Der Stabilitäts- und Wachstumspakt: Ist das Ziel eines mittelfristigen Budgetausgleichs sinnvoll?


Hausarbeit (Hauptseminar), 2002

19 Seiten, Note: 2,7


Leseprobe


Inhalt

1 Einleitung

2 Grundlagen des Stabilitäts- und Wachstumspaktes
2.1 Zur Konzeption des Stabilitäts- und Wachstumspaktes
2.2 Formale Grundlage und fiskalische Bestimmungen
2.3 Überblick über Maßnahmen des Paktes bei Abweichungen

3 Die Umsetzung der mittelfristigen Budgetvorgaben
3.1 Definition struktureller und konjunktureller Budgetdefizite
3.2 Minimal benchmarks und zyklischer Sicherheitsabstand
3.3 Mögliche Auswirkungen von Budgetdefiziten
3.3.1 Risiko einer staatlichen Insolvenz
3.3.2 Risiko eines erhöhten Zinsniveaus
3.4 Öffentliche Budgets im Hinblick auf die „alternde Bevölkerung“
3.4.1 Überblick über die demographische Entwicklung
3.4.2 Finanzierung der „zusätzlichen Kosten“ durch Zinsersparnis
3.5 Zur Frage der Finanzierung öffentlicher Investitionen
3.5.1 Entwicklung der Staatsverschuldung in Deutschland
3.5.2 Finanzierungsmöglichkeiten der Staatsausgaben

4 Schlussbemerkung

Literaturverzeichnis

1 Einleitung

Gesunde öffentliche Finanzen tragen zum Outputwachstum und der damit verbundenen Förderung neuer Arbeitsplätze in Europa bei. Durch geringe Haushaltsdefizite und sinkende Schulden können Zinsen und Inflation niedrig gehalten werden. Außerdem können die durch eine Schuldenrückführung erzielten Ersparnisse dazu beitragen, den aufgrund absehbarer demographischer Entwicklung wachsenden Finanzierungsbedarf bei den Alterssicherungssystemen zu decken.[1] Der Maastricht-Vertrag bzw. die durch den Vertrag von Amsterdam geänderte Fassung mit der Ergänzung durch den Stabilitäts- und Wachstumspakt sollen zur Sicherung der hierzu notwendige Haushaltsdiziplin dienen, es soll in jedem Mitgliedsland eine auf Dauer tragbare Finanzsituation geschaffen werden.

Zur Klärung der in der Überschrift formulierten Frage, ob das Ziel eines mittelfristigen Budgetausgleichs sinnvoll ist, werden in dieser Arbeit zunächst die Komponenten eines Budgetdefizits erläutert und eine Methode zur Ermittlung eines zulässigen strukturellen Defizits vorgestellt. Im Anschluss daran werden die möglichen Wirkungen eines erhöhten Budgetdefizits auf Zinsen sowie das Risiko einer staatlichen Insolvenz darstellt. Des weiteren wird die Notwendigkeit eines ausgeglichenen Haushalts im Hinblick auf die absehbaren demographischen Entwicklungen untersucht. Als Letztes wird kurz die Finanzierung öffentlicher Investitionen über Schulden statt über Steuern diskutiert. Vorab jedoch wird ein Überblick über die Entwicklungslinie des Stabilitäts- und Wachstumspaktes und die darin enthaltenen Bestimmungen gegeben.

2 Grundlagen des Stabilitäts- und Wachstumspaktes

2.1 Zur Konzeption des Stabilitäts- und Wachstumspaktes

Den institutioneller Rahmen der Europäischen Wirtschafts- und Währungsunion (EWU) bildet der in Maastricht vereinbarte Vertrag über die Europäische Union (EUV). Dieser wurde im Dezember 1991 zwischen den EU-Staats- und Regierungschefs vereinbart und trat Ende 1993 in Kraft. Bereits hier wurde den Teilnehmern an der EWU im Hinblick auf die Haushaltsdisziplin die Verpflichtung auferlegt, übermäßige Budgetdefizite zu vermeiden; es wurden Referenzwerte festgelegt und für den Fall eines übermäßigen Budgetdefizits wurden Verfahren zur Überwachung und Sanktionierung festgelegt (Art. 103, 104 und 109).[2]

Ein wichtiges Element des Maastricht Vertrages ist die „no-bail-out“-Klausel. Diese besagt, dass weder die EZB (stellvertretend für die gesamte Gemeinschaft) noch einzelne Mitgliedstaaten für die Verbindlichkeiten eines einzelnen Mitgliedstaates haften (Art. 103 EGV).[3]

Da jedoch gerade die Gewährleistung der Haushaltsdisziplin durch den Maastrichter Vertrag aufgrund großer Freiräume des Überwachungssystems nicht ausreichend gesichert schien, sah sich der deutsche Finanzminister Waigel dazu veranlasst, im November 1995 einen „Stabilitätspakt für Europa“ vorzuschlagen. In diesem ersten Entwurf ging es u.a. darum, die 3%-Quote zu verringern und die Sanktionsmechanismen zu automatisieren. Diesem Vorschlag stimmten die Partnerländer zwar offiziell zu, lehnten jedoch später die automatische Sanktionierung ab. Außerdem war die EU-Kommission der Meinung, das Verfahren zur Sicherung der Haushaltsdisziplin sei bereits im Maastricht Vertrag endgültig geregelt. Die Idee der automatischen Sanktionierung wurde leztzendlich verworfen. Stattdessen wurde den EU-Finanzministern vorgeschlagen, lediglich das Frühwarnsystem nach Artikel 103 (jetzt Art. 99) und die Verfahren bei einem übermäßigen Defizit nach Artikel 104c (jetzt Art. 104) auszubauen. Die Erweiterung Stabilitätspaktes zu einem Stabilitäts- und Wachstumspakt wurde dann auf dem Dubliner Gipfel 1996 ausgehandelt[4] Die heutige Fassung des Stabilitäts- und Wachstumspaktes wurde ein Jahr später auf dem EU-Gipfel im Juni 1997 in Amsterdam beschlossen. Er ist eine Art „finanzpolitischer Verhaltenskodex“ zur Gewährleistung der Haushaltsdisziplin zu verstehen.[5]

2.2 Formale Grundlage und fiskalische Bestimmungen

Die formale Grundlage des Stabilitäts- und Wachstumspaktes bilden eine Entschließung des Europäischen Rates, in der sich die Mitgliedstaaten verpflichten, die Vorgaben des Stabilitäts- und Wachstumspaktes umzusetzen und zwei Ratsverordnungen.[6]

Die Ratsverordnung nach Art. 99 EGV (früher Art. 103)[7] regelt die Einrichtung eines Frühwarnsystems für den Fall einer möglichen Abweichung des Haushaltsdefizits von den vorgegebenen Zielen. Daneben sind dort auch die Bestimmungen für die Vorlage und den Inhalt der Stabilitätsprogramme festgehalten. In der Verordnung nach Art. 104 EUV (früher Art. 104c)[8] geht es um die Vorschriften des Maastrichter Vertrages hinsichtlich der Kontrolle und Sanktion übermäßiger Defizite.

In der Entschließung des Europäischen Rates verpflichten sich die Mitgliedstaaten konkret dazu, mittelfristig ein ausgeglichenes Haushaltsbudget oder sogar einen Haushaltsüberschuss zu erzielen.[9] Eine der Begründungen für diese Verpflichtung ist, dass so die Mitgliedstaaten normale Konjunkturschwankungen mit Hilfe automatischer Stabilisation überstehen können, ohne die festgelegte Grenze von 3% des BIP zu überschreiten.[10] Automatische Stabilisation bedeutet, dass durch die im Konjunkturverlauf wechselnden Budgetpositionen auf der Einnahmen- oder Ausgabenseite ohne Einwirkung der Regierung stabilisierende Wirkungen erzielt werden können.[11]

Um das Ziel eines mittelfristig ausgeglichenen oder einen Überschuss aufweisenden Haushalts zu erreichen wurden zwei Referenzwerte festgelegt. Zum einen darf die Obergrenze für die öffentliche Gesamtverschuldung eines Mitgliedstaates in Höhe von 60 % des Bruttoinlandsprodukts (BIP) nicht überschritten werden und zum anderen darf die jährliche Neuverschuldung der öffentlichen Haushalte nicht mehr als 3 % des BIP betragen. Überschreitungen des Referenzwertes von 3% werden, von einigen Ausnahmeregelungen abgesehen, als übermäßig betrachtet. Sie lösen das Verfahren bei einem übermäßigen Defizit gemäß Art. 104 aus.[12]

2.3 Überblick über Maßnahmen des Paktes bei Abweichungen

Im Pakt sind hinsichtlich der Maßnahmen bei einem übermäßigen Defizit sowohl vorbeugende wie auch abschreckende Elemente enthalten.

Die vorbeugenden Maßnahmen wurden durch die Einrichtung eines Frühwarnsystems berücksichtigt. Grundsätzlich ist es so, dass die Mitgliedstaaten der Kommission und dem Europäischen Rat jährlich ein Stabilitätsprogramm[13] vorlegen müssen. Dieses bezieht sich auf einen Zeitraum von 3 Jahren. Darin sind das mittelfristige Haushaltsziel und der Anpassungspfad zu diesem Ziel enthalten. Des weiteren werden die Grundannahmen dargelegt, auf denen das das Haushaltsziel basiert. Dazu gehören zum Beispiel Prognosen über die wirtschaftliche Entwicklung, mögliche Maßnahmen zur Zielerreichung oder auch Sensitivitätsanlysen. Jedes dieser Programme wird von der innerhalb von zwei Monaten vom Rat überprüft und beurteilt. Falls nach Meinung des Rates die Ziele und Inhalte zu anspruchslos sind, kann er in seiner Stellungnahme Anpassungsmaßnahmen verlangen.[14]

Des weiteren wird auch die Umsetzung der Programme überwacht. Dies geschieht, in dem regelmäßig die Haushaltspositionen jedes Landes nach kontrolliert werden. Falls eine signifikante Abweichung festgestellt wird, muss der Rat gemäß Art. 99 eine Empfehlung an den betroffenen Mitgliedstaat geben. Falls nur unzureichende Maßnahmen seitens des Mitgliedstaates getroffen werden, kann der Rat weitere Maßnahmen ergreifen bis hin zu einer Verhängung von Sanktionen gemäß Art. 104.[15]

Die möglichen Sanktionen gemäß Art. 104 Absatz 11 fallen unter die sogenannten abschreckenden Maßnahmen. Sie reichen von unverzinslichen Einlagen, die bei der Gemeinschaft zu hinterlegen sind, bis hin zu nicht rückzahlbaren Geldbußen, wenn das übermäßige Defizit nach zwei Jahren immer noch besteht.

Hinsichtlich der Anwendung der Sanktionen sind jedoch einige Ausnahmeregelungen zu beachten. Ein erhöhtes Defizit wird nicht als übermäßig betrachtet, wenn es nur vorübergehend ist, auf außergewöhnlichen Umständen oder einer schwierigen Wirtschaftslage beruht. Ein solcher Ausnahmefall wäre beispielsweise ein Rückgang des BIP innerhalb eines Jahres um 2% oder mehr. Ein Rückgang von 0,75% bis 2% wird nur dann als Ausnahme angesehen, wenn weitere bedeutsame Faktoren zu berücksichtigen sind.[16]

[...]


[1] Vgl. European Commission [2000] S. 1 und EZB [2000] S. 63.

[2] Vgl. Eichengreen/Wyplosz [1998] S. 67 und Kramer [1997] S. 363.

[3] Vgl. Weiland [2000] S. 99.

[4] Vgl. Steuer [1997] S. 2ff.

[5] Vgl. EZB [1999] S. 49.

[6] Vgl. Eichengreen/Wyplosz [1998] S. 69 und Steuer [1997] S. 17.

[7] „Verordnung des Rates über den Ausbau der haushaltspolitischen Überwachung und der Überwachung und Koordinierung der Wirtschaftspolitiken“.

[8] “Verordnung des Rates über die Beschleunigung und Klärung des Verfahrens bei einem übermäßigen Defizit”.

[9] Vgl. Smeets/Vogl [2001] S. 428.

[10] Vgl. O.V. [2001a] vom 4.10.2001.

[11] Vgl. Gabler [1997].

[12] Vgl. Weiland [2000] S. 99 und EZB [1999] S. 71f.

[13] Nicht-Mitgliedstaaten legen stattdessen ein sogenanntes Konvergenzprogramm vor.

[14] Vgl. European Commission [2000] S. 47 und Url [1997] S. 375.

[15] Vgl. European Commission [2000] S. 47; zu einer ausführlichen Darstellung der Maßnahmen vgl. EZB [1999] S. 69.

[16] Vgl. European Commission [2000] S. 48.

Ende der Leseprobe aus 19 Seiten

Details

Titel
Der Stabilitäts- und Wachstumspakt: Ist das Ziel eines mittelfristigen Budgetausgleichs sinnvoll?
Hochschule
Christian-Albrechts-Universität Kiel  (Institut für Weltwirtschaft)
Veranstaltung
Hauptseminar Konjunktur- und Wachstumspolitik
Note
2,7
Autor
Jahr
2002
Seiten
19
Katalognummer
V8611
ISBN (eBook)
9783638155410
Dateigröße
651 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Stabilitäts-, Wachstumspakt, Ziel, Budgetausgleichs, Hauptseminar, Konjunktur-, Wachstumspolitik
Arbeit zitieren
Kathrin Löwen (Autor:in), 2002, Der Stabilitäts- und Wachstumspakt: Ist das Ziel eines mittelfristigen Budgetausgleichs sinnvoll?, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/8611

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