In der vorliegenden Arbeit werde ich die Zusammenhänge von Gehirn und Gesellschaft erörtern. Dabei gehe ich von der These aus, dass ein umfassendes Verständnis vom Gehirn und seiner Funktionsweise nur dann möglich ist, wenn man es im Zusammenwirken mit seiner Umwelt bzw. mit anderen Menschen betrachtet. Anhand von aktuellen Analysen aus der Neurobiologie und Psychoanalyse zum Unbewussten zeige ich, dass Wahrnehmung nur durch Intersubjektivität und lebensgeschichtliche Lernprozesse erklärbar ist. Durch diese Perspektive stellt sich auch gleichzeitig die Frage nach der Rechtfertigung des Objektivitätsanspruchs, der in den Naturwissenschaften vorausgesetzt wird. Ich werde dahingehend argumentieren, dass in der Neurobiologie – entgegen der Auffassung einiger vieler HirnforscherInnen – trotz ihrer akribischen Arbeit nicht von Objektivierbarkeit, im Sinne von Wertfreiheit, die Rede sein kann. Schon allein unsere Sprache, die durch Internalisierung von kollektiven Normen gekennzeichnet ist, verbietet per se die Möglichkeit von absoluter Wertneutralität. Schließlich werde ich erörtern, inwiefern die Naturwissenschaften an der Konstruktion von gesellschaftlichen Machtverhältnissen beteiligt sind. Die feministische Naturwissenschaftsforschung versucht solche Zusammenhänge aufzudecken, um zu zeigen, dass die Naturwissenschaft nicht wertneutral, sondern häufig politisch motiviert ist.
Im fünften und letzten Kapitel dieser Arbeit werde ich zeigen, wie die feministische Hirnforschung dabei behilflich ist, pseudowissenschaftliche Scheinrechtfertigungen von Geschlechterdifferenzen aufzustellen. Am Beispiel von Untersuchungen zu männlicher Homosexualität und zur Bilateralität von Frauen werde ich zeigen, inwiefern die Hirnforschung an der Zementierung von fälschlichen Geschlechterbildern beteiligt ist. Neben der korrekten Auswertung von Befunden ist aber auch die Art und Weise der Darstellungsformen von wissenschaftlichen Studien nicht unerheblich. Häufig haben die Rahmenbedingungen und die Präsentationsform von Studien zum Gehirn weitreichende Konsequenzen für die Ergebnisse der Untersuchung, die widersprüchlich sein können. Eine feministische Hirnforschung ist dabei behilflich, pseudowissenschaftliche Mythen über Geschlechterdifferenzen zu entlarven.
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- Der Geist im Gehirn und das Gehirn in der Welt – Das Unbewusste als Forschungsgegenstand der Neurobiologie und der Psychoanalyse
- Das Problem des Unbewussten in der Neurobiologie
- Wo entsteht das Bewusstsein? – Ein neurobiologischer Erklärungsansatz
- Das Unbewusste in der Psychoanalyse
- Von der Unmöglichkeit der Objektivität in den Neurowissenschaften
- Gender und Naturwissenschaft
- Feministische Naturwissenschaftsforschung
- Die sex/gender-Dichotomie
- Sexing the brain
- Gehirn und Sexualität
- Gehirn, Sprache und Geschlecht
- Schlussteil
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die vorliegende Arbeit untersucht den Zusammenhang von Gehirn, Gesellschaft und Geschlecht. Sie argumentiert, dass ein umfassendes Verständnis des Gehirns nur im Kontext seiner Umwelt und der Interaktion mit anderen Menschen möglich ist. Anhand von Analysen des Unbewussten aus der Neurobiologie und Psychoanalyse wird gezeigt, dass Wahrnehmung durch Intersubjektivität und lebensgeschichtliche Lernprozesse beeinflusst wird. Die Arbeit stellt zudem die Frage nach der Objektivität in den Naturwissenschaften und kritisiert die Annahme von Wertfreiheit in der Hirnforschung. Darüber hinaus wird beleuchtet, wie die Naturwissenschaften an der Konstruktion von gesellschaftlichen Machtverhältnissen beteiligt sind.
- Das Unbewusste als Forschungsobjekt der Neurobiologie und der Psychoanalyse
- Die Rolle von Intersubjektivität und Lernprozessen für die menschliche Wahrnehmung
- Die Kritik am Objektivitätsanspruch in den Naturwissenschaften
- Der Zusammenhang von Naturwissenschaft, Sozialverhältnissen und Politik
- Die feministische Hirnforschung und die Dekonstruktion von Geschlechterbildern
Zusammenfassung der Kapitel
- Die Einleitung führt in das Leib-Seele-Problem ein und erläutert die Bedeutung des Zusammenspiels von Gehirn und Umwelt für die menschliche Wahrnehmung.
- Das zweite Kapitel beleuchtet das Unbewusste als Forschungsgegenstand der Neurobiologie und Psychoanalyse. Es zeigt, wie die Funktionsweise des Gehirns durch unsere Erfahrungen beeinflusst wird und dass ein umfassendes Verständnis des mentalen Zustands nur möglich ist, wenn man das Gehirn als ein Netzwerk betrachtet, das sich funktional entwickelt.
- Im dritten Kapitel wird die Frage nach der Objektivität in den Neurowissenschaften diskutiert. Es wird argumentiert, dass die Neurobiologie trotz ihrer akribischen Arbeit nicht von Objektivierbarkeit im Sinne von Wertfreiheit sprechen kann.
- Das vierte Kapitel beschäftigt sich mit dem Verhältnis von Gender und Naturwissenschaft. Es wird aufgezeigt, wie die Naturwissenschaften an der Konstruktion von gesellschaftlichen Machtverhältnissen beteiligt sind und wie die feministische Naturwissenschaftsforschung diese Zusammenhänge aufdeckt.
Schlüsselwörter
Die Arbeit beschäftigt sich mit den Themen Gehirn, Gesellschaft, Geschlecht, Unbewusstes, Neurobiologie, Psychoanalyse, Wahrnehmung, Objektivität, Naturwissenschaften, feministische Naturwissenschaftsforschung, Geschlechterbilder.
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- Anonym (Autor), 2007, Über den Zusammenhang von Gehirn, Gesellschaft und Geschlecht, Múnich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/85818