Globalisierung. Die interkulturelle Zusammenarbeit in multinationalen Teams


Thèse de Doctorat, 2007

282 Pages, Note: 1


Extrait


Inhaltsverzeichnis

1 Einführung
1.1 Relevanz und Problemstellung
1.2 Zielsetzung der Arbeit
1.3 Aufbau der Arbeit

2 Unternehmen im interkulturellen Kontext
2.1 Interkulturelles Management
2.2 Nationalkultur als Einflussfaktor
2.2.1 Begriffsklärung
2.2.2 Differenzierende Kulturmodelle
2.3 Kulturvergleichende Forschung
2.3.1 Kulturdimensionen nach KLUCKHOHN&STRODTBECK
2.3.2 Kulturdimensionen nach Hall
2.3.3 Kulturdimensionen nach Hofstede
2.3.4 Kulturdimensionen nach Trompenaars
2.3.5 Kulturgliederung nach Pinto
2.3.6 Kulturdimensionen nach Demorgon
2.3.7 Kulturdimensionen nach Adler
2.3.8 Kulturdimensionen nach Schwartz
2.3.9 Kulturdimensionen nach der GLOBE-Studie
2.3.10 Vergleichende Betrachtung ausgewählter Kulturmodelle
2.4. Interkulturelle Kommunikation
2.4.1 Sprache und Identität
2.4.2. Interkulturelle Kommunikationsarten
2.4.3 Kommunikationsstile von Deutschen und Tschechen
2.4.4 Stereotype
2.4.5 Interkulturelle Kommunikation und interkulturelle Kompetenz
2.5 Diversity Management und Synergiepotenziale in der interkulturellen Zusammenarbeit

3 Teamarbeit
3.1 Die Bedeutung von Teams in Unternehmen
3.2 Begriffsklärung
3.3 Anlässe zur Bildung von Teams
3.4 Formen von Teamarbeit
3.5 Chancen und Risiken von Teamarbeit
3.6 Effektivitätsmodelle
3.7 Prozesse innerhalb von Teams
3.7.1 Herausforderungen multinationaler Teams
3.7.2 Teamentwicklungsprozess
3.7.2.1 Das Modell der Teamentwicklung von Tuckman (1965)
3.7.2.2 Das Modell der interkulturellen Teamentwicklung von Smith&Noakes (1996)
3.7.2.3 Das Modell der Entwicklungsstufen interkultureller Kooperation von Zeutschel (1999)
3.7.2.4 Weitere Modelle des interkulturellen Teambuilding
3.7.3 Vertrauen im Team
3.7.4 Teamkommunikation
3.8 Zusammenfassung

4 Diversitätsforschung
4.1 Theoretische Erklärungsansätze
4.2 Ausgangshypothese zur Wirkung von Diversität in multinationalen Teams
4.3 Empirische Befunde der Diversitätsforschung
4.3.1 Überblick über die empirischen Arbeiten zu Diversität multikultureller Teams
4.3.2 Messgrößen der empirischen Arbeiten
4.3.3 Ausgewählte Untersuchungen multikultureller Teams
4.3.3.1 Laborstudien
4.3.3.2 Feldstudien
4.4 Diskussion und Zusammenfassung der Ergebnisse für interkulturelle Teams
4.5 Ein integratives Modell der Performance multinationaler Teams

5 Hypothesen zur interkulturellen Zusammenarbeit in multinationalen Teams
5.1 Forschungsbedarf und Ziele der Untersuchung
5.2 Untersuchungshypothesen und Modell
5.2.1 Untersuchungshypothesen
5.2.2 Modell

6 Das Forschungsdesign der empirischen Untersuchung
6.1 Fragestellungen der empirischen Studie
6.2 Gegenstand der Untersuchung
6.2.1 Deutsche Unternehmen als Hauptgrundlage
6.2.2 Tschechien als lokaler Ausgangspunkt
6.2.3 Länderspezifische Wertorientierungen
6.2.4 Untersuchungspersonen
6.3 Methodenvielfalt der Forschung
6.4 Untersuchungsinstrument: Fragebogen
6.5 Auswertungsmethoden

7 Ergebnisse
7.1 Beschreibung der Untersuchungspopulation
7.1.1 Beteiligte Unternehmen und Rücklaufquote
7.1.2 Merkmale der Befragten
7.1.3 Merkmale der beschriebenen Teams
7.1.4 Arbeitsprozesse der Teams
7.2 Überblick über die weitere statistische Analyse
7.2.1 Skalenbildung der unabhängigen Variablen
7.2.2 Skalenbildung der abhängigen Variablen
7.3 Hypothesenprüfung
7.3.1 Hypothesenprüfung Ebene Individuum
7.3.1.1 Sprachkenntnisse
7.3.1.2 Interkulturelle Bewusstheit
7.3.1.3 Zeitverständnis
7.3.1.4 Beziehungsorientierung
7.3.1.5 Erkundungshypothesen Ebene Individuum
7.3.2 Hypothesenprüfung Ebene Gruppe
7.3.2.1 Kommunikation
7.3.2.2 Nationalitätenverhältnis
7.3.2.3 Aufgabentyp
7.3.2.4 Interkulturelles Lernen
7.3.2.5 Vertrauen
7.3.2.6 Erkundungshypothesen Ebene Gruppe
7.3.3 Hypothesenprüfung Ebene Unternehmen
7.3.4 Zusammenfassung Hypothesenprüfung zum Teamerfolg
7.3.5 Multiple Einflüsse
7.4 Auswertung der qualitativen Daten

8 Diskussion der Ergebnisse und Schlussfolgerungen
8.1 Zusammenfassende Diskussion
8.2 Implikationen für die Forschung
8.3 Implikationen für die Praxis

Abbildungsverzeichnis

Tabellenverzeichnis

Literaturverzeichnis

Anhang: Fragebogen

Abbildungsverzeichnis

Abbildung 1: Zusammenhang zwischen National- und Unternehmenskultur

Abbildung 2: Kulturdefinitionen

Abbildung 3: Drei Ebenen der Kultur nach Schein (1990; Übersetzung und Ergänzung von Stahl, 1998, S. 38) sowie das „Zwiebeldiagramm“ nach Hofstede (1991)

Abbildung 4: Entwicklung von persönlicher Kultur (in Anlehnung an Hofstede, 1980)

Abbildung 5: Kulturdimensionen nach Kluckhohn&Strodtbeck

Abbildung 6: Das 5-Dimensionen-Modell nach Hofstede (2001)

Abbildung 7: wichtige Unterschiede zwischen F- und G-Kulturen (Pinto, 1999, S. 70ff.

Abbildung 8: Ergebnisse ausgewählter Länder

Abbildung 9: Kulturdimensionen für den Germanic Cluster

Abbildung 10: Kulturdimensionen für den Cluster Eastern Europe

Abbildung 11: Vergleich ausgewählter Modelle von Kulturdimensionen

Abbildung 12: Die meistgesprochenen Sprachen in der EU (in Prozent)

Abbildung 13: Überblick über die Kommunikationsstile von Deutschen und Tschechen

Abbildung 14: Tendenzielle Unterschiede in deutsch-tschechischen Interaktionen

Abbildung 15: Diversity-Erscheinungsformen nach Sepehri/Wagner (2002b)

Abbildung 16: Vor- und Nachteile von Diversity Management

Abbildung 17: Teamformen

Abbildung 18: Direkte und indirekte Determinanten für Effektivität

Abbildung 19: Integratives Modell der Effektivität von interkulturellen Teams von Bing&Gardelliano (1996)

Abbildung 20: Taxonomie-Modell von Teamprozessen

Abbildung 21: Leistungsstimulierende und –hemmende Faktoren

Abbildung 22: Vier-Phasen-Modell nach Tuckman (1965)

Abbildung 23: Phasen interkultureller Teamentwicklung nach Smith&Noakes (1996)

Abbildung 24: Vertrauensaufbau nach Petermann (1996)

Abbildung 25: Kommunikationsstrukturen in Teams

Abbildung 26: Effektivität in multinationalen vs. national homogenen Teams

Abbildung 27: Vor- und Nachteile von Diversität in Gruppen

Abbildung 28: Überblicksdarstellung empirischer Studien zu Diversität in multinationalen Arbeitsgruppen

Abbildung 29: Auswirkungen von Diversität in organisationalen Gruppen (Milliken/Martins, 1996, S. 418)

Abbildung 30: Unterscheidungsmerkmale als unabhängige Variablen in Zuordnung zu den Formen von Diversität

Abbildung 31: Abhängige Variablen (Erfolgskriterien)

Abbildung 32: Mittelwerte für die Gruppenleistungen an den vier Messzeitpunkten in der Studie von Watson, Kumar&Michaelsen (1993)

Abbildung 33: Ergebnisse national kultureller Diversität in Labor- und Feldstudien bzgl Teamperformance

Abbildung 34: Potenzielle Vor- und Nachteile interkultureller Teamarbeit

Abbildung 35: Zusammenhang Teamleistung und deren bestimmende Variablen

Abbildung 36: Ergebnisse ausgewählter Studien nach Arbeitspapier WU Wien (Fink et al., 2004)

Abbildung 37: Zusammenhang zwischen Inputfaktoren, Gruppenprozessen und Gruppenergebnissen

Abbildung 38: Untersuchungsmodell. Quelle: Eigene Darstellung.

Abbildung 39: Untersuchungsprozess

Abbildung 40: Wertorientierungen in Deutschland und Tschechien nach Hofstede (2003)

Abbildung 41: Wertorientierungen in Tschechien nach Hofstede (2003) und Svetlik (2003)

Abbildung 42: Wertorientierungen in Deutschland (West) und Tschechien nach Schwartz (1994, 1999)

Abbildung 43: Rangplätze der Wertorientierungen in Deutschland (West) und Tschechien nach der GLOBE-Studie (2004)

Abbildung 44: Kulturstandards im Kontrast

Abbildung 45: Gegenüberstellung quantitativer und qualitativer Verfahren nach Bortz&Döring (1995)

Abbildung 46: Unterschiede zwischen kulturvergleichender und interkultureller Forschung am Beispiel der Gruppenforschung

Abbildung 47: Elemente und Themen des Fragebogens

Abbildung 48: Soziodemographische Merkmale

Abbildung 49: Muttersprachen und Arbeitssprache

Abbildung 50: Sprachstand individuell

Abbildung 51: Objektive Merkmale

Abbildung 52: Zusammenfassung der Ergebnisse zu den Untersuchungshypothesen

Abbildung 53: Kategorienschema zur Frage 10

Abbildung 54: Ergebnisse der offenen Frage 10

Abbildung 55: Ergebnisse der offenen Frage 38

Tabellenverzeichnis

Tabelle 1: Unternehmensgrößen und internationale Geschäftstätigkeit

Tabelle 2: Alter und beruflicher Hintergrund

Tabelle 3: Nationaler (kultureller) Hintergrund der Befragten

Tabelle 4: Teamzusammensetzung und –geschichte

Tabelle 5: Charakteristische Arbeitsmerkmale in den Teams

Tabelle 6: Mediennutzung

Tabelle 7: Faktoren der Effektivität

Tabelle 8: Korrelationen der Erfolgskriterien

Tabelle 9: Mittelwerte der soziodemographischen Merkmale

Tabelle 10: Zusammenhänge bzgl. der Variable Kommunikation

Tabelle 11: Vergleich der Mittelwerte (M) und Standardabweichungen (SD)

Tabelle 12: Diversity Management

Tabelle 13: Ergebnisse der hierarchischen Regressionsanalysen

1 Einführung

1.1 Relevanz und Problemstellung

Auf Grund der zunehmenden Vielfalt der Kundenbedürfnisse auf den Absatzmärkten, der geographischen Erweiterung der Beschaffungsmärkte („global sourcing“) und geöffneten Arbeitsmärkten (Mobilität) sind Unternehmen sehr häufig mit einer externen und internen Vielfalt konfrontiert, auf die es adäquat zu reagieren gilt. Unterstützt werden diese Entwicklungen durch neue Kommunikationstechnologien (Internet) und politische Faktoren wie der Entstehung supranationaler Wirtschaftsräume (z.B. EU). Die Globalisierung und die Gestaltung von Arbeitsprozessen in Teams sind zwei bestimmende Trends im
21. Jahrhundert. Beide Trends gemeinsam leiteten einen Boom der interkulturellen Zusammenarbeit in multinationalen Teams ein. Kulturübergreifende Teams bilden das Herzstück des Globalisierungsprozesses (vgl. Snow et al., 1996). Viele multikulturelle organisationale Einheiten wie Teams, Projektgruppen, Task Forces, Abteilungen oder Geschäftsführungen sind heute fester Bestandteil der Arbeitswelt (vgl. Podsiadlowski, 2002). Die wachsende Popularität von multikulturellen Teams ist mit der Hoffnung verbunden, dass eine höhere Innovation und Kreativität sowie Wissensbereicherung auf Grund der heterogenen und diversen Gruppenzusammensetzungen mit einer größeren Auswahl an Fähigkeiten, Vorstellungen und Erfahrungen ermöglicht werden. Werden diese multikulturellen Teams effektiv gemanagt, dienen sie dem Unternehmen, eine größere Flexibilität und Autonomie zu entwickeln - Bedingungen für ein erfolgreiches Bestehen am globalen Markt (vgl. Snell et al., 1998).

Es ist allerdings die Frage zu stellen, ob sich diese Hoffnung automatisch erfüllt. So belegt eine Studie über 70 globale Arbeitsteams, dass zwar 18 Prozent sehr erfolgreich arbeiteten, andererseits aber ein Drittel gänzlich unerfolgreich miteinander kooperierte (vgl. Govindarajan/Gupty, 2001). Zahlreiche Beispiele von misslungenen internationalen Mergers&Acquisitions zeigen, dass Schwierigkeiten auftreten können, wenn Individuen aus unterschiedlichen Kulturen miteinander zusammenarbeiten (vgl. Maugain, 2003). Neben der Kompatibilität der Unternehmenskulturen stellen die kulturell begründeten Unterschiede zwischen den Teammitgliedern einen relevanten Faktor für die Schwierigkeiten dar (vgl. Cseh, 2003). Aktuellstes Beispiel ist die Trennung der „Welt-AG“ Daimler-Chrysler sieben Jahre nach der gefeierten Fusion im Jahre 1998. Die kulturell unterschiedlich geprägten Deutschen und Amerikaner zeigten schon früh Schwierigkeiten bei der Zusammenarbeit (vgl. Breidenbach/Nyírí, 2001), so dass die Vermutung aufgestellt werden kann, dass diese eine Ursache für das Scheitern der Fusion bilden. „So stößt die amerikanische Führungskraft mit ihrem pragmatischen ‚Trial and Error-Prinzip’ bei den deutschen Kollegen nur auf Kopfschütteln ob der ungeplanten Vorgehensweise. Eine faktenreiche Präsentation oder das lange Meeting, in dem die deutschen Team-Mitglieder ein Thema getreu der Agenda ausdiskutieren möchten, lässt den pragmatischen US-Mitarbeitern dagegen in passive Langeweile verfallen.“ (Percy/Kulak, 2003, S. 1) Nur 30 Prozent internationaler Unternehmenskooperationen scheitern an technischen, finanziellen oder strategischen Problemen, für 70 Prozent der Fälle sind interkulturelle Probleme ausschlaggebend (vgl. Fuchs/Apfelthaler, 2002).

Diese beispielhafte Konfrontation kulturell diverser Denk- und Verhaltensmuster macht die komplexen Problemstellungen der interkulturellen Zusammenarbeit in multinationalen Teams deutlich. Sprachliche Missverständnisse, unterschiedliche Glaubens- und Wertvorstellungen, unterschiedliche Arbeitsstile, Stereotype und Voreingenommenheiten, Umgang mit Konflikten sind nur einige Beispiele für solche spezifischen Schwierigkeiten. Vor diesem Hintergrund überrascht es nicht, dass interkulturelle Teamfähigkeit nunmehr ein gängiges Einstellungskriterium für Mitarbeiter darstellt. Dies mag eine Voraussetzung für die propagierten Synergiepotenziale in der interkulturellen Zusammenarbeit sein. Autoren wie Adler (2002) oder Trompenaars (1993) beobachten die Probleme von multikulturellen Arbeitsgruppen und glauben, dass diese lösbar sind. In Anbetracht der zunehmenden Relevanz von interkultureller Teamarbeit ist es dringend notwendig, dass auf wissenschaftlicher Seite weiter diesem Thema nachgegangen wird. Es stellen sich Fragen wie welche Faktoren Einfluss auf kulturell diverse Teams nehmen; welche Ansätze, Konzepte und Maßnahmen in der Literatur diskutiert werden; welche Empfehlungen und Hinweise für eine praxisorientierte Herangehensweise gegeben werden können.

1.2 Zielsetzung der Arbeit

Ziel dieser Arbeit ist die Analyse der Prozesse und Ergebnisse der interkulturellen Zusammenarbeit in multinationalen Teams in Unternehmen. Neben der theoretischen Auseinandersetzung sowie der Auswertung vorhandener Studien auf diesem Gebiet soll die vorliegende Arbeit mit einer eigenen Untersuchung einen Beitrag dazu leisten, weitere Erkenntnisse für eine erfolgreiche interkulturelle Zusammenarbeit zu eruieren.

Untersuchungsgegenstand der Dissertation sind multinationale Teams. Die nationale kulturelle Diversität ist hierbei singuläres Auswahlkriterium für die zu untersuchenden Arbeitsgruppen in Unternehmen. Der Arbeitsprozess in multinationalen Teams soll näher beleuchtet werden. Dabei wird eine Ergebnisdifferenzierung hinsichtlich kognitiven und affektiven Konsequenzen angestrebt. Einen bedeutenden Teil wird die Teamkommunikation bei der Analyse einnehmen. Eine nähere Erläuterung des Untersuchungsgegenstandes findet sich in Abschnitt 5.1 dieser Arbeit.

Als Forschungskonzept wird eine interdisziplinäre Herangehensweise aus einer Synthese der Organisations-, Gruppen- und Kulturforschung gewählt. Die Diversitätsforschung gilt als Verbindungsstück eben dieser Forschungsströmungen.

Die Ziele dieser Dissertation lassen sich wie folgt zusammenfassen:

- theoretische Auseinandersetzung mit den Bereichen Kultur und Teamarbeit mit Bezug auf die interkulturelle Zusammenarbeit,
- systematische Bestandsaufnahme vorhandener Forschungsarbeiten zum Themenbereich multikulturelle Teams,
- Entwurf eines aus der Literatur und den empirischen Erkenntnissen abgeleiteten Untersuchungsmodells und dessen Überprüfung mittels quantitativer Feldforschung einschließlich qualitativer Bestandteile,
- Gewinnung neuer Erkenntnisse für eine erfolgreiche interkulturelle Teamzusammenarbeit,
- Ableitung von Implikationen für die Praxis.

1.3 Aufbau der Arbeit

Die vorliegende Arbeit gliedert sich in acht Kapitel. Nach der Einführung bildet im zweiten Kapitel die Auseinandersetzung mit Unternehmen im interkulturellen Kontext einen Ausgangspunkt der Untersuchung. Zunächst wird in diesem Kapitel der Begriff Kultur ausführlich behandelt und schließlich definiert. Daran schließt sich die Darstellung der Ergebnisse kulturvergleichender Forschung in Form von Dimensionsmodellen an. Diesem Überblick folgt die Beschäftigung mit der interkulturellen Kommunikation als wesentlichen Bestandteil der Thematik. Der letzte Abschnitt des zweiten Kapitels behandelt den übergreifenden Bereich Diversity Management und Synergiepotenziale in der interkulturellen Zusammenarbeit.

Das dritte Kapitel beschäftigt sich mit der Teamarbeit als zweiten Ansatzpunkt der Arbeit. Zuerst werden die Bedeutung von Teamwork sowie der Begriff geklärt. Dem folgt die Darstellung der Anlässe für die Bildung von Teams und der verschiedenen Formen von Teamarbeit. Deren Chancen und Risiken werden daran im Anschluss beschrieben. Da die der empirische Teil der Arbeit die Effektivität von Teamwork beinhaltet, folgt dann die Behandlung von Effektivitätsmodellen. Der Auseinandersetzung mit verschiedenen Prozessen innerhalb von Teams wie Teambuilding, Vertrauen und Teamkommunikation wird der abschließende Abschnitt des dritten Kapitels gewidmet.

Das vierte Kapitel setzt sich mit den Erkenntnissen der Diversitätsforschung auseinander. Zunächst werden mögliche theoretische Ansätze zur Erklärung des Einflusses von Diversität diskutiert. Dem schließt sich die Darstellung der Ausgangshypothese zur Wirkung von Diversität an. Ausführliche Ausführungen über die empirische Befundlage der Diversitätsforschung folgen. Hierbei werden die unterschiedlichen Typen von Diversität und die verschiedenen Forschungsansätze berücksichtigt. Das Kapitel schließt mit einer Diskussion und Zusammenfassung der empirischen Ergebnisse.

Neben der Gewinnung von Erkenntnissen mittels der Auswertung vorhandener Studien stellt die eigene Untersuchung einen wesentlichen Bestandteil dieser Arbeit dar. Deshalb werden im fünften Kapitel die Hypothesen der Untersuchung vorgestellt. Zunächst werden Forschungsbedarf und Ziele des empirischen Teils der Dissertation beschrieben. Daran im Anschluss werden die Untersuchungshypothesen aufgestellt und das untersuchungsleitende Modell präsentiert.

Das sechste Kapitel behandelt das Forschungsdesign der Untersuchung. Nach einer Erläuterung der Fragestellungen der empirischen Studie folgt die Darstellung des Gegenstands der Untersuchung mit Aussagen zu Rahmenbedingungen und Untersuchungspersonen. Die Methodenvielfalt der Forschung wird anschließend diskutiert, bevor der Fragebogen als Messinstrument der empirischen Untersuchung präsentiert wird. Die Auswertungsmethoden und das verwendete statistische Instrumentarium werden in diesem Kapitel abschließend vorgestellt.

Im siebenten Kapitel werden die empirischen Ergebnisse aus der Auswertung des Fragebogens dargestellt. Hier wird zunächst die Untersuchungspopulation deskriptiv behandelt. Anschließend wird die Auswertung der verwendeten Variablen und deren Skalenbildung präsentiert, um danach die Ergebnisse der Überprüfung der Untersuchungshypothesen darzubieten. Die ergänzende Betrachtung des qualitativen Teils der Studie beendet dieses Kapitel.

Die Arbeit schließt mit der Diskussion der Ergebnisse und Schlussfolgerungen im achten Kapitel. Es werden die wichtigsten Ergebnisse zusammengefasst und diskutiert. Schließlich werden Implikationen sowohl für die Forschung als auch für die Praxis gegeben.

2 Unternehmen im interkulturellen Kontext

Das vorliegende Kapitel beschäftigt sich mit dem Thema Kultur als ein wichtiger Umweltfaktor für Unternehmen in der globalen Wirtschaft. Interkulturelles Management ist ein Ansatz, welcher diese Umfeldbedingungen berücksichtigt. Dessen Darstellung schließt sich die ausführliche Auseinandersetzung mit dem Begriff Kultur an. Auf analytische Unterscheidungen von Teilen des Konzepts Kultur wird daran im Anschluss eingegangen. Die Beschreibung ausgewählter Dimensionsmodelle aus der kulturvergleichenden Forschung umfasst der dritte Abschnitt dieses Kapitels. Diesem folgen Ausführungen zur interkulturellen Kommunikation unter besonderer Berücksichtigung deutscher und tschechischer Kommunikationsmerkmale. Das Kapitel schließt mit einem Überblick über den Begriff Diversity Management und der Darstellung der Synergiepotenziale in der interkulturellen Zusammenarbeit.

2.1 Interkulturelles Management

Grundsätzlich unterscheidet sich der Bezugsrahmen des internationalen Managements nicht von dem des nationalen Managements. Beiden werden als Hauptaufgaben Organisation, Führung, Controlling und Personalbeschaffung zugewiesen (vgl. Barsauskas/Schafir, 2003, S. 12). Im Unterschied zum nationalen Management sind die Aktivitäten im internationalen Management jedoch grenzüberschreitend (vgl. ebd., S. 10). Bei dieser erheblich komplexeren Planungs- und Entscheidungssituation (vgl. Zentes/Swoboda, 1997, S. 144) stellt die Kultur einen wichtigen, nicht vom Unternehmen beeinflussbaren Umweltfaktor dar. Als externe Größe wirkt sie auf alle Teilbereiche des Unternehmens und muss deshalb in allen unternehmensrelevanten internationalen Entscheidungssituationen berücksichtigt werden. Die kulturbezogene Ausrichtung internationaler Unternehmenstätigkeiten gewinnt immer mehr an Bedeutung. In der Literatur wird deshalb auch vom „interkulturellen Management“ gesprochen, dessen Inhalte folgendermaßen definiert werden können: „Das Forschungsfeld interkulturelles Management befasst sich mit sämtlichen Fragen und Problemen, die sich aus der Verschiedenartigkeit der kulturellen Umwelt und aus der Konfrontation von Personen und Institutionen mit unterschiedlichem kulturellen Hintergrund für den Managementprozess, das heißt für die Lenkung betriebswirtschaftlicher Organisationen ergeben. Dazu gehören insbesondere Probleme des Transfers von Managementtheorien, Managementtechniken und Managern über kulturelle Grenzen hinweg und die wirtschaftsbezogene Kommunikation und Interaktion von Angehörigen unterschiedlicher Kulturkreise.“ (Hasenstab, 1999, S. 120)

Neben der Nationalkultur stellt auch die Unternehmenskultur im interkulturellen Management eine wichtige Komponente dar. Letztere wird von der jeweiligen Nationalkultur des Landes maßgeblich beeinflusst, wie Abbildung 1 verdeutlicht.

Abbildung 1: Zusammenhang zwischen National- und Unternehmenskultur

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Quelle: Eigene Darstellung. In Anlehnung an Scherm/Süß, 1999, S. 68

Die Unternehmenskultur basiert auf gemeinsam geteilte Praktiken (vgl. Hofstede, 2003,
S. 34f.), so dass die zweckmäßige Ausrichtung der unternehmensinternen Praktiken auf die kulturspezifischen Werte des Landes eine bedeutende Aufgabe des interkulturellen Managements darstellen (vgl. Weidmann, 1995, S. 59). Wenn Unternehmens- und Nationalkultur nicht miteinander vereinbar sind, können bspw. geschäftliche Misserfolge oder Identifikationsprobleme seitens der Mitarbeiter die Folge sein (vgl. Siedenbiedel, 1997,
S. 59f.).

Diesem Bereich widmen sich eine Reihe von Managementtheorien, für welche Perlitz (2000, S. 293ff.) folgende drei grundsätzliche Denkweisen findet:

(1) Universalismus: Die Universalisten vertreten die Ansicht, dass Managementtheorien kulturunabhängig anwendbar sind (sog. „culture-free“-These) (vgl. Kutschker/Schmid, 2002, S. 770).
(2) Ökonomischer Relativismus: Der Standpunkt der Relativisten ähnelt dem der Universalisten, allerdings wird diese Meinung mit der Konvergenzthese, nach welcher sich Managementprinzipien langfristig annähern (Homogenisierung), begründet. Im Gegensatz zu den Universalisten wird jedoch keine Unabhängigkeit des Managements von der Nationalkultur angenommen, sondern im Rahmen der kulturvergleichenden Forschung nach Gemeinsamkeiten zwischen den Kulturen gesucht.
(3) Kulturismus: Die sog. „culture-bound“-These der Kulturisten besagt, dass Managementpraktiken individuell an die Kulturen angepasst werden müssen. Eine interkulturelle Anwendbarkeit und Übertragbarkeit ist nicht möglich. Es besteht ein enger Zusammenhang zu den Vertretern der Divergenztheorie, nach welcher eine Tendenz der zunehmenden Unterschiedlichkeit der Kulturen angenommen wird (vgl. Kutschker/Schmid, 2002, S. 771).

Eine internationale Übertragung von Managementkonzepten (dominant sind vor allem US-amerikanische) ist vorrangig für sog. harte, d.h. technisch messbare Bereiche des Managements wie Controlling oder Investitionsrechnung möglich. Die Anwendbarkeit von Strategien im sog. weichen, personen- und verhaltensbezogenen Managementbereich ist dagegen vor dem kulturellen Hintergrund des Gastlandes zu prüfen (vgl. Welge/Holtbrügge, 1998, S. 45).

In Anbetracht der im folgenden Kapitel von verschiedenen Forschern ermittelten Kulturunterschiede wird dem Management international agierender Unternehmen bewusst gemacht, dass die interkulturelle Kompetenz des Managements einen entscheidenden Erfolgsfaktor ausmacht. Jegliche Managementinstrumente müssen hinsichtlich ihrer kulturspezifischen Anwendbarkeit geprüft und angepasst werden. Das Bewusstsein über die eigene kulturelle Prägung sowie die Fähigkeit der Anpassung und Relativierung der eigenen Denk- und Handlungsweise im interkulturellen Kontext ist dabei von großer Bedeutung (vgl. Reimer, 2005). Ethnozentrische sowie stereotypisierte Entscheidungen und Urteile sollen durch interkulturelle Kompetenzen vermieden bzw. reduziert werden (vgl. Weidmann, 1995, S. 41).

2.2 Nationalkultur als Einflussfaktor

2.2.1 Begriffsklärung

Der Kulturbegriff wird sehr unterschiedlich gebraucht, meist stammen Begriffsdefinitionen aus der Kulturanthropologie, der Ethnologie oder der Kulturpsychologie. Schon Kroeber&Kluckhohn (1952) fassten in ihrem Werk 170 verschiedene Definitionen zusammen. Zudem variiert der genaue Inhalt des Wortes „Kultur“ oder seiner Äquivalente von Sprache zu Sprache. Im Folgenden soll zunächst eine kurze semantische Betrachtung des Begriffs in ausgewählten westlichen sowie der japanischen und chinesischen Sprache vorgenommen werden, dem folgen Definitionsvorschläge verschiedener Autoren und schließlich sei die für diese Arbeit gültige Erklärung von Kultur angegeben.

Fast alle westlichen Begriffe für Kultur – so auch des englischen „culture“ - gehen auf lateinische Wurzeln mit den Worten „colere“ oder „cultus“ zurück. „Colere“ bedeutet dabei zum einen Land zu kultivieren. Landwirtschaft und Ackerbau erfordert das Leben in einer Beziehung zum Land, welches kultiviert werden soll. Kultivieren entspricht hierbei einem restrukturierenden Vorgang. Zum anderen bedeutet „colere“ Truppen oder Menschen zu ernähren, Sorge und Anbetung. Auch bei letzterem existiert eine Beziehung zwischen dem angebeteten Etwas als mentales Modell (z.B. ein Gott) und den sichtbaren Ritualen und Verhaltensweisen. Das Wort „cultus“ trägt die Bedeutung Kult, d.h. Verehrung von Etwas. Im Deutschen trägt das Wort „Kultur“ eine klare Konnotation im Sinne von „Hoch-Kultur“, d.h. die intellektuelle Seite der Zivilisation und Gesellschaft wie die Ästhetik, Kunst, Theater, Oper, akademische Institutionen etc. (vgl. Heller, 1985, S. 15f.) Das finnische Wort „kulttuuri“ wird einerseits im Zusammenhang mit Zivilisationen und nationalen Einheiten angewendet, andererseits kann auch die Betonung auf Hoch-Kultur liegen. Das japanische Äquivalent „bunka“ besteht aus zwei Teilen, geschrieben in zwei chinesischen Schriftzeichen. Auch das chinesische Wort für Kultur „wenhua“ wird so geschrieben. Das erste Schriftzeichen bedeutet das „Schreiben“ oder die „Zivilisation“, das zweite trägt die Bedeutung „Transformation“, „Wechsel“ oder „Bezaubern“. Das japanische linguistische Konzept für Kultur trägt die Konnotation des Wechselns von etwas durch menschliche Aktivität, insbesondere durch Schreiben und Lernen (vgl. Henshall, 1988, S. 19, 69). Es seien an dieser Stelle nun einige ausgewählte Begriffserklärungen in Form einer Tabelle, geordnet nach den Quellen, vorgestellt.

Abbildung 2: Kulturdefinitionen

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten[1] [2] [3]

Quelle: Eigene Darstellung.

Aus der Vielzahl an unterschiedlichen Kulturansätzen sollen die Vorstellungen von Keller, Luthans und Kluckhohn herausgegriffen werden, die ihre Vorstellungen von Kultur durch die Aufzählung von charakteristischen Kennzeichen präzisieren. Keller (1982, S. 114ff.) geht dabei von folgenden Eigenschaften aus:

- „Kultur ist Menschen geschaffen. Sie ist ein Produkt kollektiven gesellschaftlichen Handelns und Denkens einzelner Menschen.
- Kultur ist überindividuell und ein soziales Phänomen, das den Einzelnen überdauert.
- Kultur wird erlernt und durch Symbole übermittelt.
- Kultur ist durch Normen, Regeln und Verhaltenkodizes verhaltenssteuernd.
- Kultur strebt nach innerer Konsistenz und Integration.
- Kultur ist ein Instrument zur Anpassung an die Umwelt.
- Kultur ist langfristig adaptiv wandlungsfähig.“

Auch bei Luthans (1997, S. 96) finden sich Aspekte der sozialen Kultur, welche das zwischenmenschliche Leben strukturieren:

- „Learned. Culture is not inherited or biologically based; it is acquired by learning and experience.
- Shared. People as members of a group organization, or society share culture; it is not specific to single individuals.
- Transgenerational. Culture is cumulative, passed down from one generation to the next.
- Symbolic. Culture is based on the human capacity to symbolize or use one thing to represent another.
- Patterned. Culture has structure and is integrated; a change in one part will bring changes in another.
- Adaptiv. Culture is based on the human capacity to change or adapt, as opposed to the more genetically driven adaptive process of animals.”

Kluckhohn erklärt den Begriff weiter unter Zuhilfenahme von elf Kurzdefinitionen, die Kultur als den umfassenden Zusammenhang des menschlichen Verhaltens abbilden:

- das gesellschaftliche Erbe, das der Einzelne von seiner Gruppe gewinnt.
- die Theorie von Anthropologen über die tatsächlichen Verhaltensweisen Gruppen von Menschen.
- der Komplex von stabilen Orientierungsreaktionen auf sich wiederholende Probleme.
- der Mechanismus der normativen Verhaltensregulierung.
- der Komplex von sich dem Umfeld und anderen Menschen angepassten Vorgehensweisen.
- die gesamte Lebensweise von Menschen.
- die Art von Denken, Fühlen und Glaube.
- das Abstrahieren von Verhalten.
- erlerntes Verhalten.
- das Depot von gemeinsamen Kenntnissen.
- das Kondensat der Geschichte.

(zitiert in: Geertz, 2000, S. 14)

Laut Posner (1991) wird Kultur in der Anthropologie auf vier verschiedene Arten verstanden:

1. Mentale Kultur ohne Gesellschaft oder Zivilisation, d.h. Kultur umfasst geistige Phänomene, Gesellschaft und Zivilisation werden als Produkt dieser Phänomene angesehen.
2. Mentale und materielle Kulturen (Artefakte und Fertigkeiten) ohne Gesellschaft.
3. Mentale, materielle und soziale Kulturen (Institutionen und institutionalisiertes Verhalten, z.B. Rituale) ohne Technologie.
4. Mentale, materielle und soziale Kulturen sowie die in der Kultur angewendete Technologie.

Einer der bekanntesten Kulturwissenschaftler Hofstede (2001) erklärt Kultur zunächst ausgehend von der Wortbedeutung als „Zivilisation“ oder „Verfeinerung des Geistes“ und insbesondere die Ergebnisse dieser Verfeinerung wie Bildung, Kunst und Literatur (vgl. Hofstede, 2001, S. 3). Seine häufig zitierte genaue Definition von Kultur lautet aber: „Kultur ist die kollektive Programmierung des Geistes, die die Mitglieder einer Gruppe oder Kategorie von Menschen von einer anderen unterscheidet.“ (ebd., S. 4)

Einen handlungsorientierten Ansatz liefert der Psychologe Thomas (1993) mit folgender Begriffsbestimmung: „Kultur ist ein universelles, für eine Gesellschaft, Organisation und Gruppe aber sehr typisches Orientierungssystem. Dieses Orientierungssystem wird aus spezifischen Symbolen gebildet und in der jeweiligen Gesellschaft, Organisation und Gruppe tradiert. Es beeinflusst das Wahrnehmen, Denken, Werten und Handeln aller ihrer Mitglieder und definiert somit deren Zugehörigkeit zu einer bestimmten Gesellschaft, Organisation und Gruppe.“ (Thomas, 1993, S. 380). Zentrale Merkmale des Orientierungssystems sind Kulturstandards, worunter „alle Arten des Wahrnehmens, Denkens, Wertens und Handels verstanden [werden], die von der Mehrzahl der Mitglieder einer bestimmten Kultur für sich persönlich und andere als normal, selbstverständlich, typisch und verbindlich angesehen werden. Eigenes und fremdes Verhalten wird auf der Grundlage dieser Kulturstandards beurteilt und reguliert.“ (Thomas, 1993, S. 380f.). Nach erfolgreicher Sozialisation ist sie internalisiert, auf deren Basis eigenes und fremdes Verhalten beurteilt und reguliert wird (vgl. ebd., S. 381).

Diese ausgewählten Definitionen und Erklärungsansätze haben folgende Aspekte gemeinsam, die im Allgemeinen mit dem Konzept Kultur in Verbindung stehen:

1. Kultur ist ein System von Werten und sozialen Normen (Regeln und Richtlinien, die das Verhalten bestimmen), welches in einer Gemeinschaft oder einer Gruppe von Personen geteilt wird.
2. Kultur ist nicht angeboren, sondern erlernt. In anderen Worten wird Kulturverstehen nicht ererbt, sondern muss während der Sozialisation erworben werden.
3. Kultur wird geteilt, kommuniziert und übertragen von Mitgliedern eines sozialen Systems und definiert die Grenzen zwischen verschiedenen Gruppen.
4. Es gibt unterschiedliche Facetten von Kultur, die miteinander in Beziehung stehen.
5. Kultur stellt ein Wert- und Orientierungsmuster für unser Denken, Fühlen, Werten und Handeln dar.
6. Kultur ist maßgebend für unser Verhalten und unsere Wahrnehmung der Welt, die zum großen Teil unbewusst geschieht und als selbstverständlich angenommen wird.
7. Kultur beeinflusst stark unsere Identität und unterliegt ständigem Wandel.

Nachdem die Klärung des Begriffes Kultur einen umfangreichen Raum einnahm, bleibt noch zu erläutern, was unter dem Begriff Nationalkultur zu verstehen ist. Thomas (2003) versteht darunter „die Kultur, die eine große Anzahl von Menschen, die einer Nation per Geburt angehören oder sich ihr zugehörig fühlen, im Verlauf ihrer Geschichte entwickelt haben und als für sie verbindlich und daseinsbestimmend definieren.“ (S. 33) Die Nationalkultur stellt eine Art kollektives Bewusstsein der Bevölkerung dar: tradierte Werte, Normen, Verhaltensregeln (Sitte, Gesetz, Brauch) und ethisch-moralische Überzeugungssysteme (Religion) sowie die daraus abgeleiteten Welt- und Menschenbilder (vgl. ebd.) Bestimmte zentrale, wertbehaftete Ziele eines Individuums (z.B. Selbstverwirklichung) können nur in einer solchen Nationalkultur verwirklicht werden, die diese Ziele auch zulässt. Dabei sind Nationalkulturen keine starren Gebilde, sondern befinden sich in einem ständigen Entwicklungsfluss. Als ein Beispiel zu nennen ist die Veränderung der Geschlechterrollen.

2.2.2 Differenzierende Kulturmodelle

Verschiedene Autoren haben nun versucht, eine Unterscheidung von Teilen des Konzepts Kultur analytisch aufzustellen. Adler (2002) beschreibt einen zirkulären Zusammenhang zwischen Werten, Einstellungen, Verhalten und Kultur (S. 17). In Anlehnung an den Schweizer Linguisten de Saussure, der Sprache als ein Zwei-Ebenen-System (parole – das Sprechen, langue – die Grammatik) betrachtet, teilt Lévi-Strauss (1972) auch Kultur in zwei Ebenen ein: die Oberflächen- und die Tiefenebene. Laut dieser Betrachtungsweise besteht die Oberflächenebene einer Kultur aus Artefakten, sozialen Institutionen, gemeinsamen Werten und Gedankenkonzeptionen. Auf der Tiefenebene einer jeden Kultur gibt es fundamentale Annahmen und Werte, welche die Selbstidentität einer gegebenen Kultur definieren. Diese Annahmen und Werte werden in den Phänomenen der Oberflächenebene einer Kultur reflektiert (z.B. in Form von Zeichen). In anderen Worten entsprechen die Tiefenebene einer „kulturellen Grammatik“ und die Oberflächenebene der Art des „Sprechens“ einer bestimmten Kultur. Dieser Ansatz erinnert auch an die Analogie eines Eisberges mit seinen beiden Schichten: die sichtbare, kleinere und die unsichtbare, größere Ebene.

Bei Schein (1990) findet sich eine ähnliche Unterscheidung wieder, die er als einen hierarchischen Aufbau aus diesmal drei Ebenen darstellt (siehe Abbildung 3 - links). Auf der obersten Ebene zeigt sich Kultur in Symbolen in Form von Sprache, Ritualen, Kleidung und Umgangsformen, die zwar sichtbar, aber offen für Interpretationen sind. Auf einer mittleren Ebene ordnet er Normen und Standards ein, die aus Maximen, Richtlinien und Verboten bestehen. Diese Ebene ist für den Betrachter nur z.T. sichtbar, zum anderen Teil eher unbewusst. Den Kern bilden Basisannahmen (basic assumptions), die unsichtbar und unbewusst sind. Eine ähnliche Unterscheidung nimmt Hofstede (1991) vor, wenn er kulturelle Phänomene in vier Kategorien gruppiert: Symbole, Helden/Vorbilder, Rituale sowie Werte. Symbole sind dabei Dinge (Zeichen, Bilder, Objekte etc.), deren Bedeutungen den Mitgliedern einer Kultur bekannt sind. Helden/Vorbilder sind Personen (lebende, historische, fiktive), die in einer Kultur besonders angesehen sind. Vorbilder können zu Trendsettern werden, Dinge, die sie kennzeichnen, können sich zu Symbolen für eine ganze Gruppe entwickeln. Rituale sind konventionalisierte Verhaltensmuster, die in bestimmten Situationen ablaufen (z.B. Begrüßung, Smalltalk etc.). Üblicherweise sind sie redundante Praktiken, die keine spezifischen, originalen Botschaften tragen. Werte bilden die innerste Schicht des Modells (auf Grund der verschiedenen Schichten auch „Zwiebeldiagramm“ genannt). Werte sind im Gegensatz zu den Praktiken nicht direkt sichtbar, werden aber von den (meisten) Mitgliedern einer Kultur geteilt. Werte manifestieren sich als Neigung, bestimmte Dinge anderen vorzuziehen. Folgende Abbildung (rechts) veranschaulicht das Zwiebeldiagramm von Hofstede.

Abbildung 3: Drei Ebenen der Kultur nach Schein (1990; Übersetzung und Ergänzung von Stahl, 1998, S. 38) sowie das „Zwiebeldiagramm“ nach Hofstede (1991)

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Quelle: Eigene Darstellung.

Sowohl die Basisannahmen im Modell von Schein als auch die innerste Schicht bei Hofstede beziehen sich auf fundamentale Wertorientierungen und verdeutlichen, dass das Wertesystem einer Person einen Schlüsselbegriff in der Auseinandersetzung mit Kultur darstellt. Eine genauere Definition des Begriffes liefert Hofstede (1980), wenn darunter die breit angelegte Tendenz verstanden wird „to prefer certain states of affairs over others.“ (S. 19) Wie viele andere Autoren greift er auf Kluckhohn&Strodtbeck (1961, zitiert in Adler, 2002, S. 18) zurück, die Werte als explizite oder implizite, für ein Individuum oder eine Gruppe charakteristische Konzeption des Wünschenswerten definieren, welche die Auswahl unter den verfügbaren Handlungsarten, -mitteln und –zielen beeinflusst. Kulturelle Werte repräsentieren implizit oder explizit geteilte abstrakte Ideen darüber, was gut, richtig und wünschenswert in einer Gesellschaft ist (Schwartz, 1999, S. 25). Dabei ist die Frage zu stellen, welche Werte universelle Gültigkeit haben, d.h. allen Menschen gemeinsam sind, und welche nur von bestimmten Gruppen geteilt werden, d.h. kulturspezifisch sind. Menschen werden nicht nur von ihrer Kultur bestimmt, sondern auch von ihrer Persönlichkeit und von allgemein menschlichen Instinkten. Ähnlich zu Schein (1990) unterscheidet Hofstede (1980) drei Ebenen der Entwicklung von persönlicher Kultur: (1) Eine universelle, originär menschliche Ebene, (2) eine gruppen- oder kategoriespezifische, erlernte Ebene sowie (3) eine individuelle, sowohl erlernte als auch vererbte Ebene (siehe Abbildung 4).

Abbildung 4: Entwicklung von persönlicher Kultur (in Anlehnung an Hofstede, 1980)

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Quelle: Eigene Darstellung.

Ein Großteil der theoretischen Auseinandersetzungen und empirischen Arbeiten legen die Nationalkultur als Kulturbegriff zu Grunde (vs. multiple Kulturen). Grundsätzlich geht es bei der Definition von Kultur nicht streng um Nationen, sondern um Kategorien oder Gruppen von Menschen. Hofstede (2001, S. 12) unterscheidet dabei folgende Schichten einer Kultur: neben der nationalen auch regionale, ethnische, religiöse oder sprachliche Zugehörigkeiten sowie Geschlecht, Generation, soziale Klasse, Mitarbeiter eines Unternehmens, ausgeübter Beruf oder auch nur Teile der Gruppierungen in Form von Subkulturen. Dennoch besitzt die Nationalkultur eine besondere Bedeutung, und es ist legitim, auf die Kultur nationaler Gruppen zu fokussieren. Zur Klassifizierung ist die Nationalität ein brauchbares Kriterium (Hofstede, 2001; Schwartz, 1999) und wird deshalb auch in dieser Arbeit angewendet, wenn die Nationalität der Teammitglieder bei der interkulturellen Zusammenarbeit als wichtigste Analysegrundlage dient.

2.3 Kulturvergleichende Forschung

Die kulturvergleichende Forschung beschäftigt sich mit Fragen wie nach der universellen Charakteristika von Menschen, kennzeichnenden Merkmalen für kulturelle Gruppen sowie der individuellen Einzigartigkeit und vergleicht und analysiert dabei systematisch den Einfluss von Kultur auf das menschliche Verhalten (vgl. Podsiadlowski, 2002, S. 40). Bezogen auf den Kontext in Organisationen nennt Adler (2002, S. 11ff.) folgende Aufgaben des Cross-cultural Management (kulturvergleichendes Management):

- Beschreibung des Verhaltens in Organisationen in Ländern und Kulturen,
- Vergleich des Verhaltens in Organisationen über die Länder und Kulturen hinaus,
- Versuch, die Interaktion von Mitarbeitern, Kunden, Lieferanten und Allianz-Partnern aus verschiedenen Ländern und Kulturen zu verstehen und zu verbessern.

Die kulturvergleichende Psychologie beschreibt und analysiert zum einen psychologisch relevante Unterschiede im Verhalten und Erleben von Menschen aus unterschiedlichen Kulturen, zum anderen überprüft sie die universelle bzw. kulturspezifische Gültigkeit psychologischer Hypothesen sowie Theorien und schließlich analysiert und identifiziert sie die kulturellen Grundlagen psychischer Prozesse (vgl. Thomas, 1996, S. 108f.).

Kulturdimensionen

Wesentliches Ergebnis der kulturvergleichenden (Management-)Forschung und Psychologie sind Kulturdimensionen, die universell für Menschen und speziell im organisationalen Kontext relevant sind. Die verschiedenen Konzepte zur Beschreibung und Kategorisierung von Nationen dienen der Einteilung und dem besseren Verständnis. Sie sind kategorisierend und vereinfachend, aber ein analytisches Instrumentarium zur Erklärung von nationalen Unterschieden. Die im Folgenden dargestellten Konzepte sollten die Unterschiede bezüglich Normen und Werthaltungen zwischen Nationen aufzeigen, auf Grund der Vielzahl der in der Literatur beschriebenen Modelle besteht kein Anspruch auf Vollständigkeit.

2.3.1 Kulturdimensionen nach KLUCKHOHN&STRODTBECK

In einer der ersten Studien, bei der Kulturunterschiede mit Hilfe von Dimensionen analysiert und dargestellt wurden, gingen Kluckhohn/Strodtbeck statt von Werten von Grundannahmen über die menschliche Existenz als das zu analysierende Objekt im Zentrum ihrer Betrachtung aus. Auf dieser Basis formulierten die Forscher fünf Dimensionen von Grundannahmen (siehe Abbildung 5).

Abbildung 5: Kulturdimensionen nach Kluckhohn&Strodtbeck

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Quelle: Eigene Darstellung. In Anlehnung an Kluckhohn/Strodtbeck, 1961, S. 12

(1) Human Nature Orientation

Im Rahmen dieser Dimension identifizierten Kluckhohn/Strodtbeck die Möglichkeit einer statischen und einer dynamischen Sichtweise. Kulturen können so aus statischer Sicht unterschieden werden, in denen der Mensch als prinzipiell gut (Vertrauensgesellschaften) bzw. prinzipiell schlecht (Misstrauensgesellschaften) oder in einer mittleren Kategorie als teilweise gut und böse verstanden wird. Aus dynamischer Sicht werden Kulturen hinsichtlich ihrer Annahme über die Veränderlichkeit des menschlichen Wesens mit der Zeit unterschieden.

(2) Man – Nature Orientation

Hier werden drei Grundannahmen der Anpassung des Menschen an die Natur, einer harmonischen Beziehung zur Natur sowie der Herrschaft des Menschen über die Natur unterschieden.

(3) Relational Orientation

Es wird zwischen individualistischen und kollektivistischen Kulturen unterschieden. Eine weitere Untergliederung des kollektivistischen Pols umfasst eine hierarchische („lineality“) und gleichberechtigte („collaterality“) Ausprägung. Hierarchische Gruppen zeichnen sich durch Stabilität und Kontinuität, gleichberechtigte Gruppen hingegen durch Veränderbarkeit im Zeitablauf aus.

(4) Time Orientation

Hier wird zwischen vergangenheitsorientierten, gegenwartsorientierten und zukunftsorientierten Kulturen unterschieden.

(5) Activity Orientation

In der letzten Dimension werden kulturelle Unterschiede dahin gehend postuliert, welcher der drei Ausprägungen Sein, Werden und Tun eine Kultur die größte Bedeutung einräumt.

2.3.2 Kulturdimensionen nach Hall

Hall (1966, 1981) unterscheidet die Beziehung zu Raum und Zeit sowie besonders zwischen Kommunikation mit hohem Kontextbezug („high context“) und Kommunikation mit niedrigem Kontextbezug („low context“).

Die Raumvorstellung beinhaltet die räumlichen Bedürfnisse des Individuums und seiner Interaktion mit dem ihn umgebenden Raum (Distanzbedürfnis). Dies äußert sich beispielsweise in der territorialen Eingrenzung der Privatsphäre oder in der räumlichen Einteilung am Arbeitsplatz. Der Abstand zum Gesprächspartner spielt eine besonders wichtige Rolle bei der mündlichen Kommunikation (Proxemik) und ist ebenfalls kulturell determiniert.

Auch die Einstellung zu der Zeit ist kulturell bedingt und kann monochron oder polychron sein. Die monochrone Herangehensweise ist durch eine aufeinander folgende Entwicklung von Aktivitäten gekennzeichnet, die Dauer der Aktivität hängt von der für sie zur Verfügung stehenden Zeit ab. Dies resultiert in Planung und begrenzter Flexibilität. Mit einer polychronen Einstellung können eine Anzahl von Aktivitäten parallel durchgeführt werden. Die zur Verfügung gestellte Zeit hängt von der Dauer der Aktivität ab. Gemäß Hall gelten die USA und viele mitteleuropäische Kulturen (germanische, skandinavische) als monochron, während lateinamerikanische, arabische und mediterrane Kulturen als eher polychron bezeichnet werden können.

Kommunikation mit hohem Kontextbezug setzt eine substantielle Menge gemeinsamen Hintergrundwissens voraus. Sie ist ökonomisch, schnell und effizient, aber nur unter der Bedingung, dass die Gesprächsteilnehmer tatsächlich ein gemeinsames Hintergrundwissen besitzen. In Kulturen mit hoher Kontextabhängigkeit ist die Kommunikation indirekt und implizit; Intonation, Mimik und Gesten müssen mit in Betracht gezogen werden. In Kulturen mit niedrigem Kontextbezug ist der Kommunikationsstil direkt und explizit, der für eine Interpretation zugelassene Raum ist begrenzt. Daraus folgt auch, dass es weniger Notwendigkeiten für die Fähigkeit des Adressaten zum Interpretieren gibt.

In einer vierten Dimension sprechen Hall/Hall (1990) die unterschiedlichen Geschwindigkeiten an, mit denen Informationen in Kommunikationssituationen kodiert und dekodiert werden. „In the United States it is not to difficult to get to know people quickly in a relatively superficial way, which is all that most Americans want. Conversely, in Europe personal relationships and friendships are highly valued and tend to take a long time to solidify.” (Hall/Hall, 1990, S. 12)

Hall erhebt nicht den Anspruch, dass er mit seinen vier Dimensionen alle kulturellen Unterschiede erfasst. Seine Kulturdimensionen sind daher als generelle Orientierungen zu verstehen. Er weist selbst darauf hin, dass neben den kulturellen Differenzen auch individuelle existieren. Es bleibt auch festzustellen, dass die Dimensionen nicht unabhängig voneinander sind. So geht eine Low-context-Orientierung häufig nicht nur mit einer monochronen Zeitauffassung, sondern auch mit einer Vorliebe für hohe Informationsgeschwindigkeit einher.

2.3.3 Kulturdimensionen nach Hofstede

Geert Hofstede ist der am häufigsten zitierte Experte auf dem Gebiet interkultureller Vergleiche, seine Ergebnisse stellen für weitere, insbesondere quantitative Untersuchungen oftmals den Ausgangspunkt dar. Er untersuchte als Organisationspsychologe den Einfluss nationaler Kultur auf die Organisationskultur. Hierfür befragte Hofstede in einem Zeitraum von 1968-1972 rund 117.000 Mitarbeiter des IBM-Konzerns in 72 Ländern mit Hilfe standardisierter Fragebögen mit 100 einheitlichen Fragen. War diese Befragung zunächst nur für konzerninterne Zwecke gedacht, so entschloss sich Hofstede nach der Datensammlung dazu, das Material als Grundlage für eine kulturvergleichende Untersuchung zu nutzen. Hierfür sprachen auch die Inhalte der abgefragten Items über persönliche Werte der Beschäftigten in Bezug auf die Arbeitssituation sowie deren persönlichen Einstellungen. Bei der Auswertung ergaben sich vier Grundproblembereiche des menschlichen Zusammenlebens für welche jede Kultur ihre eigenen Ausprägungen entwickelt hat und die bspw. auch die interkulturelle Zusammenarbeit in Teams entscheidend prägen. Aus diesen fundamentalen Aspekten entwickelten sich später auch die vier ursprünglichen Kulturdimensionen (siehe Abbildung 6):

- soziale Ungleichheit, einschließlich dem Verhältnis zur Autorität
- die Beziehungen zwischen dem Individuum und der Gruppe
- Vorstellungen von Maskulinität und Feminität: die sozialen Auswirkungen, als Junge oder Mädchen geboren zu sein
- die Art und Weise mit Ungewissheit umzugehen und zwar in Bezug auf die Kontrolle von Aggression und das Ausdrücken von Emotionen.

In den 80er Jahren erweiterte sich die Zahl der Dimensionen durch die Studie der „Chinese Culture Connection“ noch um eine weitere. Benannt wurde sie von Michael Bond unter Bezugnahme auf die Lehren von Konfuzius, nämlich die konfuzianischen Arbeitsdynamik (vgl. Hofstede, 2001, S. 230ff.).

Abbildung 6: Das 5-Dimensionen-Modell nach Hofstede (2001)

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Quelle: Eigene Darstellung.

Für jede Dimension wurde ein länderspezifischer Wert zwischen Null und Einhundert ermittelt, so dass sich alle Länder entsprechend ihren Ausprägungen innerhalb der fünf Dimensionen gruppieren lassen. Die Daten erlauben es, die Nationen aufgrund der festgestellten Werte der einzelnen Dimensionen sowie durch Kombination derselben in verschiedene Kulturkreise einzuordnen, woraus sich wichtige Folgerungen für verschiedenste Teilbereiche der Unternehmensführung ableiten lassen.

Stärkster Kritikpunkt an der Studie ist die Beschränkung auf den IBM-Konzern, der auch schon in den 60er und 70er Jahren über eine sehr ausgeprägte eigene Unternehmenskultur verfügte, die sich von den jeweiligen Landeskulturen sehr stark unterschied und demnach die Übertragung auf die jeweilige Nationalkultur eine nur bedingte Aussagekraft besitzt. Zudem kam es bei Folgeuntersuchungen teilweise zu starken Abweichungen und durch die Anwendung standardisierter Fragebögen konnten unbewusste Symbolsysteme und Kulturausprägungen nur unzureichend verarbeitet werden. Auch hat Hofstede die wirtschaftlichen Bedingungen nicht ausreichend berücksichtigt, die gerade bei der Wirkung z.B. maskulin-materieller Anreize in Ländern mit einem geringen Einkommensniveau und schwacher Fürsorge stärker wirken als in Staaten mit einem hohen Einkommensniveau und einer starken sozialen Absicherung. Problematisch erscheinen auch die identifizierten Dimensionen, weil sie häufig eine mangelnde Trennschärfe aufweisen. Schließlich bleibt noch festzuhalten, dass seit der Durchführung der Studie mehr als 30 Jahre vergangen sind und es zu vermuten ist, dass viele Länder und Kulturen in dieser Zeit einen erheblichen kulturellen Wertewandel erlebt haben (z.B. in den Ländern des ehem. Warschauer Pakts).

2.3.4 Kulturdimensionen nach Trompenaars

Jede Kultur unterscheidet sich von einer anderen durch die spezifische Art, wie sie mit gewissen Problemen umgeht. Trompenaars (1993) betrachtet diese Probleme unter drei Aspekten: solche, die aus der Beziehung zu anderen Menschen entstehen; solche, die vom Verlauf der Zeit herrühren; und solche, die aus Umwelt und Umgebung erwachsen. Dabei teilt Trompenaars die erste Kategorie in weitere fünf Unterkategorien.

Menschliche Beziehungen

Es gibt alles in allem fünf Orientierungen in der Art, wie Menschen miteinander umgehen.

Universalismus vs. Partikularismus

(Verpflichtung gegenüber Regeln vs. Verpflichtung gegenüber Personen)

In universalistischen Kulturen werden allgemeingültige Gesetze und Regeln für wichtiger gehalten als situations- oder personenabhängige Ausnahmen von der Regel. Die Gewichtung von Beziehungen und Freundschaften verblasst, wenn allgemeine Gesetze ihre Gültigkeit einfordern. In partikularistischen Kulturen wird mehr Aufmerksamkeit auf die sich aus menschlichen Beziehungen ergebenden Verpflichtungen und die jeweils besonderen Umstände gewandt. Abstrakten Sozialkode wird weniger Gehalt beigemessen.

Individualismus vs. Kollektivismus

(Selbstverwirklichung vs. Abhängigkeit von der Gemeinschaft)

In individualistischen Kulturen hat das Individuum einen eigenen Stellenwert, während es in kollektivistischen Kulturen zuerst in seiner Beziehung zur Gruppe wahrgenommen wird. Während in individualistischen Kulturen die Selbstidentifikation über die eigenen Leistungen (Persönlichkeit, Beruf, Ausbildung etc.) erfolgt, definiert sich das Individuum in kollektivistischen Kulturen über seine Zugehörigkeit zur Gruppe und denkt immer zunächst an das Kollektiv als sich auf den Einzelnen zu konzentrieren.

Neutralität vs. Affektivität

( Kontrolle vs. Zeigen von Emotionen)

Neutrale Kulturen sind emotional distanziert gegenüber wichtigen Themen, hier haben Geschäftsbeziehungen einen typisch instrumentellen Charakter und dienen vor allem der Erreichung von Zielen. Der Verstand kontrolliert die Gefühle, die für Störfaktoren gehalten werden. In emotionalen Kulturen wird der Ausdruck von Gefühlen toleriert.

Spezifität vs. Diffusität

(zielgerichteter und direkter vs. umfeld- und beziehungsorientierter Umgang)

Spezifische Kulturen trennen das Geschäftliche und das Öffentliche. In diffus-orientierten Kulturen vermischen Geschäft und Öffentlichkeit.

Statuserreichung vs. Statuszuschreibung

(Anerkennung durch erbrachte Leistung vs. durch zugeschriebenen Status)

Leistungsstatus bedeutet die Beurteilung nach den jüngst erbrachten Leistungen und Erfolgen. Ansehen bedeutet den Status, der durch Geburt, Verwandtschaft, Geschlecht und Alter, auch durch Verbindungen und Beziehungen sowie durch Ausbildung erworben wird.

Zeitverständnis

Die Art, wie Gesellschaften Zeit bewerten, ist ebenfalls unterschiedlich. In einigen Kulturen ist es nicht so wichtig, was jemand in der Vergangenheit erreicht hat, sondern welche Zukunftspläne er entwickelt. In anderen Kulturen macht ein anderer mehr Eindruck mit seinen in der Vergangenheit bereits erzielten Erfolgen als mit den momentanen Leistungen. In manchen Kulturen wird Zeit als ein geradliniger Verlauf angesehen, eine Abfolge von unterschiedlichen Ergebnissen. Andere Kulturen verstehen Zeit mehr als einen Kreislauf, der Vergangenheit, Gegenwart und die Möglichkeiten der Zukunft umschließt. Das bedeutet beträchtliche Unterschiede für Planung, Strategie und Investitionen. Trompenaars knüpft hier eng an Halls Einteilung von monochronen und polychronen Zeitorientierungen an.

Beziehungen zur Umwelt/Natur

Auch die Einstellung zur Umwelt ist ein Sachverhalt, bei dem sich starke kulturelle Unterschiede zeigen. Für einige Kulturen ist das persönliche Leben der Maßstab und das Individuum ist die Quelle aller Fehler und Tugenden. Motivation und Wertvorstellungen kommen von innen heraus. Andere Kulturen betrachten die Welt als viel stärker als die Einzelpersönlichkeit. Natur ist etwas, was gefürchtet oder nachgeeifert wird.

Ähnlich wie bei Hofstede bestehen auch bei Trompenaars Zweifel, ob nicht durch die Auswahl der Befragten (Teilnehmer an Managementtrainings) eine Verzerrung der Ergebnisse entsteht. So könnte es sich etwa um Personen handeln, die sich bereits durch ein hohes interkulturelles Bewusstsein auszeichnen. Die Art und Weise der Identifizierung der sieben Dimensionen ist nicht ganz eindeutig. Im Gegensatz zu Hofstede berücksichtigt Trompenaars bei seiner Studie aber von Anfang an auch die Länder Mittel- und Osteuropas.

2.3.5 Kulturgliederung nach Pinto

Pinto (1999) versucht, seine Kultureinstufung an tieferliegenden Unterschieden in Wertesystemen zwischen Kulturkreisen festzumachen. Mit der Unterscheidung zwischen „modernen und traditionellen“ bzw. „westlichen und nicht-westlichen“ Kulturen findet Pinto ein Interpretationsmuster, womit viele interkulturelle Missverständnisse erklärt werden sollen. Die Kategorisierung trennt zwischen fein-gegliederten (F-Kultur) und grob-gegliederten (G-Kultur) Kulturen: In F-Kulturen werden für alle Situationen detaillierte Verhaltensregeln definiert, der Verhaltensspielraum für das Individuum ist sehr eingeschränkt. Dagegen sind die Verhaltensstandards in G-Kulturen eher grob gegliedert, d.h. das Individuum hat die Freiheit, die allgemeinen Regeln selbst in Verhaltensregeln für konkrete Situationen umzusetzen (vgl. Blom/Meier, 2002, S. 67). Diese Zweiteilung weist zum einen Ähnlichkeiten zur Differenzierung nach Hofstede in individualistische bzw. kollektivistische Kulturen auf (siehe oben). Zum anderen lässt sich mit Hall (siehe oben) festhalten, dass Pintos G-Kulturen low-context-orientiert und die F-Kulturen in Kommunikationssituationen eher high-context-orientiert sind.

Jede Kultur rangiert irgendwo auf der Skala zwischen den beiden G- und F-Extremen. Eine typische Mischform nach Pinto ist die lateinamerikanische Kultur. Kulturen bestehen immer aus unterschiedlichen Subkulturen, die regional- oder sozial-ökonomisch geprägt sind. So gibt es bspw. in Deutschland das Ost-West-, das Nord-Süd- und das Stadt-Land-Gefälle mit entsprechenden Kulturunterschieden. Folgende Abbildung zeigt wichtige Unterschiede von F- und G-Kulturen.

Abbildung 7: wichtige Unterschiede zwischen F- und G-Kulturen (Pinto, 1999, S. 70ff.)

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Quelle: Eigene Darstellung (nach Blom/Meier, 2002, S. 68)

2.3.6 Kulturdimensionen nach Demorgon

Ein weiterer Autor, der sich der Kategorisierung von Kulturen gewidmet und der die kulturellen Dimensionen als ein Spektrum von möglichen Verhaltensweisen festgelegt hat, ist der französische Wissenschaftler Jacques Demorgon (1989). Im Folgenden seien die wichtigsten seiner umfangreichen kulturellen Dimensionen kurz erläutert (vgl. Demorgon/Molz, 1996).

Die Organisation des Handelns bezieht sich auf das simultane Handeln, wenn versucht wird, mehrere Aufgaben auf einmal zu lösen und das konsekutive Handeln, wenn sich ausschließlich jeweils nur einer Aufgabe gewidmet wird. Die kulturelle Dimension Aufmerksamkeit unterscheidet zwischen konzentrierter Aufmerksamkeit, die sich auf wenige Sachen, jedoch genau und intensiv konzentriert, und der zerstreuten Aufmerksamkeit, wenn der Beobachter mehrere Aspekte einer Situation wahrnimmt. Hinsichtlich der Kommunikation gibt es nach Demorgon zwei Bereiche: Art und Inhalt. Die Art der Kommunikation sieht zwei Gegenpole, nämlich die explizite und implizite Kommunikation vor, während der Inhalt der Kommunikation sich in objektive und subjektive Äußerungsarten gliedert. Im Gegenteil zur objektiven Äußerungsart steht der Sprecher bei der subjektiven im Mittelpunkt und bildet den Hauptinhalt der Kommunikation, indem er seine eigenen Meinungen und Ansichten vermittelt. Die Kulturdimension Motivation unterscheidet zwischen Orientierung auf Menschen und Orientierung auf die Aufgabe. Bei der einen existiert bei der Erfüllung einer bestimmten Aufgabe ein Zusammenhang mit den daran beteiligten Personen, bei der anderen wird das Individuum allein durch die Aufgabe/Tatsache motiviert. Die Kulturdimension Autorität unterscheidet wiederum eine äußere und eine innere Autorität. Äußere Autorität bedeutet, dass eine von außen bestimmte Person existiert, die auf die Aufgabenerfüllung Acht gibt. Bei der inneren gibt es dagegen keine Einmischung bei der Aufgabenbewältigung von außen. Eng mit der Autorität hängt die Dimension Verantwortlichkeit zusammen: Hier stehen sich Allein-Bestimmung und Mitbestimmung gegenüber. Bei der Allein-Bestimmung entscheiden verantwortliche Personen selbst und setzen ihre Entscheidung auch durch. Bei der Mitbestimmung beziehen die verantwortlichen Personen auch die Betroffenen ein. Auf die Verantwortlichkeit folgt die eigentliche Entscheidung. Bei Meinungsverschiedenheiten können entweder Entscheidungen im Dissens oder im Konsens, d.h. es werden die Meinungen unterstützt, die einen Kompromiss ermöglichen, getroffen werden. Schließlich sei an dieser Stelle noch die Kulturdimension Einstellung zur Organisation erwähnt. Das Individuum hat danach entweder eine positive oder eine negative Einstellung zur Organisation, die sich in einer positiven oder negativen Bewertung der Institutionen ausdrückt (vgl. Nový/Schroll-Machl, 2005).

2.3.7 Kulturdimensionen nach Adler

Adler (2002) beschreibt die Einstellungen hinsichtlich Wertorientierungen innerhalb Kulturen zu sechs Themen. Die erste Dimension lautet „How people see themselves“ (Wie Menschen sich selbst auffassen) und beschäftigt sich damit, dass in verschiedenen Kulturen der Mensch eher als grundsätzlich böse oder eher als grundsätzlich gut verstanden wird. Diese Beurteilung beeinflusst das Handeln, so sind bspw. Gesellschaften, in denen der Mensch ‚gut’ ist, durch ein höheres gegenseitiges Vertrauen geprägt. Die zweite Dimension „People’s relationship to their world“ (Die Beziehung zur Umwelt) behandelt den Umstand, ob die Menschen Herrscher über die Natur sind, oder sie ihr ausgeliefert sind oder mit ihr in Harmonie leben. Diese Dimension nimmt Einfluss darauf, wie Organisationen z.B. mit ihrer Umwelt umgehen, ob sie diese als stabil und vorhersehbar oder aber als chaotisch, turbulent und unvorhersehbar betrachten (vgl. ebd. S. 25). Auch Adler zeigt in ihrer dritten Dimension die Unterschiede zwischen Individualismus und Kollektivismus, welche weiter oben schon diskutiert wurden. Eine weitere Dimension wird als „Activity: Doing or being“ (Aktivität: Sein oder Tun) bezeichnet. In Gesellschaften wie der nordamerikanischen steht das ‚Tun’ im Vordergrund. So existieren hier bspw. Standards zur Messung von Leistungen, deren Erreichung für die Mitglieder der Kultur von Bedeutung ist. In Gesellschaften, in denen das ‚Sein’ im Vordergrund steht, ist die momentan vorhandene Situation wichtiger und nicht zukünftig mögliche Belohnungen. Der ‚Macher’ möchte Leistungen im Leben vollbringen, während der ‚Sein-Orientierte’ das Leben erleben möchte (vgl. ebd. S. 30f.). Die Einstellung zur Zeit umschreibt die nächste Dimension („Time: Past, present, or future“). Auch hierzu ist in den obigen Abschnitten schon einiges geschrieben wurden. Dabei spielt auch eine Rolle, ob die Kulturen eher vergangenheits- oder zukunftsorientiert sind. Bspw. ist den Europäern das historische Erbe wichtiger als den Amerikanern, die zukunftsorientiert denken (vgl. ebd. 32f.). Schließlich beschäftigt sich die sechste Dimension mit dem öffentlichen und privaten Raum („Space: Public or private) und solchen Problemstellungen wie welche Räumlichkeiten sind privat oder öffentlich, wann und wo muss geklopft werden, bevor eingetreten werden kann.

2.3.8 Kulturdimensionen nach Schwartz

In seiner Theorie der kulturellen Werte geht Schwartz (1999) von drei grundlegenden Themen aus, mit denen alle Gesellschaften konfrontiert sind: 1) die Beziehung zwischen der einzelnen Person und der Gruppe, 2) die Notwendigkeit verantwortlichen Verhaltens zum Bewahren der sozialen Struktur und 3) die Beziehung zwischen natürlicher und sozialer Welt. Auf dieser Basis leitet er sieben Wertetypen ab, anhand derer Kulturen untereinander verglichen werden können und deren Abhängigkeiten voneinander in eine Wertestruktur eingeordnet sind.

1. Beziehung zwischen dem Einzelnen und der Gruppe
a) Konservatismus („Conservatism“): Die soziale Ordnung und die Bezugsgruppe stehen im Vordergrund, wobei das Beibehalten des Status Quo oberste Priorität hat.
b) Intellektuelle Autonomie („Intellectual Autonomy“): Als Gegenpol zum Konservatismus wird die Person als autonom und einzigartig verstanden, hier in Bezug auf ihre Gedanken und Ideen.
c) Affektive Autonomie („Affective Autonomy“): Als Gegenpol zum Konservatismus wird die Person als autonom und einzigartig verstanden, hier in Bezug auf ihre affektiven positiven Erfahrungen.

2. Bewahren der sozialen Struktur
d) Hierarchie („Hierarchy“): Die Verantwortlichkeiten werden durch Machtpositionen bestimmt, Machtunterschiede werden durch Berufung auf ihre Legitimität bewahrt.
e) Egalitarismus („Egalitarianism“): Als Gegenpol zur Hierarchie basiert das Handeln innerhalb der sozialen Struktur auf Freiwilligkeit, Verantwortung und Gleichheit.

3. Beziehung zwischen natürlicher und sozialer Welt
f) Herrschaft („Mastery“): Der Mensch wird als dominant verstanden, Vorwärtskommen gelingt durch Wettbewerb und aktive Selbstbehauptung.
g) Harmonie („Harmony“): Im Gegensatz zur Dominanz ist hier das Ziel, sich harmonisch in die Umwelt einzufügen, sie zu schätzen und zu bewahren.

2.3.9 Kulturdimensionen nach der GLOBE-Studie

Das zwischen 1993 und 2004 durchgeführte Projekt GLOBE (Global Leadership and Organizational Behavior Effectiveness) analysierte Einflüsse der Kultur auf Führungsstile und Unternehmensabläufe sowie deren Effektivität. In das Projekt waren über 170 Wissenschaftler aus 62 Kulturen („societies“) involviert. Laut dem Institut für interkulturelles Management (IFIM 2003, S. 5) war es unter anderem auch das Ziel dieses Projektes, die Resultate von Hofstede auf ihre Aktualität zu prüfen und zu modifizieren sowie bisherige Schwachstellen zu reduzieren. Die Analysen dieser Dimensionen stützten sich sowohl auf quantitative als auch auf qualitative Instrumente. Die quantitativen Erhebungen per Fragebogen wurden auf doppeltem Wege durchgeführt. Dabei wurde zum einen nach dem aktuellen Zustand („as is“) und zum anderen nach einem gewünschten zukünftigen Zustand („should be“) gefragt. Die Fragebögen wurden von 17.000 Respondenten des mittleren Managements in 825 Unternehmen aus 62 verschiedenen Ländern beantwortet. Die Testpersonen waren dabei in den drei Industriezweigen Lebensmittelverarbeitung, Finanzdienstleistungen und Telekommunikation beschäftigt.

Im Rahmen der GLOBE-Studie wurden neun Kulturdimensionen identifiziert. Dabei wurden drei direkt von Hofstede (2001) übernommen (Machtdistanz, Unsicherheitsvermeidung, Zukunftsorientierung), zwei seiner Dimensionen wurden in jeweils zwei verschiedene aufgespaltet (Maskulinität: Gender Egalitarianism und Assertiveness; Individualismus vs. Kollektivismus: Institutional Collectivism und In-Group Collectivism) und zwei Dimensionen kamen komplett neu hinzu (Performance Orientation, Humane Orientation):

(1) Performance Orientation

Diese leistungsorientierte Dimension bemisst den Wert einer Gesellschaft für besondere Leistungen und Leistungssteigerungen sowie das Ausmaß, diese zu fördern und zu belohnen. „Performance Orientation“ reflektiert „the extent to which a community encourages and rewards innovation, high standards, and performance improvement.“ (Javidan, 2004, S. 239)

(2) Future Orientation

Diese Dimension spiegelt das Ausmaß einer Gesellschaft wider, zukunftsorientiert zu denken und zu handeln. „Cultural future orientation is the degree to which a collectivity encourages and rewards future-oriented behaviors such as planning and delaying gratification.“ (Ashkanasy et al., 2004, S. 282)

(3) Gender Egalitarianism

Die dritte Dimension reflektiert die Bemühungen einer Gesellschaft, Unterschiede zwischen Geschlechtern auszuräumen. „Gender Egalitarianism is the extent to which an organization or society minimizes gender role differences.“ (Emrich et al., 2004, S. 343)

(4) Assertiveness

Es wird das Ausmaß innerhalb einer Gesellschaft verdeutlicht, in zwischenmenschlichen Beziehungen anmaßend und aggressiv zu sein. Dies beinhaltet auch den Umstand, Meinungen oder Wünsche stark und mit Selbstbewusstsein auszudrücken, so dass die Leute davon Kenntnis nehmen. „…cultural assertiveness reflects beliefs as to whether people are or should be encouraged to be assertive, aggressive, and tough, or nonassertive, nonaggressive, and tender in social relationships.” (Hartog, 2004, S. 395)

(5) Collectivism I (Institutional Collectivism)

Diese Dimension spiegelt die Gemeinschaftsorientierung in Bezug auf die gesamte Gesellschaft wider. „Institutional (societal) collectivism reflects the degree to which organizational and institutional practices in the society encourage and reward collective distribution of resources and collective action.” (House, 2002, S. 5)

(6) Collectivism II (In-Group Collectivism)

Diese sechste Dimension misst die Loyalität gegenüber der Gruppe (wie Familie, Unternehmen). „In-Group Collectivism reflects the degree to which individuals express pride, loyality and cohesiveness in their organizations or families.” (ebd.)

(7) Power Distance

Machtdistanz misst den Akzeptanzgrad von ungleicher Machtverteilung. Diese Dimension reflektiert “the extent to which a community accepts and endorses authority, power differences, and status privileges.“ (Carl et al., 2004, S. 513)

(8) Humane Orientation

Diese Dimension reflektiert die Bedeutung, Förderung und Auszeichnung von Fairness, Freundlichkeit, Rücksichtsnahme. Dabei ist Humane Orientation „the degree to which individuals in organizations or societies encourage and reward individuals for being fair, altruistic, friendly, generous, caring, and kind to others.“ (House, 2002, S. 6)

(9) Uncertainty Avoidance

Diese letzte Dimension reflektiert das Ausmaß einer Gesellschaft, Unsicherheitssituationen durch Regeln, Riten etc. zu vermeiden. Sie umschreibt „the extent to which members of an organization or society strive to avoid uncertainty by reliance on social norms, rituals, and bureaucratic practices to alleviate the unpredictability of future events. (ebd., S. 5)

Mit Hilfe der Resultate des Modells wurden Ländercluster gebildet, in denen diejenigen Länder mit managementrelevanten Gemeinsamkeiten zusammengefasst werden (Gupta, 2004, S. 191), dabei konnte die Tschechische Republik auf Grund eigenartigen Antwortvoreingenommenheiten („pervasive response bias“) nicht in die Analyse mit einbezogen werden (ebd., S. 215):

- „Anglo Cultures“ (England, USA, Irland, Kanada, Neuseeland, Australien)
- „Latin Europe“ (Israel, Italien, Portugal, Spanien, Frankreich)
- „Nordic Europe“ ( Finnland, Schweden, Dänemark)
- „Germanic Europe“ (Österreich, Schweiz, Niederlande, Deutschland)
- „Eastern Europe“ (Ungarn, Russland, Polen, Griechenland, Slowenien, Albanien, ...)
- „Latin America“ (Brasilien, Argentinien, Mexiko, Kolumbien,...)
- „Arab Cultures“ (Marokko, Ägypten, Türkei, ...)
- “Southern Asia” (Indien, Malaysia, Thailand, Philippinen, ...)
- “Confucian Asia” (Japan, China, Hong Kong, Taiwan, Südkorea, ...)
- „Sub-Sahara Africa“ (Namibia, Nigeria, Simbabwe, ...).

Folgende Übersicht zeigt die Einteilung in den neun Kulturdimensionen ausgewählter Länder.

Abbildung 8: Ergebnisse ausgewählter Länder

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Quelle: Eigene Darstellung. In Anlehnung an House et al. (Hrsg.), 2004

Bei der Betrachtung des Clusters „Germanic Europe“, zu welchem in der GLOBE-Studie im Unterschied zu Hofstede (2001) auch die Niederlande gezählt wird, kann festgestellt werden, dass nach dem praktizierten Zustand („Practices“) die Dimensionen Uncertainty Avoidance, Power Distance, Assertiveness, Performance Orientation hoch und Future Orientation sowie Geschlechterungleichheit relativ hoch ausgeprägt sind. Eine relativ geringe Bedeutung erhalten die Dimensionen Collectivism (Institutional und In-Group), Geschlechtergleichheit sowie Humane Orientation im Germanic Cluster. Es fällt auch auf, dass es Unterschiede zwischen dem aktuellen und dem zukünftigen (gewünschten) Zustand („Values“) der Kultur gibt. Diese Unterschiede reflektieren eine mögliche Tendenz zu einer Veränderung in den Dimensionen Geschlechtergleichheit, Performance Orientation und Human Orientation (höhere Werte gewünscht) sowie Uncertainty Avoidance, Assertiveness und Future Orientation (niedrigere Werte gewünscht). Folgende Abbildung verdeutlicht die gerade beschriebenen Eigenschaften des Germanic Clusters.

Abbildung 9: Kulturdimensionen für den Germanic Cluster

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Quelle: Javidan et al. (Hrsg.), 2004, S. 33

Wird in ähnlicher Weise der Cluster „Eastern Europe“ (Albanien, Georgien, Griechenland, Ungarn, Kasachstan, Polen, Russland, Slowenien) analysiert, so sind die Dimensionen Power Distance, In-Group Collectivism hoch sowie Assertiveness relativ hoch nach dem aktuellen Zustand der Kulturen ausgeprägt. Weniger bedeutend sind hier die Dimensionen Uncertainty Avoidance, Performance Orientation sowie Future Orientation. Zukünftig werden eine jeweils höhere Bedeutung bei den Dimensionen Performance Orientation, Uncertainty Avoidance, Future Orientation und Humane Orientation gewünscht. Bei den Dimensionen Power Distance und Assertiveness werden niedrigere Werte gewünscht. In der folgenden Abbildung werden diese Eigenschaften und Tendenzen veranschaulicht.

Abbildung 10: Kulturdimensionen für den Cluster Eastern Europe

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Quelle: Javidan et al. (Hrsg.), 2004, S. 35

Die GLOBE-Studie liefert unter dem Hintergrund der Hofstedeschen Untersuchung (2001) aktuelle Daten und ein komplexeres Dimensionsmodell von Kulturen. Beeindruckend ist die Zahl der beteiligten Forscher und der befragten Testpersonen. Viele Erkenntnisse von Hofstede (2001) wurden bestätigt, so bspw. der Germanic Cluster oder die relativ hohe Resistenz zum Wandel kultureller Werte. Der Zusammenhang zwischen den individuell aktuell wahrgenommenen und zukünftig erwünschten Ebenen ist nicht ganz klar. Mit dem GLOBE-Projekt wurde schließlich keine neue umfassende Theorie von Kultur entworfen, sondern wurden die bereits bestehenden Ideen und Konzepte anderer übernommen und „nur“ erweitert.

2.3.10 Vergleichende Betrachtung ausgewählter Kulturmodelle

Im Folgenden soll ein inhaltlicher Vergleich ausgewählter Modelle über Kulturdimensionen vorgenommen werden. Der Zuordnung in der unten stehenden Abbildung liegen inhaltliche Überlegungen des Verfassers zu Grunde. In der Literatur sind eine Vielzahl von Vergleichen zu finden (siehe u.a. Hasenstab, 1999; Fink et al., 2004). Mit der Darstellung soll verdeutlicht werden, inwiefern die Forscher verwandte bzw. ähnliche universelle Merkmale zum Kulturvergleich identifizieren und heranziehen. Ausgangspunkt sollen zunächst die Dimensionen von Hofstede (2001) sein, da sein Konzept zu den bekanntesten gehört.

Abbildung 11: Vergleich ausgewählter Modelle von Kulturdimensionen

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Quelle: Eigene Darstellung

Viele Forscher teilen den Gedanken Hofstedes mit einer Individualismus/Kollektivismus -Dimension. Wie die Abbildung 11 zeigt, können in den Modellen von Trompenaars, Schwartz, Adler, Kluckhohn&Strodtbeck und des Projekts GLOBE vergleichbare Dimensionen identifiziert werden. Neben den Gemeinsamkeiten in den Dimensionen sind auch Unterschiede zu verzeichnen. So versteht Trompenaars seine Dimension nicht als dichotom, sondern als vollständig, d.h. mit individualistischen und kollektivistischen Ausprägung in einer Gesellschaft. Des Weiteren ist die Universalismus/Partikularimus-Dimension als teilweise korrespondierend zur Individualismus/Kollektivismus-Dimension anzusehen. Sowohl die Dimensionen (Autonomie, Konservatismus) von Schwartz als auch die beiden Dimensionen Kollektivismus I/Kollektivismus II korrelieren positiv mit der von Hofstede. Eine solche Unterteilung mag Folge der Diskussion sein, dass Hofstedes Dimension zu allgemein und ungenau ist (vgl. IFIM, 2003, S. 4).

Die Bedeutung und Akzeptanz von Machtunterschieden innerhalb einer Kultur reflektieren neben Hofstede – Machtdistanz -Dimension – auch Trompenaars, Schwartz und das GLOBE-Projekt. Im Gegensatz zu Hofstede, der das Ausmaß der Akzeptanz dieser Unterschiede innerhalb der Gesellschaft untersucht, vergleicht Trompenaars diese Machtunterschiede bezüglich ihrer Entstehung. Die Dimension von Schwartz ist nach Meinung des Autors relativ identisch zu der Hofstedeschen Dimension anzusehen.

Die Akzeptanz von Unsicherheitssituationen sowie das daraus resultierende Ausmaß an Regelorientierung bei der Dimension Unsicherheitsvermeidung finden sich explizit nur in der GLOBE-Studie wieder. Ähnliche inhaltliche Tendenzen sind im Fall der Universalismus/Partikularismus-Dimensionen von Trompenaars wahrzunehmen. Diese liegen in der Reflektion des Ausmaßes an Regelorientierung zu Grunde, wobei diese im Gegensatz zu Hofstede nicht auf Unsicherheitssituationen, sondern auf Beziehungsgeflechten beruhen.

Der Verteilung der Geschlechterrollen (Maskulinität/Feminität) wird von den Forschern insgesamt weniger Beachtung geschenkt. In der GLOBE-Studie werden zur Reflektion der Thematik zwei Dimensionen identifiziert. Schwartz ermittelt eine positive Korrelation seiner Herrschaft-Dimension mit der Maskulinität/Feminität-Dimension von Hofstede.

Die Art und Weise des Zeitverständnisses wird wiederum von vielen Forschern aufgegriffen. Der Langzeit-/Kurzzeitorientierung nach Hofstede widmen sich Kluckhohn/Strodtbeck, Hall, Adler, Trompenaars und das Globe-Projekt. Alle vorgestellten Modelle haben die Zeiteinteilung in die Abschnitte Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft gemein. Nur die Globe-Studie beschäftigt sich allein mit der Zukunft. Trompenaars und Hall betrachten die Zeitabschnitte hinsichtlich der Verwobenheit miteinander, d.h. ob die Abschnitte geordnet nacheinander abfolgen oder gegenseitig aufeinander einwirken bzw. parallel ablaufen. Des Weiteren korrespondieren die aktivitäts- bzw. leistungsorientierten Dimensionen von Kluckhohn/Strodtbeck und GLOBE mit der Zeitauffassung von Hofstede. Die konfuzianischen Lehren bei Hofstede gehen u.a. auch auf die Bedeutung des eigenen Arbeitseinsatzes ein. Auch können bei den beiden Dimensionen langfristig (Tun, Werden; hohe Leistungsmotivation) und kurzfristig (Sein; geringe Leistungsmotivation) orientierte Aspekte erkannt werden.

Insgesamt lässt sich sagen, dass den Kulturmodellen in ihren Interpretationen zu einem großen Teil ähnliche Denkmuster zu Grunde liegen. Die häufig an den Hofstedeschen Dimensionen geäußerte Kritik einer zu großen Allgemeinheit und Ungenauigkeit folgen differenziertere Modelle anderer Forscher. So erscheinen auch die Berücksichtigung der Beziehung zur Umwelt sowie die Einstellung zum menschlichen Wesen für verschiedene Forscher als wichtige Komponente der Kulturanalyse. Die kann eine Folge der unterschiedlichen Auffassungen über den Kulturkern sein (Hofstede: Werte vs. andere: Grundannahmen) (vgl. Kutschker/Schmid, 2002, S. 716). Unter dem Gesichtspunkt ähnlicher Stichproben und Befragungsumstände sind vor allem die Modelle Trompenaars und des GLOBE-Projekts mit Hofstede vergleichbar.

Zusammenfassung

Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass die fundamentalen Wertorientierungen eine Basis darstellen, die auch über kulturelle Barrieren hinweg Zusammenarbeit unterstützt, andererseits aber unterschiedliche kulturelle Werte die adäquate Interpretation des Verhaltens schwierig machen. Dabei muss zwischen universellen und kulturspezifischen Werten unterschieden werden. Die kulturelle Prägung kann als Erklärung für die höhere Wahrscheinlichkeit von Missverständnissen in der interkulturellen Zusammenarbeit dienen, da sie unbewusst ist und als selbstverständlich angenommen wird. Der Kulturbegriff kann sich auf ethnische oder regionale Gruppen oder Nationen beziehen, wobei im Rahmen dieser Arbeit nur der letztere von Bedeutung sein soll.

Ein wesentliches Ergebnis der kulturvergleichenden Managementforschung war die Bestätigung der kulturdeterministischen Annahme, dass Verhaltensunterschiede der Mitarbeiter zum großen Teil auf die Kulturzugehörigkeit und nicht auf die Unternehmenskultur zurückgeführt und Länder in Kulturkreise eingeordnet werden können. Wichtige Konsequenzen dieser Ansätze waren die Entwicklung von Dimensionen und die Bildung von Länderclustern.

2.4. Interkulturelle Kommunikation

Die Interaktion zwischen Vertretern aus verschiedenen Kulturen stellt einen wesentlichen Schwerpunkt in der interkulturellen Zusammenarbeit dar. Deshalb wird der interkulturellen Kommunikation im folgenden Abschnitt Raum gewährt. Zunächst folgen Aussagen über Sprache und Identität, bevor interkulturelle Kommunikationsarten und konkrete Kommunikationsstile von Deutschen und Tschechen als Kernpunkt der Untersuchungspopulation beschrieben werden. Ausführungen zu Stereotype und interkulturelle Kompetenz schließen diesen Abschnitt ab.

2.4.1 Sprache und Identität

Die Sprache ist eines der wichtigsten Merkmale für die Definition einer Nation oder Kultur. Gegenwärtig gibt es weltweit mehr als 6000 verschiedene Sprachen, allein in Europa existieren mehr als 50 verschiedene Sprachen einschließlich einer Reihe von Dialekten. Zwar formt nicht notwendigerweise eine Sprache Unterschiede in Kulturen, aber doch ist festzustellen, dass dort, wo zwei oder mehr Sprachen innerhalb eines Landes gesprochen werden (z.B. Spanien, Belgien), die Nationalkultur eine gewisse Fragilität aufweist. Neueren Studien der EU zufolge beherrscht immer noch knapp die Hälfte der EU-Bürger (44 %) keine weitere Sprache als ihre Muttersprache. In sechs Mitgliedstaaten gehört die Mehrheit der Bürger dieser Gruppe an, nämlich in Irland (66%), dem Vereinigten Königreich (62%), Italien (59%), Ungarn (58%), Portugal (58%) und Spanien (56%). Englisch ist und bleibt in ganz Europa die meistgesprochene Fremdsprache. 38% der EU-Bürger erklären, dass sie ausreichende Englischkenntnisse besitzen, um eine Unterhaltung zu führen. In 19 von 29 befragten Ländern ist Englisch die am meisten gesprochene Sprache außer der Muttersprache (vgl. Eurobarometer Spezial. Die Europäer und ihre Sprachen, 2006). Annähernd 50 Prozent aller EU-Erwachsenen können an einer Konversation auf Englisch teilnehmen, vier von fünf Gymnasialschülern erlernen die neue „Lingua franca“. Auch folgender Abbildung ist zu entnehmen, dass Englisch in der Europäischen Union entweder als Muttersprache oder als Fremdsprache die am meisten verwendete Sprache ist.

Abbildung 12: Die meistgesprochenen Sprachen in der EU (in Prozent)

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Quelle: http://ec.europa.eu/public_opinion/archives/ebs/ebs_243_sum_de.pdf, 12.2.2007

Sprache lässt sich nicht auf den Austausch oder die Übermittlung von Informationen oder auf ein zeichenbasiertes Verhalten reduzieren. Vielmehr gilt Sprache als eine Form des Handelns, die die Menschen als gesellschaftliche Wesen im Laufe der Geschichte ausgebildet haben, um wiederkehrende Bedürfnisse (z.B. Wissensvermittlung, Handlungsanleitung, Anteilnahme oder Provokation) mit bewährten Mitteln befriedigen zu können. Das Handeln mittels Sprache ist also wesentlich gesellschaftlicher (kultureller) Art (vgl. Liedke et al., 2002, S. 149).

Die Sprache ist möglicherweise nach der Religion der wichtigste Faktor, der Menschen einer Kultur von Menschen einer anderen unterscheidet. Ting-Toomey (1999, S. 85) definiert Sprache als ein willkürliches, symbolisches System, das Ideen, Gefühle, Erfahrungen, Ereignisse, Menschen und andere Phänomene benennt und das durch die vielschichtigen Regeln regiert wird, die von den Mitgliedern einer spezifischen Sprachgemeinschaft entwickelt wurden. Die beiden linguistischen Anthropologen Sapir und Whorf waren der Meinung, dass die Sprache ein Wegweiser zur kulturellen Realität ist (vgl. Sapir, 1921) und dass die grammatikalischen Strukturen Denkprozesse formen und daher kulturspezifisch sind (vgl. Whorf, 1952).

Es gibt kaum Forschungsergebnisse zur Verwendung von Englisch als Lingua franca in der interkulturellen Kommunikation (vgl. Glaser, 2003). Im Allgemeinen wird davon ausgegangen, dass in solchen Interaktionen eine sehr konsensorientierte Haltung eingenommen wird, in der die Sprecher sich gegenseitig unterstützen und generell viele Fehler tolerieren (vgl. Firth, 1996). Häufig aber weisen die Sprecher in diesen Gesprächen nicht das natürliche Kommunikationsverhalten von Muttersprachlern auf, wenn sie mit einem Mangel an Sprachkompetenz zu kämpfen haben. So versuchen sie dann zu beschreiben, die Sprache zu wechseln oder universell verstandene Verhaltensmuster wie Lachen, Zögern, Stille etc. anzuwenden, um die verbale Unsicherheit auszudrücken (vgl. Glaser, 2003). Andererseits weisen die Sprechsituationen im internationalen Umfeld wie das Verhandeln über Ein – und Verkaufspreise, Kosten und Qualitätsmerkmale häufig standardisierte Konversationsrituale auf. In diesem Bereich kann die sprachliche Vereinfachung die Komplexität der menschlichen Kommunikation reduzieren und gleichzeitig das Vertrauen zwischen Geschäftspartnern fördern (vgl. Luhmann, 2000).

2.4.2. Interkulturelle Kommunikationsarten

Ein Gespräch entsteht durch die intensive Zusammenarbeit zwischen Gesprächspartnern. In ihren Äußerungen bringen sie zum Ausdruck, was sie meinen und sie zeigen gleichzeitig in ihren Reaktionen, wie sie die Äußerungen des anderen interpretieren. Dies tun sie mit Hilfe von kommunikativen Signalen, die verbaler, paraverbaler und nonverbaler Art sein können. Verbale Signale sind dabei Wörter, Wortteile, Wortgruppen, Wortvarietäten etc. Paraverbale Signale betreffen die Art und Weise des Sprechens, z.B. Lautstärke, Betonung, Tonhöhe und die Verwendung von Sprechpausen. Bei nonverbalen Signalen wird der Körper als Ausdrucksmittel eingesetzt, so dass nonverbale Signale Gesten, Mimik, Körperhaltung und auch die Proxemik, d.h. die räumliche Distanz zum Gesprächspartner, darstellen (Einige Autoren ergänzen diese Aufzählung noch um eine weitere Ebene, der extra-verbalen Ebene. Hierzu gehört die Zeit, der Ort, die Kommunikationsbeziehung, die Kleidung, taktile und olfaktorische Aspekte.) (vgl. Bolten, 1999a). Diese Signale sind gewissermaßen Mittel und Werkzeuge der Kommunikation. Sie werden in jeder Kultur verwendet, ihre Ausprägung, die Art und Weise, wie sie miteinander kombiniert werden und ihre Funktion variieren jedoch von Kultur zu Kultur.

Die nonverbalen Signale in der Kommunikation transportieren wesentliche Informationen und sind genauso entscheidend wie die anderen Signale für das Verstehen zwischen den Beteiligten. Verschiedene Autoren und Wissenschaftler kommen in ihren Studien zu verschiedenen Anteilen der nonverbalen Kommunikation an der Gesamtkommunikation (zwischen 55 und 97 Prozent, vgl. Birdswhistell, 1970; Meharbian, 1972; Rebel, 1997), gemeinsam unterstreichen sie alle die hohe Bedeutsamkeit dieser Kommunikation.

Sprache und Körpersprache sind zwei Ausdruckssysteme des Menschen, wobei die Bewegung (jegliche Muskelanspannung des Körpers) dem Gedanken (sprachliche Abstraktion) untergeordnet ist. Die Sprache ist das differenziertere System und ist durch die Benennung von realen wie abstrakten Phänomenen ein wichtiger Träger der Kultur. Diesem spezifischen Sprachcode ist jeweils ein ganz bestimmtes körpersprachliches Repertoire zugeordnet. Beherrscht jemand mehrere Sprachen sehr gut, so passiert es häufig, dass er, wenn er von einer Sprache in eine andere wechselt, automatisch dabei auch eine andere Form des nonverbalen Ausdrucks verwendet. Deshalb ist es auch nicht unerheblich, in welcher Sprache eine Kommunikation abläuft, um eine Aussage über die enthaltenen nonverbalen Aspekte zu treffen. Einen körperlichen Ausdruck ohne einen verursachenden Gedanken (bewusst oder unbewusst) kann es nicht geben. Körpersprachliche Signale werden deshalb auch als das Ergebnis der Umcodierung, bei dem ein Gedanke in Materie umgesetzt wird, bezeichnet (vgl. Molcho, 1996). Sprache und Körpersprache stehen also in wechselseitiger Abhängigkeit.

Ein erweiterter Kommunikationsbegriff umfasst nach Höhne (1999) folgende Aspekte:
a) Es wird immer über etwas kommuniziert, d.h. mit Kommunikation wird immer Bezug auf die außersprachliche Welt genommen.
b) Kommunikation existiert nie ohne einen Kontext. Hierzu zählt die individuelle Welttheorie, die sich aus den Erfahrungen der Biographie zusammensetzt. Diese Erfahrungen werden über die Sozialisation vermittelt und als Weltwissen bezeichnet.
c) Zum Kontext gehört der Aspekt der Relevanz, mit dem die Anwendung des Wissens abhängig von der konkreten Situation geregelt wird.
d) Teil des Kontextes ist dann das Hintergrundwissen, womit das kulturell genormte und somit variable Deutungssystem der Gesprächspartner beschrieben wird. Diese sog. Wissensbestände umfassen das, was die Mitglieder einer Kultur als normal und gültig ansehen.
e) Und schließlich ist das Lexikon als Schnittstelle von sprachlichem und nicht-sprachlichem Wissen ebenfalls Teil des Kontextes.

Insbesondere kann das kulturelle genormte Weltwissen ein bedeutendes Hindernis der interkulturellen Verständigung darstellen. Kultur und Kommunikation stehen in einem engen, sich wechselseitig bedingenden Zusammenhang. Kulturelle Werte und Normen spiegeln sich in der Kommunikation wider, für Mitglieder einer bestimmten Kultur bedeutet dies, in einer spezifischen Weise zu kommunizieren, die sich von der Art und Weise der Kommunikation einer anderen Kultur unterscheiden kann (vgl. Hinnenkamp, 1994).

Kommunikation im interkulturellen Kontext bezeichnet weniger eine einseitige Reiz-Reaktions-Handlung (Transmission), sondern vielmehr einen symmetrischen Prozess, bei dem Sender und Empfänger nicht losgelöst voneinander betrachtet werden können. Die Kommunikationspartner konstruieren analog zu monokulturellen Interaktionssituationen eine gemeinsame Wirklichkeit, die jedoch nicht auf gemeinsamen Wissensbeständen basiert, was die Besonderheit der interkulturellen Kommunikation ausmacht (vgl. Bolten, 1999b). Dabei zeigen sich in interkulturellen Gesprächsepisoden die Gesprächspartner an, dass sie sich an ihrem Gegenüber als an einem Mitglied einer anderen Kultur orientieren und dass diese Orientierung für sie relevanter Gesprächskontext sein kann. „Interkulturelle Kommunikation wird somit als ein temporäres kommunikatives Ereignis verstanden, in dem die Teilnehmenden ihr Verständnis kultureller Divergenz explizit oder implizit darstellen.“ (Siegfried, 2003, S. 127)

Der Analyse interkultureller Kommunikationsprozesse widmen sich in der interkulturellen Forschung zwei voneinander verschiedene Ansätze. Zum einen geht die Kulturstandardtheorie (z.B. Thomas 1996, Hofstede 1997, Trompenaars 1993) davon aus, dass Verlaufsformen und Probleme in fremdkulturellen Begegnungssituationen auf unterschiedlichen und für Gruppen, Organisationen, Nationen typischen Orientierungsmaßstäben des Wahrnehmens, Bewertens, Denkens und Handelns beruhen, die identifizierbar und prognostizierbar sind. Die kulturell-mentale Prägung von Interaktionspartnern wird ein bedeutender Stellenwert für den Verlauf und die Dynamik von fremdkulturellen Interaktionssituationen eingeräumt (siehe Abschnitt 2.2.1). Der unmittelbare Nutzen von Kulturstandards für die Beschreibung und Klassifizierung von (National-)Kulturen liegt auf der Hand. Andererseits vernachlässigt die Analyse einflussreiche Aspekte der Interaktion wie z.B. Kontextbedingungen, Persönlichkeitsmerkmale, Stereotype, Wahrnehmungsprozesse, subkulturelle Zugehörigkeit, Interkulturalitätsstrategien oder die Dynamik der Interaktion (vgl. Krewer, 1996, S. 156ff.).

Zum anderen rücken kommunikationswissenschaftliche und linguistische Ansätze (z.B. Müller-Jacquier, 2000) vor allem die Interaktionsdynamik in interkulturellen Situationen ins Zentrum ihrer Betrachtung. Fremdkulturelle Interaktion wird hier nicht als ein Aufeinandertreffen verschiedener Kultur- und Kommunikationsformen definiert, sondern als ein situationsspezifisches Aushandeln von Kommunikations- und Verhaltensregeln während des Kulturkontakts, in dessen Verlauf die Kommunikationspartner anders reagieren als in monokulturellen Situationen (vgl. Wille, 2007). In der interkulturellen Forschung wurden für dieses Phänomen die Begriffe „Interkultur“, „Zwischenwelt“ oder „third culture“ geprägt, die das dynamische Interaktionsverhalten zwischen verschiedenen Kulturen bezeichnen, welches neue interkulturelle bzw. hybride Systeme generiert, die durch die Orientierungssysteme der Ausgangskulturen nicht beschrieben werden können und zerfallen, sobald das gemeinsame Handeln endet (vgl. Hausstein, 2000). Eine kommunikationswissenschaftliche Analyse sollte nach Müller-Jacquier (2000, S. 23) einer psychologischen, mit zugeschriebenen Wertorientierungen operierenden vorausgehen, weil sonst psychologische Analysen interkultureller Situationen trotz empirisch korrekter Vorgehensweise auf falschen Zuschreibungen von Handlungsintentionen basieren und Gefahr laufen, systematisch „falsches Bewusstsein“ über erlebte interkulturelle Situationen zu erheben.

Beide Ansätze der Kulturstandardtheorie und der linguistisch-kommunikationswissenschaftlichen Herangehensweise lassen sich insofern vereinen, dass fremdkulturelle Interaktionspartner nicht nur an Kulturstandards gebundene Handlungen vollziehen, sondern im interaktiven Prozess neue Formen von Kultur aushandeln (vgl. Thomas/Schenk, 1996). Darüber hinaus sollen Kulturstandards vor allem für metakommunikative Zwecke dienen, nämlich um in interkulturellen Kontaktsituationen eigenes und fremdes Wahrnehmen, Denken, Fühlen und Handeln kommunizierbar zu machen (vgl. Krewer, 1996). Somit findet die Situationsbezogenheit interkultureller Interaktionsprozesse zunehmend Beachtung (vgl. Wille, 2007).

Gumperz&Roberts (1991) arbeiten drei zentrale kommunikative Bereiche als häufige Ursache für das Scheitern von interkultureller Kommunikation heraus:

(1) Es existieren unterschiedliche kulturelle Annahmen über Situationen und die ihnen angemessenen Verhaltensweisen und Intentionen.
(2) Es existieren unterschiedliche Verfahren der Informations- und Argumentationsstruktur.
(3) Es existieren unterschiedliche Sprachweisen und Sprachstile.

Zum ersten Punkt formulieren Liedke et al. (2002, S. 150ff.) folgende Situationen für kulturelle Differenzen:

- die Anlässe für sprachliche Kommunikation als solche können differieren (z.B. Wartesituation beim Arzt),
- die Angemessenheit verbalen und/oder nonverbalen Handelns in Situationen, die systematisch eine Interaktion erfordern (z.B. Fahrkartenkauf),
- der Redewechsel für einen bereits in einer Kommunikation involvierten Fremden sowie
- die Formen der Bezugnahme auf den Interaktionspartner als Person mit seinen Bewertungs- und Glaubenssystemen, mit seinen gesellschaftlichen und institutionellen Positionierungen, mit seinen Entscheidungsmustern.

Prinzipiell äußern sich kulturspezifische kommunikative Stile auf unterschiedlichen Ebenen. Im Hinblick auf Probleme der interkulturellen Kommunikation erscheinen die im Folgenden aufgeführten von einer besonderen Relevanz (vgl. Höhne, 1999, S. 7f):

- direkte versus indirekte Realisierung von Äußerungen,
- unterschiedliche Grade der Explizitheit beim Sprechen, wobei vor allem die Anteile des „Sprechens über das Sprechen“ (Metakommunikation) zu betrachten sind,
- Sprecherwechsel und Sprachenwahl,
- Verneinungen.

Direktheit und Indirektheit können dabei sowohl intrakulturell als auch interkulturell sehr relativ, abhängig von der jeweiligen Situation und den jeweiligen Sprechern realisiert werden. Je indirekter Äußerungen realisiert werden, umso mehr entsteht bei Sprechern von Kulturen, in denen direkter artikuliert wird, der Drang, metakommunikativ Intention, Anlass und Äußerungsform zu erfragen. Sender und Empfänger bzw. ein Dritter als Moderator „machen die Art, wie sie miteinander umgehen, zum Gegenstand ihres Gespräches.“ (Schulz von Thun, 1994, S. 92) Die Erfahrung dabei zeigt jedoch, dass gerade in denjenigen Kulturen, in denen indirekte Kommunikationsverfahren praktiziert werden, jeder Wechsel auf die Metaebene eine stark gesichtsbedrohende Praxis darstellt und tabuisiert wird (vgl. Höhne, 1999, S. 28).

Jede Kommunikation hat einen Inhalts- und Beziehungsaspekt. Der Inhaltsaspekt bezieht sich darauf, was gesagt wird, während sich der Beziehungsaspekt darauf bezieht, wie eine Äußerung gemeint bzw. zu verstehen ist (vgl. Watzlawick et al., 1990). In der interkulturellen Kommunikation ist auf Grund des Gebrauchs kulturell unterschiedlicher Codes die Gefahr wesentlich größer, dass Inhalts- und Beziehungsaspekte falsch oder nicht adäquat interpretiert werden.

Gesprächsstile lassen sich somit als kulturspezifische Präferenzen verstehen, die aus einem Inventar von kommunikativen Mitteln (Handlungsmöglichkeiten) eine Auswahl vornehmen. Jeweils bestimmte der verschiedenen Handlungsmöglichkeiten werden dann entsprechend bevorzugt realisiert. Solche „typischen“ Präferenzen verdichten sich zu kulturspezifischen kommunikativen Stilen (vgl. Knapp&Knapp-Potthoff, 1990, S. 73).

Auch nonverbale Signale bei der Kommunikation sind häufig Quelle von Missverständnissen. So wird zwar der mimische Ausdruck von Wut, Trauer oder Freude überall auf der Welt verstanden, jedoch ist dieser durch spezifische kulturelle Verhaltensnormen oftmals überdeckt und verformt (vgl. Wahrlich, 1991). Doch die Fragen wie bspw. gelacht werden darf, in welcher Situation, in welcher Lautstärke oder wie lange, ist kulturell sehr verschieden. Die meisten nonverbalen Verhaltensweisen unterliegen der kulturellen Prägung. Sie werden erlernt, etwa durch Nachahmung kultureller Vorbilder oder auch bewusst durch Erziehung vermittelt. Die Familienstruktur (z.B. Großfamilie mit mehreren Generationen oder Kleinfamilie) sowie das tradierte Rollenverhalten der einzelnen Familienmitglieder schaffen den gesellschaftlichen Kontext, in dem nonverbale Kommunikation und Körpersprache geformt werden und zu verstehen sind (vgl. Nový, 1996).

Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass viele interkulturelle Missverständnisse auf sprachliche (verbale und nonverbale) Probleme zurückzuführen sind. So existieren in unterschiedlichen Kulturen unterschiedliche Bedeutungen, teilweise gibt es keine Synonyme oder Übersetzungen für einen Begriff oder Ausdruck, weil dieser Umstand in der anderen Kultur gar nicht bekannt ist, und es entstehen Missverständnisse oft auch durch Wahrnehmungsunterschiede. Ein besonderes Problem in der interkulturellen Kommunikation ist dabei häufig, dass die Unterschiede nicht so groß sind, dass man sich ihrer sofort bewusst wird.

2.4.3 Kommunikationsstile von Deutschen und Tschechen

Beispielgebend für Unterschiede in der interkulturellen Kommunikation seien an dieser Stelle die wichtigsten Kommunikationsstile von Deutschen und Tschechen vergleichend vorgestellt. Die Bedeutung dieses Vergleichs ergibt sich insbesondere aus der Zusammensetzung der Stichprobe der empirischen Untersuchung dieser Arbeit (siehe Abschnitt 6). Die folgenden Ausführungen beziehen sich auf die Unterschiede in der Kommunikation der beiden Kulturen. Weitere Darlegungen hinsichtlich wertebezogener Dimensionsunterschiede finden sich im Abschnitt 6.2.3 dieser Arbeit.

In einer Untersuchung zum deutsch-tschechischen Kulturvergleich (Schroll-Machl/Nový, 2000) konnten deutsche und tschechische Kulturstandards identifiziert werden. Folgende Abbildung stellt diese Kulturstandards vor dem Hintergrund der interkulturellen Kommunikation zwischen Deutschen und Tschechen im Überblick dar.

Abbildung 13: Überblick über die Kommunikationsstile von Deutschen und Tschechen

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Quelle: Eigene Darstellung (nach Höhne, 1999, S. 31; Birke, 1999, S. 14; Nový/Schroll-Machl, 2003, S. 95f.)

Deutsche pflegen einen Kommunikationsstil großer Direktheit und Explizitheit (vgl. Schroll-Machl, 2003; Demorgon, 1999; Hall/Hall, 1990). Der Inhaltsaspekt der Kommunikation hat Priorität vor dem Beziehungsaspekt, Deutsche kommen direkt und ohne Umschweife zur Sache, Antworten werden ehrlich gegeben und wörtlich genommen (vgl. Markowski/Thomas, 1995, S. 53f.). Alles, was von Bedeutung ist, muss ausdrücklich und vollständig gesagt sein. Es wird sich zielorientiert gezeigt und mit Fakten argumentiert. Der Interpretationsspielraum des Gesagten ist sehr klein, auch umgekehrt wird in der Dekodierung nur das einbezogen, was ausdrücklich gesagt wird (vgl. Schroll/Machl, 2003, S. 82f.). Mit diesem Kommunikationsstil ist in ihrer stabilen selbstsicheren Art auch ein offener, konfrontativer Umgang mit Konflikten verbunden. Dabei ist „konstruktive Kritik“ vorrangig an der Sache und nicht an der Person gemeint. Diese Art von Ehrlichkeit besitzt unter den Deutschen einen ausgesprochen hohen Stellenwert (vgl. Markowski/Thomas, 1995, S. 54).

Im Unterschied dazu räumen die Tschechen in der Interaktion und Kommunikation dem Beziehungsaspekt den Vorrang vor dem Sachaspekt ein, d.h. dass Tschechen immer die agierende Person stärker und bedeutsamer wahrnehmen als den Inhalt ihres Tuns (vgl. Nový/Schroll-Machl, 2003, S. 91). Sie bedienen sich eines indirekteren und impliziteren Kommunikationsstils mit einem hohen Kontextbezug als Deutsche. Der Interpretationsspielraum ist auch auf Grund der Nutzung aller Kommunikationskanäle (wie Körpersprache, Gesichtsausdruck etc.) recht hoch (vgl. Schroll-Machl/Nový, 2000, S. 105). Der Umgang mit Konflikten zeichnet sich dadurch aus, dass Tschechen zunächst einmal diesen solange wie möglich ausweichen, in einer weiteren Stufe Signale kommunizieren, um eine Eskalation zu vermeiden. Erst wenn der Druck so hoch ist, dass auf diese Art und Weise nicht mehr angemessen reagiert werden kann, besteht die Gefahr einer „leisen“ oder „lauten“ Explosion, d.h. eines sich Zurückziehens ohne weitere Begründung oder eben einer offenen Auseinandersetzung (vgl. Nový/Schroll-Machl, 2003, S. 95f.).

Im Deutschen wird gerne die Praxis genutzt, aktuelle Kommunikationsprobleme metakommunikativ zu klären. Diese Gewohnheit ist Teil der Direkt-/Indirekt-Problematik und wird häufig mit dem „deutschen Zeigefinger“ oder der „Oberlehrerpose“ konnotiert. Direktheit und Indirektheit haben auch etwas mit der Quantität des Gesagten zu tun: Tschechen fällt es bspw. auf, wie genau in vielen deutschen Unternehmungen Arbeitsanweisungen an Mitarbeiter weitergegeben werden. Auf sie aber wirken diese als implizite Anzweiflung ihrer fachlichen Kompetenz (vgl. Höhne, 1999, S. 30). Weiterhin zählt hierzu die Art und Weise wie Kritik geäußert wird. Für die tschechischen Geschäftspartner ist ein explizites Kritisieren zumindest ungewohnt. Des Weiteren stört sie der häufige Gebrauch kategorischer Aussagen, die als zu direkt empfunden werden und eine starke Beziehungsstörung als Konsequenz haben können.

Ein weiteres Interaktionsideal ist die Art und Weise, wie Entscheidungen getroffen werden. Im Tschechischen wird die sog. off-record-Kommunikation bevorzugt. Damit ist gemeint, dass wichtige Entscheidungen nicht in einer offenen Diskussion getroffen werden, sondern in Absprache der jeweils involvierten Teilnehmer und deren Status. Auf Sitzungen kommt es dann oftmals lediglich zur Bestätigung von diesen Entscheidungen. Dagegen wird im Deutschen die on-record-Kommunikation bevorzugt, d.h. Probleme werden zunächst offen, detailliert und möglichst gleichberechtigt diskutiert, wobei dann die beste Argumentation entscheidend ist (vgl. Höhne, 1999, S. 31).

Der Gebrauch von unterschiedlichen Kommunikationsarten wird noch dadurch verstärkt, dass in der deutsch-tschechischen Kommunikation eindeutig der Schwerpunkt auf der Verwendung des Deutschen als Verhandlungssprache gesetzt wird. Die Ergebnisse einer Umfrage in deutsch-tschechischen Unternehmen zeigen, dass in der deutsch-tschechischen Kooperation vorwiegend in Deutsch kommuniziert wird (49 Prozent). Deutsch und Tschechisch gemeinsam wurden bei 21 Prozent der Befragten gesprochen, Deutsch und Englisch bei
11 Prozent. Nur Tschechisch wurden von nur 14 Prozent der Befragten für die Kommunikation angewandt, nur Englisch nur 5 Prozent (vgl. Philipp/Schmitz, 1996). Die Ursache für die dominante Stellung des Deutschen wird i.d.R. mit dem hohen Schwierigkeitsgrad für das Erlernen der tschechischen Sprache erklärt. Zum anderen wird dieses kommunikative Ungleichgewicht noch verstärkt durch die „Transformationsstereotypie“, d.h. einer Art Lehrer-Schüler-Rolle in der Kommunikation zwischen Deutschen und Tschechen auf Grund des Transformationsprozesses hin zu einer funktionierenden Marktwirtschaft in der Tschechischen Republik. Diese auf beiden Seiten häufig zu beobachtende Selbstwahrnehmung ist von der Tatsache begleitet, dass deutsche Manager i.d.R. über Tschechien und die tschechische Gesellschaft wesentlich geringere Kenntnisse verfügen als umgekehrt das Wissen der Tschechen über Deutschland. Alles in allem führt zum beschriebenen Ungleichgewicht auf der Ebene des Sprachgebrauchs.

Auch bezüglich der Dimensionen nonverbalen Verhaltens zeigen Deutsche und Tschechen bei der Kommunikation oft Unterschiede, die in der folgenden Abbildung zusammengefasst werden.

Abbildung 14: Tendenzielle Unterschiede in deutsch-tschechischen Interaktionen

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Quelle: Eigene Darstellung. In Anlehnung an Birke, 1999, S. 22-35

Zusammenfassend kann festgestellt werden, dass zwischen deutschen und tschechischen Mitarbeitern von Unternehmen größere Kommunikationsprobleme entstehen können. Nach Nový (2002) handelt es sich dabei um ein „Aufeinandertreffen zweier Welten“ (Nový, 2002, S. 103). „Alltägliche Missverständnisse, unterschiedliche Interpretationen von kulturell spezifisch verankerten Alltags- und Arbeitssituationen, unterschiedliche Prioritäten bei sachlichen oder persönlichen Zielen, die Verbindung/Trennung von Arbeit und Privatleben, die Berufung auf unterschiedliche Kommunikationskontexte und –normen, andere Zeitauffassung…führen dazu, dass innerhalb der Firma eine schwer zu überwindende Wand errichtet wird, die auf dem Fundament traditioneller Vorurteile und Stereotype steht und diese wieder bestärkt.“ (ebd., S. 106)

2.4.4 Stereotype

Zu Charakteristika, die die Kommunikation wesentlich beeinflussen können, zählen das Äußere des Kommunikationspartners, Alter, Geschlecht, sozialer Rang (gesellschaftliche Stellung), Nationalität, ethnische Zugehörigkeit, regionale Abstammung, ideologische oder religiöse Einstellungen etc. Dem Kommunikationspartner können in einem immer wiederkehrenden Prozess bestimmte Eigenschaften zugeordnet werden:

- Identifikation mit dem Kommunikationspartner als Träger eines der o.a. Merkmale,
- Zuordnung zu einer sozialen Gruppe,
- Aktualisierung der mit diesen Merkmalen zusammenhängenden mentalen Vorstellungen,
- entsprechende Ausrichtung des eigenen Verhaltens (vgl. Donec, 1999, S. 6).

Im menschlichen Bewusstsein existieren solche Charakteristika oft in Form von Vorstellungsbündeln, für die der Begriff Stereotype (Lippmann, 1922) verwendet wird. Dabei besteht das Wesen der Stereotypie in der Umwandlung einer an sich veränderlichen Struktur in eine feste, unumwandelbare Form (vgl. Kleinsteubner, 1991).

Eine besondere Rolle in der interkulturellen Kommunikation spielen die Stereotype, die mit der nationalen oder ethnischen Herkunft der Interagierenden in Zusammenhang stehen. Zwar ist der Prozess der Stereotypenbildung vollkommen natürlich, weil nie die Gesamtheit der Merkmale des Umfeldes eines Individuums im Bewusstsein behalten werden kann. Andererseits birgt diese erleichterte Orientierung für den Einzelnen die Gefahr von von Anfang an falschen oder im Laufe der Zeit falsch gewordenen Merkmalen zur Bildung eines Stereotyps in sich. Insbesondere bei nationalen oder ethnischen Stereotypen ist dabei die falsche Auslese von Merkmalen gewissermaßen schon vorprogrammiert. Untersuchungen haben ergeben, dass jede ethnische Gruppe dazu neigt, sich selbst (In-Group) höher einzuschätzen als eine andere Ethnie (Out-Group). Noch dazu kommt, dass Stereotype häufig fest gefügt sind, sie über Generationen hinweg erhalten bleiben, selbst dann, wenn sich die Realität schon längst verändert hat und die Bedingungen, die einst zu einem Stereotyp führten, gar nicht mehr existieren. „Ethnische Stereotype sind negative Einstellungen, die stabil und konsistent sind.“ (Zick, 1997, S. 39)

Dabei wird häufig übergeneralisierend (vgl. Quasthoff, 1981; Tiittula, 1995) vorgegangen: Bestimmte Merkmale, die bei manchen Vertretern einer Gruppe beobachtet wurden, werden all ihren Mitgliedern zugeschrieben. Gängige nationale oder ethnische Stereotype lassen sich aus Sicht der interkulturellen Kommunikation aus folgenden Merkmalen schließen:

- ein bestimmtes Aussehen (Gesichtszüge, Körperstatur, Kleidung etc.),
- ein bestimmtes Klima oder bestimmte Landschaften,
- bestimmte bevorzugte Speisen und Getränke,
- bestimmte wahrnehmbare Gerüche,
- bestimmte intellektuelle und charakterliche Qualitäten,
- bestimmte Verhaltensweisen (z.B. Rituale),
- bestimmte kulturspezifische Handlungen und Tätigkeiten,
- bestimmte Namen und Anreden,
- bestimmte verfolgte Ziele in der interkulturellen Kommunikation.

In der interkulturellen Kommunikation entstehen Störungen, Missverständnisse und Peinlichkeiten meist dann, wenn versucht wird, den Gesprächspartner in einer konkreten Interaktion nach Stereotypen zu beurteilen. So lange jedoch diese schablonenartigen Vorurteile positiv sind, hält sich das Konfliktpotenzial in Grenzen (vgl. Blom/Meier, 2002).

2.4.5 Interkulturelle Kommunikation und interkulturelle Kompetenz

Die Vermittlung interkultureller Kompetenz gilt im Forschungsbereich der interkulturellen Kommunikation nahezu unbestritten als Garant für das Gelingen der Kommunikation zwischen Vertretern unterschiedlicher kultureller Zugehörigkeit. Unter dem Begriff Kompetenz soll die Fähigkeit verstanden werden, aufgrund von Wissen oder Erfahrung in einer Situation richtig und sachgerecht zu handeln (Prodolliet, 2000, S. 16). Auf interkulturelle Kommunikation übertragen, heißt dies, sich in kulturellen Überschneidungssituationen angemessen orientieren und verhalten zu können. Dabei werden vier grundlegende Kompetenzbereiche unterschieden (vgl. ebd., S. 17f.):

(1) Sachkompetenz (Kenntnisse über die eigenen kulturellen Werte und Einstellungen sowie über fremde kulturelle Werte und Einstellungen)
(2) Sozialkompetenz (Fähigkeit mit Stress und unvorhergesehenen Situationen im Hinblick auf ein kulturadäquates Handeln umgehen zu können)
(3) Selbstkompetenz (Kenntnis darüber, wie das eigene Ich selbst von kulturellen Werten und Einstellungen beeinflusst ist, welche Muster von Kultur oder Subkultur das eigene Selbstverständnis bestimmen. Dazu gehört auch das Unterscheiden persönlichkeitsbedingter Eigenheiten und kulturell beeinflusster Handlungen.)
(4) Handlungskompetenz (kennzeichnet die Zusammenfassung der drei beschriebenen Kompetenzen als Voraussetzung für adäquates Handeln in kulturellen Situationen).

Beim Verständnis über den Begriff interkulturelle Kompetenz lassen sich (mindestens) zwei grundlegende Haltungen identifizieren. Zum einen wird darunter die Ausstattung mit einem Wissen über eine andere Kultur verstanden. Hier stehen die Kenntnisse von Fakten über die andere Kultur und die landesspezifischen Gegebenheiten sowohl sprachlich, kulturell als auch gesellschaftlich, politisch und geographisch im Zentrum. Zum anderen wird unter interkultureller Kompetenz die Sensibilisierung gegenüber dem Fremden als zentrales Element verstanden. Hierbei geht es weniger um die Ausstattung mit einem faktuellen Wissen, sondern vielmehr um die Initiierung und Etablierung eines Bewusstwerdungsprozesses über das Fremde an sich und über bestimmte Reaktionen auf die Begegnung mit dem Unbekannten.

Während der erste Ansatz primär die Vermittlung interkultureller Kompetenz in Bezug auf eine bestimmte Zielkultur anstrebt, versucht der zweite in stärkerem Maße eine allgemein gültige interkulturelle Kompetenz zu vermitteln, die in Bezug auf eine Vielzahl unterschiedlicher Kulturen einsetzbar ist. Während sich der erste Ansatz primär in stark anwendungsorientierten Bereichen wie Trainingsprogrammen zur interkulturellen Kommunikation durchgesetzt hat (vgl. u.a. Andersen, 1997; Bergemann/Sourisseaux, 1996), findet sich der zweite bspw. im Zusammenhang mit der Vermittlung von Fremdsprachen- bzw. Landeskundekenntnissen (vgl. Bachmann et al., 1995).

So unterschiedlich diese beiden Ansätze in Bezug auf Zielsetzung und Zielkultur auch sein mögen, so sehr stimmen sie in ihrer grundlegenden Haltung überein, dass die Ursachen für Probleme in der interkulturellen Kommunikation auf Unterschieden zwischen den Kulturen beruhen. Hiermit wird die unterschiedliche kulturelle Zugehörigkeit der Gesprächsteilnehmer in interkulturellen Kommunikationssituationen als Ursache für entstehende offene oder auch verdeckte Missverständnisse und Probleme angesehen. Die Entstehung dieser Probleme und Missverständnisse kann den skizzierten Ansätzen zufolge dadurch vermieden werden, dass ein Wissen über die und eine Sensibilisierung gegenüber der Fremdkultur vermittelt wird.

2.5 Diversity Management und Synergiepotenziale in der interkulturellen Zusammenarbeit

Diversity oder Diversifizierung des Personals bezieht sich auf die Vielfalt bzw. Unterschiedlichkeit des Personals in einem Unternehmen oder einem Team (vgl. Ely/Thomas, 2001). Thomas (1995) definiert Diversity nicht nur als aus Verschiedenheiten bestehend, sondern erweitert den Begriff um Gemeinsamkeiten: „Diversity refers to the collective (all-inclusive) mixture of differences and similarities.“ (Thomas, 1995, S. 246) Seit seiner erstmaligen Nennung hat sich der Aktionsrahmen für Diversity von den ursprünglichen Kerndimensionen Geschlecht und Ethnizität erheblich erweitert und umfasst heute sämtliche nur denkbare Unterschiede zwischen Menschen (vgl. Stuber, 2004, S. 17).

Die Forschung unterscheidet dabei zwischen oberflächlicher (wahrnehmbarer) und tiefgehender (kaum wahrnehmbarer) Diversität (vgl. Riordan/Shore, 1997). Oberflächliche bzw. demographische Diversity umfasst offensichtliche, meist sofort sichtbare (wahrnehmbare) Unterschiede wie Alter, Geschlecht, ethnische Zugehörigkeit und Nationalität. Tiefgehende oder psychologische Diversity bezieht sich hingegen auf hauptsächlich psychologische Kriterien wie Werte, Einstellungen und Überzeugungen (vgl. Dietz/Petersen, 2005, S. 250). Diversität beschäftigt sich demnach mit sechs sog. Kerndimensionen biologischer und sozialer Art, die Menschen von Natur aus gegeben sind, ihre Lebenswelten prägen und praktisch nicht veränderbar sind: Alter, Befähigung oder Behinderung, ethnisch-kulturelle Prägung, biologisches und/oder soziales Geschlecht, sexuelle Orientierung und religiöse Glaubensprägung (vgl. Stuber, 2004, S. 17). Wahrnehmbare und nicht wahrnehmbare Unterschiede besitzen jedoch gemeinsame Schnittmengen, bspw. besteht ein starker Zusammenhang zwischen dem (wahrnehmbaren) Alter und (kaum wahrnehmbaren) Einstellungen zu Werten wie Pflicht, Ordnung oder Disziplin (vgl. Wagner, 2001, S. 114). Des Weiteren können (wahrnehmbare) ethnische oder nationale Unterschiede Auswirkungen auf (kaum wahrnehmbare) Werte und Einstellungen haben.

Folgende Abbildung stellt den umfassenden Ansatz von Diversity-Erscheinungsformen nach Sepehri/Wagner (2002b) dar.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 15: Diversity-Erscheinungsformen nach Sepehri/Wagner (2002b)

Quelle: Eigene Darstellung. In Anlehnung an Sepehri/Wagner, 2002b, S. 132

Des Weiteren wird der Begriff betriebliche („organizational“) Diversity verwendet, bei welchem Unterschiede in der Dauer der Betriebszugehörigkeit, der Ausbildung, der Position in der Hierarchie und der Zugehörigkeit zu Berufsgruppen innerhalb von Unternehmen beschrieben werden (vgl. Dietz/Petersen, 2005; Stuber, 2004).

Eine Studie (2001) von „mi.st [ Consulting“ unter 20 international tätigen Unternehmen (davon 10 europäische und 10 US-amerikanische Tochterfirmen in Europa) zeigt dabei, dass einzelne Kerndimensionen wie Geschlecht und Ethnien bzw. Kultur von praktisch allen Unternehmen berücksichtigt werden, während sexuelle Orientierung oder Religion dagegen selten in der Organisation beachtet wird (vgl. Stuber, 2003, S. 15). Sepehri/Wagner (2002a) bzw. Sepehri (2002) sehen nach einer Umfrage im Siemens-Konzern eine klare Hierarchie von Diversity-Attributen: Fachkompetenz, Persönlichkeit, Bildung und Sprache spielen die größten Rollen, während Rasse, sexuelle Neigung und Religion auch hier an letzter Stelle rangieren.

Die Begriffe Diversity und Diversity Management (in der Literatur auch: Managing Diversity, Management of Diversity oder Diversitätsmanagement) sind nicht deckungsgleich. Als Instrument der Unternehmensführung beschreibt Diversity Management die Gesamtheit der Maßnahmen, die dazu führen, dass Unterschiedlichkeiten in und von einer Organisation anerkannt, wertgeschätzt und als positive Beiträge zum Erfolg genutzt werden. Dabei sollen alle unterschiedlichen Stakeholder gezielt intern und extern berücksichtigt sowie bewusst einbezogen und gefördert werden, um den Erfolg eines Unternehmens oder einer Organisation zu steigern (vgl. Stuber, 2004, S. 20).

Seinen Ursprung hat das Konzept in den USA. Entstanden vor dem Hintergrund einer Antidiskriminierungsgesetzgebung wird hier seit Mitte der 1980er Jahre Diversity Management praktiziert. Unter den 500 größten US-amerikanischen Unternehmen („Fortune500“) üben mittlerweile 90 Prozent Diversity Management aus (vgl. Süß/Kleiner, 2005, S. 3). Eine Studie unter den 30 deutschen DAX-Unternehmen zeigt, dass nur
26,1 Prozent der befragten Unternehmen Diversity Management implementiert haben (vgl. ebd., 2005, S. 7). Dabei galt der Zusammenhang: Je größer das Unternehmen, umso eher betreibt es Diversity Management.

Der Begriff Diversity Management ist mitunter sehr weit gefasst. Thomas (1991, zitiert in Dietz/Petersen, 2005, S. 251) beschreibt drei Arten des Diversity Management, die dessen historische Entwicklung widerspiegeln. Die erste Art basiert ausschließlich auf die Einhaltung rechtlicher Regelungen wie z.B. Quoten. Mit der zweiten Art, die sich wie die erste weitgehend auf die demographische Diversity bezieht, engagieren sich Unternehmen im Diversity Management, um nach außen hin eine positive Einstellung zum Thema Diversity zu demonstrieren. Die dritte und neueste Art von Diversity Management zielt auf die volle Nutzung der Vielfalt des Personals. Dabei beinhaltet Diversity Management die Wahrnehmung, das Verständnis, die Wertschätzung und das optimale Management der existierenden Vielfältigkeit und der potenziellen Gemeinsamkeiten der Mitglieder einer Organisation (vgl. Wagner/Sepehri, 2000, S. 458).

Diese weitaus umfassendere Art modernen Diversity Managements kann zu einem erheblichen Wettbewerbsvorteil führen, wenn es die vielen Fertigkeiten und Fähigkeiten eines diversifizierten Personals integriert (vgl. ebd.). Diversity Management ist besonders dann vorteilhaft, wenn Unternehmen sich in Marktsegmenten bewegen, in denen spezifische Kundenwünsche aufgegriffen sollen oder im internationalen Markt auf kulturelle Unterschiede reagiert werden muss (vgl. Haselier/Thiel, 2005, S. 15).

Die potenziellen Vorteile von Diversity Management fallen in fünf Kategorien:

- Erfüllung gesetzlicher Vorschriften,
- Wettbewerbsvorteile in der Anwerbung von Arbeitnehmern und der Bindung von Arbeitnehmern und Kunden an das Unternehmen,
- Wettbewerbsvorteile durch eine erhöhte Anzahl von Perspektiven im Unternehmen,
- Imagepflege sowie
- die Umsetzung von Unternehmenswerten für Gleichberechtigung und Akzeptanz aller Gruppen (vgl. Dietz/Petersen, 2005, S. 251ff.).

Unterschiedlich besetzte Teams sehen die Aufgabenstellung aus sehr eigenständigen Blickwinkeln und können Aspekte berücksichtigen, die in homogenen Teams leicht übersehen werden. Neue Ideen und unterschiedliche Herangehensweisen sind bei der Entwicklung von Produkten für neue Zielgruppen im In- und Ausland, bei Geschäften und Kooperationen mit ausländischen Unternehmen und Märkten mit einer völlig anderen Kultur erforderlich (vgl. Haselier/Thiel, 2005, S. 14).

Andererseits birgt eine diversifizierte Belegschaft auch die Gefahr in sich, dass das vorhandene vielfältige Konfliktpotential zum Ausbruch kommt und so das Funktionieren von Arbeitsgruppen und die Implementierung von Gruppenentscheidungen negativ beeinflusst werden. So kann bspw. die Koordination von Teamarbeit erschwert werden, wenn die Anzahl der eingebrachten Perspektiven steigt. Auch Stereotype und Vorurteile behindern eine reibungslose Interaktion von Menschen unterschiedlicher Gruppenzugehörigkeit (vgl. Dietz/Petersen, 2005, S. 254).

Vorurteile können zu Misstrauen, persönlichen Konflikten und einem Mangel an Kooperation zwischen Mitarbeitern und insbesondere zwischen Teammitgliedern führen. Dieser Mangel an Kooperation kann die potenziellen Vorteile einer diversifizierten Belegschaft zunichte machen. Zum anderen führt soziale Diskriminierung auf Grund von Vorurteilen nicht nur zu einer Reduktion des Talentepools eines Unternehmens, sondern beeinflusst auch die Arbeitsleistung und Karrieren derer, die von der Diskriminierung betroffen sind (z.B. Schwarze, Homosexuelle). Schließlich beeinträchtigt gefühlte Diskriminierung wegen Vorurteilen auch die psychische Gesundheit von Mitarbeitern, indem sie Frustration oder einen Verlust an Selbstvertrauen durchleben (vgl. Dietz/Petersen, 2005, S. 254). Durch die zentrale Stellung des Individuums (und nicht in der Gruppe) als ein Steinchen im Mosaik Diversity Managements, kann jedoch eine Neubildung von Stereotypen entgegengewirkt werden (vgl. Emmerich/Krell, 2001, S. 437).

Abschließend sei eine Übersicht der potenziellen Vor- und Nachteile des Diversity Managements angegeben, wobei festgestellt werden muss, dass die unterstellten ökonomischen Vorteile nur schwer messbar sind und der tatsächliche Nutzen somit nicht ohne weiteres zu bestimmen ist. In nur 24 Prozent der in einer Studie befragten deutschen DAX-Unternehmen wird ein systematisches Erfolgscontrolling betrieben (vgl. Süß/Kleiner, 2005,
S. 10).

Abbildung 16: Vor- und Nachteile von Diversity Management

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Quelle: Eigene Darstellung. In Anlehnung an: Haselier/Thiel, 2005, S. 15

Interkulturelle Synergie

Bekannt als mathematische Formel, bei welcher das Ergebnis beim Addieren von 2 + 2 nicht 4, sondern 5 ist, verspricht Synergie viel. Ansoff (1965) beschreibt Synergie als eine Summe von kombinierten Wirkungen, dabei ist Synergie etwas Besonderes, etwas Wunderbares, denn die Gesamtleistung ist größer als die Summe ihrer Teile. Nach Stumpf (1999) erscheint der Kern des Begriffs vor allem im Wort „Zusammenwirken“. Mit dem Synergiebegriff werden häufig Attribute wie Übersummativität, Originalität, Kreativität, Neuheit sowie Überlegenheit verbunden, die kennzeichnen, welche positive Effekte dieses Zusammenwirken auslösen sollen (vgl. Scherm, 1998, zitiert in: Stumpf, 2005, S. 119).

Der Begriff Interkulturelle Synergie wird vor allem mit der Organisationsforscherin Adler (2002) und die Managementforscher Harris&Moran (1996) in Verbindung gebracht. Sie sehen das Zusammenwirken unterschiedlicher Kulturen als Ursache für Synergie. Adler (2002,
S. 118ff.) präsentiert ein Dreischrittmodell als Prozess kulturell synergetischer Lösungen für Organisationsprobleme:

(1) Situationsbeschreibung: Beschreibung des Problems aus der kulturspezifischen Sicht der
Beteiligten
(2) Kulturelle Interpretation: Analyse der kulturellen Gemeinsamkeiten und Unterschiede zwischen den Annahmen und Handlungen der Kulturen
(3) Kulturelle Kreativität: Synergetische Alternativen kreieren, um Probleme zu lösen.

Harris&Moran (1996, S. 11) betrachten in einem Input-Prozess-Output-Modell die Unterschiede der Kulturen in der Zusammenarbeit als positive Faktoren und Potenziale für Synergie (Input). Die Kombination des Besten aus der jeweiligen Kultur führt zur Synergie (Prozess), welche schließlich ein besseres Ergebnis erzeugt (Output). Grundvoraussetzung zur Entstehung interkultureller Synergie ist dabei die Bereitschaft aller beteiligten Personen, die kulturelle Vielfalt grundsätzlich zu akzeptieren, ihr ein hohes Maß an Wertschätzung entgegen zu bringen und sie als produktiv nutzbares Potenzial zu behandeln (vgl. Thomas, 1993). Interkulturelle Synergie ist nach ihm „…das Zusammenfügen kulturell unterschiedlich ausgeprägter Elemente wie Orientierungsmuster, Werte, Normen, Verhaltensweisen usw. in einer Art und Weise, dass sich ein die Summation der Elemente übersteigendes qualitativ höherwertiges Gefüge ergibt. Das Gesamtresultat ist dann qualitativ höherwertiger als jedes Einzelelement oder die Summe der Elemente.“ (ebd., S. 408)

[...]


[1] zitiert in: Heringer, 2004, S. 105ff.

[2] zitiert in: Ferraro, 2002, S. 19

[3] zitiert in: Adler, 2002, S. 16

Fin de l'extrait de 282 pages

Résumé des informations

Titre
Globalisierung. Die interkulturelle Zusammenarbeit in multinationalen Teams
Université
University of Economics, Prague  (Lehrstuhl für Psychologie und Management)
Note
1
Auteur
Année
2007
Pages
282
N° de catalogue
V85659
ISBN (ebook)
9783638900522
ISBN (Livre)
9783638905886
Taille d'un fichier
2870 KB
Langue
allemand
Mots clés
Interkulturelle, Zusammenarbeit, Teams
Citation du texte
Ph.D. Tobias Cramer (Auteur), 2007, Globalisierung. Die interkulturelle Zusammenarbeit in multinationalen Teams, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/85659

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