Nach dem Verständnis in der gerichtlichen Praxis, wie auch in der wissenschaftlichen Lehre werden in den Strafverteidiger in Jugendstrafverfahren unterschiedliche Erwartungen gesetzt. Bereits die Frage des Erfordernisses seiner Verfahrensbeteiligung wurde lange und kontrovers diskutiert.
Während seine Mitwirkung von den einen als wichtiger Beitrag insbesondere für die Garantie eines streng rechtsstaatlichen Verfahrens ange-sehen wird, argumentieren andere, der Verteidiger bringe allein schon durch seine Gegenwart eine Spannung in das Verfahren, die sich keines-falls günstig auf das Verfahren auswirke und darüber hinaus die Erziehungsbemühungen des Gerichts störe. Der lange geführte Streit um die Anwesenheit eines Verteidigers im Jugendstrafverfahren, insbesondere um die Frage, ob er sich überhaupt in das Erziehungskonzept des Jugendgerichtsgesetzes einbinden lässt, wird heute weitestgehend als überwunden angesehen. Das schließt allerdings nicht aus, dass Verteidiger manchmal immer noch von Jugendrichtern, Staatsanwälten, aber auch Jugendgerichtshelfern als „Störenfried“ in der sonst so „einvernehmlichen“ Kommunikation angesehen werden.
Die Kontroverse ob und wenn ja inwieweit der Verteidiger dem Erziehungsgedanken verpflichtet sein soll, ist allerdings noch nicht geklärt. Die Meinungen gehen weit auseinander, von der völligen Ablehnung einer pädagogischen Mitverpflichtung bis zu einer „Kooperationspflicht“ des Verteidigers mit dem Gericht.
In der vorliegenden Arbeit soll untersucht werden, ob der Strafverteidiger im Verfahren gegen Jugendliche Organ der Rechtspflege, Interessenvertreter und/oder Erzieher ist. Welche Ansprüche werden an den Erziehungsgedanken im heutigen Jugendstrafprozess gestellt, welche Bedeutung hat er für den Jugendstrafverteidiger und inwiefern ist dieser letztlich an ihn gebunden?
Die Belange des Jugendlichen, sein Verhältnis zu dem Verteidiger, unter Berücksichtigung pädagogischer Konzeptionen sowie verfassungsrechtlicher Garantien, und seine Stellung im Verfahren sollen stets beachtet und in die Bearbeitung mit einbezogen werden.
Zusätzlich soll es Ziel dieser Arbeit sein, auch historisch und unter Berücksichtigung praktischer Erfahrungswerte, einen Überblick über die Situation des Jugendstrafverteidigers zu verschaffen.
Inhaltsverzeichnis
- A. Einleitung
- B. Funktion und Verfahrensstellung des Jugendstrafverteidigers
- I. Stellung des Jugendstrafverteidigers aus historischer Sicht
- II. Organ der Rechtspflege
- III. Interessenvertreter
- IV. Stellungnahme unter Berücksichtigung der Besonderheiten der Jugendstrafverteidigung
- C. Der junge Beschuldigte
- D. Der Erziehungsgedanke im Jugendstrafrecht
- I. Historischer Rückblick
- II. Der Erziehungsgedanke in der Bundesrepublik Deutschland
- 1. Abschaffung des Erziehungsgedankens
- a. Vorwand für hohe Sanktionen
- b. Ursache anwachsender Kriminalität
- 2. Bewahrung des Erziehungsgedankens
- 3. Stellungnahme
- III. Bindung des Verteidigers an den Erziehungsgedanken?
- 1. Der Verteidiger ist an das Erziehungsprinzip gebunden
- 2. Der Verteidiger ist nicht an das Erziehungsprinzip gebunden
- 3. Der Verteidiger ist partiell an das Erziehungsprinzip gebunden
- 4. Der Verteidiger ist pädagogisch befähigt
- 5. Stellungnahme
- IV. Vereinbarkeit mit dem Grundgesetz und modernen pädagogischen Konzeptionen
- 1. Pädagogik
- 2. Grundgesetz
- 3. Stellungnahme
- V. Kriminalprävention
- E. Erfahrungswerte aus der Praxis von Jugendstrafverteidigern
- F. Schlussbetrachtung
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die wissenschaftliche Hausarbeit untersucht die Rolle des Strafverteidigers im Verfahren gegen Jugendliche. Im Fokus steht die Frage, ob der Jugendstrafverteidiger neben seiner Rolle als Interessenvertreter und Organ der Rechtspflege auch eine erzieherische Funktion wahrnimmt.
- Die historische Entwicklung der Stellung des Jugendstrafverteidigers
- Der Erziehungsgedanke im Jugendstrafrecht und seine Bedeutung für die Rolle des Verteidigers
- Die Vereinbarkeit des Erziehungsgedankens mit dem Grundgesetz und modernen pädagogischen Konzeptionen
- Die Rolle des Jugendstrafverteidigers als Interessenvertreter, Organ der Rechtspflege und potenzieller Erzieher
- Erfahrungswerte aus der Praxis von Jugendstrafverteidigern
Zusammenfassung der Kapitel
Die Einleitung führt in das Thema ein und stellt die Relevanz der Fragestellung dar. Anschließend wird die Funktion und Verfahrensstellung des Jugendstrafverteidigers aus historischer Sicht beleuchtet.
In Kapitel C wird der junge Beschuldigte als Subjekt im Strafverfahren betrachtet, während Kapitel D den Erziehungsgedanken im Jugendstrafrecht beleuchtet, einschließlich seiner historischen Entwicklung und der Diskussion um seine aktuelle Bedeutung.
Kapitel E beleuchtet die Erfahrungswerte aus der Praxis von Jugendstrafverteidigern und soll einen realitätsnahen Einblick in die Herausforderungen und Möglichkeiten der Jugendstrafverteidigung bieten.
Schlüsselwörter
Jugendstrafverteidigung, Jugendstrafrecht, Erziehungsgedanke, Strafverteidiger, Interessenvertretung, Organ der Rechtspflege, Jugendlicher, Beschuldigter, Strafverfahren, Grundgesetz, Pädagogik, Kriminalprävention, Praxis, Erfahrungswerte.
- Arbeit zitieren
- Saskia-Veronique Steffen (Autor:in), 2007, Der Strafverteidiger im Verfahren gegen Jugendliche, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/85049