Die Gleichnisrede der Wahlverwandtschaften stellt die Frage nach der Freiheit des Menschen über seine Natur. Die Ohnmacht der vier Teilnehmer des Experiments gegenüber den sich entwickelnden Affinifitäten beweist, dass die Kultur des Menschen nicht über seine Natur erhaben ist. Das Unglück resultiert aus der Fehllektüre der Gleichnisrede, denn hier nimmt das Experiment seinen Anfang. Da Buchstaben an die Stelle der Wirklichkeit treten, wird aus der chemischen Formel nicht das richtige Ergebnis vorhergesagt. Das Lesen und Schreiben gehört in dem kleinen aufgeklärten Kreis zu den kulturellen Praxen des geselligen Lebens. Doch mit dem Sieg der Naturkräfte über die kontrollierende Ratio im Laufe des Romans ‚misslingt’ ihre auf Sprache und Schrift basierende Kommunikation. Zeichen werden zu den Agenten der Täuschung, sie führen zu Fehldeutungen und Irritationen. Das ‚Misslingen’ von Sprache und Schrift reflektiert die Bedingungen ihres ‚Funktionierens’. Dies wird an einigen Beispielen vorgeführt.Während das Zeichenkonzept der aufgeklärten Gesellschaft als ‚theatral’ bezeichnet werden kann, ist der Zugang der zivilisationsfernen Ottilie zu dem Medium Schrift ‚authentisch’ zu nennen. Allerdings durchkreuzt ihre Art zu schreiben das Paradigma der Natürlichkeit, das die Empfindsamkeit der schriftlichen Selbstaussprache zuweist.
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- Die Bedeutung von Interaktion und Schrift im 18. Jahrhundert
- Die Arbitrarität des Zeichens
- Die Gleichnisrede der Wahlverwandtschaften
- Fehllektüren des Lebens – Eduards Schicksalsdeutung
- Theatralität der Zeichen
- Authentizität des Schreibens und Lesens
- Ottilies Schreibgeste
- Eduards Geste des Lesens
- Resümee
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die vorliegende Arbeit befasst sich mit der Rolle von Zeichen, Sprache und Schrift im Roman „Die Wahlverwandtschaften“ von Johann Wolfgang Goethe. Ziel der Untersuchung ist es, die Bedeutung von Schriftlichkeit und Theatralität im Kontext des 18. Jahrhunderts zu beleuchten und zu analysieren, wie diese Aspekte in Goethes Werk zum Tragen kommen.
- Die Arbitrarität des Zeichens in „Die Wahlverwandtschaften“
- Die Beziehung zwischen Schriftlichkeit und Authentizität
- Die Verbindung von Sprache und Theatralität
- Die Rolle von Fehldeutungen und Irritationen im Umgang mit Zeichen
- Die Krise der zivilisatorischen Errungenschaft im Kontext von Schriftlichkeit und Interaktion
Zusammenfassung der Kapitel
Im ersten Kapitel wird die Bedeutung von Lesen und Schreiben im 18. Jahrhundert beleuchtet. Der Fokus liegt dabei auf der Entwicklung von der oralen Kultur hin zu einer auf Schriftlichkeit basierten Gesellschaft. Das zweite Kapitel analysiert die Arbitrarität des Zeichens in „Die Wahlverwandtschaften“. Es werden die Fehldeutungen der Gleichnisrede sowie Eduards Umgang mit Zeichen untersucht. Im dritten Kapitel geht es um die Authentizität des Schreibens und Lesens. Ottilies Schreibgeste und Eduards Geste des Lesens werden im Kontext der empfindsamen Briefkultur betrachtet.
Schlüsselwörter
Die zentralen Schlüsselwörter der Arbeit sind: Theatralität, Authentizität, Zeichen, Sprache, Schrift, Gleichnisrede, Fehldeutungen, Interaktion, Zivilisation, 18. Jahrhundert, „Die Wahlverwandtschaften“, Goethe, Empfindsamkeit.
- Arbeit zitieren
- Janine Dahlweid (Autor:in), 2006, Theatralität und Authentizität des Zeichens in Johann Wolfgang Goethes Roman "Die Wahlverwandtschaften", München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/84973