Therapeutische Zusatzausbildungen: Motivationslagen für SozialpädagogInnen in der sozialtherapeutischen Heimerziehung


Seminararbeit, 2007

22 Seiten, Note: 1.3


Leseprobe


Gliederung

1 Interesse am Forschungsgegenstand

2 Abgrenzung von Sozialer Arbeit und Therapie

3 Methodisches Vorgehen
3.1 Unsere Interviewpartnerin
3.2 Rahmenbedingungen
3.3 Vorgehensweise

4 Interview mit Lisa
4.1 Auswertung der Interview-Ergebnisse
4.1.1 Therapeutische Zusatzqualifikation und Motivation
4.1.2 Methoden in der sozialpädagogischen Tätigkeit
4.1.3 Anwendung therapeutischer Methoden
4.1.4 Abgrenzungsproblematik
4.1.5 Bedeutung des Studiums
4.1.6 Berufsidentität und Selbstverständnis
4.2 Fachwissenschaftliche Interpretation

5 Fazit

6 Schlusswort

7 Literaturverzeichnis

1 Interesse am Forschungsgegenstand

Während des Praktikums in einer sozialtherapeutischen Wohngruppe des Marie-Luise-Schattenmann-Hauses begegnete einer Studentin der Projektgruppe folgendes Phänomen: Auffällig viele KollegInnen befanden sich in einer therapeutischen Zusatzausbildung oder äußerten den Wunsch, eine Zusatzausbildung anzufangen. Dieses Phänomen weckte das Interesse der gesamten Projektgruppe, da die Grenzen zwischen Therapie und Sozialer Arbeit auch während des Studiums oft zur Diskussion standen.

Besonders im sozialtherapeutischen Bereich der Sozialen Arbeit verschwimmen die Grenzen der Bereiche Sozialpädagogik und Therapie. In der sozialtherapeutischen Heimerziehung sind die SozialpädagogInnen mit den Störungsbildern der KlientInnen ständig konfrontiert und müssen auch in Krisensituationen professionell agieren und bedarfsgerecht handeln können. Die Teams bestehen aus TherapeutInnen und SozialpädagogInnen, womit der besondere Bedarf dieser Klientel berücksichtigt werden soll. Gerade für SozialpädagogInnen stellt dieses Arbeitsfeld besondere Herausforderungen dar, da sie AnsprechpartnerIn im Alltag sind und diesen, zusammen mit den KlientInnen, bewältigen müssen. Jedoch auch dieser Alltag ist geprägt von den unterschiedlichsten psychischen Besonderheiten der KlientInnen. Dies kann oft zu Überforderung der SozialpädagogInnen führen, denn Krisen im Alltag verlangen nach therapeutischem Wissen und entsprechenden Methoden, welche in der Ausbildung von SozialpädagogInnen nicht vermittelt werden.

Aus diesen Überlegungen heraus baten wir eine Mitarbeiterin des Marie-Luise-Schattenmann-Hauses, welche sich in der Ausbildung zur Kinder- und Jugendlichentherapeutin befindet, als Expertin zu einem Interview.

2 Abgrenzung von Sozialer Arbeit und Therapie

In der Praxis wird zwischen sozialpädagogischen und therapeutischen Aufgaben und Arbeitsfeldern unterschieden, in der Literatur finden sich folgende Unterscheidungsmerkmale, die Abgrenzung der beiden Bereiche klar definieren soll:

Therapeutische Prozesse sind zentriert auf die Person der KlientInnen und deren Innenleben, ihren Erlebens- und Erleidensweisen und ihrer personalen Integration (vgl. Gildemeister & Robert, 2001, S.1902ff.). Die Betonung liegt auf der Alltagsferne der Therapie sowie den festen Rahmen, in dem Veränderungsprozesse initialisiert werden. Dabei werden nur einzelne, bestimmte Aspekte ausgewählt, wie beispielsweise Phobien (vgl. Fromman, 1978, S.43). Im Gegensatz hierzu verfolgt die Soziale Arbeit das Ziel, ihren KlientInnen Hilfe bei den im Alltag aufkommenden Problemen zu geben. Ausgegangen wird hier von sozialen Problemen, Erscheinungsformen sozialer Benachteiligung und Fragen der sozialen Integration bzw. Abweichung (vgl. Gildemeister & Robert, 2001, S.1902). Soziale Arbeit handelt im Gegensatz zur Therapie innerhalb des Alltags und der Lebenswelt der KlientInnen. Besonders in einem Heim oder einer sozialtherapeutischen Wohngruppe wird die Bedeutung der Sozialen Arbeit klar, da dort SozialpädagogInnen und Bewohnerinnen tagtäglich ihr Zusammenleben (zumindest partiell) gestalten.

Der Therapie liegt eine so genannte Komm-Struktur zugrunde. Die KlientInnen entscheiden hier selbst, meist aufgrund eines gewissen Leidensdruckes, dass sie eine Therapie in Anspruch nehmen möchten. Hier findet ein klares Setting jenseits des Alltags statt. Es gibt klare Absprachen über den Ort, den Anlass, den zeitlichen Rahmen und die Regelmäßigkeiten des Zusammenkommens (vgl. Gildemeister & Robert, 2001, S.1905f.). Die Therapie hat den Charakter einer begrenzten Dienstleistung. Die emotionale Verausgabung der TherapeutInnen ist zeitlich begrenzt und es gibt ein absehbares Ende der Therapiestunde, auch bei noch vorhandenem Gesprächsbedarf. So lässt sich diese Tätigkeit eher mit der von ÄrztInnen und RechtsanwältInnen vergleichen, als mit der von SozialpädagogInnen (vgl. Wedekind, 1986, S.75). Im Gegensatz hierzu gestaltet sich ein großer Teil der Sozialen Arbeit über offene Angebote. Es gibt administrativ durchgesetzte, also erzwungene Formen der Kontaktaufnahme, wie es in der Jugendgerichtshilfe üblich ist. So ist die Soziale Arbeit nicht in einer Praxis fern des Alltags angesiedelt, sondern innerhalb des alltäglichen Milieus und der Lebenswelten, im Bezugsrahmen der Lebenspraxis und des Selbstverständnisses ihrer KlientInnen (vgl. Gildemeister & Robert, 2001, S.1906).

In der Sozialen Arbeit wird meist um ein Minimum an Übereinstimmung mit den AdressatInnen gerungen. Bereits der Einstieg in die Arbeitsbeziehung unterscheidet sich sehr zur therapeutischen Beziehung. In der Sozialen Arbeit müssen überwiegend im Alltag Ansatzpunkte für das professionelle Handeln gefunden werden. So bieten SozialpädagogInnen Flächen für die Projektionen und Identifikationen ihrer KlientInnen, können sich aber nicht auf eine durch entsprechende Beziehungsdefinition abgesicherte, außeralltägliche Position, wie die TherapeutInnen, zurückziehen. Hier bleibt die Markierung von Grenzen zwischen Alltag und professionellem Handeln meist diffus (vgl. ebd., S.1906f).

Besonders das sozialtherapeutische Arbeitsfeld beinhaltet immer häufiger Selbsterfahrungselemente und Handlungsmuster, die sich stark den psychotherapeutischen Konzepten annähern. Überlappungen von Therapie und Sozialer Arbeit finden sich vor allem bei der psychosozialen Versorgung, wie z.B. der Krisenintervention. Hier werden Elemente sowohl der personellen als auch der sozialen Dimensionen thematisiert, um eine Eskalation zu vermeiden (vgl. ebd., S.1904). Kriseninterventionen sind häufig im Bereich der Sozialen Arbeit zu finden, da hier die Alltagsbegleitung stattfindet. In der sozialtherapeutische Wohngruppe des Marie-Luise-Schattenmann-Haus werden Kriseninterventionen in der Regel vom Präsenzdienst geleistet, da dieser vor Ort und der jeweilige AnsprechpartnerIn in der Alltagsbegleitung ist. Erst bei der Notwendigkeit einer Klinikeinweisung wird Rücksprache mit der Leitung und den Therapeutinnen des Hauses gehalten.

Eine mögliche Antwort auf die Frage nach der Abgrenzung von Sozialarbeit und Therapie gibt Hans Thiersch mit seinem pragmatischen Konzept des gelingenderen Alltags, in dem der Alltagsbegriff als wichtigste Unterscheidung dient. Thiersch betont, dass Therapie bei bestimmter Indikation gezielte Arrangements anbietet und damit „jenseits des Alltags, dessen Interaktionsmuster sie verfremdet und partiell außer Kraft setzt“ (Thiersch, 1978, S.17) agiert.

Hingegen ist es die Aufgabe von sozialpädagogischen Interventionsmodellen „die Organisation und solidarisch-parteiliche Begleitung von Lernprozessen in, nicht für relevante und schwierige Situationen des Alltags.“ (Hompesch & Hompesch-Cornetz, 1978, S.24).

Thiersch plädiert dafür, dass Soziale Arbeit nicht therapeutisch sein solle. Für ihn sind Sozialarbeit und Psychotherapie zwei vollkommen unterschiedliche Handlungsformen, die aber zur Kooperation aufeinander angewiesen sind. Sie haben ähnliche Ziele, aber andere Herangehensweisen (vgl. ebd., S.69). Somit handelt es sich bei den Beziehungen zwischen KlientInnen und SozialpädagogInnen und TherapeutInnen um vollkommen verschiedene Beziehungen.

3 Methodisches Vorgehen

3.1 Unsere Interviewpartnerin

Um an verwertbare Informationen zu kommen entschieden wir uns eine Person zu befragen, welche in direkten Kontakt mit diesen Phänomen steht. In Folge dessen besuchten wir das Marie-Luise-Schattenmann-Haus und interviewten eine Sozialpädagogin in Vollzeitanstellung (seit ca. 3 Jahren), die uns ihr entsprechendes betriebliches Expertenwissen zur Verfügung stellte.

Für das Interview haben wir bewusst eine Person gewählt, die tatsächlich Soziale Arbeit studiert hat, da es auch um Fragen zum Thema Ausbildung/Studium gehen sollte. Um die Anonymität der Befragten zu bewahren, wurde ihr bei der Darstellung ein fiktiver Name gegeben: Lisa.

Das Gespräch fand in einem Büro der Einrichtung statt. Der Gesprächsverlauf wurde von uns auf Tonband aufgezeichnet, um ihn im Anschluss transkripieren und auswerten zu können.

Das Interview dauerte ca. 40 Minuten.

3.2 Rahmenbedingungen

Da die befragte Sozialpädagogin die Interviewerin kannte, war sie nach einer kurzen Erläuterung des Themas relativ schnell bereit, sich befragen zu lassen. Dazu diente ein ruhiges Zimmer im Wohnheimbereich, dass heißt im Arbeitsfeld selbst, was ein ungestörtes Gespräch gewährleistete.

3.3 Vorgehensweise

Der Leitfaden bestand sechs Hauptfragen, die das erforschen der zuvor aufgestellten Zielfragen und Hypothesen ermöglichen sollten. Der Leitfaden lautete wie folgt:

- Wie würdest du deine Funktion, bzw. deine Aufgabe hier im Haus beschreiben?
- Welche Methoden wendest du in deiner Arbeit an?
- Was haltest du von der Anwendung therapeutischer Methoden in der Sozialen Arbeit? Was für Erfahrungen hast du damit gemacht?
- Was schätzt du an deiner Arbeit?
- Was empfindest du als besonders schwierig oder belastend?
- Wie gut fühlst du dich durch deine Ausbildung, das Studium, auf deinen Beruf vorbereitet?

Diese Fragen wurden im Laufe des Interviews leicht geändert, bzw. durch eine Vielzahl von Zwischenfragen, die der Vertiefung dienten, ergänzt. Verwendet wurden also offene Fragen, die aber, bei nicht ausreichender oder ungenauer Beantwortung, gezielt auch durch halboffene oder geschlossene Fragen konkretisiert wurden.

So konnten bestimmte Themen genauer erfragt werden, obwohl hier natürlich gleichzeitig die Gefahr besteht, dass zu enge Fragen auch eine eingeengte Beantwortung nach sich ziehen können. Dies musste bei der Auswertung berücksichtig werden.

[...]

Ende der Leseprobe aus 22 Seiten

Details

Titel
Therapeutische Zusatzausbildungen: Motivationslagen für SozialpädagogInnen in der sozialtherapeutischen Heimerziehung
Hochschule
Katholische Stiftungsfachhochschule München
Note
1.3
Autoren
Jahr
2007
Seiten
22
Katalognummer
V86205
ISBN (eBook)
9783638016490
Dateigröße
402 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Therapeutische, Zusatzausbildungen, Motivationslagen, SozialpädagogInnen, Heimerziehung
Arbeit zitieren
Rabea Raila (Autor:in)Barbara Reis (Autor:in), 2007, Therapeutische Zusatzausbildungen: Motivationslagen für SozialpädagogInnen in der sozialtherapeutischen Heimerziehung, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/86205

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