In dieser Arbeit soll versucht werden, zwei Erzählungen des Zyklus’ Kolymskie rasskazy, die Erzählung Na predstavku von 1956 und Tifoznyj karantin von 1959 als literarische Zeugnisse vom (Über-)Leben und Sterben der Häftlinge in der Maschinerie Gulag zu lesen: dabei soll der Frage nachgegangen werden, wie jene Unsicherheit, jenes Unvorhersehbare, das das Wesen des stalinistischen Terrors ausmachte und das Leben der Häftlinge in der „kleinen Zone“ in noch stärkerem Maße beherrschte, als das der freien Bürger in der „großen Zone“, in den Texten thematisiert und als Verfahren eingesetzt wird. Theorien zum Unvorhersehbaren erstellte im 20. Jahrhundert die Postmoderne im Rahmen einer Analyse alltäglichen Handelns und Machtbeziehungen. Da sich Konzepte wie jenes des Taktikers bei Michel de Certeau - das in dieser Arbeit die Basis der Analyse der bei Šalamov beschriebenen Überlebenstechniken von Häftlingen bildet - direkt aus der Tradition der Improvisation ableiten, wird im zweiten Teil ein kurzer Überblick über Improvisation in der Rhetorik und auf der Bühne, sowie über die Rezeption von Improvisation in der Literatur und deren Weiterentwicklung zu literarischen Verfahren und Konzepten des Handelns gegeben werden. Der dritte Teil dieser Arbeit wendet sich dem Überleben im Gulag zu: das von der historischen Forschung erarbeitete Wissen über das Funktionieren der Lager und die Überlebenstechniken der Häftlinge soll hier als Basis einer eingehenden Darstellung und Analyse des certeauschen Konzepts von Strategie und Taktik dienen. Das letzte Kapitel ist Šalamovs Erzählungen Na predstavku und Tifoznyj karantin gewidmet: die Handlung der beiden Erzählungen wird zur besseren Orientierung jeweils kurz umrissen und dann die Analyse der Texte im Hinblick auf das Unvorhersehbare als Thema und Verfahren vorgenommen.
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- Improvisation
- Überleben im Gulag
- Die Entwicklung des Lagersystems
- Mjasorubka: der Fleischwolf
- Das Lager, ein Ort der Unsicherheit
- Überleben im Lager und taktisches Handeln
- Varlam Šalamov: Kolymskie rasskazy
- Das Lager schreiben
- На представку (1956)
- Тифозный карантин (1959)
- Schlussbemerkung
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Arbeit analysiert zwei Erzählungen aus Varlam Šalamovs Zyklus „Kolymskie rasskazy“, „Na predstavku“ und „Tifoznyj karantin“, um die Erfahrungen und das Überleben der Häftlinge im Gulag-Lagersystem zu beleuchten. Besonders wird auf die Unsicherheit und das Unvorhersehbare im Lageralltag eingegangen, sowie auf die Überlebensstrategien der Gefangenen.
- Der Gulag als Ort der Unsicherheit und des Terrors
- Überlebensstrategien der Häftlinge
- Die Rolle der Improvisation und Taktik im Lageralltag
- Die literarische Darstellung von Erfahrungen im Gulag
- Die Analyse von Šalamovs Erzählungen im Kontext der Postmoderne
Zusammenfassung der Kapitel
Die Einleitung gibt einen historischen Überblick über den stalinistischen Terror und die Entwicklung des Gulag-Systems. Es wird hervorgehoben, dass die Gewalt nicht nur die Gesellschaft zerstörte, sondern auch das Leben der Menschen im Lager prägte.
Der zweite Teil der Arbeit beschäftigt sich mit dem Konzept der Improvisation und seiner Entwicklung in der Rhetorik, der Theaterkunst und der Literatur. Dabei wird die Bedeutung des Improvisationskonzepts für die Analyse von Überlebensstrategien im Gulag betont.
Im dritten Teil wird das Funktionieren der Lager und die Überlebenstechniken der Häftlinge beleuchtet. Dieses Kapitel soll die Grundlage für die spätere Analyse von Šalamovs Erzählungen bilden.
Das vierte Kapitel analysiert Šalamovs Erzählungen „Na predstavku“ und „Tifoznyj karantin“. Es werden die Handlungen der beiden Erzählungen kurz zusammengefasst und im Hinblick auf die Themen des Unvorhersehbaren und der Überlebensstrategien analysiert.
Schlüsselwörter
Gulag, Stalinismus, Terror, Überleben, Improvisation, Taktik, Unsicherheit, Varlam Šalamov, Kolymskie rasskazy, Na predstavku, Tifoznyj karantin, Postmoderne, Michel de Certeau
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- Anne Krier (Autor), 2007, Von Terror und Taktiken: Varlam Shalamovs "Erzählungen aus Kolyma", Múnich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/86456