Kundennutzen- und Gewinnmaximierung in der Versicherungsagentur durch Kundenkontaktmanagement und Standardisierung der Zielgruppenbearbeitung


Wissenschaftliche Studie, 1998

19 Seiten


Leseprobe


INHALT

Vorbemerkung

Aufbau von Kundenpräferenzen und Reduktion der Komplexitätskosten

Kundensegmentierung und Personenpräferenzen im Vertrieb

Entscheidung über Zielgruppen und Regionalisierung der Zielgruppenstrategie

Kundennutzenorientierung und Gewinnmaximierung der Agentur im Mikromarkt

Kundenkontaktmanagement durch MAS-Portal

Clienting und Coaching

Literatu

Veröffentlichung in der Zeitschrift für die gesamte Versicherungswissenschaft (ZVersWiss) 4/98

Vorbemerkung

Der Vertrieb von Versicherungen könnte einfach sein, wenn alle Menschen und alle Wohngebiete sowie die Mikromärkte gleich wären. Wir müßten uns keine Gedanken um Zielgruppen machen, die Vertriebssteuerung und die Bearbeitung der Agenturgebiete wären kein Problem. Da dem aber nicht (mehr) so ist, werden hier Vorschläge gemacht, deren Umsetzung Arbeit, Zeit und Geld kostet aber große Chancen im harten Wettbewerb bietet: Das bessere Produkt- und Beratungsangebot für die Zielgruppe zu haben oder den besseren Standort mit dem “richtigen“ Angebot zu besetzen oder die Rekrutierung und Weiterbildung in der Region zielgenauer und damit effizienter zu gestalten. Dies alles klingt nach Verringerung der effektiven Zeit für Beratung und Verkauf in den Agenturen. Aber das Gegenteil tritt ein, wenn die Kundenbearbeitung systematisiert, standardisiert und durch intelligente Software unterstützt wird.

Die Vorschläge beruhen auf Erkenntnissen aus Coachingprojekten, die von 1993 bis 1997 in verschiedenen Agentur- und Zielgruppenorganisationen von Serviceversicherern durchgeführt wurden. Dieses Coaching zielte auf Verbesserungen der nicht unmittelbar wirksamen Erfolgsfaktoren wie z.B. Einstellungspolitik, Ausbildung, Mitarbeitereinsatz, Informationen über Kunden, Führungs- und Informationsbeziehungen aller Führungsebenen und auf die kurzfristig verbesserbaren individuellen und regionalen Erfolgsfaktoren beim Instruktor und Vermittler. Das Coaching verband somit die individuellen Erfolgsfaktoren der Einarbeitung vor Ort mit den strukturellen Rahmenbedingungen der Organisation.[1]

Durch das Coaching konnten die Hypothesen der Versicherungswissenschaft zum Thema Marketing in der Flächenorganisation und zur Praktikabilität der neuen Marktforschungsergebnisse für Mikromärkte, wie Mikrogeografie bzw. Geo-Marketing und Zielgruppensegmentierung nach sozialem Milieu, Life Style oder psychologischen Gesichtspunkten, mit den Vermittlern, Führungskräften, der Leitung von Vertriebsorganisationen sowie Kunden vor Ort überprüft werden.

Aufbau von Kundenpräferenzen und Reduktion der Komplexitätskosten

Die Möglichkeiten der Gewinnerzielung durch geringe Betriebskosten als Folge hoher Produktivität der Massenfertigung genormter Produkte und aufsichtsrechtlich vorgegebener Preisuntergrenzen[2] sind durch die Deregulierung stark verringert worden.

Die Verschärfung des Wettbewerbs im deregulierten EU-Binnenmarkt mit der Freigabe der Produktgestaltung und –kalkulation eröffnet den Unternehmen Möglichkeiten zur schärferen Positionierung im Wettbewerb durch Aufbau von Produktpräferenzen mit der Variation von Qualität und Preis. Diese Produktdifferenzierung führt beim Serviceversicherer zu höheren Anforderungen an die Leistungsfähigkeit der Datenverarbeitung, Anwendungsentwicklung sowie Mitarbeiter im Innenbereich und verursacht hohe Komplexitätskosten.[3] Erschwerend hinzu kommt ein Druck auf die Preise, vor allem bei Standardprodukten mit dem Charakter einer Pflichtversicherung.

Unternehmen im Breitengeschäft sehen sich gezwungen, durch Fusionen oder Unternehmenskäufe Synergien und Kostendegressionen in zentralen Funktionen wie Kapitalanlage, Datenverarbeitung, Marktforschung, Produktentwicklung und Leitungsfunktionen zu erreichen und ihre Größe den Anforderungen des EU-Binnenmarktes anzupassen.

Diese Größenvorteile verbessern die Rentabilität sowie den Unternehmenswert. Von Dauer sind die Vorteile aber nur dann, wenn sich Kundentreue, Bestandsfestigkeit und Neugeschäft bei reduzierten Vertriebskostenquoten positiv entwickeln. Diese Vertriebsziele müssen heute unter veränderten Marktbedingungen angestrebt werden:

- Produktvielfalt und Unsicherheit der Kunden aufgrund mangelnder Markttransparenz führen zu höheren zeitlichen und qualitativen Anforderungen an die Beratung.
- Wertewandel äußert sich in erhöhten Ansprüchen und veränderten Verhaltensweisen der Verbraucher.
- Vertragslaufzeiten werden kürzer.
- Direktvertrieb für Standardprodukte mit Discountpreisen drückt Preise.
- Durchschnittliche Nettoeinkommen der Versicherungskunden stagnieren bzw. sinken.

Wachstum unter diesen Voraussetzungen erfordert Steigerung der Produktivität und damit höhere Kontaktqualität und Kontakterfolgsquote im Vertrieb. Mit der Unterstützung durch Preis- und Qualitätsvorteile der Produkte, hohen Bekanntheitsgrad und finanzielle Sicherheit sowie positives Image des Unternehmens kann der Ausschließlichkeitsvertrieb vor Ort erfolgreich Personenpräferenzen aufbauen. In der Flächenorganisation erfordert dies eine konsequente Orientierung an den Ansprüchen und Potentialen der Zielgruppen im Mikromarkt.

Wie bei den Produktpräferenzen gilt auch bei den Personenpräferenzen, daß eine Profilierung mit Kostensteigerung verbunden ist. Produktpräferenzen können durch Unternehmensgröße kostengünstiger werden. Gestaltung von Personenpräferenzen erfordert dagegen kleine, selbständig im Mikromarkt agierende Einheiten, wie z.B. Agenturen, die über Informationen der Kunden- und Wettbewerbsstrukturen ihres Gebietes verfügen und ihr unternehmerisches Handeln gezielt darauf abstellen. Die Refinanzierung der notwendigen Investitionen für diese Kundennähe muß durch Erhöhung der quantitativen und qualitativen Kontakterfolgsquote erfolgen.

Kundensegmentierung und Personenpräferenzen im Vertrieb

Der Versicherungsbedarf bei Privatkunden, Selbständigen, freien Berufen und Kleingewerbetreibenden, der eher latent, passiv und wenig differenziert ausgeprägt ist, muß erst geweckt und konkretisiert werden, zudem sind die Risikopräferenzen der potentiellen Versicherungsnehmer eher diffus.[4] Weil den Menschen oft die Fähigkeit fehlt, zwischen rationalem Produktangebot und emotionaler Bedürfnisbefriedigung zu trennen, wird die Abschlußentscheidung weitgehend durch die Wirkung des Vermittlers auf den Kunden beeinflußt. Daher kommt den Personenpräferenzen bei Serviceversicherern eine besondere Bedeutung zu.

Es liegt deshalb im Interesse der Versicherungsunternehmen, ihre Bestandskunden und das Empfehlungsgeschäft durch ihren Ausschließlichkeitsvertrieb betreuen zu lassen und den Ausbau der Personenpräferenzen ihrer Vertriebsorganisationen gezielt zu stärken.

Diese Ziele machen eine Marktsegmentierung erforderlich, die nicht mehr nur nach institutionenbezogenen Merkmalen segmentiert - wie z.B. Firmenkunden, freie Berufe, Privatkunden und öffentliche Haushalte - sondern vor allem die personenbezogenen Merkmale der Mitglieder und Entscheider in den Institutionen differenziert betrachtet.[5] Für den Verkaufsprozeß und die Agentur von besonderer Bedeutung sind die folgenden personenbezogenen Kundenmerkmale:

- „das Wissen und die intellektuellen Fähigkeiten in bezug auf Risiko, Risikolagen und den darauf bezogenen Einsatz von Versicherungsschutz;

- das Verhalten bei Entscheidungen über die Beschaffung und Verwendung von Versicherungsschutz“.[6]

Das Verhalten bei der Beschaffung von Versicherungsschutz ist Gegenstand einer Marktstudie, die kognitiven Aufwand, Imageorientierung, Preisorientierung, Orientierung am Vermittler und Beeinflußbarkeit von privaten Versicherungskunden untersuchte. Die Marktforschung ergab, daß 75 Prozent der Privatkunden von der Qualität der Beratung und ihrem Vertrauen zum Vermittler bei ihrer Entscheidung maßgeblich beeinflußt werden.[7]

Die Milieu- und Anspruchsanalyse geht davon aus, daß die Versicherungskunden in ihrer Entscheidung von unterschiedlichen Sach- und Anmutungsansprüchen geleitet werden. Sachansprüche sind bewußt geäußerte, kognitiv gesteuerte Wünsche. Sie beziehen sich auf Kompetenz des Partners, Qualität der Information, Preis-Leistungs-Verhältnis und Beziehungspflege. Anmutungsansprüche resultieren aus Stimmungen, Einstellungen, Motiven und sind weniger kognitiv gesteuert. Sie betreffen Vertrauen, Atmosphäre, Sicherheit und sind als Antrieb des Handelns bestimmend. Besonders beim Versicherungsprodukt, das man nicht sehen kann, muß man den Aussagen des Vermittlers Glauben schenken. Seine Sprache, sein Auftreten, seine Argumentation müssen beim jeweiligen Kundentyp Vertrauen schaffen.[8] Vor dem Beginn des Sachgespräches sind daher Vertrauens- und Sicherheitsansprüche des Kunden zu befriedigen.

Die Fortschritte der Marktsegmentierung im Dienstleistungs- und speziell im Versicherungsbereich haben in den letzten Jahren praktikable Versicherungskundensegmente ergeben. Die Kundengruppen unterscheiden sich klar und deutlich hinsichtlich der genannten Merkmalsausprägungen. Beispiele solcher Kunden-Segmentierungen sind

- das Sinus-Lebenswelten- oder Milieu-Modell,[9] [10]
- die Euro-Socio-Styles (ESS),[11]
- die Life Style-Typologie von Conrad/Burnett, die, basierend auf den sozialen Milieugruppen von Sinus, im Auftrag von der Allianz erstellt wurde,[12]
- psychologische Typologie privater Versicherungsnehmer, die eine Marktsegmentierung mit den Variablen durchführt, welche die Abschlußentscheidung der Kunden bestimmen.[13]

Für die Gestaltung des Kontakterfolges im Vertrieb können vorerst die folgenden Voraussetzungen festgehalten werden:
- Die Produkteigenschaften des Versicherers und die Kontaktqualität des Vermittlers verschmelzen beim persönlichen Kundenkontakt zur Gesamtleistung des Serviceversicherers.[14]
- Die Segmentierung der Kunden nach den personenbezogenen Merkmalen ergibt homogene Kundengruppen, die der Vertriebssteuerung bezüglich der Kundenansprüche und -leistungen klare Vorgaben für den Aufbau von Kundenpräferenzen liefern.[15]
- Spezifische Kenntnis der Kundengruppen und das daraus resultierende kundengerechte Produkt- und Serviceangebot sind für Ertrag und Wachstum entscheidend.[16]

[...]


[1] Vgl. Protz, M.: Coaching als Instrument der strategischen Vertriebsentwicklung, VW, 1993, S.1426ff.

[2] Vgl. Farny, D.: Versicherungsbetriebslehre, 2. Auflage, Karlsruhe 1995, S. 342f.

[3] Vgl. Protz, M.: Produktorientierte Anwendungsmodellierung von Geschäftsvorfällen in Versicherungsunternehmen, VW, Heft 8, 1991, S. 426ff.

[4] Albrecht, P.; Telschow, I.: Integrierte Markt- und Risikosegmentierung in einem deregulierten Versicherungsmarkt, Mannheimer Vorträge zur Versicherungswissenschaft Nr. 66, Karlsruhe 1996, S.8.

[5] Farny, D.: a. a. O., S. 348.

[6] Farny, D.: a. a. O., S. 352f.

[7] Vgl. psychonomics, Psychologische Typologie der Versicherungsnehmer, Köln 1995, S. 16 ff.

[8] Vgl. Koppelmann, U.: Marketingüberlegungen im Versicherungsbereich in: Dieter Farny und die Versicherungswirtschaft, hrsg. von Robert Schwebler und den Mitgliedern des Vorstandes des deutschen Vereins für Versicherungswirtschaft, Karlsruhe 1994, S. 293 ff.

[9] Vgl. Becker, U.; Becker, H.; Ruhland, W.: Zwischen Angst und Aufbruch, Düsseldorf /Wien/New York/Moskau 1992, S.86; dargestellt in Kurzform bei Koppelmann, U., a.a.O. S. 290ff.

[10] Vgl. die einander sehr ähnlichen Arten der Sinus-Lebenswelten- oder Milieu-Modelle bei Jasny, R.: Die Zielgruppen im Seniorenmarkt, absatzwirtschaft 8/97, S. 112 ff., wo die Methoden der Hochschule für Bankwirtschaft in Frankfurt/M. dargestellt werden, und bei Marganus, M., Allianz Versicherung: Kundennähe durch Kundenkenntnis; nicht veröffentlichtes Referat vom 22.1.1998.

[11] Cathelat, B.: Socio Styles, The new Lifestyles Classification System for Identifying and Targeting Consumers and Markets, London 1993.

[12] Vgl. Conrad, M., Burnett, L. Life Style Research 1990. Eine Konsumenten-Typologie, Bd. 1 und 2, Frankfurt 1991, dargestellt bei Müller, H.: Marktsegmentierung im Privatkundengeschäft von Versicherungsunternehmen, Karlsruhe 1994, S. 227 ff.

[13] Vgl. psychonomics: Psychologische Typologie privater Versicherungsnehmer, 2. Auflage, Köln 1995.

[14] Vgl. Karten, W.: Über die Wettbewerbsfähigkeit des Versicherungsvertreters, in: Dieter Farny und die Versicherungswissenschaft, hrsg. Von Robert Schwebler und den Mitgliedern des Vorstands des Deutschen Vereins für Versicherungswissenschaft, Karlsruhe 1994, S. 269.

[15] Müller, H.: Marktsegmentierung im Privatkundengeschäft von Versicherungsunternehmen, a.a.O. S. 239ff.

[16] Vgl. Protz, M.: Wertschöpfung durch Service im Vertrieb: Welchen Service nimmt der Kunde wahr, welchen honoriert er?, VW 1996, S. 95.

Ende der Leseprobe aus 19 Seiten

Details

Titel
Kundennutzen- und Gewinnmaximierung in der Versicherungsagentur durch Kundenkontaktmanagement und Standardisierung der Zielgruppenbearbeitung
Hochschule
Universität zu Köln  (Deutscher Verein für Versicherungswissenschaft e.V.)
Autor
Jahr
1998
Seiten
19
Katalognummer
V85288
ISBN (eBook)
9783638894104
Dateigröße
505 KB
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
Die Arbeit beschreibt Durchführung und Ergebnisse eines Coachingprozesses mit den Zielen der Einführung von CRM und der Entwicklung eines CRM-Portals für Marketing und Vertrieb. Das Coaching bewirkte in der Folge mit dem CRM-Portal eine signifikante Steigerung des Neukundengeschäftes und eine Senkung der Stornoquote in verschiedenen Vertriebsorganisationen. Das Portal ist heute führend bei der wertgesteuerten Neukundengewinnung in Flächenvertrieben.
Schlagworte
Kundennutzen-, Gewinnmaximierung, Versicherungsagentur, Kundenkontaktmanagement, Standardisierung, Zielgruppenbearbeitung
Arbeit zitieren
Dipl.-Kaufmann Manfred Protz (Autor:in), 1998, Kundennutzen- und Gewinnmaximierung in der Versicherungsagentur durch Kundenkontaktmanagement und Standardisierung der Zielgruppenbearbeitung, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/85288

Kommentare

  • Noch keine Kommentare.
Blick ins Buch
Titel: Kundennutzen- und Gewinnmaximierung in der Versicherungsagentur durch Kundenkontaktmanagement und Standardisierung der Zielgruppenbearbeitung



Ihre Arbeit hochladen

Ihre Hausarbeit / Abschlussarbeit:

- Publikation als eBook und Buch
- Hohes Honorar auf die Verkäufe
- Für Sie komplett kostenlos – mit ISBN
- Es dauert nur 5 Minuten
- Jede Arbeit findet Leser

Kostenlos Autor werden