Zunehmende Spezialisierung in der industriellen Fertigung aufgrund wachsender Komplexität sowie technologisch anspruchsvollerer Fertigungsprozesse, führt zu-nehmend dazu, dass sich Fertigungsbereiche der Bauindustrie, insbesondere der An-lagen- und Maschinenbau, „zu einem Gesamtanlagengeschäft weiterentwickel[n]“ . Langfristige Fertigungsaufträge, die zum Teil über mehrere Geschäftsjahre hinaus abgewickelt werden, sind die Folge dieser Entwicklung. Die Langfristfertigung defi-niert sich als „ein komplexes auftragsbezogenes Produktionsgeschehen“ , wobei die zugrunde liegenden Lieferverträge „mehrere Abrechnungsperioden betreffen[..]“ . Die Langfristigkeit nimmt dabei entscheidenden Einfluss auf die Problematik der Gewinnrealisierung , die in einem „Spannungsverhältnis“ zwischen der Beachtung der Grundsätze des Realisations- und Vorsichtsprinzip sowie „einer der Generalnorm entsprechenden Darstellung der Vermögens-, Finanz- und Ertragslage der Kapitalge-sellschaft“ steht. Ursache hierfür ist, dass bei der Langfristfertigung der Zeitraum der Auftragsdurchführung und der der Bilanzierung zugrunde liegende Zeitraum nicht übereinstimmen, was dazu führt, dass Gewinnausweise zu einem Großteil aus Leistungen der Vorjahre resultieren. Nach dem durch Vorsichts- und Realisations-prinzip geprägtem deutschem Bilanzrecht dürfen Gewinne erst ausgewiesen werden, wenn sie als sicher gelten. Der Grund hierfür liegt im Gläubigerschutzgedanken so-wie der Gewinnermittlungs- bzw. Zahlungsbemessungsfunktion der Bilanz und der Gewinn- und Verlustrechnung als Sinn und Zweck der deutschen GoB, die im Ge-gensatz zu den angelsächsischen Grundsätzen die Informationsfunktion des Jahres-abschlusses als zweitrangig betrachtet.
In der Praxis, die zunehmend durch anglo-amerikanische Rechnungslegungsprinzi-pien beeinflusst ist, sowie auch von Teilen des Schrifttums gefordert, ist eine zuneh-mende Durchbrechung der Grundsätze ordnungsmäßiger Gewinnrealisierung nach den Grundsätzen ordnungsmäßiger Rechnungslegung zu erkennen. Dabei dient als Vorbild die sog. „Percentage-of-Completion“- Methode des IAS 11 , die eine Teil-gewinnrealisierung nach dem Baufortschritt des Projekts vorsieht. Als besonders prominente Vertreter der Forderung nach einer Abweichung von dem geltenden deutschen Bilanzrecht zur Gewinnrealisierung, gelten Hans Adler, Walther Düring
und Kurt Schmaltz, die in einem Beitrag Thesen zur Teilgewinnrealisierung in
der Langfristfertigung verfasst haben. Sie orientieren sich dabei an der „PoC“-Methode und entwickeln diese im Sinne einer Anpassung der Kriterien zur Teilge-winnrealisierung an das deutsche Handelsrecht fort.
Der Grundsatz der Teilgewinnrealisierung in der langfristigen Fertigung gilt als ums-tritten, weshalb sich die Frage stellt, inwieweit ein Paradigmenwechsel weggehend von dem deutschen Gläubigerschutzgedanken und der Zahlungsbemessungsfunktion des Jahresabschlusses hin zur Informationsvermittlungsfunktion stattfindet.
Zunächst sollen die Grundsätze ordnungsmäßiger Gewinnrealisierung nach GoB dargestellt werden, bevor im zweiten Teil auf die Gewinnrealisierungsgrundsätze in der Langfristfertigung eingegangen wird. Im dritten Teil werden schließlich die neun Voraussetzungen zur Teilgewinnrealisierung in der Langfristfertigung, die von den Autoren Adler, Düring und Schmaltz gefordert werden, dargestellt und gewürdigt.
Inhaltsverzeichnis
- Problemstellung
- Grundsätze ordnungsmäßiger Gewinnrealisierung nach GoB
- Leitprinzip des quasisicheren Anspruchs als Ausfluss des Realisationsprinzips
- Gewinnrealisierungsgrundsätze für die langfristige Auftragsfertigung
- Teilgewinnrealisierung bei echten Teilabnahmen
- Gewinnerläuterung im Anhang bei unteilbaren Werken
- Würdigung der Thesen von Adler/Düring/Schmaltz zur Teilgewinnrealisierung in der Langfristfertigung
- Motivation für die Forderung nach vom geltenden Recht abweichenden Kriterien für eine Teilgewinnrealisierung
- Unsachgemäße Definition der Langfristigkeit eines Fertigungsauftrags ausschließlich anhand des Bilanzstichtagskriteriums
- Ermessensbehaftete Bedingungen der Wesentlichkeit und der nicht unerheblichen Beeinträchtigung des Einblicks in die Ertragslage
- GoB-widrige Nichtberücksichtigung des Gesamtfunktionsrisikos
- Problematische Bestimmung der Gewinnhöhe bei Zerlegung in kalkulatorische Teilleistungen
- Thesenförmige Zusammenfassung
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Seminararbeit befasst sich mit dem umstrittenen Grundsatz der Teilgewinnrealisierung in der Langfristfertigung im Rahmen der Gewinnermittlung nach GoB. Sie analysiert die Thesen von Adler/Düring/Schmaltz, die eine Abweichung vom geltenden deutschen Bilanzrecht fordern und sich dabei an der "Percentage-of-Completion"-Methode (PoC) des IAS 11 orientieren.
- Gewinnrealisierung nach GoB
- Teilgewinnrealisierung in der Langfristfertigung
- Kriterien für die Teilgewinnrealisierung
- Thesen von Adler/Düring/Schmaltz
- Gläubigerschutz vs. Informationsfunktion des Jahresabschlusses
Zusammenfassung der Kapitel
Das erste Kapitel skizziert die Problemstellung der Gewinnrealisierung in der Langfristfertigung, die durch zunehmende Spezialisierung und Komplexität in der Industrie entsteht. Die Arbeit beleuchtet die Spannung zwischen dem Realisationsprinzip, dem Vorsichtsprinzip und der Informationsfunktion des Jahresabschlusses im deutschen Bilanzrecht.
Kapitel II erläutert die Grundsätze ordnungsmäßiger Gewinnrealisierung nach GoB und das Leitprinzip des quasisicheren Anspruchs als Ausfluss des Realisationsprinzips.
Kapitel III widmet sich den Gewinnrealisierungsgrundsätzen für die Langfristfertigung, wobei der Fokus auf der Teilgewinnrealisierung bei echten Teilabnahmen und der Gewinnerläuterung im Anhang bei unteilbaren Werken liegt.
Kapitel IV beleuchtet die Thesen von Adler/Düring/Schmaltz zur Teilgewinnrealisierung in der Langfristfertigung. Die Arbeit analysiert deren Motivation, die Kritik an der Definition der Langfristigkeit, die ermessensbehafteten Bedingungen der Wesentlichkeit und die Nichtberücksichtigung des Gesamtfunktionsrisikos.
Kapitel V bietet eine thesenförmige Zusammenfassung der Ergebnisse der Arbeit.
Schlüsselwörter
Diese Seminararbeit beschäftigt sich mit der Gewinnrealisierung in der Langfristfertigung, insbesondere mit der Teilgewinnrealisierung. Sie behandelt die Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung (GoB) und das Realisationsprinzip im deutschen Bilanzrecht sowie die Thesen von Adler/Düring/Schmaltz, die eine Anpassung der Kriterien für die Teilgewinnrealisierung an das deutsche Handelsrecht fordern. Die Arbeit analysiert die verschiedenen Argumente und Herausforderungen in Bezug auf die Teilgewinnrealisierung und die Abwägung zwischen Gläubigerschutz und Informationsfunktion des Jahresabschlusses.
- Arbeit zitieren
- Jan Bühler (Autor:in), 2007, Fraglicher Grundsatz der Teilgewinnrealisierung in der Langfristfertigung nach GoB unter besonderer Berücksichtigung der Thesen von Adler/Düring/Schmaltz, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/85813