Vor über zweitausend Jahren kam ein Denken auf, das die Menschen bis heute wie nie zuvor in ihren Bann zog. Es entstand, aus und neben dem Judentum und neben dem Islam, eine der größten monotheistischen Weltreligionen: das Christentum. Nie wieder sollte eine Religion so viele Menschen vereinen; heute zählt man etwa 1,8 Milliarden Christen. Ihr Stifter, Jesus von Nazareth, predigte Nächstenliebe und kündigte das Reich Gottes an.
Seit jeher beschäftigt sich der Mensch mit seinesgleichen. Er fragt nach seiner Herkunft und seiner Bestimmung ebenso wie nach einem Sinn des Lebens und seinem Platz in diesem. Die Religion versucht, diese elementaren Fragen zu beantworten und somit den Menschen das Leben leichter, ja erträglicher zu machen. Schon im alten Testament, der gemeinsamen Quelle von Judentum und Christentum, versuchte man den Menschen zu verorten, ihm eine besondere Position zukommen zu lassen. Er gilt als Krone der Schöpfung, ist nach dem Bilde Gottes geschaffen und hat einen Herrschaftsauftrag über die Schöpfung, über alle Tiere, über Land (und alles was darauf wächst) verliehen bekommen. Kant bezeichnete die Frage, „Was ist der Mensch?“, sogar als eine der vier Grundfragen der Philosophie. Die Wurzeln einer solchen Fragestellung kann man folglich schon viel früher in der Geschichte finden, vor dem Entstehen des Christentums.
Aristoteles war der erste, der das Menschsein von einem wissenschaftlichen Standpunkt aus betrachtete, obwohl das Wort Anthropologie in der Antike noch nicht bekannt war. Er definierte den Menschen als vollkommenstes aller Lebewesen und sah seine Sonderstellung in der Sprache und der Vernunft begründet (ebenso waren das Lachen und der aufrechte Gang spezifisch menschliche Eigenschaften). Diese Auffassung prägte das christliche Mittelalter entscheidend. Henri Bergson fasste den Menschen als homo faber auf, also als ein Wesen, welches seine Umwelt durch seine Fähigkeiten unter Kontrolle hat (vgl. Scheler 1914: 340). Der Philosoph und Soziologe Max Scheler sieht jedoch im homo faber nur einen Menschen zweiter Klasse. Obwohl schon zu Lebzeiten in der philosophisch interessierten Öffentlichkeit enorm anerkannt - Heidegger bezeichnete ihn als die stärkste philosophische Kraft der Gegenwart - galt Scheler auf seinem Gebiet immer als Philosoph zweiter Wahl (vgl. Sander 2002: 9).
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- Einleitende Fragestellung
- Argumentationsaufbau
- Hauptteil
- Schelers Theorie der Religiosität des Menschen
- Die moderne philosophische Anthropologie
- Stufentheorie des Organischen
- Die Zweiheit von Geist und Leben
- Die Ideierung als Instrument der Triebsublimation
- Die Ethik der Werte und der Wert des Heiligen
- Weshalb der Mensch nach,,Gott\" fragt
- Die Ursprünglichkeit und Unableitbarkeit der religiösen Erfahrung, wie der Mensch Gott erkennt....
- Gott als das Persönliche der Person
- Politische Weltanschauungen als religiöser Ersatz
- Rückzug der Religionen, Durkheims Erklärungsmodell
- Jeder glaubt an einen Gott oder Götzen
- Äquivalente im Zuge der Säkularisierung: totalitäre Regime, eine neue Form der
Autokratie....
- Der deutsche Nationalsozialismus: eine Anti- und Ersatzreligion zugleich
- Der russische Kommunismus....
- Schelers Theorie der Religiosität des Menschen
- Schluss
- Zusammenfassung
- Ausblick: Sind religiöse Gesellschaften die „besseren“?
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die Arbeit untersucht Max Schelers Theorie der Religion im Kontext der modernen philosophischen Anthropologie. Sie analysiert, wie Schelers Thesen auf neuere Phänomene, insbesondere den Rückzug der traditionellen Religionen und den Aufstieg totalitärer Regime, angewendet werden können.
- Schelers Theorie der Religiosität des Menschen und ihre Bedeutung für die philosophische Anthropologie
- Die Frage nach der Natur des Menschen und seiner Beziehung zu Gott
- Der Rückgang der traditionellen Religionen in modernen Gesellschaften
- Totalitäre Regime als mögliche Ersatzreligionen
- Die Bedeutung der Wertethik für die religiöse Erfahrung
Zusammenfassung der Kapitel
Einleitung
Die Einleitung stellt die Fragestellung der Arbeit vor und skizziert den Argumentationsaufbau. Sie beleuchtet die Bedeutung der Frage nach dem Wesen des Menschen und die Rolle der Religion in der Beantwortung dieser Frage.
Hauptteil
Schelers Theorie der Religiosität des Menschen
Dieser Abschnitt beschäftigt sich mit Schelers Theorie der Religiosität des Menschen. Er behandelt die philosophische Anthropologie, die Stufenlehre des Organischen, die Zweiheit von Geist und Leben, die Ideierung als Triebsublimation, die Ethik der Werte und den Wert des Heiligen, die Frage nach Gott und die Ursprünglichkeit der religiösen Erfahrung.
Politische Weltanschauungen als religiöser Ersatz
Dieser Abschnitt untersucht, inwiefern politische Weltanschauungen eine Ersatzfunktion für die Religion übernehmen können. Er analysiert Durkheims Erklärungsmodell für den Rückzug der Religionen und untersucht zwei totalitäre Regime – den deutschen Nationalsozialismus und den russischen Kommunismus – als mögliche Ersatzreligionen.
Schlüsselwörter
Die Arbeit befasst sich mit den Schlüsselbegriffen Religiosität, philosophische Anthropologie, Max Scheler, Wertphilosophie, Gott, Säkularisierung, totalitäre Regime, Ersatzreligion, Durkheim.
- Arbeit zitieren
- Uta Beckhäuser (Autor:in), 2006, Rückkehr der Religion in anderer Form: Max Schelers Theorie der Religion und was sich damit an neuartigen Phänomenen erklären und beschreiben lässt, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/85695