Deutung des Traumes der Albertine in der "Traumnovelle" von Arthur Schnitzler


Term Paper (Advanced seminar), 2005

25 Pages, Grade: 1,7


Excerpt


Inhaltsverzeichnis:

1 Einleitung

2 Die Traumdeutung
2.1 Literatur und Traum in der Kulturgeschichte der Neuzeit
2.2 Methoden der Traumdeutung
2.3 Traumauslöser nach Freud
2.4 Die Traumarbeit
2.4.1 Die Verdichtungsarbeit
2.5 Die Verschiebungsarbeit

3 Kurzer Lebenslauf von Arthur Schnitzler

4 Die Beziehung zwischen Schnitzler und Freud

5 Inhalt und Thema der Novelle

6 Die Deutung Albertines Traums
6.1 Methodik
6.2 Der Auslöser des Traums
6.3 Albertines Traum und seine Deutung

7 Ergebnisse:

8 Schlussbetrachtung:

9 Literaturverzeichnis

„Ein ungedeuteter Traum gleicht einem ungelesenen Brief“

Talmud, Berachot 55 a

1 Einleitung

Nachdem wir uns in Gruppenarbeit während des Open-Space-Seminars „Träume in der Literatur“ bereits ausführlich mit der Traumdeutung Albertines Traum in Arthur Schnitzlers „Traumnovelle“ befasst haben, möchte ich an diese Erkenntnisse anknüpfen und in meiner Hausarbeit diesen Traum interpretieren.

Interessant und wichtig erschienen mir hierfür Einblicke in die Historie der Traumdeutung und die Verknüpfung mit der Traumdeutungsliteratur. Da sich aufgrund dieser Kenntnisse der literarische Traum in Schnitzlers Werk auch aus dem historischem Blickwinkel einordnen lässt, habe ich diesen Ausführungen ein eigenes Kapitel gewidmet.

Im Folgenden werde ich die wichtigsten Methoden der Traumdeutung aufzeigen.

Wie sich im Verlauf der Arbeit zeigte, nimmt der Psychoanalytiker Sigmund Freud eine bedeutende Stellung in der wissenschaftlichen Traumdeutung und in Schnitzlers Traumnovelle ein.

Deshalb habe ich die Traumauslöser und die Traumarbeit nach Freud kurz aufgeführt.

Wichtig erschienen mir auch die biografischen Daten des Autors, im Hinblick auf die literarische Epoche, sowie eine Darstellung seiner Beziehung zu Freud.

Eine kurze Zusammenfassung der Traumnovelle soll dem Leser auch die Stellung des Traumes im Gesamtwerk deutlich machen.

Im Hauptteil folgt eine ausführliche Deutung Albertines Traumes.

Im Anschluss erläutere ich meine Ergebnisse und ziehe in der Schlussbetrachtung ein Resümee über den Autor, sein Werk und dessen Bedeutung.

Meine Hypothesen sind:

Albertines Traum hat einen zentralen Stellenwert in der „Traumnovelle.“

Es ist dem Leser nur möglich die psychologische Kompetenz des Autors, den Tiefgang der Novelle zu erkennen, sowie die wirkliche Gefühlswelt der Protagonistin nachzuvollziehen, wenn er eine komplexe Deutung des Traums vornimmt.

Arthur Schnitzler verfasste die Novelle aufgrund der intensiven Auseinandersetzung mit eigenen Träumen, aber vornehmlich mit den wissenschaftlichen Erkenntnissen der Traumdeutung von Sigmund Freud.

2 Die Traumdeutung

2.1 Literatur und Traum in der Kulturgeschichte der Neuzeit

Seit jeher übt der Traum auf die Menschen eine enorme Anziehungskraft aus. Zu allen Zeiten und bei allen Völkern wurden Träume zu deuten versucht und nach deren tieferem Sinn und Nutzen gefragt.

Träume und deren Deutungen sind somit Zeugnisse bestimmter Kulturen und gesellschaftlicher Prozesse. Mit zunehmendem Wissen der Menschen über die Entstehung des Traumes durch die Medizin, die Anthropologie und die Psychoanalyse, veränderte sich die Traumdeutung und dementsprechend auch die Traumdarstellung in der Literatur.

Der Traum ist somit kein kulturell invariantes Phänomen, sondern er verändert sich mit dem Wandel der Sprachen, den sozialen Normen und den Wissensstrukturen der Geschichte.

Im Folgenden werde ich einen groben Überblick über Historie der Traumdeutung und der heute bekannten Schriften geben. Die Darstellung erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit, da in der Literatur unterschiedliche Angaben gemacht werden.

Auch lassen sich keine scharfen Zäsuren bei der Zuordnung einzelner Traumdeutungstheorien innerhalb der Epochen ziehen, Übergänge sind meist fließend. Die Ausführungen sollen dem Leser daher als Übersicht dienen.

Bereits im Jahre 2070 v. Chr. entstand das älteste uns heute bekannte Werk über Träume mit dem Titel „ Buch der Träume“ von Pharao Merikera. Träume wurden als gute oder böse Omen ohne jede persönliche Bedeutung des Träumers verstanden. (vgl.Vedfelt, 1997 S.415)

In der Antike galt der Traum als Schnittstelle zwischen persönlicher Erfahrung und metaphysischer Weisheit, als Medium, mit dessen Hilfe dem Schlafenden göttliche Botschaften zugesandt wurden und auch als spirituelle Weisheit.

Die Schriften Platons zeigen, dass die Antike natürliche und göttliche Träume für Bestandteile eines einheitlichen Menschen- und Weltbildes hielt. (vgl. Alt, 2002, S.33)

Die Oneirokritik, also die Kunst der Traumdeutung, wurde von professionellen Deutern gegen Bezahlung betrieben. Sie galten als Weise und beriefen sich auf einen göttlichen Auftrag. Philosophen und Mediziner setzten sich, zu dieser Zeit, mit Träumen nur im Hinblick auf anthropologische Fragen oder krankheitsbedingte Fragestellungen bei Patienten auseinander. (vgl. Alt, 2002, S. 22)

Ein Beleg für die Traumdeutung in der Literatur der Antike ist das Oneirokritikon des Artemidor von Daldis ( 2. Jhd. n. Chr.). Es ist das einzige Buch gesammelten Traumwissens, das aus der Antike komplett überliefert ist, und hat dadurch eine unschätzbare kulturhistorische Bedeutung. (vgl. Alt, 2002, S.41)

Auf Artemidor gehen die meisten Traumbücher des Mittelalters zurück, meist stellen sie jedoch nur eine verwässerte Fassung des ursprünglichen Werkes dar. (vgl. Vedfelt,1997, S.416)

In der Renaissance war man der Ansicht, dass menschliche Träume eine natürliche oder übersinnliche Dimension besitzen können und trennte diese beiden Bedeutungsordnungen streng.

1540 übersetzt Hermann Ryff das Buch Artemidors. Dabei kürzt er jedoch alle Passagen, die sich ausführlich mit sexuellen Träumen auseinander setzen, da die deutliche Offenheit, mit der Artemidor über Onanie, Prostitution, Ehebruch, Sodomie, Inzest und körperliche Liebe spricht, für dass 16. Jhd unzumutbar war.(vgl. Alt,2002,S 56)

Das späte 16. und 17. Jahrhundert, ein Zeitalter der Erfindungen und Entdeckungen (Kolumbus, Kopernikus, Gutenberg), war geprägt von der Infragestellung des alten Wissens, des Zerbrechens der alten geschlossenen Welterfahrung und der Suche nach neuem Wissen mit Hilfe von Rationalismus und Empirismus.Altes und neues Wissen mussten miteinander verbunden werden. So standen sich Astronomie, Metaphysik, Affektpsychologie, Wahrsagerei und Kritik des Aberglaubens unvermittelt gegenüber.

Kopernikus war der Meinung, dass die Natur nicht mehr im Zeichen der Träume wahrgenommen wird, sondern das die moderne Wissenschaft dies durch Beobachtung leiste. Der antike Glaube an die Traumprophetie, erschien nun vermessen und verblendet.

Aus dieser Haltung heraus wurde jedoch noch keine geschlossene Neudeutung des Traumes angenommen. (vgl. Alt, S. 75)

Erst die Aufklärung beschäftigte sich mit dem Menschen und seinen Träumen als Ausdrucksform eines geschlossenen psychischen Systems .

Externe, metaphysische Einflüsse, dämonische und göttliche Inspirationen spielten in dieser Ordnung keine Rolle mehr, sie wurden fortan als unwissenschaftlich angesehen. ( vgl . Alt, S. 75 ) Der aufklärerische Gedanke brachte jedoch eine Skepsis gegenüber Träumen mit sich, der Traum war nunmehr ein Stadium der Absenz der Vernunft und stand dem aufgeklärten Rationalismus entgegen.

Daher wurde die Traumwelt gegen die reale Welt der Vernunft abgegrenzt.

Der Traum wurde fortan als Interaktion zwischen Leib und Seele, als Vorgang der Verdrängung, Verdeckung und Ausschaltung der Vernunft, gesehen.

In den Fokus und in die Diskussion zwischen Anthropologen, Erfahrungsseelenkundlern, Medizinern, und Philosophen gerieten dabei die Wahrnehmung und Traumproduktion, die Beziehung zwischen Gedächtnis und Traumtätigkeit, die Leibreizträume, der Einfluss der menschlichen Triebwelt auf die Traumproduktion und die Funktion der Imagination im Traum.

Im 19. Jhd. bilden sich aus den bisherigen Theorien zwei große Hauptströmungen heraus:

Die romantisch- spirituelle und die rationalistisch- materialistische Auffassung.

Diese gegensätzlichen Auffassungen schlugen sich später in den Ansätzen Freuds und Jungs nieder. (vgl. Vedfelt, 1997, S. 417)

Im 20. Jhd. revolutionierte das Werk „Die Traumdeutung“ von Sigmund Freud alle bis dahin gültigen Traumtheorien.

So bemerkt Alt: „Die Psychoanalyse bildet das erste wissenschaftliche System seit der antiken Oneirokritik, das den Anspruch erhebt, den Traum auf der Grundlage einer weiträumig abgesicherten Hermeneutik aufzuschließen und in einen genau umrissenen anthropologischen Bezugsrahmen einzustellen“. (vgl.Alt, 2002, S. 315)

Freuds Erkenntnisse zur Traumbedeutung- und Deutung erschütterten die Wissenschaft.

„Nach Freud ist die Bedeutung des Traums nicht mehr naiv oder göttlich, nicht theorematisch oder körpersprachlich“. (vgl. Alt, 2002, S. 315)

Freud erkannte und zeigte durch umfassende Studien, dass Träume ihren Ursprung im Unterbewusstsein haben und dadurch tiefe Wünsche und unterdrückte Bedürfnisse widerspiegeln. Durch die Psychoanalyse und die Herstellung von Bezügen zum Leben des Träumenden, konnte nun ein Einblick in die Seele des Träumers erfolgen und psychisch kranken Menschen geholfen werden.

Dass der Traum seit Freud eine Rede des Unbewußten ist, hat auch Auswirkung auf die Literatur seiner Zeit. Fortan findet sich nicht nur die Sprache im Traum, sondern ebenso der Traum in der Sprache. (vgl.Alt, 2002, S.330)

Die Träume in der heutigen Literatur werden, durch die Erkenntnisse der Psychoanalyse als autonome und polyvalente Ereignisse dargestellt.

So stellen auch die Träume in der Traumnovelle Arthur Schnitzlers, eine für die moderne Literatur offenbar repräsentative Tendenz dar, nämlich die einzelne Person nicht als abgeschlossene Einheit, sondern als Mensch mit gewagten Variationen, vorzuführen.

(vgl.Alt, 2002, S.332)

2.2 Methoden der Traumdeutung

Eine Interpretation eines Traumes ist zu allererst einmal ein sehr subjektives Unterfangen.

Artemidor aus Daldis legte Wert darauf, die Deutung seiner Träume auf Beobachtung und Erfahrung zu gründen. Das Prinzip seiner Deutungskunst ist identisch mit der Magie, das Prinzip ist die Assoziation. (vgl. Freud, 2003, S 112)

Sowohl die rein symbolische Traumdeutung, ein Verfahren, bei dem der Trauminhalt durch einen anderen, verständlichen, analogen Inhalt ersetzt wird, als auch die Chiffriermethode, die ein jedes Zeichen nach einem feststehenden Schlüssel in ein anderes Zeichen übersetzt, entbehren laut Freud jeglicher wissenschaftlichen Grundlage. Sie berücksichtigen, so kritisiert Freud, nicht die Person und die Lebensumstände und das Geschlecht des Träumers, denn Traumelemente haben für den Reichen, den Verheirateten, für den Mann andere Bedeutung als für den Armen oder Ledigen oder für die Frau.

(vgl. Freud, 2003, S.112-114)

Allerdings führt auch Freud an, dass Symbole zu den unbewussten Volksvorstellungen gehören und somit auch im Traum verwendet werden, d.h. die Symbole entstehen nicht im Traum, sondern sind im Gedankengut eines Jeden vorhanden und werden zur Verschlüsselung des Traumes eingesetzt. „Der Traum bedient sich nun dieser Symbolik zur verkleideten Darstellung seiner Gedanken“ (Freud, 2003, S.354).

Beispielsweise nennt er als Symbole für das männliche Geschlecht: „Alle in die Länge reichenden Objekte, Stöcke, Baumstämme, Schirme (des der Erektion vergleichbaren Aufspannens wegen!) (...)“, während er „Dosen, Schachteln; Kästen, Schränke, Öfen (...) aber auch Höhlen, Schiffe und alle Arten von Gefäßen (...)“ (Freud, 2003, S.355), dem weiblichen Geschlecht zuordnet.

Nicht ganz einsichtig ist jedoch meines Erachtens, warum er seine Untersuchungen lediglich auf die Sexualsymbolik beschränkt hat.

Freuds psychoanalytische Traumdeutung war eine völlig neue, umfassende Methode der Traumanalyse. Freud zufolge sind Träume Wunscherfüllungen, als Ersatz für Unerlöstes aus der Kindheit und unterdrückter, unbefriedigter Sexualität.

Freud arbeitete mittels Psychoanalyse, bei der Trauminterpretation verband er seine Kenntnisse über das Individuum und seine Lebensumstände mit den Erkenntnissen der tiefenpsychologischen Traumdeutung des Einzelnen.

Auch wenn die Methode der Psychoanalyse damals, wie heute umstritten ist, führte sie doch: „zu einer bisher unbekannten, für die Moderne prägenden Kultur der Selbstbeobachtung, die das Seelenleben aufwertet, indem sie es unter Aufsicht stellt“.

(Alt, 2002, S.317)

[...]

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Details

Title
Deutung des Traumes der Albertine in der "Traumnovelle" von Arthur Schnitzler
College
University of Koblenz-Landau  (Germanistik)
Grade
1,7
Author
Year
2005
Pages
25
Catalog Number
V84780
ISBN (eBook)
9783638012485
ISBN (Book)
9783638920629
File size
482 KB
Language
German
Keywords
Deutung, Traumes, Albertine, Traumnovelle, Arthur, Schnitzler
Quote paper
Ute Völker (Author), 2005, Deutung des Traumes der Albertine in der "Traumnovelle" von Arthur Schnitzler, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/84780

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