Die Praxis einen Pflichtverteidiger neben dem Wahlverteidiger gegen den Willen des Beschuldigten zu bestellen, entspringt zwar streng genommen nicht den sog. „Terroristenprozessen“ der 70iger Jahre, sondern einer Entscheidung des BGH vom 24.01.1961, sie hat aber erst im Zusammenhang mit diesen an Bedeutung gewonnen und wurde unter den Begriffen „Zwangsverteidiger“, „oktroyierter Pflichtverteidiger“, „aufgedrängter“ oder „aufgezwungener Verteidiger“ erörtert. Im jüngeren Schrifttum findet sich für den vorsorglichen Pflichtverteidiger immer häufiger die Bezeichnung des sog. „Sicherungsverteidigers“.
Die zulässigkeitsbefürwortenden Ansichten nehmen überwiegend Bezug auf die Argumentation des BGH in seiner obiter-dictum-Entscheidung , wonach eine zusätzliche Pflichtverteidigerbestellung bzw. die Aufrechterhaltung einer zusätzlichen Pflichtverteidigerbestellung aus Gründen der Sicherung der Durchführung der Hauptverhandlung geboten sei, wenn sich die Gefahr eines Verteidigerausfalls abzeichnet. Gegen eine Mandatsniederlegung des Verteidigers ist mit der Kostentragungspflicht gem. § 145 IV StPO Rechnung getragen. Als Kollisionsnorm kommt § 145 I StPO in Betracht; unter deren Voraussetzungen eine zusätzliche Pflichtverteidigerbestellung zulässig sein könnte. In dieser häuslichen Arbeit im Schwerpunktbereich Strafrechtspflege sollen alle möglichen Rechtsgrundlagen und Rechtfortbildungen, die zu einer Zulässigkeit der „Sicherungsverteidigung“ führen könnten, in Erwägung gezogen werden.
Inhaltsverzeichnis
- A. Zulässigkeit einer Sicherungsverteidigerbestellung aufgrund rechtlicher Herleitung.
- I. Überblick...
- II. Prüfung der in Betracht kommenden Rechtsgrundlagen.
- 1. Subsidiaritätsprinzip.
- 2. Dogmatische Herleitung....
- a. Grundrecht auf freie Verteidigerwahl
- b. Grundsätzliche Chancengleichheit ....
- 3. Gesetzlich geregelte Ausnahmen vom Subsidiaritätsprinzip .
- a. § 138c III 4
- b. § 145 I……………………
- B. Zulässigkeit einer Sicherungsverteidigerbestellung aufgrund gesetzesimmanenter Rechtsfortbildung …………….
- I. Analoge Anwendung des § 145 I..
- II.,,erst-recht-Schluss".
- III. Gleichsetzung eines fehlenden Verbots mit einer Erlaubnis.......
- C. Zulässigkeit einer Sicherungsverteidigerbestellung aufgrund „gesetzesübersteigender“ Rechtsfortbildung...........
- I. Verfahrenssicherung.
- II. Prozessuale Fürsorgepflicht ......
- III. Beschleunigungsgebot
- IV. Missbrauchsabwehr.
- V. Ergebnis.....
- 1. Geeignetheit.
- 2. Erforderlichkeit
- 3. Verhältnismäßigkeit .
- D. Lösungsvorschläge.........
- I. Ersatzverteidigerlösung..
- II. Ergänzungsverteidiger.
- III. Autonomieprinzip von Welp………….
- IV. Verwirkungslösung von Rieẞ..
- V. Lösung auf der Grundlage des geltenden Rechts
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die vorliegende Arbeit befasst sich mit der Frage, unter welchen Voraussetzungen die Bestellung eines Pflichtverteidigers neben einem Wahlverteidiger gegen den Willen des Beschuldigten (sog. „Zwangsverteidiger“) zulässig ist. Ziel der Untersuchung ist es, die rechtlichen Grundlagen für die Zulässigkeit eines solchen Zwangsverteidigers zu analysieren und die verschiedenen Lösungsansätze kritisch zu beleuchten.
- Rechtliche Herleitung der Zulässigkeit einer Sicherungsverteidigerbestellung
- Gesetzesimmanente Rechtsfortbildung und deren Anwendung auf den Sachverhalt
- „Gesetzesübersteigende“ Rechtsfortbildung und deren Auswirkungen auf die Zulässigkeit
- Kritische Betrachtung verschiedener Lösungsvorschläge zur Regelung des Sachverhalts
- Bedeutung des Grundrechts auf freie Verteidigerwahl und dessen Abwägung mit anderen rechtlichen Interessen
Zusammenfassung der Kapitel
Das erste Kapitel befasst sich mit der rechtlichen Herleitung der Zulässigkeit einer Sicherungsverteidigerbestellung. Es werden die relevanten Rechtsgrundlagen, insbesondere das Subsidiaritätsprinzip und das Grundrecht auf freie Verteidigerwahl, beleuchtet. Das zweite Kapitel untersucht die Möglichkeit einer gesetzesimmanenten Rechtsfortbildung, um die Zulässigkeit eines Zwangsverteidigers abzuleiten. Es werden verschiedene Ansätze wie die analoge Anwendung von Rechtsnormen und der „erst-recht-Schluss“ diskutiert. Das dritte Kapitel befasst sich mit der Frage, ob eine „gesetzesübersteigende“ Rechtsfortbildung zur Zulässigkeit eines Zwangsverteidigers führen kann. Dabei werden die Argumente für eine Verfahrenssicherung, die Prozessuale Fürsorgepflicht und das Beschleunigungsgebot sowie die Abwehr von Missbrauch analysiert.
Schlüsselwörter
Sicherungsverteidiger, Pflichtverteidiger, Wahlverteidiger, Zwangsverteidigung, Subsidiaritätsprinzip, Grundrecht auf freie Verteidigerwahl, Rechtsfortbildung, Verfahrenssicherung, Prozessuale Fürsorgepflicht, Beschleunigungsgebot, Missbrauchsabwehr.
- Citar trabajo
- Sarah Gog (Autor), 2007, Unter welchen Voraussetzungen ist die Bestellung eines Pflichtverteidigers neben einem Wahlverteidiger gegen den Willen des Beschuldigten zulässig?, Múnich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/86301