Märchengestalten im Nibelungenlied


Hausarbeit, 2006

20 Seiten, Note: 2,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Märchengestalten im Nibelungenlied
2.1 Drache
2.1.1 Drache als Motiv im Volksglauben und in der Literatur
2.1.2 Drache im Nibelungenlied
2.2 Zwerge
2.2.1 Zwerge als Motiv im Volksglauben und in der Literatur
2.2.2 Zwerg Alberich im Nibelungenlied
2.3 Riesen
2.3.1 Riesen als Motiv im Volksglauben und in der Literatur
2.3.2 Riesen im Nibelungenlied
2.4 Meerfrauen
2.4.1 Meerfrauen als Motiv im Volksglauben und in der Literatur
2.4.2 Meerfrauen im Nibelungenlied

3. Schlusswort

4. Literaturverzeichnis

Primärliteratur

Sekundärliteratur

Wörterbücher

1. Einleitung

Das Nibelungenlied als unser kulturelles Erbe und unser literarisch-historisches Gut regt Wissenschaftler schon seit Jahrhunderten zu Forschungen an und gehört mit Sicherheit zu den meistuntersuchten Werken der Literatur. Es gibt viele verschiedene Aspekte, Richtungen und Probleme, die in der Forschung reflektiert worden sind – von der Geschichte der Entstehung und Überlieferung bis ins Detail gehenden Personenanalysen.

Die Fragestellung, auf die unter anderem in dieser Arbeit eingegangen wird, befasst sich mit dem Verhältnis zwischen dem Sagenhaften und Märchenhaften (und Mythischen) im Nibelungenlied. Um klarer das Ziel der vorliegenden Arbeit vorzustellen, benötigen wir eine Abgrenzung von den Begriffen, die in einem engen Zusammenhang zueinander stehen: Mythos, Sage, Märchen und Märchenmotiv. Es ist kompliziert, eine einheitliche Definition zu finden, weil die Grenzen zwischen Mythos, Sage und Märchen fließend sind und die Meinungen von den Forschern teilweise auseinander gehen. In meiner Arbeit habe ich mich bei den Begriffsdefinitionen grundsätzlich an H. Naumann und F. Panzer orientiert, weil die Sichtweise von beiden Wissenschaftler mir nahe liegt.

Mythos und Heldensage sind zeitlich bedingte und wieder vorübergegangene höhere Stilformen von Märchen und Sage; ihre Bausteine sind die gleichen: die primitiven Motive, die aus dem Erzählungsgut der primitiven Gemeinschaft geschöpft sind. Für Zeiten, aus denen uns Märchen und Sage nicht überliefert sind, erschließen wir sie [Motive] also aus Mythos und Heldensage, z. B. aus Edda, aus Bibel und aus Homer und Ovid (vgl.: Naumann, 1922:63).

Das Märchen ist bewusste Kunst und will lediglich unterhalten; aber die Sagen sind Berichte und Erklärungen von Erfahrungen, die unter den Grenzen der primitiv-mystischen Denkweise gemacht sind und erzählt werden. Die Gestalten des Volksglaubens spielen eine hervorragende Rolle, zu den Hexen der älteren Art kommen Elfen, Weiße Frauen, Riesen, Zwerge und das wütende Heer. Anders ausgedruckt, zu Märchenmotiven werden sehr oft primitive Angsttraumerlebnisse (vgl.: Naumann, 1922:67ff).

Ähnlich wie Naumann versteht Panzer das Märchen: eine kurze, ausschließlich der Unterhaltung dienende Erzählung von phantastisch-wunderbaren Begebenheiten, die sich in Wahrheit nicht ereignet haben und nie ereignen konnten, weil sie, in wechselndem Umfange, Naturgesetzen widerstreiten (vgl.: Panzer, 1926:84).

Ein wichtiges Merkmal eines Märchens ist es, dass die erzählte Geschichte nie in eine bestimmte Zeit gesetzt wird und genauer Ort der Handlung nicht genannt wird. Was das Märchen erzählt, das hat sich eben „einmal“, vielleicht „vor langen Zeiten“ begeben.

Im Unterschied zu den Märchen ist das Wirkliche der Menschenwelt der Ausgang und Ziel einer Volkssage. Sie schwebt nicht frei in der Luft wie die Handlung des Märchens. Vielmehr zeigt sie sich an einem bestimmten Ort geknüpft oder an eine Sache irgendwelcher Art, einen Gegenstand, eine Erscheinung, einen Vorgang der wirklichen Welt. Und ihr Ziel ist nicht wie beim Märchen einfach zu unterhalten, sondern ein Sein oder ein Geschehen zu erklären. Sie ist im Gegensatz zum Märchen ernsthaft gemeint. Die Sage ist Weltdeutung, ist die unmethodische Wissenschaft und Philosophie des urtümlichen oder im urtümlichen Denken verharrenden Menschen (vgl.: Panzer, 1926:100ff).

Wenn wir uns an Hans Naumanns Buch wenden, so finden wir Aussagen darüber, dass das Märchenmotiv ähnlich wie die Sprichwörter und das Volksrätsel primitives Gemeinschaftsgut ist, genauer gesagt, das Märchen schöpft seine Motive aus diesem primitiven Gemeinschaftsgut. Die moderne Forschung unterscheide also, so Naumann, zwischen Märchen und Märchenmotiv. Das Märchenmotiv ist primitiver als das Märchen und nicht nur eine einzige Heimat und eine einzige Entstehungszeit hat, sondern überall und zu jeder Zeit entstehen konnte und immer wieder entstehen (vgl.: Naumann , 1922:61ff). Eine ausführlichere und komplexere Definition liefert uns Panzer (Panzer, 1926:105):

Nennt man die einzelne geschlossene Märchenerzählung als Ganzes eine „Märchenform“ („Grundform“) oder einen „Märchentypus“, so kann man die einzelnen Abschnitte, in denen sie sich aufbaut, als „Märchenformeln“ und bei reicherem Gehalt als „Formelgruppen“ bezeichnen. Die einzelnen Aussagen aber, aus denen wieder diese Formeln bestehen, nennen wir „Züge“ oder „Motive“.

Wenn wir diese Aussagen von Naumann und Panzer als Grundlage nehmen, so lässt sich eine eigene Definition in Bezug auf das Nibelungenlied bilden:

Die Wesen, Gegenstände oder Ereignisse, die in der Handlung vom Nibelungenlied als unwahrscheinlich und/oder phantastisch-wunderbar erscheinen und der Unterhaltung dienen, die ein wichtiger Teil des Volksglaubens als solches sind sowie als grundlegende Einheiten der Erzählung auch bei anderen Märchen und Sagen (nicht nur deutschen) eine Rolle spielen, nennen wir märchenhafte Motive.

Das Ziel der vorliegenden Arbeit ist es, märchenhafte Wesen (Gestalten) als ein Motiv im Volksglauben und in der Literatur zu beschreiben und ihre Rolle im Nibelungenlied zu untersuchen.

2. Märchengestalten im Nibelungenlied

Die Helden der Märchen, ihre Hautpersonen sind sehr oft einfache gewöhnliche Menschen. Aber dieses Gewöhnliche, Irdische wird gepaart und durchkreuzt mit einem Wunderbaren, der Realität Widersprechendem. Panzer unterscheidet dabei zwei Varianten dieser Verbindung der Wirklichkeit und Irrealität:

1) eine phantastische Steigerung des Wirklichen;
2) eine Einfügung eines vollkommen Unwirklichen, Übersinnlichen.

Eine Steigerung ins Übernatürliche findet sich bei den auftretenden Menschen, ihrer Art und ihrem Handeln. Der Held besitzt wunderbare Eigenschaften: übernatürliche Körperkräfte, unerhörte Schnelligkeit, unglaubliche Schärfe der Sinne. Viele Märchen sind voll der Gegenstände, denen wunderbare Fähigkeiten eignen: ewig gefüllte Beutel und nie versiegende Töpfe und Krüge, Mäntel und Hüte, die unsichtbar machen usw. (vgl.: Panzer, 1926:85ff). Dieses Märchenmotiv finden wir auch im Nibelungenlied: Siegfried wird als ein übermenschlich starker unverwundbarer Mann charakterisiert, der sich unsichtbar machen kann. Aus der Handlung wissen wir, weshalb diese zauberhaften Eigenschaften an ihm haften – er hat eine Tarnkappe und einen Ring im Besitz, die ihm dieses ermöglichen und er hat ein Drachenblutbad genommen, was ihn unverwundbar gemacht hat.

Obwohl es sich in der vorliegenden Arbeit, dem Titel des Hautteiles entsprechend, um Märchengestalten oder um mythische Wesen handelt und nicht speziell um zauberhafte Gegenstände, ist hier zu erwähnen, dass das Motiv „wunderbare Gegenstände“ eine wichtige Rolle in der Handlung des Nibelungenliedes spielt. Der Ring der Nibelungen, das Schwert Balmung, der Gürtel der Brünhilde, die Tarnkappe – das sind die Sachen, die das Verhalten und sogar den Lebensweg der handelnden Personen in der Sage bestimmen.

Friedrich Panzer schreibt zusammenfassend: „Diese wunderbaren Gegenstände rühren meist aus dem Besitze übermenschlicher Wesen. Der menschliche Märchenheld erhält sie als Gaben, die diese dämonischen Gestalten ihm barmherzig und hilfreich darreichen. Oder die Dämonen treten dem Helden feindlich entgegen, er besiegt sie in gefährlichem Kampfe und bemächtigt sich so ihrer wunderbaren Werkzeuge“ (Panzer, 1926:88).

Von solchen dämonischen Gestalten wird in dieser Arbeit die Rede sein.

Diese Gestalten gehören nach Art und Erscheinung einer jenseitigen Welt an und sind nach der Meinung von Panzer erklärte mythische Wesen: Riesen, Zwerge, Heinzel- und Wichtelmännchen, Wasserdämonen und Gespenster verschiedener Art. Sie wohnen fern von den Menschen: im Wald, in den Bergen, oft auch in der Erde, im Wasser, in der Luft.

Das sind Bereiche, die dem gewöhnlichen Sterblichen nicht zugänglich sind. Dem Menschen sind sie überwiegend feindlich, die Riesen besonders als Menschenfresser gefürchtet. Auch wunderbare Tiergestalten, wie Drachen oder Greife treten als Dämonen auf (vgl.: Panzer, 1926:88).

Im Nibelungenlied haben wir mit den Riesen, Zwergen, Drachen und Meerfrauen (Wasserfrauen) zu tun. In folgenden Kapiteln werden diese Wesen charakterisiert (es wird eine Definition gegeben), dann als Motiv im Volksglauben und in der Literatur beschrieben. Anschließend wird erklärt, welche Rolle diese mythische Wesen in der Handlung des Nibelungenliedes spielen. Die Arbeit ist in 4 Kapitel geteilt, von denen jedes einzelne eine bestimmte Märchengestalt unter die Lupe nimmt.

2.1 Drache

Das Grimm‘sche Wörterbuch (vgl.: Bd. 2, Sp. 1315) gibt uns folgende Definition vom Drachen:

Gewöhnlich ist ein nicht in der wirklichkeit vorhandenes, fabelhaftes thier gemeint. Man stellt ihn dar als eine grosze, geschuppte und geflügelte schlange mit groszen feurigen augen, einem langen, sich ringelnden schweif, eidechsenartigen krallenfüszen und einem weiten bezahnten rachen, aus dem er eine pfeilspitzige zunge streckt und feuer speit, wie Fafnir schon in der alten Edda. Der drache kann drei und mehr köpfe haben.

Das ist eine sehr ausführliche Beschreibung eines Drachen, die teilweise auf der Edda und den anderen mündlich oder schriftlich überlieferten Quellen basiert. In diesem Wörterbuch wird ein Drache als ein Wesen beschrieben, das in Höhlen wohnt und Gold und Schätze hütet. Es wird auch auf die Bibel zurückgegangen und gesagt, dass der Drache sich auch in Wüsten, in alten, von Menschen verlassenen Häusern und Palästen aufhält. Im alten und neuen Testament erscheint der Drache als übernatürliches, gewaltiges Wesen.

2.1.1 Drache als Motiv im Volksglauben und in der Literatur

Drachen werden meistens als böse, niederträchtig und blutdürstig charakterisiert. Als ein mythisches Wesen, in der Bibel auch bekannt als gewaltiges, übernatürliches Wesen, wie oben erwähnt, wurde Drache von einigen heidnischen Völker als ein Dämon mit guten und bösen Eigenschaften betrachtet. In manchen Geschichten der christlichen Kirche wird der Drache als Symbol für den Teufel dargestellt. In der „Offenbarung des Johannes“ im 12. Kapitel unter dem Titel „Die Frau und der Drache“ gibt es eine Erzählung von einer Frau, die ein Kind gebar, einem Drachen, der das Kind auffressen wollte und von einem Kampf zwischen Michael und seinen Engeln und dem Drachen. Mit dem Drachen ist hier der Teufel gemeint:

[...]

Ende der Leseprobe aus 20 Seiten

Details

Titel
Märchengestalten im Nibelungenlied
Hochschule
Technische Universität Darmstadt
Veranstaltung
Hauptseminar in der Literatur
Note
2,0
Autor
Jahr
2006
Seiten
20
Katalognummer
V84996
ISBN (eBook)
9783638015585
Dateigröße
418 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Märchengestalten, Nibelungenlied, Hauptseminar, Literatur
Arbeit zitieren
Magistra Artium Diana Kreuzer (Autor:in), 2006, Märchengestalten im Nibelungenlied, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/84996

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