Bedingungen für gelungene Experten-Laien-Kommunikation in der Qualifizierungsberatung

Eine Analyse der Beraterkompetenz in der Qualifizierungsberatung für kleine und mittlere Betriebe in der Metall- und Elektroindustrie


Mémoire (de fin d'études), 2007

129 Pages, Note: 1,0


Extrait


Inhaltsverzeichnis

1 Ausgangslage und Ziel der Arbeit

2 Fragestellung

3 Die Expertiseforschung als erkenntnistheoretischer Bezugsrahmen
3.1 Unterscheidung zwischen Experten, Laien und Novizen
3.2 Merkmale der Experten-Laien-Kommunikation
3.3 Wissenskommunikation: Theorie von Clark
3.4 Perspektivenübernahme
3.5 Perspektivenübernahme und die „Theory of Mind“
3.6 Relevante Untersuchungsergebnisse für die eigene Untersuchung
3.7 Zusammenfassung

4 Pädagogisch-psychologische Beratung
4.1 Exkurs zum Wissen und zur Kompetenz von Beratern
4.1.1 Normenwissen
4.1.2 Diagnostisches Wissen
4.1.3 Objektwissen
4.1.4 Operatives Wissen
4.1.5 Zusammenfassung
4.2 Kompetenzerwerb von Beratern
4.3 Pädagogik als Basisqualifikation
4.4 Die Domäne „Qualifizierungsberatung“
4.5 Aufgaben der Qualifizierungsberatung für Betriebe - Auswahlkriterien für die Untersuchung
4.5.1 Unterstützung in Fragen der pädagogischen
Organisationsentwicklung
4.5.2 Rekrutierung, Qualifizierung und Weiterbildung
4.5.3 Sicherung von Wirtschaftlichkeit und Qualität
4.6 Kennzeichen der Domäne „Qualifizierungsberatung“
4.7 Ablaufmodell der Qualifizierungsberatung
4.8 Instanzen der Qualifizierungsberatung
4.9 Aufgaben von Qualifizierungsberatern
4.10 Klein- und Mittelbetriebe als Zielgruppe der Qualifizierungsberatung
4.10.1 Quantitative Merkmale
4.10.1.1 Einteilung des Instituts für Mittelstandsforschung
4.10.1.2 Einteilung der Kommission der europäischen Gemeinschaft
4.10.2 Qualitative Merkmale
4.10.3 Klein und Mittelbetriebe in der Metall - Elektro Branche
4.10.4 Qualifizierungsberatung aus betrieblicher Sicht
4.10.5 Beratungsformen
4.10.6 Instrumente der Bedarfserkennung in Betrieben
4.11 Kommunikative Kompetenz von Beratern
4.12 Experten-Laien-Kommunikation in der Qualifizierungsberatung
4.13 Voraussetzungen und Probleme der Wissenskommunikation in der Qualifizierungsberatung
4.14 Zusammenfassung

5 Methode
5.1 Untersuchung 1: Leitfadengestütztes Interview und Fallbeispiel
5.1.1 Rekrutierung der Stichprobe
5.1.2 Methode
5.1.3 Datenaufbereitung
5.1.4 Auswertungsmethode
5.1.5 Kategoriensystem
5.1.6 Gütesicherung
5.1.7 Ergebnisse der Interviewuntersuchung
5.1.8 Deskriptive Ergebnisse Führungskräfte
5.1.9 Deskriptive Ergebnisse Berater
5.1.10 Überprüfung der Hypothesen
5.1.11 Untersuchung zum Fall
5.1.12 Diskussion der Interviewstudie
5.2 Untersuchung 2: Fragebogenstudie
5.2.1 Methode
5.2.2 Rekrutierung der Stichprobe
5.2.3 Deskriptive Ergebnisse
5.2.4 Ergänzung zur Interviewstudie
5.2.5 Überprüfung der Hypothesen
5.2.6 Vergleich der Fremdperspektivurteile innerhalb Beratergruppe
5.2.7 Diskussion der Fragebogenstudie

6 Diskussion
6.1 Diskussion des Forschungsdesigns
6.2 Diskussion der Forschungsergebnisse
6.3 Aufklärerischer Auftrag
6.4 Maßnahmen zur Förderung des Kommunikationsprozesses
6.5 Beraterische Kompetenzförderung

7 Ausblick

8 Literaturverzeichnis

9 Abbildungsverzeichnis

10 Tabellenverzeichnis

11 Anhang
11.1 Leitfaden für Interview mit Qualifizierungsberatern
11.2 Leitfaden für Führungskräfte
11.3 Fragebogen: Qualifizierungsberater
11.4 Fragebogen Führungskraft
11.5 Ergänzung zu Tabelle 4-3
Einsatz von Bedarfsermittlungsinstrumenten in der Praxis

12 Erklärung

Zusammenfassung

Beraterischer Erfolg ist abhängig von der Kommunikation zwischen Berater und Klient. Beratung misslingt oftmals aufgrund unterschiedlich verteilten Wissens der Klienten und des Beraters. In dieser Arbeit wurde anhand von zwei Teiluntersuchungen unter Berücksichtigung der Common Ground Theorie Clarks (1996) und der Expertiseforschung analysiert, ob Unterschiede zwischen erfahrenen und unerfahrenen Qualifizierungsberatern hinsichtlich ihrer kognitiven Flexibilität im Umgang mit Laien bestehen. In einer Interviewstudie und einer Fragebogenuntersuchung wurde danach gefragt, ob Unterschiede zwischen Experten und Novizen hinsichtlich der Bewusstheit auftretender Kommunikationsprobleme zu bestimmten Phasen der Beratung, hinsichtlich ihrer kognitiven Flexibilität die Laienperspektive beim prognostischen Urteil zu berücksichtigen und hinsichtlich ihre Antizipationsfähigkeit der Laienperspektive existieren. Durch die Analyse konnten in diesen drei Bereichen keine gravierenden Unterschiede innerhalb der Beratergruppe nachgewiesen werden. Ein Vergleich der Beratergruppe mit der Laiengruppe (Führungskräfte aus KMUs) lässt allerdings vermuten, dass Qualifizierungsberatung ein wenig verankertes, kognitives Konzept in der Laiengruppe darstellt. Konkret werden daher drei Ansätze vorgeschlagen, diese Situation zu verbessern: (1) Informierender Ansatz durch die Nutzung neuer Medien, (2) Förderung der Kommunikationsprozesse zwischen Experte und Laie und (3) beraterische Kompetenzförderung.

Schlagwörter: Expertiseforschung, Experten-Laien-Kommunikation, Common Ground-Theorie, Qualifizierungsberatung

„Nicht wenige Experten sehen ihre Daseinsberechtigung darin, einen relativ einfachen Sachverhalt unendlich zu komplizieren.“ (Pierre Elliot Trudeau).

1 Ausgangslage und Ziel der Arbeit

Die Thematik und die Diskussionen um das fast schon zur pädagogischen Metapher gewordene Konzept „Lebenslanges Lernen“ schweben bereits seit vielen Jahren wie ein Damoklesschwert über den Köpfen vieler Pädagogen. Zwar scheint die Idee und Notwendigkeit bei diesen manifestiert, aber es fehlen oftmals die Konzepte zu dessen Umsetzung. Nicht einfach scheint die Umsetzung der Idee in die Praxis. Das Konzept, das eigentlich nicht „nur“ für den betrieblichen Kontext steht, sondern auch andere Lebensbereiche umfasst, wird gerne auf die Arbeitswelt übertragen, allerdings auf unterschiedliche Weise gerade von den betrieblichen Entscheidungsträgern inhaliert und umgesetzt. Manche Betriebe rüsten sich bereits jetzt gegen den bevorstehenden Kampf der Auswirkungen des prophezeiten demografischen Wandels oder der Folgen der zunehmenden Globalisierung, andere beharren noch immer auf ihrer bisherigen (vielleicht) veralteten Lernkultur.

Gerade die empirische Erforschung der Lernprozesse im Kontext betrieblicher Weiterbildung soll einen Beitrag dazu leisten, das Theorie und Praxis – Problem, mit dem „Lebenslanges Lernen“ sich auseinanderzusetzen hat, aufzulösen. Im beruflichen Kontext werden unter dem Begriff des Professional Learning Lehr-Lern-Prozesse im gesamten Berufsleben untersucht. Professional Learning in der fortgeschrittenen Berufsbildung berücksichtigt erfahrensbasierte, informelle Erwerbs- und Veränderungsprozesse und weniger Lernsituationen, die dem schulischen Lernen ähneln. Das Wissen über Bedingungen, unter denen relevante Erfahrungen gemacht werden können, ist zentrale Grundlage für das Design und die Implementation instruktionaler Maßnahmen, um professionelle Entwicklung zu initiieren. Dabei spielen verschiedene Komponenten wie selbstgesteuertes Lernen, Veränderung epistemologischer Überzeugungen, Zusammenhänge individueller Veränderung und der von Gruppen/Netzwerken, soziale Einbettung von Lernprozessen und Wissenserwerb und das Lernen aus Fehlern eine relevante Rolle.

Im Kontext der betrieblichen Weiterbildung geht es zukünftig verstärkt um die Erschließung dieser Komponenten für die Einführung und Organisation moderner Lernformen, um den wachsenden Anforderungen der sich veränderten Arbeitsplatz- und Arbeitsmarktbedingungen gerecht werden zu können. Systematische und kontinuierliche Weiterbildungen für Führungskräfte und Mitarbeiter sind ein Essential, um als Unternehmen im globalisierten Wettbewerb bestehen und führen zu können (Hölbling, 2007). Allerdings sollte auch ein kritischer Blick darauf gerichtet sein, dass die Forderungen nach neuen Methoden und Lernformen nicht inhaltsleer ausgesprochen werden. Zudem scheint der Markt an Weiterbildungsangeboten für Betriebe schier unüberschaubar. „Was braucht mein Unternehmen, mein Personal an Weiterbildung, um sich am Markt weiterentwickeln oder halten zu können? Was sind geeignete, rentable Weiterbildungsmethoden und Konzepte, die zum Unternehmen passen?“ Vor diese Fragen werden vor allem Führungskräfte kleiner und mittlerer Unternehmen gestellt, die keine eigenen Marktanalysen durchführen oder denen der Weg zu wissenschaftlichen Ergebnissen und Prognosen erschwert ist und wo Mitarbeiterentwicklung eher nebenbei abläuft (Heger, 1996, S.39f.). Kritisch betrachtet Sroka (2004) Führungskräfte kleiner und mittlerer Unternehmen. Diese sind häufig überfordert, denn sie sind nur unzureichend auf neue und neuartige Aufgabenstellungen vorbereitet und den veränderten Bedingungen der Unternehmen kaum gewachsen. „Führungskräfte von KMU sind in der Regel in ihrem branchenspezifischen Fachgebiet qualifiziert, verfügen aber in sehr unterschiedlichem Ausmaß – und häufig unzureichend – über die für Unternehmensführung unter heutigen Bedingungen erforderlichen Kompetenzen“ (Sroka 2004, S. 15).

Um Unterstützung für Betriebe zu leisten, bieten mittlerweile Bildungsdienstleister Beratungsleistungen an (vgl. Holz, 2001, S.25f.). Kleine und mittlere Betriebe ziehen dabei hauptsächlich Qualifizierungsberater privat-wirtschaftlicher Unternehmen, von Trägern, Gewerkschaften oder Kammern zu Rate. Diese Qualifizierungsberater werden als Experten von den Laien aufgesucht, um mit ihrer Unterstützung eine Lösung betriebspädagogischer Probleme zu finden. Doch oft werfen diese kritische Blicke auf die Beratungslandschaft und die Qualität der Beratungsleistung (Gerlach, 2005). Die Berater „sind häufig mit der widersprüchlichen Haltung von Betrieben konfrontiert, deren Zustimmung zu Beratungsaktivitäten eher vordergründig bzw. fragwürdig ist, und mit großen Schwierigkeiten bei der Realisierung von Qualifizierungsberatung in der Praxis“ (vgl. Busse et al. 2005, S. 50). Weitgehend ungelöst scheint auch die Frage nach einem für die Weiterbildung geeigneten Beratungskonzept (Bauer, 1991). Die Kunden erwarten innovative und individuelle Lösungen statt standardisierter Produkte und einen engen Bezug zu den Unternehmensbedürfnissen (vgl. Döring & Rätzel, 2007).

Ebenso wie in anderen Bereichen der Beratungslandschaft ( Kolbeck, 2001) gibt es auch in der Qualifizierungsberatung, im Gegensatz zu anderen von Experten ausgeübten Berufen, keine professionellen Standards, keine Zugangskontrollen und keine vorgeschriebene Ausbildung. Paradox erscheint es daher, dass Beratung keine eigenständige Profession darstellt, aber dennoch professionell erfolgen soll (Strasser & Gruber, 2002). Trotz dieses Dilemmas „ist Beratung heute zu einem der bedeutendsten Bestandteile pädagogischen Handelns geworden“ (Sauer-Schiffer, 2004, S.9). Wenig fundiert ist aber die Qualität der Beratungsleistung untersucht (Döring & Rätzel, 2007). Um dieses Dilemma aufzulösen, bedarf es unter anderem einer genauen Analyse von beraterischem Handeln und Beratungskompetenz. Ansätze aus der Expertiseforschung erscheinen vielversprechend, den Erwerb von professioneller Beratungs-kompetenz zu skizzieren und zu erklären, wie Berater beruflich relevantes Wissen in ihrem Handlungsfeld einsetzen (Strasser & Gruber, 2002).

Im Zusammenhang mit der Expertiseforschung wurde die Kompetenz bzw. der Kompetenzerwerb von Beratern in anderen Gebieten der Beratung, wie beispielsweise der Unternehmensberatung (vgl. Bredl, 2005), der Organisationsentwicklung (Bredl, Lehner, Gruber & Strasser, 2004), der Erziehungsberatung (Strasser, 2006) untersucht, doch wurde im deutschsprachigen Raum im Bereich der pädagogischen- psychologischen Beratung das Thema der Qualifizierungsberatung als eine Disziplin der Beratung kaum fokussiert. Denn „Beratung und Weiterbildung sind in Deutschland relativ spät entwickelte Forschungsfelder und sind trotz ihrer gesamtwirtschaftlichen Relevanz unterrepräsentiert in der wissenschaftlichen Debatte“ (vgl. Pohlmann & Zillmann 2006, S.4). Zur betrieblichen Qualifizierungsberatung gibt es kaum fundierte Forschungsergebnisse. Gegen Ende der 1980er Jahre gab es zwar Bewegungen, Qualifizierungsberatung zu analysieren. Dies geschah jedoch vornehmlich in einer Modellversuchsreihe, in der das Themenfeld erprobt und in Ansätzen theoretisch reflektiert wurde (vgl. Schiersmann, 2004, S. 30; Döring, 1992; Koch & Kraak, 1994). Spezielle Fragestellungen aus dem Gebiet der Expertiseforschung in der Domäne Qualifizierungsberatung wurden im deutschsprachigen Raum nicht abgehandelt.

Innerhalb dieser Arbeit soll daher Qualifizierungsberatung und im Speziellen das beraterische Handeln von Qualifizierungsberatern thematisiert und analysiert werden. Frischen Wind bekam der wissenschaftliche Diskurs zur Qualifizierungsberatung durch das Projekt „imode – Beratungsintrumente für Klein- und Mittelbetriebe und ausgewählten Branchen“, in dessen Rahmen diese Diplomarbeit entstand. Das Projekt wird vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) gefördert. Projektpartner sind das „Forschungsinstitut Betriebliche Bildung (f-bb) gGmbH“ und das „Kuratorium der Deutschen Wirtschaft für Berufsbildung (KWB)“. In einer Studie im Rahmen des Projektes wurden mit Unterstützung von Kammern und Verbänden 1000 Betriebe angeschrieben und gebeten einen Fragebogen zu ihrer Weiterbildungssituation auszufüllen. 112 Rückläufe wurden verbucht. Döring und Rätzel (2007, S.197) messen der Unternehmensbefragung explorativen Charakter zu, „deren Ergebnisse gleichwohl bemerkenswerte Hinweise auf ein bislang unbeackertes Feld liefern“. Beim Rücklauf dominierten Metall- und Elektrobetriebe vor Dienstleistungsunternehmen und dem Ernährungsgewerbe. Zum Großteil antworteten mittelgroße Betriebe mit einer Beschäftigtenzahl von 50 bis 499 Mitarbeitern. Anhand dieser Ergebnisse wird diskutiert, welche Ausgangslage in kleinen und mittleren Unternehmen für Qualifizierungsberatung vorzufinden ist. Die Metall- und Elektrobranche wurde deshalb auch als Ausgangspunkt der eigenen Untersuchung gewählt.

Theoretisch wird die Untersuchung im Gebiet der Expertiseforschung verortet. Ergänzend werden auch Ansätze und Methoden, die ursprünglich dem Fachgebiet der Psycholinguistik entstammen, verwendet, um den Handlungs-bereich der Expertiseforschung zu erweitern. Dadurch kann ermöglicht werden, Expertenhandeln transparent, verständlich und erklärbar zu machen (Bromme & Rambow, 2001). Zentral ist dabei die Untersuchung der Kommunikation zwischen Berater (Experte) und Klient (Laie). Aber auch kontrastive Unterschiede innerhalb der Gruppen, wie Sie in der der Expertiseforschung gängig sind, ergänzen den wissenschaftlichen Blick. So können Informationen gewonnen werden, wie Qualifizierungsberater zu ihrer Kompetenz gelangen und diese auch einzusetzen vermögen. Vorliegende Diplomarbeit beschränkt sich wegen der Tradition der Expertiseforschung vorwiegend auf die kognitiven Bedingungen für eine gelungene Experten-Laien-Kommunikation.

Die hier gewonnenen Ergebnisse können unter anderem Verwendung zur instruktionalen Gestaltung, beispielsweise in situierte Lernszenarien der „neuen“ Studiengänge bzw. Weiterbildungskonzepte für Berater finden und einen Beitrag für die gegenwärtige Professionalisierungsdebatte von Beratung leisten. Diese Arbeit will hauptsächlich Kenntnisse darüber erlangen, wie es trotzt der Schwierigkeiten in der Domäne Qualifizierungsberatung (komplexes Wissensgebiet, fehlende Ausbildungsstandards und fehlende Professionalisierung) den Beratern gelingt, kompetent und zur Zufriedenheit der Klienten die beraterische Tätigkeit auszufüllen und interdisziplinär zu kommunizieren. Erhofft werden ebenfalls neue Ergebnisse über die Domäne Qualifizierungsberatung selbst.

Abschließend noch ein Hinweis: Wenn innerhalb dieser Arbeit von Beratern, Mitarbeitern, Experten oder Ähnlichem gesprochen wird, sind immer beide Geschlechter angesprochen.

2 Fragestellung

Im Rahmen dieser Arbeit wird untersucht, wie sich die Kommunikation zwischen Qualifizierungsberater(n) und Führungskräften von kleinen und mittleren Unternehmern der Metall und Elektro-Branche darstellt. Denn nicht selten entscheidet „der Kommunikationsprozess maßgeblich darüber, ob der ‚Wissenstransfer’ durch Beratung oder Weiterbildung erfolgreich verläuft oder nicht“ (Pohlmann & Zillmann, 2006, S.4). Die gewonnen Ergebnisse sollen dazu beitragen, den Kommunikationsprozess zwischen Berater und Klienten zu verbessern, um dadurch dem Klienten eine informierte Entscheidung zu erleichtern. Die Domäne „Qualifizierungsberatung“ bietet sich als Untersuchungs-gegenstand an, weil die Beratung per se ein kommunikations- und interaktions-intensiver Prozess ist. Da zum Thema „Qualifizierungsberatung“ wenig empirische Forschungsarbeit vorliegt, wird das Feld der Qualifizierungsberatung zuerst explorativ erkundet. Zu diesem Zweck wird auf Daten zurückgegriffen, die im Rahmen des Projektes „imode – Beratungsinstrumente zur betrieblichen Weiterbildung in ausgewählten Branchen und Klein- und Mittelbetrieben“ generiert wurden und durch eigene Analysen ergänzt werden. Der Bezug zu diesem Projekt war durch die eigene Mitarbeit gegeben.

Aus analytischen Gründen und zur besseren Orientierung wurde für die eigene wissenschaftliche Betrachtung die Metall- und Elektrobranche ausgewählt. Sie ist, volkswirtschaftlich betrachtet, zu einer der wichtigsten Branchen in Deutschland zu rechnen. Ein Großteil der ihr angehörigen Betriebe sind mittelständische Unternehmen. Kleine und mittlere Betriebe scheinen, wie später erörtert wird, von besonderer Relevanz für Qualifizierungsberatung. In dieser Arbeit werden folgende Forschungsfragen erörtert.

1. Bestehen in der Qualifizierungsberatung Unterschiede zwischen Experte und Novize im Subjektivitätsurteil auftretender Kommunikationsprobleme in bestimmten Phasen der Beratung?

Berücksichtigt werden hier vor allem die Phasen der Kontaktaufnahme und der Problemlöseprozess. Hier wird die Hypothese überprüft, ob sich Novizen anhand ihrer Subjektivitätsurteile von erfahrenen Beratern hinsichtlich auftretender Kommunikationsprobleme unterscheiden. Mit dieser Fragestellung wir untersucht, ob zwischen erfahrenen und unerfahrenen Beratern unterschiedliches Bewusstsein hinsichtlich auftretender Kommunikationsprobleme existiert.

2. Ist das kognitive System von Qualifizierungsberatern flexibel genug, die Fremdperspektive mit in die eigenen Problemlöseprozesse einfließen zu lassen?

Ausgangspunkt der Überlegung ist, dass Kooperationsprozesse effektiver sind, wenn es Qualifizierungsberatern gelingt, die Problemsicht der Klientenseite einzunehmen. Dazu wird zunächst anhand eines konkreten Falles überprüft, ob das kognitive System der Berater flexibel genug ist, Vermutungen über eine mögliche Prognose aus der Fremdperspektive abzugeben.

3. Gelingt es den Qualifizierungsberatern, die Perspektiven ihrer Klienten zu antizipieren? Ist die Antizipationsfähigkeit abhängig vom Expertenstatus des Beraters?

Mittels dieser Fragestellungen wird erkundet, ob es Unterschiede in der Antizipationsfähigkeit zwischen Experten und Laien gibt. Wenn Unterschiede auftreten, woran sind diese festzumachen? Können diese auf beraterische Erfahrung zurückgeführt werden?

Diese Arbeit zielt, wie eingangs erwähnt, neben der Beantwortung der Forschungsfragen aus dem Bereich der Expertiseforschung auch auf eine Erweiterung des Expertenbegriffs innerhalb des Gebiets der Psycholinguistik ab. Das Konzept der Experten-Laien-Kommunikation ist mit der Line der Expertiseforschung verknüpft (Jucks, 2001). Die Expertiseforschung hat ihren Ursprung in der kognitionspsychologischen Forschungstradition. Die Erforschung der Struktur und des Inhalts des Wissens von Experten und ihre Art der Problemlösung in einer bestimmten Domäne sind hier von zentraler Bedeutung. Im Folgenden wird der theoretische Rahmen dieser Arbeit erläutert. Danach wird Beratung im psychologisch-pädagogischen Kontext allgemein betrachtet und als Ausgangspunkt zur Klärung des Feldes der Qualifizierungsberatung verwendet. In Kapitel fünf werden Vorgehensweise und Ergebnisse der eigenen Untersuchung vorgestellt, um sie in den Kapiteln sechs und sieben einer Schlussbetrachtung und Diskussion zu unterziehen.

Die Komplexität des Themas erfordert eine ausführliche theoretische Betrachtung, da viele Begriffe in der Literatur oftmals große Interpretationsspielräume zu lassen. Daher müssen diese Begriffe einer Definition unterzogen werden. Im Folgenden wird das theoretische Fundament erklärt.

3 Die Expertiseforschung als erkenntnistheoretischer Bezugsrahmen

„Sobald man in einer Sache Meister geworden ist, soll man in einer neuen Schüler werden“ (Gerhart Hauptmann).

Dieses Zitat impliziert notwendigerweise das Verlangen nach einem Lernen innerhalb eines neuen Gegenstandsbereiches, nachdem in einem anderen ein gewisser Expertenstatus erreicht worden ist. Auch beinhaltet dieses Zitat indirekt die Forderung nach lebenslangem Lernen, auch wenn eine Person bereits Experte in einem bestimmten Gebiet ist. Doch was genau ist ein Experte? Wodurch zeichnet er sich aus? Wie lange benötigt ein Mensch, um als Experte auf einem Fach- oder Sachgebiet zu gelten? Unter welchen Voraussetzungen entsteht Expertise? Über welches Wissen und welche Wissensstruktur verfügt ein Experte? Welche Strategien setzen Experten ein, um Probleme in ihrem Wissensgebiet zu lösen?

Auf diese und ähnliche Fragen versucht die Expertiseforschung Antworten zu geben. Seit vielen Jahren fällt das Interesse der Wissenschaft auf Personen, die herausragende Leistungen in einem bestimmten Bereich vollbringen. Aus diesem Interesse heraus wurde in der Psychologie und in anderen Wissenschaften die Erforschung der Expertise zum Thema gemacht. Dabei haben sich mehrere Linien mit unterschiedlichen Schwerpunkten und Zielsetzungen der kognitions-psychologischen Psychologie heraus gebildet. Um eine klare Abgrenzung verschiedener Konzepte zu schaffen, werden in dieser Arbeit zwei Forschungslinien als idealtypisch für die Expertiseforschung angesehen. Diese können nach typischen Gesichtspunkten getrennt werden.

Ein thematischer Schwerpunkt ist die Analyse der Bedingungen von Spitzenleistungen, der andere ist die Analyse von wissensbasiertem Handeln bei komplexen Anforderungen, wie es für ausbildungsintensive Professionen typisch ist (Rambow & Bromme, 2000). Letzterer hat starken Einfluss auf die Erforschung der Kommunikation zwischen Experten und Laien. Dadurch entsteht ein theoretischer Berührungspunkt mit der kognitionspsychologischen Expertiseforschung.

In beiden Linien steht der Experte im Fokus des Forschungsinteresses, allerdings werden unterschiedliche Auswahlkriterien getroffen, wer als Experte gilt bzw. was als expertenhaftes Handeln zu verstehen ist. Dabei wird der Experte zum einen über seine Leistung als Spitzenkönner erklärt, zum anderen als eine Person, die sich über ihre Profession und die darin gesammelte, praktische Erfahrung definiert. Im Programm der Experten-Laien-Kommunikation sind Experten Personen, die „berufliche Aufgaben zu bewältigen haben, für die man eine lange Ausbildung und praktische Erfahrung benötigt und die diese Aufgaben erfolgreich lösen“ (Bromme, 1992, S. 7f).

Innerhalb der Expertiseforschung werden vor allem kognitive Unterschiede zwischen Anfängern und Experten untersucht. Durch die in der Expertiseforschung etablierte und zentrale Methode des kontrastiven Vergleichs konnten so beispielsweise Unterschiede hinsichtlich der Gedächtnisfähigkeit zwischen erfahrenen (Experten) und weniger erfahrenen Schachspielern (Novizen) herausgearbeitet werden (DeGroot, 1965).

Weitere Befunde aus der Expertiseforschung lassen vermuten, dass ein Experte sich mindestens zehn Jahre praktisch mit einem Gegenstandsbereich auseinandersetzen muss (Ericsson & Lehmann, 1996), um herausragende Leistungen erbringen zu können. Unter der Verwendung des Expertenkonzepts, das auf langjähriger Auseinandersetzung mit einer Domäne und der darin gesammelten praktischen Erfahrungen beruht, konnten weitere Erkenntnisse über die Struktur des Expertenwissens gewonnen werden.

Zusammenfassend werden hier einige dieser Merkmale genannt (Gruber, 1999; Chi, Glaser & Farr 1988; Bromme, 1992):

1. Das Kurz- und Langzeitgedächtnis des Experten ist dem des Novizen überlegen.
2. Expertenwissen ist domänenspezifisches Wissen. Experten erbringen hervorragende Leistungen innerhalb ihrer Gegenstandbereiche, eine Übertragung auf andere Gebiete ist aber nicht möglich.
3. Die Entwicklung zum Experten wird durch äußere Faktoren beeinflusst (z.B. Arbeitsanforderungen, -bedingungen und –situationen).
4. Experten sind hinsichtlich der Erkennung bedeutungsvoller Muster Novizen überlegen. Experten nehmen gehaltvolle Muster schneller wahr und erinnern sich schneller an sie als Novizen.
5. Durch die schnelle Mustererkennung nehmen Experten Probleme früher wahr, lösen diese in kürzerer Zeit und machen weniger Fehler als Novizen.
6. Experten zeichnen sie sich durch mehr Flexibilität gegenüber unbekannten Problemen aus.
7. Expertise ist ein Entwicklungsprozess.
8. Um Expertise zu erlangen ist intensive Übung über einen langen Zeitraum notwendig.
9. Das Wissen des Experten ist bezüglich der inhaltlichen Bedeutung besser organisiert und somit zugänglicher und besser einsetzbar.
10. Der Experte verknüpft das deklarative Wissen mit dem prozeduralen Wissen und entwickelt hierbei Wenn-Dann-Regeln.
11. Der Experte verfügt über Routinewissen.

Als Beispiel für die Entwicklung von Routinenwissen wird an dieser Stelle eine Untersuchung mit Medizinern herausgestellt, um Konzepte zu erklären, die innerhalb dieser Arbeit des Öfteren erwähnt werden.

In der Domäne Medizin wurde gezeigt, dass aus deklarativem, biomedizinischem Wissen eine Art prozedurales Wissen in sogenannten illness-scripts, die sich als narrative Strukturen auffassen lassen, entwickelt wird (Schmidt & Boshuizen, 1992). Eine Aktivierung umfangreichen biomedizinischen Wissens ist dabei nicht nötig. Die illness-scripts, welche Medizinern das rasche Treffen valider Diagnosen erleichtern, werden erfahrungsbasiert erworben. Zuerst wird kausales, deklaratives, biomedizinisches Wissen z.B. im Studium während Vorlesungen und mithilfe von Büchern über Krankheiten und deren Folgen erworben. Daraufhin wird dieses Wissen durch Erfahrung mit realen Fällen in illness-scripts umgeformt. Im Sinne episodischer Erinnerungen an tatsächliche Patienten stehen sie dem Mediziner bei der Diagnose neuer Fälle zu Verfügung. Das erlernte biomedizinische Fachwissen wird nicht vergessen oder ignoriert, sondern unter generalisierten, fallbezogenen Schemata repräsentiert und in das klinische Erfahrungswissen eingebettet. Schmidt und Boshuizen (1992) sprechen in diesem Zusammenhang von enkapsuliertem Wissen. Den Medizinern ist ein expliziter Bezug zum deklarativen Wissen durchaus möglich, aber in der Regel nicht erforderlich.

Durch diese Erkenntnis konnten einige Schlussfolgerungen zur Förderungen der Kompetenz von Medizinern gezogen werden. Durch eine stärkere Beachtung klinischer Schlussfolgerungsprozesse in Prüfung und Ausbildung, soll die klinische Urteilsfähigkeit von Medizinern gefördert werden. Da sich die Entwicklung klinischen Denkens und Wissens wegen des engen Bezugs zur klinischen Erfahrung eher als Rekonstruktion denn als Vermittlung beschreiben lässt, ist in den Ausbildungsmodellen größeres Gewicht auf erfahrungsfördernde Phasen zu legen. Für die medizinische Ausbildung bedeutet dies einen stärkeren Fokus auf klinisches Denken gegenüber biomedizinischem Fachwissen. Der Erwerb von Fachwissen bleibt dennoch als Grundlage und Voraussetzung zur Herausbildung von klinischer Kompetenz bestehen. Für die Förderung des Kompetenzerwerbs reicht aber eine systematische Konfrontation mit Wissen nicht aus, weil dies eine spätere Anwendung des Wissens nicht gewährleistet. Resultierend ist die Gefahr gegeben, „träges Wissen“ anzusammeln. Vielmehr muss instruktionale Förderung durch andere Lehr- und Lernformen hinzukommen, um Kompetenz zu fördern.

Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass sich Experten und Novizen sowohl hinsichtlich qualitativer aber auch quantitativer Merkmale ihres Wissens unterscheiden und Experten im Vergleich zu den Novizen über bessere kognitive Voraussetzungen zum erfolgreichen Lösen komplexer Probleme verfügen. Allerdings kommen diese Leistungen von Experten nur domänenspezifisch zur Geltung (Chi, Glaser & Farr, 1988) und sind nicht ohne weiteres auf andere Gebiete übertragbar. Folglich muss Expertise auch domänenspezifisch untersucht werden (Strasser & Gruber, 2000).

Die Überlegenheit von Experten gegenüber den Novizen kann sich jedoch in vielen Situationen als hinderlich erweisen. Dies kann beispielsweise in der Kommunikation über einen Gesprächsgegenstand der Fall sein, in der eine Person Experte und der andere Novize oder Laie ist. Wenn also zwei oder mehrere unterschiedlich Perspektiven zusammen kommen.

Bevor aber auf den Begriff „Perspektive“ im Zusammenhang mit der Kommunikation zwischen Experten und Laien eingegangen und das Konzept der Perspektivenübernahme erläutert wird, muss geklärt werden, wer innerhalb dieser Arbeit als Experte und wer als Laie definiert wird. Um eine Verwechslung mit den Begriffspaaren Experte-Laie und Experte-Novize zu vermeiden, werden beide Begriffspaare in Kapitel 3.1 erklärend gegenübergestellt. Dabei werden hauptsächlich Vorschläge zur Begriffsdefinition von Rambow und Bromme (2000) berücksichtigt.

3.1 Unterscheidung zwischen Experten, Laien und Novizen

Nach der Definition nach Rambow und Bromme (2000) ist der Experte eine Person, die komplexe berufliche Anforderungen bewältigt, für die sie sowohl theoretisches Wissen als auch praktische Erfahrungen hat sammeln müssen. In dem Konzept der Experten-Laien-Kommunikation wird der Experte über professionelle Leistung für die Anwendung in einem Wissensgebiet definiert. Unter „theoretischem Wissen“ ist wissenschaftsbasiertes und akademisch vermitteltes Wissen zu verstehen. In vielen Ländern sind die berufsbezogenen Ausbildungsgänge so geregelt, dass sie sowohl eine theoretische als auch eine praktische Ausbildungsphase vorsehen (Rambow & Bromme, 2000).

In der kognitionswissenschaftlichen Expertiseforschung werden Experten mit „Anfängern“ innerhalb einer Domäne verglichen. Diese Methode wird in der einschlägigen Literatur als kontrastiver Vergleich bezeichnet. Von dieser Methode wird erwartet, Bedingungen über die Entwicklung von Expertise in Erfahrung bringen zu können. Der Novize wird als zu überwindendes Entwicklungsstadium hin zum Experten gesehen. Hingegen handelt es sich beim Laien um eine Person, die von einem bestimmten Problem betroffen ist, für deren Lösung aber Experten zuständig sind. Dem Laien fehlen im Unterschied zum Experten die Ausbildung und die institutionellen Rahmenbedingungen für eine eigenständige Problemlösung (Bromme & Rambow, 2000). Der Laie verfügt innerhalb einer bestimmten Domäne im Gegensatz zum Experten über weniger Wissen und Können. Aus psychologischer Sicht lässt sich konstatieren, dass zwischen beiden Parteien das Wissen über den Gegenstand der Kommunikation systematisch ungleich verteilt ist. Der Experte verfügt im Vergleich zum Laien nicht nur über mehr Wissen in einem bestimmten Gebiet und über einen gewissen Gesprächsgegenstand, sondern über einen andersartig strukturierten, integrierten und umfassenden Wissensbestand. Die Unterschiede beziehen sich sowohl auf das deklarative als auch auf das prozedurale Wissen, ebenso auch auf bestimmte Denkmuster, Wahrnehmungsweisen, Überzeugungen und Einstellungen (vgl. Rambow, 2000, S.1).

Im Bereich der Qualifizierungsberatung handelt es sich im eigentlichen Sinne um eine Verständigung zwischen zwei Experten, die auf verschiedenen Gebieten agieren, also eine fächerübergreifende Kommunikation, aber auch um Kommunikation innerhalb des Fachgebiets, so ist z.B. ein Austausch zwischen mehreren Qualifizierungsberatern durchaus üblich. Diese Einteilung birgt den Vorteil genauer hinzusehen, wenn es darum geht, (1) Merkmale von Wissen über die Fächergrenzen zu verstehen, aber auch um Erkenntnis zu gewinnen (2), wie das Wissen innerhalb des Fachbereichs (Experten-Novizen-Vergleich) strukturiert ist. Eine Analyse mittels Experten-Laien-Vergleich erlaubt im Gegensatz zum Experten-Novizen-Vergleich „bessere“ Rückschlüsse auf qualitative Merkmale des Wissens (Bromme, Rambow & Sträßer, 1996).

Um eine Verwechslung der Begrifflichkeiten innerhalb dieser Arbeit zu vermeiden, gilt der Qualifizierungsberater als Experte, der von dem Laien, der Führungskraft bzw. einem Entscheidungsträger eines Unternehmens aufgesucht wird. Zur Unterscheidung zwischen dem Experten-Novizen-Konzept, wird von erfahrenen und unerfahrenen Beratern gesprochen.

3.2 Merkmale der Experten-Laien-Kommunikation

Experten-Laien-Kommunikation wird im Zusammenhang dieser Arbeit auch im Bereich der Wissenskommunikation in enger Verbindung zur Expertiseforschung verortet. Dabei spielen „Prozesse, wie das Verteilen von Informationen und Wissen, die Vermittlung von Wissen, das Teilen und die soziale Konstruktion von Wissen sowie die wissensbasierte Kooperation“ (Reinmann-Rothmeier & Mandl, 2000) eine gewichtige Rolle. Während allerdings die Interaktion zwischen Meister und Schüler (Experte und Novize) auf den Abgleich von Wissen zielt, ist die Experten-Laien-Kommunikation so angelegt, dass der Laie vom Experten verstanden werden will, im Kern des Interaktionsprozesses aber keine pädagogische Intention im Sinne eines vorgegebenen Erziehungsauftrages besteht (Bromme & Rambow, 2000). Vielmehr ist der Experte vor die Aufgabe gestellt, dem Laien sein Wissen zu übermitteln. Der Laie trifft die Entscheidung zur Aufnahme und Anwendung des vermittelten Wissens selbst. Der Laie wird damit eigenverantwortlicher Träger der daraus erwachsenden Konsequenz. So ist beispielsweise die Erlaubnis zur Durchführung der durch den Qualifizierungsberater vorgeschlagenen Weiterbildungsmaßnahme abhängig von der Entscheidung des Klienten bzw. Entscheidungsträgers, z. B. eines mittelständischen Metallbetriebs.

In der einschlägigen Literatur wird die Perspektivenübernahme als zentrales Problem zum Gelingen oder Misslingen der Kommunikation zwischen Experten und Laien herausgestellt; also das Gelingen oder Nichtgelingen der Übernahme der Fremdperspektive (vgl. Jucks 2001; Nückles, 2001). Dieser Hintergrund wird im Folgenden anhand eines theoretischen Modells, das Wissen als ein zentrales Element der Kommunikation ansieht näher erläutert.

3.3 Wissenskommunikation: Theorie von Clark

Unter Zuhilfenahme der psycholinguistischen Kommunikationstheorie von Clark und Mitarbeitern (1996) kann beschrieben werden, wie Personen eine Verständigung in der Kommunikation erzielen. Anders als in Sprecher-Hörer-Theorien drückt die sog. common ground -Theorie aus, zwei individuelle kognitive Bezugsrahmen so miteinander in Deckung zu bringen, dass deren Schnittmenge ausreicht, um ein spezifisches Ziel der Kommunikation zu erreichen. In einer Beratungssituation kann dieses Ziel z. B. eine informierte Entscheidung des Klienten sein. Zentrale Komponente der Theorie Clarks ist dabei das Wissen der an der Kommunikation beteiligten Akteure. Nach Clark (1996) ist der common ground definiert als „the sum of their mutual knowledge, mutual beliefs, and mutual suppositions“(S.3). Diese Definition wurde vielfach zur Erklärung von gelungener oder misslungener Kommunikation zwischen Experten und Laien herangezogen.

Innerhalb des Modells wird Kommunikation als joint activity verstanden. Das bedeutet, dass die Gesprächspartner ihre Aktionen wechselseitig anhand von Einzelaktionen abstimmen müssen. Dies geschieht etwa anhand von Initiierungen des Sprecherwechsels wie Sprechpausen bzw. Sprechakten und durch Abstimmung der jeweiligen Wissensbestände. Dabei wird sowohl das Wissen über den Gesprächsgegenstand als auch das Wissen über den Gesprächspartner als fundamentale Größe für eine erfolgreiche Kommunikation gesehen. Um Verständigung zu erzielen, wird die Schnittmenge des Wissens erweitert. In der sog. presentation phase werden Informationen in die Kommunikationssituation eingebracht, die nur einer Person präsent sind. In der acceptance phase zeigt der Gesprächspartner an, dass er die Information aufgenommen hat. Erst jetzt ist sie Inhalt des common ground (Clark & Schaefer, 1989).

Den Vorgang bzw. die Technik des Erweiterns der Wissensbasen nennt Clark grounding. Grounding dient dazu, sich gegenseitig zu versichern, ob und in welchem Umfang eine bestimmte Information Teil des common ground ist.

Drei wichtige Methoden des grounding in der face to face Kommunikation (Clark, 1996) sind die verbale Zustimmung oder Ablehnung, das Initiieren eines Sprecherwechsels und die Verwendung non-verbaler Signale:

- Über sogenannte back channels wie („mhmm“ oder „pfff) wird verbale Zustimmung oder Ablehnung signalisiert
- Dadurch, dass beispielsweise eine weiterführende Frage gestellt wird, wird angezeigt, dass die dargebotene Information verarbeitet wurde. Somit ist der Sprecherwechsel initiiert
- Non-verbale Signale wie Blickkontakt, Stirnrunzeln, Nicken etc. zeigen an, dass der Gesprächspartner den Ausführungen des Sprechers folgt

Der Umfang des grounding wird dadurch bestimmt, ob die Kommunikationspartner überzeugt sind, sich gegenseitig verstanden zu haben. Clark nennt diese Bedingung grounding criterion. Clark und Schaefer (1989, p. 262) definieren dieses Kriterium: „The contributor and the partners mutually believe that the partners have understood what the contributor meant to a criterion sufficient for current purposes.” In einer Art Ist-Soll-Abwägung wird festgelegt, welche Kosten des groundings berücksichtigt werden. Dabei lassen sich elf unterschiedliche „Kosten“ unterscheiden (Clark & Brennan, 1991). Je nach Art des Kommunikationsmediums variieren diese. In einem Redebeitrag (face to face) sind sie beispielsweise geringer als bei schriftlichen Äußerungen. Um die Kosten möglichst gering zu halten, bilden die Beteiligten Redepartner Annahmen über das Wissen des anderen. Wäre dies nicht der Fall müsste sich immer wechselseitig über die erreichte Verständigung ausgetauscht werden. Dies würde in einem infinitem Regress enden, der eine Kommunikation praktisch unmöglich erscheinen ließe. Schober und Clark (1989, S. 229) bezeichnen die Kommunikation daher als opportunistic process. Durch genaue Abschätzung des Partnerwissens kann der common ground effektiver erweitert werden. In diesem Prozess ist es nicht Ziel die Perspektive zu 100 Prozent zu übernehmen. Gerade ein „Vergessen“ der eigenen Perspektive wäre sogar eher als hinderlich anzusehen, „da es ja gerade um die gezielte Auswahl und kommunikative Aufbereitung der eigenen kommunikativen Intention geht, salopp gesagt, der Botschaft [geht].“ (Bromme, Jucks & Rambow, 2004, S. 118).

Die Abstimmung des Redebeitrags an das Wissen des Gegenübers bezeichnen Sacks, Schegloff und Jefferson (1974, p. 727) als recipent design. Sie definieren es als

“a multitude of respects in which the talk by a party in conversation is constructed or designed in ways which display an orientation and sensitivity to the particular other(s) who are the co-participants“.

Durch den von Clark und Carlson (1982) geprägten Begriff des audience design finden sowohl die direkten Gesprächspartner als auch Personen, die (zufällig) an der Kommunikationssituation teilnehmen, Berücksichtigung. Clark und Carlson (1982, p. 342) beschrieben das audience design wie folgt.

“When the speakers design their utterances, they assign different hearers to different roles: and then they decide how to say what they say on the basis of what they know, believe, and suppose that these hearers, in their assigned roles, know, believe, and suppose.“

In diesem Konzept wird die Anpassungsleistung sowohl an spezifische Personen als auch an Personengruppen gerichtet und dadurch wird sich dem Aspekt der Perspektivenübernahme angenähert.

3.4 Perspektivenübernahme

Im vorhergehenden Abschnitt wurde verdeutlicht, dass eine gemeinsame Wissensbasis Voraussetzung zum gegenseitigen Verständnis ist und dass es einigen Aufwand bedeutet, den zum Verständnis notwendigen common ground zu erzielen. Die Vorannahmen über das Wissen des Empfängers stellen dabei die Vorbedingung dar, einen Beitrag hörergerecht zuzuschneiden. Im Konzept der Perspektivenübernahme wird das audience design mit der Zuschneidung der Äußerung an den Gegenüber aufgegriffen. Nachdem der Sprecher in der presentation phase ausgewählt hat, welche Informationen dem Gegenüber übermittelt werden sollen, folgt die Entscheidung, ob das grounding criterion erreicht wurde. Bei diesen kognitiven Prozessen muss der Sprecher über sein Gegenüber nachdenken und eruieren, was der Gegenüber weiß. Dies geschieht mittels der Einnahme der Perspektive des Anderen. Der Begriff Perspektive umfasst dabei die konzeptuelle, perzeptuelle und affektive Sichtweise einer Person auf einen Gegenstandsbereich (vgl. Steins & Wicklund, 1993).

Die Perspektive des Gesprächspartners zu erkennen und sich darauf in der Kommunikation einzustellen wird als zentrales Problem menschlicher Kommunikation gesehen. Dies wird u.a. bedingt durch die generelle Beschränkung der menschlichen Informationsverarbeitung. Problematisch scheint nicht nur die Antizipation der Perspektive des anderen sondern auch die Abstimmung der Redebeiträge auf den Gegenüber, also der sog. Adaption. Der Gesprächsteilnehmer antizipiert das Wissen des anderen und muss zudem das mentale Modell über das Wissen des Gegenübers aufrechterhalten, um seine Redebeiträge auf ihn abzustimmen. Unter Perspektivenwechsel lässt sich ein größtenteils automatisch ablaufender Prozess der Abstimmung zwischen dem intendierten Kommunikationsbeitrag und dem vermuteten kognitiven Bezugsrahmen des Gesprächspartners verstehen. Metzing und Brennan (2003) beschreiben, dass Menschen ihre Formulierung in Bruchteilen von Sekunden an die Perspektive des Gesprächspartners anpassen können. Dies geschieht vorwiegend ohne bewusste Entscheidungen über die Formulierung selbst. Die Anpassung der sprachlichen Interaktion etwa mit einem Kleinkind erfolgt unbewusst und automatisch. Viele Erwachsene verwenden beispielsweise im sog. Babytalk eine andere Intonation, Syntax und einen anderen Wortschatz.

Durch qualitative und quantitative Wissensasymmetrien und unterschiedliche Blickwinkel auf den Gegenstandsbereich wird das Problem der Perspektivenübernahme verschärft. Im Gegenstandsbereich, der als Fachgebiet einer Person gilt, ist die Perspektive als aufgabenbezogene, kognitive Komponente der Expertise definiert (Bromme & Tillema, 1995). Der Experte erwirbt seine fachliche Sichtweise durch seine Ausbildung und in den Tätigkeiten, die er als Experte ausübt. Die Perspektive beinhaltet in diesem Fall nicht nur „isolierte Wissenselemente (Methoden und Konzepte) sondern auch den Denkstil einer Gruppe“ (Jucks, S.13). Weiter beinhaltet Expertenwissen engmaschig integrierte, problembezogene Konzepte. Diese bündeln komplexes Erfahrungs-wissen, das für Kommunikationszwecke zunächst wieder entfaltet werden muss (Schmidt & Boshuizen, 1992; van de Wiel, 1997).

Die Übernahme der Fremdperspektive kann als „das Begreifen dieser Person vor deren spezifischem Hintergrund“ definiert werden (Steins 1990, S. 174). Es liegt sozusagen ein Spezialfall der Experten-Laien-Kommunikation (Bromme, 2000) vor, wenn „zwei Partner in Kontakt treten, die zwar beide Experten sind, aber auf jeweils anderen Gebieten und mit unterschiedlichem disziplinärem Hintergrund (Bromme, Jucks & Rambow, 2004)“. Innerhalb einer solchen interdisziplinären Kommunikationskonstellation variiert die Zuschreibung der Experten- und der Laienrolle in Abhängigkeit vom jeweiligen Gesprächs-gegenstand. Der Gegenstand einer Unterhaltung bestimmt gewisse Rollenwechsel der beteiligten Akteure. Besitzt eine Person in einem bestimmten Gesprächsthema Expertenstatus, kann sie bei einem Wechsel des Gesprächsthemas die Laienposition einnehmen.

Problematisch erweisen sich in einer interdisziplinären Konstellation ebenfalls Begriffe, die sich den Gesprächspartnern unter unterschiedlicher Semantik erschließen. Beispielsweise kann durch die Verwendung der selben sprachlichen Terminologie ein anderes Konzept aktiviert sein, das mit unterschiedlichen Bedeutungszuschreibungen und Inhalten versehen ist. Dadurch werden unterschiedliche Sichtweisen verdeckt.

Eine weitere Tatsache in Bezug auf die wechselseitige Verständigung zwischen Experten und Laien und in der interdisziplinären Kommunikation ist, dass die einzelnen Wissenselemente der Interaktionspartner in komplexe Bezugsysteme eingebettet sind. In Bezug auf den Kommunikationsinhalt liegen systematisch unterschiedliche Perspektiven vor (vgl. Jucks, 2001). Der Erwerb solcher Bezugsysteme geschieht dabei vorwiegend durch die Teilnahme an disziplinär geregelten und organisierten Ausbildungs- und Studiengängen und der Interaktion mit den Experten darin. Man wird sozusagen in das Bezugssystem und eine Expertenkultur enkulturiert und erwirbt dadurch die Perspektive eines bestimmten Bereichs.

Die kognitiven Prozesse der Perspektivenübernahme wurden von Clark zwar nicht empirisch untersucht. Jedoch fragte er nach dem Einsatz kognitiver Heuristiken der Gesprächspartner, um beispielsweise den common ground einzuschätzen (Clark & Marshall, 1981). Dabei werden drei sogenannte Kopräsenz-Heuristiken herausgehoben. Der common ground bildet sich aus physischer Kopräsenz, linguistischer Kopräsenz sowie der Zugehörigkeit zu einem gemeinsamen Kreis oder einer gemeinsamen Gruppe. Physische und linguistische Kopräsenz bezeichnen den physischen sowie sprachlichen Kontext einer (Gesprächs-) Situation. Demnach können alle Objekte, die physisch in der Präsenz eines Gegenübers vorhanden sind, als gemeinsames Wissen im Kommunikationsprozess als gegebene Konstante vorausgesetzt werden. Die Gesprächspartner wissen in diesem Fall, was der Gegenüber weiß, beispielsweise, dass ein Objekt bzw. mehrere Objekte anwesend und wie diese gestaltet sind. Bürordner, Stühle und Tische, wenn sie sich im gleichen Raum wie die Gesprächspartner befinden, können als gemeinsames Wissen vorausgesetzt werden. Ähnlich verhält es sich bei Sprechakten, die im Verlauf eines Kommunikationsprozesses in der Anwesenheit eines Gegenübers ausgeführt werden. Diese Sprechakte können ebenfalls im weiteren Verlauf als gegebenes gemeinsames Wissen vorausgesetzt werden.

Dass bestimmtes Wissen eng mit der Zugehörigkeit zu einer Gruppe verbunden ist und unter allen Gruppenmitgliedern als geteilt angesehen werden kann, wird in der Community-Membership-Heuristik beschrieben. Durch die Identifikation einer Person als Mitglied einer bestimmten Gruppe lassen sich mehr oder weniger genaue Rückschlüsse ziehen, welches Wissen den common ground deckt (Clark & Marshall, 1981). In der Regel ist den Kommunikationspartnern in einer Experten-Laien-Dyade bewusst, welchen Status der Gegenüber besitzt, wer also als Experte und wer als Laie gilt. So kann ein Steuerberater durchaus davon ausgehen, dass sein Klient ein Laie auf dem Gebiet des Steuerrechts ist. Der bewusste Status der Gesprächspartner erleichtert jedoch nicht die Eingrenzung des Wissensbestands des angenommenen common ground (Bromme, Nückles & Rambow, 1999). Nicht selten wird von den Laien versucht, die Kommunikation mit dem Experten zu unterstützen. Oftmals werden vom Laien dabei Fachausdrücke genutzt, die in irgendeiner Art und Weise zwar bekannt sind, deren Inhalt bzw. der erweiterte Hintergrund dieser Begriffe aber oftmals fehlt oder nur bruchstückhaft vorhanden ist. Durch die Überschätzung des Laienwissens durch den Experten kann es dann vorkommen, dass von Expertenseite falsche Vermutungen über das Wissen des Laien gezogen werden. Der Experte wird durch den Gebrauch von Fachausdrücken durch den Laien sozusagen auf eine falsche Fährte bei der Einschätzung des Laienwissens geführt. Exemplarisch hierfür ist, wenn der Laie sein mangelndes Wissen z.B. über ein bestimmtes Fremdwort nicht verborgen hält, nicht nachfragt, was der Begriff bedeutet und dem Experten z.B. durch Nicken (oder Kopfschütteln) signalisiert, verstanden (oder nicht verstanden) zu haben was der Experte gerade erklärte. Die wechselseitige Verständigung ist dabei auch abhängig vom eingesetzten Kommunikationsmedium.

Neben den drei beschriebenen, für die face to face Kommunikation gültigen Heuristiken, unterschieden Clark und Brennan (1991) acht weitere Heuristiken für verschiedene Kommunikationsmedien, welche den Verständigungsprozess und das grounding beeinflussen.

Tabelle 3-1: Heuristiken der Kommuikationsbeeinflussung

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Die in Tabelle 3-1 aufgeführten Heuristiken können jeweils verschiedenen Medien zugeordnet werden. Für die face to face Kommunikation gelten in der Regel Copresence, Audibility, Visibility, Contemporality, Sequentiality und Simultaneity. In der telefonischen Kommunikationsform sind es vier Heuristiken die Güligkeit besitzen: Audibility, Contemporality, Sequentiality und Simultaneity. Die elektronische Mail bietet die Möglichkeit der Reviewability und Revisability. Bereits frühere Forscher und Wissenschaftsgruppen beschäftigten sich mit dem Problem der Perspektivenübernahme, ihre Ideen fanden Einfluss in der „Theory of Mind“.

3.5 Perspektivenübernahme und die „Theory of Mind“

Die Problematik der Perspektivenübernahme wurde von Mead, Piaget und Flavell in einen theoretischen Kontext gesetzt. Heute lebt die Tradition der Untersuchung der Fähigkeit zum Perspektivenwechsel in der Theory of Mind weiter. Der Begriff Theory of Mind bezeichnet die Fähigkeit, eigene und fremde psychische Zustände (Gedanken, Emotionen etc.) im eigenen kognitiven System zu repräsentieren (Premack & Woodruff , 1978). Da kognitive, mentale Zustände nicht unmittelbar beobachtbar sind, ist ein System von Annahmen notwendig, um eine Voraussage über das mögliche Verhalten von anderen Personen machen zu können.

Leslie (1987, p. 421) beschreibt die Theory of Mind durch „the ability of a person to impute mental states to self and to others and to predict behavior on the basis of such states”. Nicht immer gelingt allerdings die Einschätzung der Fremdperspektive gleich gut. Folgendes Beispiel soll das unterstreichen: Eine Person geht in einem gut besuchten Kaufhaus an den Regalen entlang. Genau auf dem gleichen Kurs kommt eine andere Person entgegen. Es muss in Sekundenschnelle eine Entscheidung getroffen werden, um der anderen Person auszuweichen. Dabei muss antizipiert werden, wie sich die Person gegenüber verhält. Weicht die Person nach links oder nach rechts aus? Ich weiche nach links aus. Die Person gegenüber weicht nach rechts aus. Es kommt zur Kollision.

Dieses Beispiel ist sicher etwas überspitzt, aber liefert durchaus eine Idee davon, was das Einschätzen der Fremdperspektive bzw. der Perspektiven-übernahme meint. Es verdeutlicht, welche kognitive Leistung von diesen Personen abverlangt wird. Es aber zu einer Fehleinschätzung der Perspektive des Gegenübers kommen kann. Hier drückt sich dies in der falschen Vermutung aus, dass die entgegenkommende Person die andere Seite zum Ausweichen wählt. Dieses selbst konstruierte Beispiel dient wahrlich noch nicht als Beweis für eine „Fehleinschätzungsthese“. Vielversprechender sind wissenschaftliche Befunde, welche die Thematik der Antizipationsleitung in den Mittelpunkt stellen.

Nickerson, Baddeley und Freeman (1987) untersuchten, ob es einen Zusammenhang zwischen dem eigenen Wissen und der Schätzung von verbreiteten Allgemeinwissen gibt. Zu diesem Zweck wurde eine Gruppe von College Studenten erst zu ihrem Allgemeinwissen untersucht und mussten daraufhin abschätzen, wie viel Prozent einer anderen Gruppe, ebenfalls College-Studenten, diese Frage richtig beantworten könnten. Dazu wurden drei Hypothesen untersucht. Mit der false consensus-Hypothese wurde geprüft, ob Menschen dazu neigen, das Wissen anderer in Abhängigkeit vom eigenen Wissen zu beurteilen. Die false consensus-Hypothese wurde bestätigt. Mit der Overestimation-Hypothese wird vermutet, dass die Verbreitung des eigenen Wissens überschätzt wird. Diese Hypothese fand ebenfalls Bestätigung. Die dritte Hypothese, die sog. Expertise-Hypothese wurde nicht bestätigt. Mit ihr wurde überprüft, ob Experten das Fachwissen von Laien überschätzen. Die Studie wurde von anderen Forschern (vgl. Fussell & Kraus, 1991) mit anderen Alltagsbegriffen wiederholt. Ihr Ergebnis bestätigten die Annahme der false consensus und der Overestimation –Hypothese. In der Alltagkommunikation kann somit von einem allgemeinen Urteilsfehler gesprochen werden. Diese Befunde waren der Antrieb für weiterführende Überlegungen auf dem Gebiet der Wissenskommunikation. Einige dieser Untersuchungen werden aufgegriffen, weil sie als relevant für die eigene Untersuchung erscheinen.

3.6 Relevante Untersuchungsergebnisse für die eigene Untersuchung

Im deutschsprachigen Raum beschäftigt sich im Bereich der pädagogischen Psychologie die Arbeitseinheit um Professor Bromme in Münster mit der Thematik der kognitiven Fachkommunikation und der interdisziplinären Kom-munikation. Dabei wurde mediengestützte Kommunikation wie z. B. webbasierte Kommunikation zwischen Edv-Fachleuten und Edv-Laien (Jucks, 2001; Nückles, 2001) untersucht, ebenso die Experten-Laien-Kommunikation in der Architektur (Rambow, 2000). Auch der kognitive Perspektivenwechsel in verschiedenen Domänen, z.B. zwischen Medizinern und Krankenschwestern wurde analysiert (Bromme & Nückles, 1999). Zentral in ihren wissenschaftlichen Abhandlungen sind Fragen nach der Antizipationsfähigkeit von Wissen, der Antizipationsfähig-keit hinsichtlich anderer Merkmale der Laienperspektive und die Adaptionsfähig-keit der Experten zu den Laien (Bromme & Rambow, 2001).

In einer Analyse wurden Mediziner und Stationskrankenschwestern einer onkologischen Kinderabteilung mittels einer Interviewstudie bezüglich der Fähigkeit zum Perspektivenwechsel verglichen. Beide Gruppen zeichneten sich dabei durch ihre unterschiedliche Ausbildung aus. Daraus kann geschlossen werden, dass sie unterschiedliche Perspektiven entwickelt haben. Beide Parteien beschäftigten sich in ihrem Arbeitskontext mit ähnlichen, ineinander verfloch-tenen Problemen. Zeitdruck und Unsicherheit bestimmen den Arbeitsalltag, z.B. bei der medizinischen Versorgung von Kindern oder bei der Beratung und Aufklärung der Angehörigen.

Die Analyse wurde mithilfe von Interviews mit offenen Fragen und durch Fragebögen mit Ratingskalen durchgeführt. Die Analysetechnik wurde dabei an die jeweilige Gruppe angepasst. Die Untersuchung bestand aus drei Frage-stellungen. Erstens wurden wechselseitig die eigenen Problembereiche der eigenen Arbeit abgefragt, z.B. wie oft sie eine bestimmte Arbeitstätigkeit aus-führen. Danach wurde die vermutete Perspektive der anderen Seite erfragt. Verglichen wurden die Häufigkeitsverteilungen in den Kategorien Gefragt werden und Fragen in den Themenbereichen palliative und kurative Behandlung.

Mit der zweiten Fragestellung wurde erkundet, ob Krankenschwestern und Ärzte die Unterschiede der beruflichen Perspektiven bei der Lösung von Arbeitsproblemen zu nutzen vermögen. Dazu mussten Eigen- und vermutete Fremdperspektivurteile auf Input- und Outputlevel abgegeben werden. Im dritten Teil wurde nach der Ausprägung gegenseitiges Verständnis zu schaffen, gefragt . Dazu wurde das Zufriedenheitsempfinden bezüglich interdisziplinärer Kommunikation der einzelnen Berufsgruppen (Ärzte vs. Krankenschwestern) verglichen.

Gerade der erste und zweite Teil der Untersuchung ist von besonderem Interesse für die eigene Untersuchung, da besonders die Fähigkeit zum Perspektivenwechsel exploriert wurde. Beispielsweise wurden die Ärzte befragt, ob sie vermuten, dass Krankenschwestern Prognosen unabhängig von eigenen stellen. Bei einer positiven Antwort wurden die Ärzte nach der vermuteten Prognose der Krankenschwestern befragt. Im weiteren Vorgehen mussten die Ärzte beantworten, welche Quellen der Information die Krankenschwestern zu Rate ziehen, um ihre Prognose zu entwickeln. Umgekehrt wurden die Krankenschwestern instruiert, eine Prognose aus der Sicht der Ärzte abzugeben und zu erklären, welche Quellen der Information die Mediziner und sie selbst für ihre Prognose verwenden. Ausgewertet wurden die Interviews mittels Inhaltsanalyse nach Mayring (1995) anhand der Kategorien:

- A Keine Vermutung über die Perspektive der anderen
- B Details wurden genannt, aber keine Differenzierung zwischen der eigenen und der vermuteten Perspektive gegeben
- C Details wurden genannt und eine Differenzierung zwischen der eigenen Perspektive und der vermuteten Perspektive der anderen wurde gegeben

Von den 21 befragten Ärzten (1 fehlender Wert) waren neun in der Lage, eine Prognose aus der Sicht der Krankenschwestern abzugeben (Kategorien B und C). Sechs der Ärzte stellten die vermutete Prognose genau wie die eigene (Kategorie B). Gerade drei Ärzte machten unterschiedlich Prognosen (Kategorie C). Im Vergleich dazu waren die 20 Krankenschwestern (drei fehlende Werte) in der Lage eine Prognose abzugeben. 12 Krankenschwestern wurden der Kategorie B und sieben der Kategorie C zugeordnet. Bromme und Nückles (1999) vermuten, dass die Ärzte nicht die Flexibilität ihres repräsentativen Modells aufbringen können, die Konzeptualisierung der Krankenschwestern bei prognostischen Schwierigkeiten mit einzubeziehen. Ärzte würden zwar die Ideen der Prognose von Krankenschwestern begrüßen, aber erkennen nicht, dass das Prognostizieren ein integraler Bestandteil der Krankenschwestern-Perspektive und ihrer beruflichen Entwicklung ist.

Gerade diese Untersuchung diente als Ausgangspunkt für eigene Überlegungen für die Entwicklung des eigenen Forschungsdesigns. Einmal kann durch diese Vorgehensweise die Antizipationsfähigkeit von mehreren Gruppen untersucht und Vermutungen angestellt werden, ob Qualifizierungsberater (Experte vs. Novize) und Führungskräfte aus ihrer unterschiedlichen Perspektive heraus auf das Wissen der anderen Seite hinsichtlich einer Problemlösung zurückgreifen können.

In einer anderen Untersuchung mit Architekten (Rambow, 2000) konnte gezeigt werden, dass die Fähigkeit zur Antizipation der Laienperspektive tatsächlich einen signifikanten Zusammenhang mit der gezeigten Laien-orientierung bei mündlichen Erläuterungen aufweist. Da die Antizipations-fähigkeit in mehreren Dimensionen erhoben wurde, konnten außerdem deren Einflüsse miteinander verglichen werden. Die Antizipation kategorialer Wahrnehmungsstrukturen (Rambow, 1998) erwies sich dabei als die bedeutendste Dimension. Dieser Befund kann als Beleg dafür angesehen werden, dass globale, „ganzheitliche“ Strukturmerkmale nicht nur wichtig für die Charakterisierung des Expertenwissens selber sind, sondern auch für ein Verständnis des Umgangs mit diesem Wissen in Kommunikationssituationen.

Neben der Antizipation der Laienperspektive wird auch das Problem der Adaption des Gesprächsbeitrags an den Empfänger gesehen. Als Beispiel kann eine empirische Untersuchungsreihe dienen, in der das Thema Adaption erfasst wird (Nückles, 2000). Erkundet wurde hauptsächlich der Grenzbereich zwischen Antizipation und Adaption. In mehreren netzgestützten Experimenten wurde der Frage nachgegangen, ob Internet-Experten sich bei der Planung mündlicher Erläuterungen für Laien stärker an Sachmerkmalen oder an Adressatenmerkmalen orientieren. Hierzu wurde z.B. der Vorwissensstand der fiktiven Laien, für die die Expertenprobanden Erläuterungen zu planen hatten, systematisch variiert. Es zeigte sich ein erheblicher Einfluss von sachstrukturellen Aspekten und darüber hinaus eine Berücksichtigung des Vorwissens in Abhängigkeit von der thematischen Wichtigkeit des Wissens, das dem Laien vermittelt werden sollte

Neben der hier beschriebenen Thematik, ein mentales Modell des Laien aufzubauen und aufrecht zu erhalten, die Redebeiträge an den Gesprächspartner anzupassen, kann es zu weiteren Schwierigkeiten hinsichtlich beidseitiger Verständigung kommen, die an dieser Stelle kurz angeführt werden und im Zusammenhang mit der Domäne Qualifizierungsberatung näher beschrieben werden.

Zu nennen sind:

- Unterschätzung der Laienschwierigkeiten seitens des Experten
- Problematik des Kontextes
- Problematik der Informationsverarbeitung
- Unzureichendes Wissen
- Macht- und Rollenstrukturen

3.7 Zusammenfassung

Als theoretischer Hintergrund wurde die Expertiseforschung gewählt, weil sie qualitative und quantitative Unterscheidungsmerkmale zwischen Experten und Novizen herausarbeitet. Die Expertiseforschung leistet einen effektiven Beitrag dazu, zu beweisen, dass sich Experten von Novizen hinsichtlich der Struktur, Organisation und auch der Fülle ihres Wissens unterscheiden und dass Expertenwissen eng mit den gesammelten Erfahrungen in der Domäne zusammenhängt. Experten scheinen ihr über Jahre hinweg erworbenes Wissen eng mit Handlungsvorschlägen verknüpft zu haben. Da diese Konzeption meist den Experten als alleinigen Problemlöser sieht, bietet es sich an, das Konzept durch den Bereich der Wissenskommunikation zu ergänzen. Hier lassen sich kooperative Problemlöseprozesse anhand des Experten-Laien-Konzepts beschreiben.

Die Theorie Clarks beschreibt die Antizipations- und Adaptionsthematik unter Berücksichtigung des Wissens der interagierenden Akteure. Die Einnahme der Perspektive des Kooperationspartners wird durch kognitive, situative und kontextuelle Bedingungen gesteuert. Welche Bedingungen in der Qualifizierungsberatung vorzufinden sind, wie Wissens- und Präferenzabschätzungen gelingen und wie konkret die Antizipationsleitung von Qualifizierungsberatern anhand der Demonstration eines semantisch komplexen Falles gelingt, wird in der vorliegenden Untersuchung analysiert. Empirische Forschungsarbeiten weisen auf gewisse Verschätzungstendenzen der Fremdperspektive hin. Ob solche Verschätzungstendenzen auch in der Domäne Qualifizierungsberatung zum Tragen kommen, wird mit dieser Arbeit hinterfragt. Die Verschätzung der Perspektive wird als hinderlich für den kooperativen Austausch im kommunikativen Problemlöseprozess erachtet.

Bevor das Forschungsdesign beschrieben wird, wird Qualifizierungsberatung als Sonderfall der pädagogisch-psychologischen Beratung betrachtet.

4 Pädagogisch-psychologische Beratung

„Der Beratungsbegriff wird uneinheitlich verwendet“ (Conrad, Trummer, 2007 S . 321). In der Praxis zeigen sich begriffliche Unschärfen. Gegenseitiger fachlicher Austausch, Kooperation oder Supervision sind dadurch nur schwer unterscheidbar (Strasser & Gruber, 2003). Im Allgemeinen wird Beratung als kommunikatives Handeln zwischen zwei oder mehreren Personen aufgefasst. Bei der gemeinsamen Erarbeitung von Lösungswegen besitzt der Ratsuchende eine gewisse ‚Professionalität‘ und zwar im Sinn einer Kompetenz über sein eigenes Arbeitsfeld und seiner Person. Ziel der Beratung ist die Bewältigung eines oder mehrerer Probleme. Das Wissen (bzw. die Kompetenz), welches dazu von den handelnden Parteien gebraucht wird, wird als ungleich verteilt angenommen. Der Klient nimmt freiwillig an der Beratung teil und besitzt das Recht, den Beratungsprozess zu jedem Zeitpunkt abzubrechen. Dieses allgemeine Verständnis von Beratung lässt sich auf viele gesellschaftliche Bereiche übertragen und hat vorrangig als Ziel, einen als problematisch erlebten Zustand zu klären und die aktuell bestehende Entscheidungsunsicherheit zu reduzieren. Neben der Optimierung einer problematischen Entscheidung kann die Zielsetzung auch darin liegen, die Informationsbasis des Klienten zu verbessern oder bei der Realisierung einer Maßnahme zu unterstützen (Schwarzer & Buchwald, 2001).

Im pädagogischen Kontext ist Beratung als eine Grundform pädagogischen Handelns zu sehen (Gieseke, 1987). Für Mollenhauer (1965, S.30) ist Beratung ein wichtiger Eingriff in Erziehungsprozesse und jenes Moment, in dem „Probleme verdichtet, artikuliert und formuliert werden”. Beratung wird dabei als Hilfsmittel zur Bewältigung von krisenhaften Lebenssituationen aufgefasst, die es dem Klienten erlaubt, eine distanzierte Sicht auf diese Situation zu erreichen. Der Berater unterstützt den Klienten bei der Bewältigung der Situation durch Anregen der Eigeninitiative zur Lösung des bestehenden Problems. Beratung im pädagogischen Kontext zielt durch besseres Verstehen des Einzelnen

- auf Aktivierung der Selbstbehauptungskräfte des Einzelnen,
- auf Aktivierung seiner Fähigkeit zur Selbsteinsicht und
- der Fähigkeit zur Neuorientierung seiner Einstellungen und Verhaltensweisen und
- zur Erkundung möglichst eigenständiger Lösungsmöglichkeiten von Problemen (vgl. Aurin, 1984, S.18).

1984 definierte Kurt Aurin Beratung als „Hilfe zur Selbsthilfe“. Dieser Aspekt wird von Hofer (1996, S.13) als übergeordnetes Ziel der Beratung genannt. Beratung im pädagogisch-psychologischem Kontext lässt sich nach Hofer (1996) in vier Handlungsfelder einteilen. Dabei lassen sich (1) Erziehung in der Familie, (2) Schule, (3) berufliche Ausbildung und Hochschule und (4) Weiterbildung voneinander abgrenzen. Die verschiedenen Handlungsfelder prägen die Gestaltung der Beratung und akzentuieren die Komponenten der Beratung. Um diese Diffusität der Beratungslandschaft aufzulösen, schlägt Strasser (2006, S.14) in diesem Zusammenhang vor, Beratung generell als „Problemlösen“ zu verstehen, um „gemeinsame Merkmale [zu] identifizieren“ und rational durch Wissenschaft erfassen zu können.

Ausgangslage der Beratung ist meist ein Problem, das den Beratungsanlass konkretisiert. „Genau genommen gibt es so viele Beratungsanlässe, wie es problematische Person-Umwelt-Bezüge gibt“ (Schwarzer & Posse, 1993, S. 638). Im Bereich der Pädagogik führen u.a. psychologische und psychosoziale, sozialpädagogische und sozialarbeiterische, pädagogisch - edukative, gemeinwesen- und gemeindeorientierte, betriebliche und personalentwickelnde, sozial-ökologische, seelsorgerische oder gesundheitsbezogene Aspekte meist auf Grundlage eines mehr oder minder gearteten Problems in einem oder mehrerer dieser Bereiche zu einer Nachfrage nach Beratung. Strasser (2006, S.16) geht davon aus, dass „pädagogisch relevante Probleme im Bereich des lebenslangen Lernens, des Umgangs mit Medien, der interkulturellen Verständigung u.ä. verstärkt Anlass für Beratung werden.“ Beratungsanlässe können entweder präventiven oder interventiven Charakter besitzen. Bei einem präventiven Anlass ist das Problem noch nicht vorhanden, aber es droht aufzutreten. Beratung setzt hier vorbeugend an und soll die Auftretenswahrscheinlichkeit der problematischen Situation verringern. Interventionsanlässe bewegen sich entlang eines Kontinuums, das vom Stillen eines Informationsbedarfs bis zur Bearbeitung einer psychischen Destabilisierung reichen kann (Hofer, 1996). Aus den Anlässen entwächst das jeweilige Ziel, das durch Beratung erreicht werden soll.

Hofer (1996) unterscheidet weiter zwischen Fern- und Nahziel. Im Fernziel wird die leichtere Bewältigung von Problemen und Persönlichkeitsentwicklung in der Zukunft festgelegt. Im Nahziel hingegen wird die eigenständige Bewältigung aktueller Probleme forciert. Der Berater unterstützt den Träger des Problems dabei, seine Entscheidungsunsicherheit zu reduzieren bzw. einen problembehafteten Zustand zu klären. Die unmittelbare Lösung des Problems obliegt nicht dem Aufgabenbereich des Beraters, sondern ist Aufgabe des Klienten (Schwarzer & Buchwald, 2001).

Jenes Handeln, durch das die jeweiligen Ziele erreicht werden können, nennt man Beratungshandeln. Der Berater greift auf die ihm zur Verfügung stehenden Mittel wie begründbare Erkenntnisse, Methoden und Handlungsroutinen zurück. Da diese Mittel nicht auf alle denkbaren Anlässe und Ziele von Beratung übertragbar sind und in adäquater Form vorliegen, bleibt Beratung „stets eine Handlung mit Versuchscharakter“ (Hofer, 1996, S. 13). Um kompetent beraterisch handeln zu können, wird Wissen vorausgesetzt (Strasser & Gruber, 2000) das in verschiedenen Kontexten und Variationen eingesetzt wird. An dieser Stelle wird das Thema „Wissen“ als Voraussetzung beraterischen Handelns näher bestimmt, weil es ein zentrales Thema dieser Arbeit ist.

4.1 Exkurs zum Wissen und zur Kompetenz von Beratern

Wissen wird vielfältig klassifiziert. Dabei werden verschiedene Wissensarten häufig paarweise gegenübergestellt. Polanyi (1966) unterscheidet zwischen explizitem und implizitem Wissen. Explizites Wissen wird dabei als objektiv und abstrakt angesehen, während implizites Wissen als verinnerlichtes und verkörpertes Wissen beschrieben werden kann. Im Bereich der Medizin unterscheidet Gruber (2000) zwischen biomedizinischem (Fakten-)Wissen und klinischem Erfahrungs- bzw. Handlungswissen. Zugrunde liegt die häufig vorgenommene Differenzierung zwischen deklarativem (knowing that) und prozeduralem Wissen (knowing how) (Collins & Quillian, 1969; Newell, 1973). Deklaratives Wissen umfasst das gesamte sprachliche, begriffliche und faktische Wissen einer Person. Es setzt sich zusammen aus episodischem Wissen, das auf individuellen Erfahrungen basiert und sowohl räumlich als auch zeitlich gebunden ist, und dem semantischen Wissen, das auf Erfahrung basiert. Prozedurales Wissen ist Wissen in Form von Können und wird auch als Handlungswissen bezeichnet. In der sog. ACT*-Theorie (Anderson, 1988) gilt deklaratives Wissen als Voraussetzung von prozeduralem Wissen. Deklaratives Wissen wird durch praktische Erfahrung in prozedurales Wissen überführt. Prozeduralisierte Handlungsabläufe sind dadurch gekennzeichnet, dass sie routinisiert bzw. automatisch ablaufen. Heraus gebildet werden sie durch die Prozesse der Wissenskompilierung und des Tunings.

Die Wissensweitergabe bzw. der Erwerb von deklarativem Wissen über die Sprache ist möglich und relativ problemlos. Beim prozeduralen Wissen ist dies nicht oder nur bedingt möglich. Vielmehr setzt der Erwerb prozeduralen Wissens Übung voraus, indem Handlungen vom Lerner selbst durchgeführt werden müssen (vgl. Arbinger, 1997). Welche Formen des Wissens und welches Wissen Berater beanspruchen, klassifiziert Hofer (1996) in vier Wissensarten.

[...]

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Résumé des informations

Titre
Bedingungen für gelungene Experten-Laien-Kommunikation in der Qualifizierungsberatung
Sous-titre
Eine Analyse der Beraterkompetenz in der Qualifizierungsberatung für kleine und mittlere Betriebe in der Metall- und Elektroindustrie
Université
University of Regensburg
Note
1,0
Auteur
Année
2007
Pages
129
N° de catalogue
V86163
ISBN (ebook)
9783640173167
ISBN (Livre)
9783640204380
Taille d'un fichier
1177 KB
Langue
allemand
Mots clés
Bedingungen, Experten-Laien-Kommunikation, Qualifizierungsberatung
Citation du texte
Ulrich Forster (Auteur), 2007, Bedingungen für gelungene Experten-Laien-Kommunikation in der Qualifizierungsberatung, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/86163

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