Obwohl Polen der Vorreiter in Osteuropa war, stand die Verabschiedung einer neuen Verfassung hin zu einer demokratischen Staatsordnung im, Gegensatz zu anderen osteuropäischen Ländern, nicht am Anfang, sondern eher am Ende des Systemwechsels,.
Die Verfassungsgebung in Polen dauerte 8 Jahre. In dieser Zeit war es möglich, die Verfassungsnorm der Verfassungswirklichkeit anzupassen. Jedoch behinderte die Verfassungswirklichkeit die Ausarbeitung der polnischen Verfassung erheblich. Nicht zuletzt die Erinnerung an die kommunistische Herrschaft, die Amtsführung und Einfluss der Präsidenten der Übergangsverfassungen, erschwerten die Arbeit der Nationalversammlung an einer neuen Verfassung.
Auch im Hinblick auf die aktuellen Diskussionen um die Zwillingsbrüder Kaczynski in der polnischen Regierung ist es von Interesse, die Stellung des polnischen Staatspräsidenten näher zu beleuchten. Der ältere der beiden, Lech Kaczynski, hat seit 2005 das höchste Amt im Staat inne, nachdem sein Vorgänger Kwasniewski nicht mehr zur Wahl stand. Aktuelle Diskussionen um einen Korruptionsvorwurf der amtierenden Regierung, an dem Jaroslaw Kaczynski, der Bruder des Staatspräsidenten beteiligt sein soll, rücken die Machtpositionen der polnischen Regierung in das Blickfeld. Der Wechsel von einer kommunistischen Diktatur zu einer kapitalistischen Demokratie ist offensichtlich nicht einfach, und auch 8 Jahre nach der Verabschiedung der Neuen Verfassung, scheinen alte Strukturen noch nicht völlig beseitigt worden zu sein.
Das Amt des Staatspräsidenten ist das höchste politische Amt in Polen. Der Präsident ist zwar nicht für die Regierungsgeschäfte zuständig, hat aber dennoch gewichtige Kompetenzen. Wie diese genau aussehen und wie sich das Amt des Präsidenten nach der kommunistischen Herrschaft entwickelte soll Gegenstand dieser Arbeit sein.
Im Verlauf soll geschildert werden, wie sich die Kompetenzen und Befugnisse des Staatspräsidenten im Wandel der Verfassung änderten oder bestehen blieben. Dem soll eine theoretische Einordnung des polnischen Regierungssystems vorangestellt werden, die im Fazit wieder aufgenommen wird um eine detaillierte Schlussfolgerung in Bezug auf die neue polnische Verfassung und die Stellung des Präsidenten ziehen zu können. Dabei soll schließlich auch die theoretische Einordnung des post sozialistischen Staates nach den Kriterien Steffanis erfolgen. Im Einzelnen werden in den Kapiteln 2-4 die jeweiligen Stationen der Verfassungsgebung, um nicht zu sagen der Verfassungsfindung, geschildert werden. Darauf folgt ein abschließendes Fazit. Die Literaturlage ist aufgrund der späten Verfassungsgebung verhältnismäßig neu. Es gibt viele Arbeiten zu dem Thema der Transformation und dem Systemwechsel der postkommunistischen Staaten. Auch in Bezug auf die europäische Integration sind diese Länder und ihre Entwicklung in Literatur und Forschung von Bedeutung.
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- Theoretische Einordnung des polnischen Regierungssystems
- Die Verhandlungen am Runden Tisch von 1989
- ,,Einer muss der Hausherr sein"
Die Kleine Verfassung von 1992 – Ein ausgehandeltes Provisorium. - Die Neue Verfassung von 1997 – Die Dritte Republik
- Fazit
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Arbeit analysiert die Entwicklung des Amtes des polnischen Staatspräsidenten im Wandel der Verfassung von 1989 bis 1997. Sie untersucht die Verfassungsfindungsprozesse in Polen und die Herausforderungen, die sich im Zuge des Übergangs von einer kommunistischen Diktatur zu einer kapitalistischen Demokratie stellten. Die Arbeit stellt dar, wie sich die Kompetenzen und Befugnisse des Präsidenten in den verschiedenen Verfassungen veränderten und wie das Amt des Präsidenten im Kontext des polnischen Regierungssystems einzuordnen ist.
- Die Verfassungsgebung in Polen nach dem Systemwechsel
- Die Entwicklung der Kompetenzen und Befugnisse des Staatspräsidenten
- Die Einordnung des polnischen Regierungssystems als semipräsidentielles oder parlamentarisches System mit Präsidialdominanz
- Der Einfluss der kommunistischen Vergangenheit auf die Verfassungsentwicklung
- Die Rolle des Präsidenten in den aktuellen politischen Debatten in Polen
Zusammenfassung der Kapitel
- Einleitung: Die Einleitung stellt die Relevanz der Analyse des polnischen Staatspräsidenten im Wandel der Verfassung dar, besonders im Kontext des Systemwechsels und der aktuellen politischen Diskussionen in Polen.
- Theoretische Einordnung des polnischen Regierungssystems: Dieses Kapitel diskutiert die Einordnung des polnischen Regierungssystems im Spannungsfeld zwischen parlamentarischen und präsidentiellen Systemen. Es werden die Merkmale beider Systeme und die spezifischen Besonderheiten des polnischen Systems beleuchtet.
- Die Verhandlungen am Runden Tisch von 1989: Dieses Kapitel behandelt die Verhandlungen am Runden Tisch von 1989, die den Grundstein für den Systemwechsel in Polen legten. Es wird der Prozess der Verfassungsfindung und die Rolle des Präsidenten in diesen Verhandlungen analysiert.
- ,,Einer muss der Hausherr sein" - Die Kleine Verfassung von 1992: Dieses Kapitel analysiert die "Kleine Verfassung" von 1992, die als ein Übergangsprojekt zu einer neuen Verfassung verstanden werden kann. Es werden die Kompetenzen des Präsidenten in dieser Übergangsphase und die Herausforderungen der Verfassungsfindung in der Zeit nach der kommunistischen Herrschaft thematisiert.
Schlüsselwörter
Polnischer Staatspräsident, Verfassungsentwicklung, Systemwechsel, semipräsidentielles Regierungssystem, parlamentarisches System mit Präsidialdominanz, Runder Tisch, Kleine Verfassung, Neue Verfassung, Transformation, postkommunistische Staaten, Europäische Integration.
- Quote paper
- Annegret Stalder (Author), 2007, Der polnische Staatspräsident im Wandel der Verfassung von 1989-1997, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/86558