Der Begriff ‚Vergangenheitsbewältigung’ soll zu Beginn der Arbeit geklärt werden. Was versteht man unter dem heute sehr populären Wort der ‚Vergangenheitsbewältigung’. Dies soll einführend und theoretisch analysiert werden.
Ein erster grosser Teil soll sich den 1950er Jahren widmen. Ich werde dort zuerst einen Überblick über die Stimmungslage in der Bundesrepublik in Bezug auf die nationalsozialistische Vergangenheit darzustellen versuchen. Die politischen Tätigkeiten der jungen Bundesrepublik beginnen am 7. September 1949 mit der ersten Sitzung des neu gegründeten Bundestages. Sofort setzte das Kabinett erste legislative Massnahmen in Gang, welche die Bemühungen der Vergangenheitsbewältigung der Alliierten Rückgängig machen sollten. Diese legislativen Massnahmen hatten zur Folge, dass die meisten Deutschen, die auf die eine oder andere Weise noch von der Entnazifizierung betroffen waren, amnestiert wurden. Ich werde also in der Folge einige dieser legislativen Massnahmen aufzeigen, da sie der damalig omnipräsenten Forderung nach dem ‚Schlussstrich’ entsprachen. Es soll vor allem die Rückgängigmachung der Entnazifizierung angesprochen werden und in einem weiteren Kapitel soll das „Feilschen“ um die noch inhaftierten Kriegsverbrecher im In- und Ausland dargestellt werden. Auch in der Kriegsverbrecherfrage drückt die öffentliche Meinung, welche im Übrigen weit über das bürgerliche Lager hinausreichte, stark durch und dient daher ausgezeichnet die 1950er Jahre zu charakterisieren.
In einem zweiten grösseren Teil soll der Übergang von den späten 1950er Jahren in die frühen 1960er Jahre behandelt werden. Auch hier werde ich exemplarisch einige Ereignisse auswählen, welche die Gegensätzlichkeit, aber auch den einsetzenden Lernprozess in der deutschen Nachkriegsgesellschaft dokumentieren. Ich werde einige Begebenheiten auswählen, welche die bundesdeutsche Bevölkerung aufrüttelten und sie mit unangenehmen Fragen konfrontierten. So sollen antisemitische Vorfälle, erste Skandale oder der Eichmann-Prozess exemplarisch dargestellt werden und dafür stehen, einen Lernprozess in der Bevölkerung initiiert zu haben. Im Weiteren werde ich auf zwei Angelegenheiten eingehen, welche bereits der veränderten Stimmung in der Gesellschaft Rechnung tragen. Erstens werde ich die Errichtung der Zentralen Stelle der Landesjustizverwaltung zur Aufklärung von NS-Verbrechen in Ludwigshafen erläutern.
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- Fragestellung
- Forschungsstand
- Aufbau
- „Vergangenheitsbewältigung" - ein facettenreicher Begriff
- Grundlegendes und Herkunft des Wortes
- Was ist „Vergangenheitsbewältigung"? - Ein theoretisches Konzept
- Ziel
- Wege
- Politische Ebenen
- Die Akteure
- Der öffentlicher Diskurs über die nationalsozialistische Zeit in den 1950er Jahren
- Mentalitäten in der Bundesrepublik während den 1950er Jahren
- Vergangenheitspolitik oder die Bewältigung der „Vergangenheitsbewältigung"
- Der Abschluss der Entnazifizierung und die 131er
- Von der Entnazifizierung zur Renazifizierung
- Die Kriegsverbrecherfrage - Deutschland und die alliierten Kriegsverbrecherprozesse
- Deutsche Reaktionen auf die alliierten Prozesse
- Die Kriegsverbrecherfrage nach der Gründung der Bundesrepublik
- Die 1950er Jahre - Verbrechen ohne Täter
- Das Ende der 1950er Jahre - Ein Einstellungswechsel bahnt sich an
- Erste Skandale und antisemitische Vorfälle rütteln die Bevölkerung auf
- Aufklärungsarbeit - vor und nach den Schmierereien und den ersten Skandalen
- „Auch das noch! Der Eichmann-Prozess in Jerusalem"
- Die Zentrale Stelle der Landesjustizverwaltungen zur Aufklärung von NS-Verbrechen in Ludwigsburg
- Der Frankfurter Auschwitz-Prozess
- Die Vorgeschichte
- Der ehemalige Auschwitz-Häftling Adolf Rögner erhebt Anzeige gegen Wilhelm Boger
- Zufällig aufgetauchte Dokumente, die Fritz Bauer zugestellt werden
- Die Ermittlungen - ein steiniger Weg
- Der Prozess vom 20. Dezember 1963 bis zum 19. August 1965
- Die Angeklagten und deren Vernehmung
- Die Anklage und die juristische Bewertung
- Die Zeugen
- Das Urteil
- Der Auschwitz-Prozess - Ein Kommentar
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die vorliegende Lizentiatsarbeit analysiert die Auseinandersetzung der Bundesrepublik Deutschland mit der NS-Vergangenheit während der 1950er Jahre bis in die frühen 1960er Jahre. Sie untersucht den Wandel in der öffentlichen Diskussion und in der politischen Praxis, die Vergangenheitsbewältigung betrafen.
- Entwicklung des Begriffs „Vergangenheitsbewältigung“ und seine Bedeutung
- Öffentlicher Diskurs über die nationalsozialistische Zeit in den 1950er Jahren
- Politische Strategien zur Bewältigung der NS-Vergangenheit
- Einfluss von Skandalen und antisemitischen Vorfällen auf die öffentliche Meinung
- Rolle von Gerichtsprozessen wie dem Eichmann-Prozess und dem Frankfurter Auschwitz-Prozess
Zusammenfassung der Kapitel
- Einleitung: Diese Einleitung führt den Leser in das Thema der Lizentiatsarbeit ein und stellt die Fragestellung, den Forschungsstand und den Aufbau der Arbeit dar.
- „Vergangenheitsbewältigung" - ein facettenreicher Begriff: Dieses Kapitel beschäftigt sich mit dem Begriff „Vergangenheitsbewältigung" an sich, seiner Entstehung, seinen theoretischen Grundlagen und seinen verschiedenen Bedeutungen.
- Der öffentliche Diskurs über die nationalsozialistische Zeit in den 1950er Jahren: Dieses Kapitel beleuchtet die öffentliche Meinung in der Bundesrepublik Deutschland während der 1950er Jahre und die Debatte um die NS-Vergangenheit.
- Mentalitäten in der Bundesrepublik während den 1950er Jahren: Dieses Kapitel untersucht die Mentalitäten und die allgemeine Einstellung der Bevölkerung in der Bundesrepublik während der 1950er Jahre gegenüber der NS-Vergangenheit.
- Vergangenheitspolitik oder die Bewältigung der „Vergangenheitsbewältigung": Dieses Kapitel analysiert die politischen Strategien und Maßnahmen, die in der Bundesrepublik Deutschland während der 1950er Jahre zur Bewältigung der NS-Vergangenheit ergriffen wurden.
- Die 1950er Jahre - Verbrechen ohne Täter: Dieses Kapitel untersucht die Schwierigkeiten, die die Bundesrepublik Deutschland mit der Aufarbeitung der NS-Verbrechen hatte, und wie die Verbrechen in der öffentlichen Wahrnehmung oft verdrängt wurden.
- Das Ende der 1950er Jahre - Ein Einstellungswechsel bahnt sich an: Dieses Kapitel zeigt, wie sich die Einstellungen der Bevölkerung in der Bundesrepublik Deutschland gegen Ende der 1950er Jahre zu ändern begannen und wie eine kritischere Auseinandersetzung mit der NS-Vergangenheit anfing.
- Erste Skandale und antisemitische Vorfälle rütteln die Bevölkerung auf: Dieses Kapitel beleuchtet den Einfluss von Skandalen und antisemitischen Vorfällen auf die öffentliche Meinung in der Bundesrepublik Deutschland und wie sie die Debatte um die NS-Vergangenheit neu entfachten.
- Aufklärungsarbeit - vor und nach den Schmierereien und den ersten Skandalen: Dieses Kapitel beschreibt die Bemühungen zur Aufklärung der NS-Verbrechen in der Bundesrepublik Deutschland und wie diese Bemühungen durch die Ereignisse der späten 1950er Jahre verstärkt wurden.
- „Auch das noch! Der Eichmann-Prozess in Jerusalem": Dieses Kapitel analysiert den Einfluss des Eichmann-Prozesses auf die öffentliche Meinung in der Bundesrepublik Deutschland und wie er die Auseinandersetzung mit der NS-Vergangenheit nachhaltig prägte.
- Die Zentrale Stelle der Landesjustizverwaltungen zur Aufklärung von NS-Verbrechen in Ludwigsburg: Dieses Kapitel beleuchtet die Gründung und die Arbeit der Zentralstelle in Ludwigsburg, die sich mit der Aufklärung von NS-Verbrechen beschäftigte.
- Der Frankfurter Auschwitz-Prozess: Dieses Kapitel schildert den Frankfurter Auschwitz-Prozess, seine Vorgeschichte, die Ermittlungen und die Verhandlung, sowie die Auswirkungen des Prozesses auf die deutsche Gesellschaft.
Schlüsselwörter
Die Arbeit behandelt zentrale Themen und Begriffe wie „Vergangenheitsbewältigung", Entnazifizierung, Renazifizierung, Kriegsverbrecherfrage, öffentlicher Diskurs, Mentalitäten, antisemitische Vorfälle, Aufklärungsarbeit, Eichmann-Prozess, Auschwitz-Prozess, deutsche Gesellschaft und die Auseinandersetzung mit der NS-Vergangenheit.
- Citar trabajo
- Reto Liniger (Autor), 2007, Wandel in der Auseinandersetzung der Bundesrepublik Deutschland mit der NS-Vergangenheit, Múnich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/84751