, sondern von ihrem Vorstellungsbild „Gott“ geleitet werden.

Die seit Descartes errichtete Philosophie bis hin zum deutschen Idealismus ist für Feuerbach nicht anderes als das auf der traditionellen Theologie fundierte Gottheitstum. „Das Wesen der spekulativen Philosophie ist nichts anderes als das rationalisierte ... Wesen Gottes“,[4] das, unabhängig, mit der Menschheit nichts mehr zu tun hat.

Als „Panlogismus“ bezeichnet, ist für Feuerbach Hegels Idealismus mit der Absolutheit des Geistes eine die okzidental-philosophische Tradition vervollkommende, konsequent daraus resultierende „Spekulation“. D.h., der Inhalt ist das im menschlichen Kopf logisch konstruierte Gebilde ohne geringsten Bezug auf die Realität, die uns doch tatsächlich gegeben ist. Hegels spekulative Philosophie zeigt somit die Ganzheit des Geistes, daß die Natur der Welt und des Menschen durch den Geist allein präsentierte zeitweilige Form des Geistes selbst ist, wobei das Sein, mit dem reinen Geist identifiziert, höchst verallgemeinert ausgedrückt ist.

Doch was heißt das Sein ? Das Sein ist so verschieden wie die Dinge selbst, verschieden seiend, wie sie sind. „Das Sein ist kein allgemeiner, von den Dingen abtrennbarer Begriff. Es ist eins mit dem, was ist.“[5] Das Sein ist also gleich „die Position des Wesens“, womit unter der Rücksicht auf möglichst alle fundamentalen Eigenschaften der jeweiligen Dinge und Lebewesen gezeigt werden muß, was und wie sie sind. ( = deren „Wesen“ ) Dies ist mittels der „Prädikate“, also „Sprache“, denkbar. Die vermittelnde Sprache kann jedoch keineswegs mit den Dingen/Sachverhalten selbst identisch sein. Das gesagte/gedachte Sein des Objekts ist mittelbar und stellt das Original nur teilweise dar.[6] Hier zeigt sich klar, daß die hegelsche absolute Geistlehre nur durch die sprachliche Abstraktion von Hegel selbst, d.h., erst durch die Tätigkeit eines Menschen möglich ist.[7] Das Sein des Menschen muß hier und immer primär sein. Das Gebilde des menschlichen Denkens, Hegels absoluter Geist, ist sekundär. Es ist eine menschliche, doch unwahre Phantasie, daß der absolute Geist das einzig mögliche Wesen des Weltalls sein soll. Begriffe = „Bestimmungen“ der Dinge/Sachverhalte haben in sich selbst keine Autonomie der Selbstbestimmung, sie bleiben immer Gebilde.[8] Somit ist „das Geheimnis ... der spekulativen Philosophie die Theologie ..., welche das ... göttliche Wesen ins Diesseits versetzt, d.h. vergegenwärtigt, bestimmt, realisiert.“[9]

Der Urgrund der Theologie und der alten Philosophie sind somit die Menschen selbst. Diese Tatsache als das wesentliche Prinzip macht die folgenden klar:

a) Einzig das Wirkliche/Seiende=Existierende ist als die Wahrheit des Gegebenen anzusehen.
b) Im Gegensatz zur alten spekulativen Philosophie muß in der neuen Philosophie der Mensch / die Menschheit, nicht das Göttliche die Hauptberechtigung haben, Gegenstand der philosophischen Forschung zu sein.

Mit diesen Ansichten setzt Feuerbach unter zwei Gesichtspunkten seine weitere philosophische Betrachtung fort;

1] welche Möglichkeit dazu besteht
2] was sich aus der bestehenden Möglichkeit weiter ergibt,
welche in der Arbeit im Kapitel 2 und später im Gesamturteil nach dem marxschen Kritikteil untersucht werden.

2. Wirklichkeit als Wahrheit – Feuerbachs erkenntnistheoretische Ansicht

Feuerbachs menschliche Geschichtsanalyse zeigt[10], daß die Menschen religiös vom selbst erzeugten Göttlichen, Selbstbildnis, nicht nur sich selbst, sondern die reale Ganzheit der Welt beherrschen ließen. Doch: „Das Unendliche kann gar nicht gedacht werden ohne das Endliche.“[11] Er erkannte dadurch, daß nur das Seiende, wirklich Existierende den Anspruch auf die Wahrheit besitzen muß. D.h., dies muß nicht nur gedacht, sondern für jeden wahrgenommen werden. Denn das „Sein“ heißt unbedingt und unmittelbar existieren.[12]

Immer wenn sich der Mensch auf das Sein der Dinge bezieht, d.h., während der Mensch das Sein in sich objektiviert und vernunftgemäß bestimmt, hat er stets mit den Existierenden zu tun. Der dies tuende Mensch ist selbst ein Sein. Das Sein der Wirklichkeit ist, wie erwähnt, nicht nur gedacht bzw. denkend, sondern Sinnlich-sein. Der Mensch kann dies also nur mittels seiner Eigenschaft, Sinnlichkeit, vollziehen, mit der er als der Seiende ausgestattet ist und die jeweilige Existenz der Dinge aufnehmen kann. Die Sinnlichkeit ist der Sinn, die Anschauung, die Empfindlichkeit und die Liebe, wobei das Sein gleichzeitig „Gegenstand des Seins“ wird.[13] Hier geschieht die Wahrnehmung nicht nur im ersten Augenblick unserer Beziehung zu Sachen wie durch die Sinnlichkeit im Sinne von Kant, sondern es besteht ständiger sinnlicher Bezug zwischen dem Subjekt und den Dingen, während man sie behandelt. Die Wichtigkeit dieser Stetigkeit besteht darin, daß wir unser Begreifen der Dinge mit Kontrolle und Korrektur originaltreu ausführen und nicht dem Denken allein willkürlich überlassen müssen, denn die Wirklichkeit für uns muß mit der wahren Wirklichkeit übereinstimmen, um zur Wahrheit zu gelangen. (Nur was wirklich ist, ist wahr. Das ist aus der feuerbachschen Kritik an Hegel klar erkennbar.) Für die Wirklichkeitsbildung in mir ist die Aufnahme der Dinge, wie sie sind, durch die Sinneswahrnehmung und das Fühlen mit dem Körper und der Seele unentbehrlich.

Ist die Voraussetzung der Geltung der Dinge als Objekt erst geschaffen, geschehen dann alle Bestimmungen in mir durch meine Empfindlichkeit/Sinnlichkeit und mein Denken, durch das Gespräch / die Auseinandersetzung zwischen beiden. Somit werden aus den Existierenden für mich wahre Gegenstände. Das ist zugleich begriffliche Verankerung von mir, aus meinem unmittelbaren Aufnahmen und der Besinnung meiner Sinnlichkeit und meines Denkens, durch die Zuweisung des Wahren aus der Wirklichkeit.

Diese Beschäftigung der Sinnlichkeit überhaupt als solche wird durch folgendes plausibel: Erstens wird mit der „Leidenschaft“ der Bezug der Sinnesorgane auf Dinge überhaupt erst möglich. Dann nehmen wir das Vorkommende mit unserer Empfindlichkeit, aus unseren Gefühlen = ursprünglicher Neigung, wahr, indem wir die Dinge sinnlich wahrnehmen. Hierin besteht unsere Emotion, eben die Sinnlichkeit. Das ist nicht möglich, ohne daß dabei unsere Gefühle, „seelenvolle Stimme der Liebe“, vorhanden sind.[14] Zweitens beziehen wir uns weiter auf Bezugsgegenstände durch das Zwiegespräch von Denken und Sinnlichkeit, von sinnlicher Wahrnehmung und Empfindung. Dabei besteht wiederum eine Art der Neigung, sie auffassen zu wollen. Feuerbach nannte solche Sinnlichkeit „die Liebe“, und die Empfindung liegt der gegenseitigen Geneigtheit / Gewogenheit zwischen den Seienden zugrunde. Die Liebe ist der Kern des sinnlichen Verständnisses. Doch Feuerbach sieht in der Liebe das wesentliche Kriterium des Seins überhaupt. Das heißt nicht nur, daß das Aufnehmen und Auffassen der Gegenstände durch Liebe möglich ist, sondern ein Mensch als ein Sein der Wirklichkeit überhaupt erst mit anderen Seienden durch das Aufeinanderwirken von Denken und Sinnlichkeit eben Liebe/Sinnlichkeit und Weisheit der Menschen weiter entfalten kann![15] Hierin besteht hauptsächlich das dynamische Merkmal des Menschen als einem lebendigen, entwickelnden Wesen inmitten anderen Seienden.

3. Zwei Schlüsse: Feuerbachs philosophische Leistungen

1) eine Leistung zur Methodik der Wissenschaften: Durch 1. und 2. wurde offensichtlich, daß nur die Wirklichkeit Wahrheit ist. Erst Wirklichkeit gibt uns, richtig übertragen, die Wirklichkeit der Wahrheit wieder. Wir, die Menschen, begründen wahre Auffassungen von allem auf die Wirklichkeit. Für Auffassungen auf alle Gebiete ist nur dadurch Stoff zur wahren Erkenntnis gewährleistet. D.h. auch für die Philosophie, es sei denn, Philosophie verbleibe als bloße Phantasie. Methodisch betrachtet, muß dies gleichzeitig immer als das Grundmuster für Wissenschaft gesetzt sein.
2) Über den anthropologischen Ansatz, das Wesen der Menschheit: Feuerbach erkannte durch die These des Zwiegesprächs von 2. den Sinn der Existenz. Die Existenz eines Seins ist zunächst nur möglich, wenn es nicht ein einzig mögliches Sein ist, sondern sich in einer Menge des Seins befindet.[16] Das Zusammenwirken der Seienden im Zusammensein ermöglicht dies jeden Seienden seine einzelne Entwicklung und gleichzeitig die Entwicklung aller und fördert so deren Zusammenwirken selbst.

[...]


[1] Kritik des >>Antihegel<< 1835, Zur Kritik der Hegelschen Philosophie 1839

[2] Lange S. 11

[3] Thesen S. 124

[4] Grundsätze §5

[5] ebd. §27

[6] vgl. Grundsätze §28

[7] vgl. ebd. §23

[8] ebd. §49

[9] Thesen S. 124

[10] Seine Ansicht über Geschichtlichkeit wird später in der Arbeit behandelt.

[11] Thesen S. 131

[12] vgl. Grundsätze §26

[13] Grundsätze §33 D.h., gleichzeitig wird man /das Sein von anderen genauso bezogen.

[14] ebd. §41

[15] vgl. ebd.

[16] ebd. §44

Fin de l'extrait de 27 pages

Résumé des informations

Titre
Philosophie von Feuerbach, Kritik und „Philosophie“ des jungen Marx
Sous-titre
Sensualistische Anthropologie und historischer Materialismus - ein Vergleich
Université
Humboldt-University of Berlin
Note
2
Auteur
Année
2000
Pages
27
N° de catalogue
V84731
ISBN (ebook)
9783638010368
Taille d'un fichier
601 KB
Langue
allemand
Mots clés
Philosophie, Feuerbach, Kritik, Marx
Citation du texte
Chise Onuki (Auteur), 2000, Philosophie von Feuerbach, Kritik und „Philosophie“ des jungen Marx, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/84731

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