1. Einleitung
Sprechen ist akribische Präzisionsarbeit. „Innerhalb von Millisekunden steuert unser Gehirn den Sprechapparat an, damit dieser alle notwendigen Laute hervorbringt. Präzise arbeiten die Muskeln von Kehlkopf, Zunge und Lippen, während der Atem dosiert aus unseren Lungen entweicht“ (Neumann 2005, 30). Eben diese Präzisionsarbeit ist für viele Menschen mit großer Anstrengung verbunden, besitzen sie eine Redeflussstörung. Die verbreiteste Redeflussstörung ist das Stottern (vgl. z.B. Orthmann & Scholz 1975, V). In Deutschland sind derzeitig 800 000 Menschen betroffen (vgl. Neumann 2005, 30). Dabei ist Stottern bei Kindern weit aus häufiger zu diagnostizieren als bei Erwachsenen. Ungefähr 4 % aller Kinder stottern; der Anteil erwachsener Stotterer liegt bei etwa 1 % (vgl. z. B. Wirth 52000, 471; Van Riper 1971 in Fiedler & Standop 1992, 21).
Das Phänomen Stottern ist seit über zweitausend Jahren bekannt. „Keine andere Sprachstörung hat zu so vielen theoretischen Ansätzen und therapeutischen Versuchen veranlaßt wie das Stottern. Es gibt kaum eine Therapieform, die nicht zur Behandlung des Stotterns herangezogen wäre“ (Braun 1997, 1). Erschwert wird die Analyse des gegenwärtigen Erkenntnisstandes über die Phänomenologie des Stotterns aufgrund des Vorhandenseins diverser und teilweise sich widersprechender Hypothesen über Kausa, Symptome und Therapie (vgl. Böhme 1977, 7). Die Phänomenologie des Stotterns ist zum „Gegenstand einer unüberschaubaren Anzahl von wissenschaftlichen, empirischen und hypothetischen Einzelarbeiten und Monographien aus der Sicht der Phoniatrie, Logopädie, Neurologie, Psychiatrie, Pädiatrie, Psychologie, Sonder-pädagogik, Heilpädagogik, Sprecherziehung und Gesangspädagogik“ (Böhme 1977, 7) gemacht worden. „Hinzu kommt, daß die Nomenklatur und die Auffassungen über das Stotter-Syndrom von Land zu Land, besonders aber von Kontinent zu Kontinent sehr stark variieren“ (ebd., 7).
Viele Forscher und Therapeuten bezeichneten das Phänomen des Stotterns als eine rätselhafteste Sprachstörung (vgl. Orthmann & Scholz 1975, V; vgl. Schwartz 1977, 13).
Inhaltsverzeichnis
- EINLEITUNG
- DIE BEZEICHNUNGS- UND DEFINITIONSPROBLEMATIK
- SPRECHUNFLÜSSIGKEITEN UND STOTTERN
- FUNKTIONALE UND SYMPTOMATISCHE SPRECHUNFLÜSSIGKEITEN
- KERN- UND BEGLEITSYMPTOME DES STOTTERNS
- Wechselwirkung der Kern- und Begleitsymptome
- Coping-Strategien
- ABGRENZUNG DES PATHOLOGISCHEN STOTTERNS VON PHYSIOLOGISCHEN SPRECHUNFLÜSSIGKEITEN
- ZUR GESCHICHTE DER ERFORSCHUNG DES STOTTERNS
- DER FORSCHUNGSSTAND BIS ZUM ENDE DES 19. JAHRHUNDERT
- DER IDIOGRAPHISCHE, MULTIFAKTORIELLE ERKLÄRUNGSANSATZ
- ORGANISCHE HYPOTHESEN
- PSYCHOSOZIALE HYPOTHESEN
- PSYCHOLINGUISTISCHE HYPOTHESEN
- Befunde auf der Kapazitätsseite
- Befunde auf der Anforderungsseite
- THERAPIE
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Arbeit untersucht die Phänomenologie des Stotterns im Kindesalter. Ziel ist es, die verschiedenen Symptome, Ursachen und Therapiemöglichkeiten dieser weit verbreiteten Sprachstörung aufzuzeigen und zu analysieren. Dabei wird die historische Entwicklung der Forschung zum Stottern betrachtet sowie verschiedene wissenschaftliche Ansätze zur Erklärung der Störung beleuchtet.
- Definition und Abgrenzung des Stotterns
- Symptome und Ursachen des Stotterns
- Die historische Entwicklung der Stotterforschung
- Aktuelle Forschungsergebnisse und Theorien zur Entstehung des Stotterns
- Therapiemöglichkeiten und -ansätze bei Stotternden Kindern
Zusammenfassung der Kapitel
- Die Einleitung stellt die Redeflussstörung Stottern vor und erläutert die Relevanz der Thematik.
- Kapitel 2 beschäftigt sich mit den Problemen, die sich aus der Bezeichnung und Definition des Stotterns ergeben. Es zeigt die Vielfalt der Bezeichnungen und die Schwierigkeiten auf, eine einheitliche Definition zu finden.
- Kapitel 3 erläutert die verschiedenen Arten von Sprechunflüssigkeiten und grenzt das Stottern von anderen Sprechproblemen ab. Es wird auf Kern- und Begleitsymptome des Stotterns eingegangen sowie auf Coping-Strategien, die Betroffene entwickeln.
- Kapitel 4 beleuchtet die historische Entwicklung der Forschung zum Stottern, wobei der Fokus auf dem Forschungsstand bis zum Ende des 19. Jahrhunderts liegt.
- Kapitel 5 beschäftigt sich mit dem idiographischen, multifaktoriellen Erklärungsansatz, der versucht, das Stottern aus verschiedenen Perspektiven zu erklären. Es werden organische, psychosoziale und psycholinguistische Hypothesen vorgestellt und diskutiert.
Schlüsselwörter
Stottern, Sprachstörung, Redeflussstörung, Sprechunflüssigkeit, Symptome, Ursachen, Therapie, Forschung, Geschichte, Definition, Bezeichnungs- und Definitionsproblematik, organische Hypothesen, psychosoziale Hypothesen, psycholinguistische Hypothesen, idiographischer Ansatz, multifaktorieller Ansatz.
- Arbeit zitieren
- Corinna Kühn (Autor:in), 2007, Symptomatologie, Ätiologie und Therapie des Stotterns im Kindesalter, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/85975