Die haitianische Revolution - Toussaint L'Ouverture als weißer Napoleon

Black Atlantic und Global Studies, Sklaverei


Hausarbeit, 2006

13 Seiten, Note: 1,3


Leseprobe


GLIEDERUNG

Prolog: Die Aufklärung und ihr Geburtsort Frankreich

I. Aufklärung und die Middle Passages

II. Die Perle der Karibik – San Domingo

III. San Domingo als machtpolitisches Instrument

IV. Die Abschaffung der Sklaverei

V. Der Schwarze Napoleon – Toussaint L’Ouverture

VI. Kommentar: Haiti als Kapitel einer Global History

Prolog: Die Aufklärung und ihr Geburtsort Frankreich

Das alles erleuchtende Licht im Dunkel der Unwissenheit. Dies ist bis heute eines der bekanntesten Bilder der europäischen Aufklärung. Nicht was zu denken sei, sondern selbst zu denken ist dabei die zentrale Botschaft dieses „philosophischen Zeitalters“.[1]. Es ist der einzelne Mensch, welcher in ständiger Rückbesinnung auf sich selbst im Zentrum einer humanistischen Lebensweise steht. Die westliche Hemisphäre, vielmehr der einfache Bürger, träumt von einer besseren Welt – er ist entschlossen, das philantrophische Weltbild der Aufklärung in dynamischer Art und Weise zu verwirklichen und die persönliche Freiheit zu erobern. „Cogito, ergo sum!“, proklamiert beispielsweise Rene Déscartes. Die auf Vernunft basierende Gleichheit und Brüderlichkeit aller Menschen, die in Frieden miteinander leben, wird, nach zögerlichen Anfängen im späten 17.Jahrhundert,. spätestens im Verlauf des 18. Jahrhunderts[2] zur weltumspannenden Denkrichtung, zu einer Epoche europäischer Geistesgeschichte, welche die moderne Welt bis in die Gegenwart prägt[3]. Die Wissenschaft erhält den Status eines Leitmotives des aufgeklärten Menschen - es geht vor allem um den Austausch von Ideen und Wissen, das 18. Jahrhundert wird durch erhöhte soziale Mobilität zum „Zeitalter des Kosmopolitismus“.[4] Das städtische Bildungsbürgertum ist dabei die kulturtragende Schicht eines gesellschaftlichen Wandels, der dem dritten Stand, unter anderem den Beamten, Kaufleuten oder Handwerkern neue Möglichkeiten, auch in überseeischen Gebieten, bietet.

Ex occidente lux! Epizentrum der europäischen Aufklärung ist Frankreich - als 1763 der Siebenjährige Krieg im Frieden von Paris endet, haben Voltaire, Rousseau und Montesqieu ihre großen Werke der Aufklärung bereits geschrieben. Zudem bringen d’Alembert und Diderot das humane Gesamtwissen des Menschen, die weltweit erste Encyclopédie, zwischen 1751-1765 heraus. Voltaire erklärt daraufhin die französische Sprache zur Universalsprache[5] und so geht von der „Grande Nation“ ein wichtiger Impuls zum „Siècle de Lumière“ aus. Im politischen Leben Frankreichs bildet sich eine räsonierende und debattierende Öffentlichkeit heraus, welche in großen Teilen von der philosphischen Aufklärung geprägt ist: Der einfache Bürger will mitreden und sein persönliches Schicksal nicht in die Hände von geheimen Sitzungen am abolutistischen Hof legen. Das Monarchentum setzt der öffentlich proklamierten und propagierten Aufklärung absolutistische Repression und starren Traditionalismus entgegen. Dieser Dualismus soll wenig später zum ersten erfolgreichen Umsturz einer europäischen Herrscherklasse durch das Volk beitragen – der französischen Revolution (1789-1794), die bis heute als Meilenstein europäischer Geschichtsschreibung gilt.

I. Aufklärung und die Middle Passages

Weltgeschichtlich wird die Aufklärung , zumeist in Verbindung mit der französischen Revolution, als Auftakt der Moderne verstanden und mit dem „Ziel des Friedens und der Einigkeit unter allen Menschen“, der „Weltbruderschaft der wahrhaft Aufgeklärten“[6] umschrieben. So ist dieser Ansatz durchaus als globaler, im Sinne einer alle Völker der Erde umfassenden Global History zu verstehen. Doch genau hierin liegt das Problem der konventionellen Geschichtsbetrachtung. Das Zeitalter der Aufklärung und mit ihr das der Revolutionen 1776-1848[7] wird zwar als global bedeutend eingestuft, zumeist aber nur aus europäischer Sicht/ im europäischen Kontext beschrieben und gedeutet. So versteht man unter Aufklärung und dem Zeitalter der großen Revolutionen bis heute ein „europäisches Ereignis“[8] oder „die Welt des weißen Mannes, die auf einer christlich-antiken Grundlage beruht“[9]. Zwar wird häufig auf das amerikanische „light of reason“ verwiesen, welches von den spanischen, portugiesischen oder angelsächsischen Im Zeitalter des Wissensaustausches, der sozialen Mobilität und der weltumspannenden Brüderlichkeit scheinen die außereuropäischen Auswirkungen und Einflüsse des philosophischen Zeitalters der Aufklärung nicht genügend berücksichtigt. Wenn der britische Philosoph Joseph Berkely diese Epoche rückblickend als „That ocean of light, which has broke in and made his way, in spite of slavery and superstition.“[10], beschreibt, so impliziert gerade diese Aussage die Ambivalenz die in dem Postulat der Unschuld der Moderne bis heute steckt: In der sogenannten Middle Passage (frühes 16. bis spätes 19. Jahrhundert). wurden zehn Millionen Schwarzafrikaner gewaltsam aus den europäischen Kolonien in Afrika und der Karibik ihrer Heimat beraubt und per Schiff über den Atlantik einem elenden Sklavendasein entgegengeschippert, oder noch in ihrer Heimat versklavt. Ende des 18. Jahrhunderts erkennt der deutsche Naturforscher Forster: “ Es ist eine traurige Wahrheit, dass Menschenliebe und die politischen Systeme von Europa nicht miteinander harmonisieren.”[11] Beschreibt Aristoteles den Sklaven schon in der Antike als Barbaren, der von Natur aus zur Sklaverei bestimmt ist[12], so greift auch die Geburtsstätte der Aufklärung, Frankreich, zu diesem Theorem, um die per Sklaverei eingefahrenen Gewinne in den überseeischen Kolonien in Einklang zu bringen mit der philanthrophischen Philosphie der Aufklärung. Während Voltaire in der Nationalversammlung anmerkt, dass die am 26.08.1789 in Paris ausgerufenen Menschenrechte doch für alle gelten müssten[13], sieht die imperiale Praxis in den französischen Kolonien diametral anders aus.

II. Die Perle der Karibik – San Domingo

Besonders in der “Perle der Karibik”, der gewinnträchtigsten Kolonie aller Zeiten, SantDomingo, dem heutigen Haiti, prallen aufklärerische Ideale und imperialistische Machtstrukturen gerade im Rahmen der dortigen Revolution (1791-1804) direkt aufeinander. “Je geringer die Bedeutung des Kolonialismus und Rassismus in der Weltgeschichte”, so schreibt der französische Kulturwissenschaftler Michel Ralph Trouillot, “desto unwichtiger die haitianische Revolution!”[14] Die folgenden Ausführungen sollen zeigen, dass eine nähere Betrachtung der haitianischen Revolution im Hinblick auf eine globale Bewertung der Aufklärung beinahe unermesslich ist. So veranschaulicht diese Revolution unter anderem die nur kurzfristige Wirkung des Sturmes auf die Bastille und das Wiedererstarken nationaler Denkmuster in Frankreich wie in Europa. Das imperiale Wettrennen der europäischen Großmächte an der Wende vom 18. zum 19. Jahrhundert wirft im Rahmen der Geschehnisse auf San Domingo einige Schatten auf das Licht der Aufklärung. Zudem beschäftigt sich der Essay mit den Auswirkungen der Aufklärung und der französischen Revolution auf Haiti, zeigt auf, dass philosophische Denkstrukturen, die heutzutage fast ausschließlich mit Europa in Verbindung gebracht werden, in Zeiten der Revolutionen gerade dort in starkem Maße angewandt werden und reflektiert und hinterfragt das gängige Geschichtsbild des Napoleon Bonaparte auch im Schatten seines schwarzen Pendants Toussaint L’Ouverture.

[...]


[1] Siehe auch: Im Hof, Ulrich: Das Europa der Aufklärung, Beck’ sche Verlagsbuchhandlung München, 1993.

[2] Spätestens mit dem Erscheinen des Diskurses über die Ungleichheit der Menschen von Jean Jacques Rousseau im Jahre 1754 tritt die Aufklärung in eine radikalere und stärker beachtete Phase

[3] Der Begriff Aufklärung wurde dieser Denkrichtung allerdings erst im 19. Jahrhundert zuteil und gehört seitdem zum kulturellen Bildungskanon des Okzidents.

[4] Vergleiche: Vovelle, Michel: Der Mensch der Aufklärung, Campus Verlag Frankfurt/Main, 1996, S.23.

[5] siehe Im Hof, Ulrich: Das Europa der Aufklärung, Beck’ sche Verlagsbuchhandlung München, 1993, S.86.

[6] In: Im Hof, Ulrich: Das Europa der Aufklärung, Beck’ sche Verlagsbuchhandlung München, 1993, 128.

[7] Zeitliche Einordnung nach Hobsbawn, Eric: The Age of Revolutions 1789-1848, erwöhnt in Gilroy, Paul/ Campt, Tina (Herausgeber): Der Black Atlantic, Haus der Kulturen der Welt Berlin, 2004.

[8] In: Wehinger, Brunhilde (Herausgeberin): Europäischer Kulturtransfer im 18. Jahrhundert, Literaturen in Europa = Europäische Literatur?, Berliner Wissenschaftsverlag Berlin, 2003, S. 9.

[9] In: Im Hof, Ulrich: Das Europa der Aufklärung, Beck’ sche Verlagsbuchhandlung München, 1993, S.15.

[10] Aus ebd. S.6.

[11] ebd. S.200

[12] ebd. S.195

[13] ebd. S.196

[14] Gilroy, Paul/ Campt, Tina (Herausgeber): Der Black Atlantic, Haus der Kulturen der Welt Berlin, 2004, S.189

Ende der Leseprobe aus 13 Seiten

Details

Titel
Die haitianische Revolution - Toussaint L'Ouverture als weißer Napoleon
Untertitel
Black Atlantic und Global Studies, Sklaverei
Hochschule
Universität Leipzig  (Kulturwissenschaften)
Veranstaltung
Black Atlantic, Sklaverei und die Folgen
Note
1,3
Autor
Jahr
2006
Seiten
13
Katalognummer
V86796
ISBN (eBook)
9783638059121
Dateigröße
759 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Revolution, Toussaint, Ouverture, Napoleon, Black, Atlantic, Sklaverei, Folgen
Arbeit zitieren
Timo Gramer (Autor:in), 2006, Die haitianische Revolution - Toussaint L'Ouverture als weißer Napoleon, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/86796

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