Astrid Lindgrens "Ronja Räubertochter": Buch- und Filmanalyse


Seminar Paper, 2001

17 Pages, Grade: 2


Excerpt


Gliederung

Das Leben von Astrid Lindgren

1. Analyse und Wertung des Buches
1.1 Ästhetische Sichtweise
1.1.1 Inhalt und Thematik
1.1.2 Gesellschafts- und Menschenbild
1.1.3 Aufbau und Sprache
1.1.4 Spannungsart und kommunikative Bedeutung
1.2 Pädagogische Sichtweise
1.2.1 Vermittlung von Erfahrungen, Werten und Normen
1.2.2 Ablehnung und Zustimmung von Seiten des Lesers
1.3 Psychologische Sichtweise: Individual- und Sozialtypus des Lesers

2. Filmanalyse
2.1 Beschreibung des Inhalts und Absicht des Regisseurs
2.2 Filmkritik
2.2.1 Ästhetische Sichtweise
2.2.2 Psychologische Sichtweise
2.2.3 Soziologische Sichtweise
2.2.4 Pädagogische Sichtweise
2.3 Filmische Umsetzung der literarischen Vorlage
2.3.1 Inhaltliche Mittel
2.3.2 Formale Mittel

3. Intention von Autorin und Regisseur

4. Didaktische Umsetzung
4.1 Wahl der Textes
4.2 Didaktisch - methodische Überlegungen

Literaturverzeichnis

Das Leben von Astrid Lindgren

Astrid Anna Emilia Ericsson wurde am 14. November 1907 in Näs bei Vimmerby, Smaland geboren. Ihre Eltern Samuel August und Hanna Ericsson führten von Anfang an eine glückliche Ehe und lebten seit ihrer Heirat 1905 auf dem gepachteten Pfarrhof Näs. Neben ihrem ein Jahr älteren Bruder Gunnar hatte Astrid zwei Schwestern, Stina und Ingegerd, die 1911 bzw. 1916 zur Welt kamen.1 Zusammen mit ihnen verbrachte sie eine sehr glückliche Kindheit auf ihrem Heimathof, von der sie immer wieder einzelne Elemente in ihre Bücher einfließen ließ. So spielen Michel von Lönneberga und seine Schwester Ida oder die Kinder von Bullerbü in den Erzählungen viele Spiele, die die kleine Astrid selbst vor allem mit ihrem Bruder Gunnar erfunden und gespielt hat.2 Den elterlichen Hof Näs mit all seinen Bewohnern machte die Autorin zum weltberühmten Vorbild für ihre Bücher der „Kinder von Bullerbü„.3

Nach ihrem Schulabschluss mit Realexamen nahm die junge Astrid 1924 eine Volontärstelle bei der Zeitung „Wimmerby Tidningen„ an, wo sie ihr natürliches Schreibtalent voll entfalten und verbessern konnte. Schon bald wurde der 19-Jährigen die heimische Umgebung zu eng und sie zog nach Stockholm, um eine Ausbildung als Sekretärin zu machen. Obwohl im Dezember 1926 ihr Sohn Lars geboren wurde, arbeitete sie in der Svenska Bokhandels Centrale und im Königlichen Automobilclub als Sekretärin. Zunächst wuchs der Junge bei einer Pflegefamilie in Kopenhagen auf, doch 1929 holte die Mutter ihn nach Stockholm, da die Pflegemutter plötzlich erkrankte. Im Jahr zuvor lernte Astrid Ericsson den kaufmännischen Angestellten Sture Lindgren kennen, den sie im April 1931 heiratete. Ihre gemeinsame Tochter Karin wurde 1934 geboren, und für die folgenden drei Jahre war Astrid voll und ganz Hausfrau und Mutter, bevor sie 1937 wieder zu arbeiten anfing.4

Mit dem Jahr 1944 begann ihre Karriere als Schriftstellerin, als sie die Geschichte von Pippi Langstrumpf für ihre Tochter zum Geburtstag schrieb und einen Durchschlag an den Verlag Bonnier schickte. Obwohl dieser Verlag das Manuskript abgelehnt hatte, hatte Astrid Lindgren nun die Lust am Schreiben entdeckt. Beim Verlag Rabén & Sjögren gewann sie im selben und im nächsten Jahr mit „Pippi Langstrumpf„ und „Britt-Mari„ zwei Preise hintereinander. In den folgenden Jahren begeisterte sie Kinder und Erwachsene mit zahlreichen Kinder- und Jugendbüchern, wie „Meisterdetektiv Blomquist„, „Mio, mein Mio„, „Emil i Lönneberga„ (der schwedische Michel aus Lönneberga), „Die Brüder Löwenherz„ oder „Karlsson vom Dach„.5

1981 kam ihr Märchen „Ronja Räubertochter„ heraus, mit dem sie Themen wie Liebe, Emanzipation und Gewaltlosigkeit bewusst aufgreifen wollte. Der Erfolg in Schweden und auch in anderen Ländern blieb nicht aus, da die Autorin mit dieser Geschichte wieder eine ganz neue Position eingenommen hatte.6

1. Analyse und Wertung des Buches

1.1 Ästhetische Sichtweise

1.1.1 Inhalt und Thematik

Die Geschichte „Ronja Räubertochter„ (1981) von Astrid Lindgren erzählt die Jugend der Heldin Ronja, die in einer mittelalterlich anmutenden Zeit als Tochter des Räuberhauptmanns Mattis aufwächst. Durch ihre Freundschaft zu Birk, dem Sohn des verfeindeten Räuberhäuptlings Borka gerät sie zwischen die Fronten der beiden Sippen. Dieser Konflikt treibt die Kinder weg von ihren Familien – sie ziehen in den Wald. Doch der Trennungsschmerz lässt die beiden Elternseiten zur Vernunft kommen und gemeinsam finden sie eine Lösung für ein friedliches Zusammenleben.

Chronologisch zum Geschehen lässt die Autorin den Leser die Stationen im Leben Ronjas nachvollziehen. Anhand von bedeutenden Handlungseckpunkten (Geburt, erste Konfrontation mit der Umwelt, Freundschaft, Loslösung von den Eltern, Versöhnung, Tod) wird der Charakter der Hauptpersonen entwickelt: Der Alltag spielt sich im Kreislauf der Natur ab, der die Menschen auf urtümliche Art verbunden sind. Immer wieder durchzieht die unanzweifelbare Lebensbejahung die Geschichte. „Das Leben ist etwas, das man hüten und bewahren muss [...]Und wenn du den Winter über in der Bärenhöhle bleibst, dann wirfst du dein Leben einfach weg„7.

Zentrales Thema ist die Freundschaft und ihre Wertschätzung, ebenso wie die Liebe innerhalb von Familie und „Sippe„. Daraus ergibt sich auch Respekt vor den Kindern und deren Anerkennung als mündige Persönlichkeiten. Trotzdem leiden Eltern und Kinder an der vorrübergehenden Trennung. Aber sie überwinden die Schwierigkeit und können sich – im Laufe ihrer Entwicklung – ohne Streit vom Elternhaus abnabeln. Innerhalb dieser Prozesse begegnen die Jungendlichen erstmals dem Tod, als Glatzen-Per stirbt.

1.1.2 Gesellschafts- und Menschenbild

Gekonnt verbindet Astrid Lindgren Realität und Fiktion: Zwar treten wie selbstverständlich Halbwesen und Phantasiefiguren auf. Die grundlegenden Abläufe und Konflikte sind jedoch der Wirklichkeit sehr nahe: Zum Beispiel bei der Schilderung des sozialen Verhaltens in der Familie, zwischen Mann und Frau, unter anfangs fremden, dann befreundeten Kindern und in größeren Gemeinschaften. Die Räuber sind eigentlich friedlich und liebenswürdig. Sie gestalten ihren Alltag gemeinsam, sind sensibel und emotional innerhalb ihrer Gruppe: bei Ronjas Geburt freuen sie sich übermäßig8, tanzen und singen an den Abenden und respektieren das hierarchische System gerne. Fremden gegenüber verhalten sie sich grob und begegnen den verfeindeten Räubern hasserfüllt. Den Kern der Räuberbande bildet die Familie Mattis (Vater), Lovis (Mutter) und Ronja (Tochter). Mattis ist einerseits temperamentvoll und cholerisch9, aber besonders seiner Tochter gegenüber ist er ein liebevoller, naiv- freundlicher Vater. In die Erziehung wirkt er jedoch nicht produktiv ein. Als Ronja fragt, was sie in einer lebensgefährlichen Situation tun solle, brüllt er nur unfähig und verzweifelt: „Dann tust du gar nichts mehr„10. Lovis dagegen übernimmt fast vollständig die pädagogische Rolle. Sie vermittelt Ronja praktische Lebensweisheiten (Kräuterkunde, Brot backen) und kann mit Konfliktsituationen stets gut umgehen: „Aber Lovis sang und da wurde die Welt wieder so, wie sie sein sollte„11.

Das Verhältnis der beiden Hauptpersonen durchläuft mehrere Phasen. Anfangs erwidert Ronja Birks freundliche Annäherung mit Beschimpfungen. Da sie aber einige Extremsituationen gemeinsam meistern, werden sie zu „Bruder„ und „Schwester„12. Diese Freundschaft kann als Vorstufe einer Liebesbeziehung gesehen werden, in der die Autorin entsprechende Probleme mit scharfem Blick für die Lebenswirklichkeit schildert13.

Wo immer Mann und Frau aufeinandertreffen, kann man bestimmte Rollenverhalten feststellen. Die Ehe von Mattis und Lovis ist gekennzeichnet durch Respekt, sie ist die sorgende, leitende Hausfrau, er der nährende, humoristische „Kumpel- Mann„. Das typische Schema ist zum Teil auch bei Borka und Undis ersichtlich, allerdings ohne Gleichberechtigung. „Borka aber bat sein Weib, sich zum Donnerdrummel zu scheren. Hier habe sie sich nicht einzumischen„14. Das Zusammenleben von Ronja und Birk in der Höhle ist noch kindlich ausgeglichen, doch teilweise lassen sich die Stereotypen schon erahnen. Ronja singt – wie ihre Mutter – das Wolfslied und hat typisch weibliche Eigenschaften; Birk zeigt eine Vorliebe für Waffen und ist schon der „Mann im Haus„. Ein Beispiel dafür sind folgende Stellen: „...sie fauchte zurück und Birk drohte ihnen mit seinem Speer„15. „...Ronja mit dem Kübel und Birk mit seiner Armbrust„16.

Anders als man vielleicht vermuten möchte, zeigen die Figuren der Geschichte kein „typisches„ Räuberverhalten, sondern sind im Grunde friedlich, gerecht, harmoniebedürftig und leben im Einklang mit der Natur. Auch wenn in vielen Situationen zunächst die Unüberlegtheit vorherrscht, siegt am Ende doch zumeist die Vernunft. Deutlich wird dies vor allem an der impulsiven Figur von Mattis, der sich von seinen zwei Frauen immer wieder zu vernünftigem Handeln überreden lässt. Auch Glatzen-Per, der die „weise Instanz„ der ganzen Gruppe darstellt, steht nicht nur ihm stets mit guten Ratschlägen zur Seite. Er ist es auch, der die tolerante Seite in Mattis weckt und somit schließlich eine Versöhnung bewirkt.17

1.1.2 Aufbau und Sprache

Astrid Lindgrens Geschichte umfasst 18 Kapitel, die chronologisch aufeinander folgen. Das erste Kapitel bildet die Exposition, in der die Charaktere, der Handlungsort, die Umgebung und die Lebensumstände vorgestellt werden. Nach Ronjas Geburt nimmt die Handlung ab dem zweiten Kapitel ihren Lauf und verwebt mehrere Höhe- und Wendepunkte zu einem zusammenhängenden Ganzen. Die Hauptperson erlebt das langsame Erwachsenwerden, die erste intensive zwischenmenschliche Beziehung und die Trennung von den Eltern. Im Schlusskapitel, das in Verbindung mit der Exposition den Rahmen der Geschichte bildet, wird sie mit dem Tod konfrontiert. Die Handlung schließt mit dem Beginn eines neuen Lebensabschnitts des jungen Paares.

Die Autorin nimmt eine auktoriale Erzählhaltung ein. Sie befindet sich an einem Standort außerhalb der erzählten Welt und kennt auch das Innere der Personen.

Für ihre Beschreibungen verwendet sie eine ausdrucksstarke, kraftvolle, einfache Hochsprache. Der Räuberjargon ist zwar oft derb und rauh, durch die humorvollen Elemente wird dies jedoch häufig entschärft. Neue Wortschöpfungen, wie „Potz Pestilenz„18, „Hosenschisser„19, „mit einem Furz zum Donnerdrummel„20 lassen sowohl Kinder als auch Erwachsene schmunzeln. Die zahlreichen wörtlichen Reden, der einheitliche Sprachstil, der einfache Satzbau und die ausgeschmückten und detaillierten Natur- und Menschenbeschreibungen tragen zum guten Textverständnis für Kinder bei. Außerdem erzeugt die Sprache in bestimmten Situationen Spannung, vor allem wenn es darum geht, Gefühle auszudrücken. Hauptsächlich wird der Spannungsbogen jedoch durch inhaltliche Komponenten aufgebaut.

1.1.3 Spannungsart und kommunikative Bedeutung

Durch realistischen Momente, die eine Identifikation mit den Hauptpersonen fördern, hat der Leser teil an deren Leben. Gemeinsam mit ihnen muss der Leser Gefahrensituationen durchstehen und Konflikte lösen. Zum Beispiel kann der Leser die Todesgefahr, der Ronja und Birk am Glupafall ausgesetzt sind, hautnah miterleben.21 Dieses Mitfühlen regt die Kinder zu eigenen Denkvorgängen und Phantasieprozessen an und fördert die individuelle Vorstellungskraft.

1.2 Pädagogische Sichtweise

1.2.1 Vermittlung von Erfahrungen, Werten und Normen

Obwohl durch die fiktiven Zeit- und Raumverhältnisse kein relevantes Wissen für die Kinder der Moderne vermittelt werden kann, wird ihnen dennoch ein reicher Erfahrungsschatz angeboten, zu dem sie Parallelen in ihrem eigenen Leben finden können. Grunderfahrungen wie Erwachsenwerden, Auf und Ab in einer Freundschaft, Geburt und Tod betreffen nicht nur ein Räuberkind, sondern auch Kinder der realen Welt.

Die erwünschte Wirkung auf den Leser erreicht die Autorin mit der Herausstellung bestimmter „guter„ Verhaltensweisen, die der Leser annehmen soll. Werte und Normen wie die Natur als Freund, nicht als Feind zu sehen, Toleranz, Hochachtung von Freundschaft, die Lösung von Problemen durch Gespräche, Vernunft und Gleichberechtigung werden als besonders positiv und somit nachahmenswert dargestellt. Indem Lindgren vermeintlich „schlechtes„ Verhalten scheitern lässt, wird diese Wirkung noch verstärkt. So führt beispielsweise Mattis Sturheit und Intoleranz im Streit mit Borka zu keinem Ergebnis; erst als er Glatzen-Pers weisen Rat einer Versöhnung befolgt, wendet sich alles zum Guten.22

[...]


1 Vgl. Schröter, Klaus(Hg.): Astrid Lindgren, Reinbek 1987, S. 7-13.

2 Vgl. Oetinger Lesebuch, Besuch bei Astrid Lindgren, Hamburg 1992, S. 40.

3 Vgl. Schröter, S. 25.

4 Vgl. ebd., S. 44-61.

5 Vgl. ebd, S. 61 ff.

6 Vgl. ebd., S. 131-135.

7 Lindgren, Astrid, Ronja Räubertochter, Hamburg: Oetinger 1982, S. 210 (Im Folgenden zitiert als „Ronja„).

8 Vgl.: Ronja, S. 13.

9 Vgl.: Ronja, S.47.

10 Ronja, S. 18.

11 Ronja, S.197.

12 Vgl. Ronja, S. 80.

13 Vgl. Ronja, S. 159 ff.

14 Ronja, S. 132.

15 Ronja, S. 153.

16 Ronja, S.150

17 Vgl. Ronja, S. 216/217.

18 Ronja, S. 31.

19 Ronja, S. 33.

20 Ronja, S.34.

21 Vgl. Ronja, S. 187 ff.

22 Vgl. Ronja, S. 216 ff.

Excerpt out of 17 pages

Details

Title
Astrid Lindgrens "Ronja Räubertochter": Buch- und Filmanalyse
College
University of Regensburg  (Philosophische Fakultät IV - Germanistik)
Course
Was Kinder gerne lesen - Kinderbuchprojekte im Unterricht
Grade
2
Author
Year
2001
Pages
17
Catalog Number
V8493
ISBN (eBook)
9783638154482
ISBN (Book)
9783640860159
File size
533 KB
Language
German
Keywords
Astrid, Lindgren, Ronja, Räubertochter, Kinder, Kinderbuchprojekte, Unterricht, Thema Ronja Räubertochter
Quote paper
Matthias Altmannsberger (Author), 2001, Astrid Lindgrens "Ronja Räubertochter": Buch- und Filmanalyse, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/8493

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