Mädchengangs in Deutschland und den USA

Ein Vergleich


Trabajo de Seminario, 2004

27 Páginas


Extracto


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Banden in den USA
2.1. Banden in sozialen Zusammenhängen
2.1.1. Das soziale Umfeld
2.1.2. Der Theorieansatz der Lebenssituation
2.2. Entstehung und Aufbau
2.3. Aspekte des Bandenlebens
2.3.1. Gründe für den Beitritt
2.3.2. Leben in der Bande
2.3.3. Kriminalität

3. Banden in Deutschland
3.1. Banden in sozialen Zusammenhängen
3.1.1. Das soziale Umfeld
3.2. Entstehung und Aufbau
3.3. Aspekte des Cliquenlebens
3.3.1. Die Bedeutung der Clique für die Mädchen
3.3.2. Funktionen der Gewalt
3.3.3. Die Aktionsmacht
3.3.4. Kriminalität

4. Vergleich der Banden
4.1. Das soziale Umfeld
4.2. Entstehung und Aufbau
4.3. Aspekte des Bandenlebens
4.4. Kriminalität
4.5. Die Bedeutung der Gruppe

5. Die Veränderung des Weiblichkeitsbildes
5.1. Neupositionierung im Geschlechterverhältnis in Deutschland?
5.2. Überlegungen zu möglichen Verschiebungen des Weiblichkeitsbildes in den USA

6. Resümee

Literaturverzeichnis

1. Einleitung

Den Begriff „Gang“ verbinden die meisten automatisch mit kriminellen, farbigen Jugendlichen, die sich in den USA Straßenschlachten liefern und mit Drogen dealen. In diesem Szenario spielen Mädchen eine untergeordnete Rolle. In letzter Zeit haben amerikanische Medien gewalttätige Gangmädchen für sich entdeckt und mit reißerischen Berichten die Aufmerksamkeit auf sie gelenkt. Doch wie sieht es in der Realität mit diesen Mädchen wirklich aus? Weil das Hauptaugenmerk der Forschung noch immer auf männlichen Bandenmitgliedern liegt, gibt es über die Mädchen nur wenige Erkenntnisse. Besonders über den Bereich der rein weiblichen Gangs ist kaum etwas bekannt.

Noch weniger Forschungsergebnisse über dieses Thema gibt es in Deutschland. Das liegt wahrscheinlich daran, dass kriminelle Mädchengangs hierzulande kein gesellschaftliches Problem darstellen. Dennoch gibt es sie und die Forschung beginnt, diese Gruppen zu analysieren. Uns interessierten vor allem die Gründe für die Gewaltbereitschaft der Mädchen. Außerdem wollten wir wissen, welche Unterschiede im Gruppenleben in Bezug auf deren Entstehung, Aktivitäten und ihre Bedeutung für die Mitglieder zwischen den USA und Deutschland bestehen. Dabei gehen wir auch auf das Bild, das die Mädchen von sich selbst haben, vergleichend ein.

Bei diesem Vergleich benutzten wir in Bezug auf Deutschland, uns an der Forschung orientierend, die Bezeichnungen gewaltbereite Jugendclique oder Jugendgruppe. Im Teil über die USA sprechen wir weiterhin von Gangs und Banden.

2. Banden in den USA

In den USA wird schon seit Anfang des Jahrhunderts soziologische Bandenforschung betrieben. Doch von Anfang an hatten die gewählten Erklärungsansätze gemein, dass sie sich hauptsächlich mit männlichen Banden beschäftigen. Frauen und Mädchen treten nur als Randerscheinungen auf. Das kann unter anderem daran liegen, dass es insgesamt weniger Mädchen als Jungen in Banden gibt, und noch viel weniger Banden, die nur aus Mädchen bestehen. So waren 1975 in New York nur sechs Prozent aller Bandenmitglieder weiblich. Außerdem gab es nur 6 reine Mädchenbanden[1]

Diese Betrachtungsweise, in der „roles were described by male gang members to male researchers and interpreted by male academics“[2], hat zu einem recht einseitigen Bild von weiblichen Bandenmitgliedern geführt. Ob in Cohens subkulturtheoretischen Ansätzen oder auf Mertons Anomietheorie basierenden Studien von Cloward und Ohlin[3], der Fokus lag lange Zeit auf männlichen Bandenmitgliedern. Mädchen wurden von vorneherein ausgeschlossen[4] oder in Fußnoten aus der Theorie genommen[5]. Soziologische Theorien, die sich ausschließlich mit den Mädchen in Banden beschäftigen, sind noch relativ neu.

2.1. Banden in sozialen Zusammenhängen

Um die Entstehung von Gangs zu erklären, wurde oft die soziale Struktur der betroffenen Viertel herangezogen. Labile, sozial schwache und arme Gegenden galten als besonders anfällig für Gangbildung, obwohl auch in sozial gut organisierten Vierteln oft von Bandentätigkeiten berichtet wurde. Um die Entstehung der Gangs in instabilen Gegenden zu erklären, wurde meist eine Theorie sozialer Desorganisation genutzt. Banden in sozial stabilen Nachbarschaften hingegen wurden mit Hilfe von Subkulturtheorien oder Theorien ökonomischer Marginalisierung erklärt[6].

2.1.1. Das soziale Umfeld

Gangs treten zumeist in sehr armen Stadtteilen auf. Die wenigsten Bewohner haben eine Arbeit, und wenn, so ist diese schlecht bezahlt. Deshalb leben viele von der Wohlfahrt. Oft sind die Anwohner zusätzlich Angehörige einer ethnischen Minderheit, was ihre Chancen auf gesellschaftlichen Aufstieg verschlechtert. Dazu kommt, dass viele Jugendliche, die dort aufwachsen, die Schule abbrechen und so ein Teufelskreis von schlechter Ausbildung und Armut geschaffen wird[7].

In den Vierteln gibt es wenig Arbeitsplätze und Freizeiteinrichtungen. Oft sind die Häuser, selbst die bewohnten, extrem baufällig. Die Jugendlichen sind in ihrer Freizeitgestaltung auf sich selbst gestellt. Sie hängen den ganzen Tag mit Freunden aus ihrer Gang herum, da es weit verbreitet ist, die Schule zu schwänzen[8]. Banden existieren in diesen Vierteln schon seit Generationen und ist es beinahe selbstverständlich einer Gang beizutreten. Wenn die Eltern noch nicht in einer Bande waren, so bestimmt oft die Wahl der älteren Geschwister, in welcher Gang man Mitglied wird. Außerdem bedeutet nicht Mitglied in einer Gang zu sein, eine größere Gefahr Opfer von Bandengewalt zu werden.

Die so lebenden Familien sind oft zerrüttet und Gewalt ist an der Tagesordnung. Im gesamten Umfeld herrscht eine hohe Gewaltbereitschaft[9], kleinere Delikte gehören zum Alltag, und wer sich nicht anpasst, gilt schnell als schwach und feige.

2.1.2. Der Theorieansatz der Lebenssituation

Da viele der Theorien, die männliche Banden erklären, die Beteiligung von Mädchen in Banden nicht erklären konnten, mussten neue Ansätze gefunden werden.

Eine Theorie, die direkt bei dem sozialen Umfeld ansetzt, ist die Theorie der Lebenssituation. Sie geht davon aus, dass bestimmte Faktoren in der direkten sozialen Umwelt der Mädchen diese dazu bewegen einer Bande beizutreten. Besonders wichtig ist in diesem Zusammenhang der Begriff der multiplen Marginalität. Er benennt die Ansammlung der Diskriminierungen von Klasse, Ethnie und Geschlecht und trifft auf die meisten Mädchen zu, die einer Gang beitreten. Diese Mädchen kommen aus sozialen Brennpunkten und gehören der gesellschaftlichen Randgruppe der Armen an. Viele ihrer Familien leben von staatlicher Unterstützung. Die Berufschancen der Mädchen sind schlecht, da viele die Schule abbrechen. So bleibt ihnen nur häusliche Arbeit mit sehr geringen Möglichkeiten für einen beruflichen Aufstieg[10]. Dass sie zumeist noch einer ethnischen Minderheit wie Farbigen oder Hispaniern angehören, die in den USA strukturell benachteiligt werden, führt zusätzlich dazu, dass sich ihre Chancen verringern. Neben der ‚normalen’ Diskriminierung von Frauen durch Männer, leiden die Mädchen in Gangs zusätzlich an den einschränkenden, sehr traditionellen Weiblichkeitsbildern ihrer Ethnien. Selbst in Gesellschaftsbereichen ohne diesen Marginalisierungshintergrund haben Mädchen und Frauen nur vier Rollen zur Auswahl. Durch Werte und Normen trennt die Gesellschaft ‚gute’ von ‚schlechten’ Mädchen, wobei die ‚Guten’ sich an die vorgegebenen Verhaltensweisen halten. Außerdem kann eine Frau noch entscheiden, ob sie eine Rolle wählt, die zu jener der Männer komplementär ist, oder ihr ähnelt. Das sich daraus ergebende Schema sieht für Mädchen in Gangs wie folgt aus:

Wertorientierung der Mädchen

gute Mädchen schlechte Mädchen

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

(Quelle: William J. Stewart, Female Gang Delinquency: A Search for ‚Acceptably Deviant Behavior’ in: Klein, Maxon, Miller (ed): The Modern Gang Reader 1995)

Da die meisten Mädchen in Gangs erstaunlich traditionelle Vorstellungen von ihrer Zukunft haben, streben sie die Position der guten Ehefrau an. Weil die Gesellschaft sie wegen ihrer Mitgliedschaft in einer Gang automatisch in die Spalte der schlechten Mädchen einstuft, bleiben viele bei der ebenfalls komplementäre Rolle des ‚Sexobjektes’[11]. Allerdings gewinnen sie dadurch nur geringes Ansehen, da ihre Abhängigkeit von den Mitgliedern der dazugehörigen männlichen Gang sehr hoch ist. Außerdem verschlechtern sich ihre Chancen noch in die Kategorie der guten Ehefrau aufzusteigen, da die Männer, auch wenn sie selbst einer Gang angehören, lieber Mädchen ohne Bandenvergangenheit heiraten möchten[12]. Sie folgen damit der gängigen Doppelmoral, die es den Mädchen schwer macht nicht als ‚Schlampe’ abgestempelt zu werden, wenn sie viele Sexualpartner hatten.

Mädchen, die sich für die Rolle des Tomboy entscheiden, stehen vor einem ähnlichen Problem. Ihr ‚männliches’ Verhalten macht sie in den Augen der Männer unattraktiv, die sie für sich zu gewinnen suchen. Zusätzlich macht sich ihr Umfelds über sie lustig und wartet darauf, dass sie aus dieser Phase herauswachsen[13].

Die Rolle der unabhängigen Frau bedeutet, dass die Mädchen später zwar unabhängig von den Männer leben, beinhaltet aber auch, dass sie ihre Kinder alleine aufziehen. Denn 94% der Mädchen, die in einer Gang waren bekommen Kinder, doch nur 16% von diesen ziehen sie gemeinsam mit ihrem Lebensgefährten groß[14].

Die Rolle der guten Ehefrau hat den Nachteil, dass die Mädchen als Spaßverderberinnen gelten. Ihnen wird vorgeworfen, die lebensfrohen Männer von der Gang fern- und zu Hause festzuhalten[15]. So entsteht für die Gangmädchen eine no-win-Situation, in der auch die gesellschaftlich anerkannten Rollen keinen wirklichen Anreiz haben.

2.2. Entstehung und Aufbau

Für viele Mädchen ist der Beitritt zu einer Bande obligatorisch, wollen sie nicht als ‚Freiwild’ in ihrer Nachbarschaft gelten. Zwei unterschiedliche Arten von Eintrittsrituale sind dabei als Vorraussetzung weit verbreitet. Die Anwärterin kann durch einen Kampf oder durch Sex in die Gang kommen, wobei der letztere Weg zu einem niedrigen Status in der Gruppe führt.

Viele Gangs bestehen darauf, demokratisch organisiert zu sein und alles gemeinsam zu beschließen. Tatsächlich ist die Führung nicht so eindeutig, wie in männlichen Gangs, trotzdem haben einige Mädchen eindeutig mehr Einfluss als andere. Falls es sich um die Satellitenbande, die das weibliche Gegenstück einer männlichen Gang ist, handelt, verteidigen die Mädchen ihre Selbstbestimmung vehement gegenüber Einmischungsversuchen der Männer.

2.3. Aspekte des Bandenlebens

2.3.1. Gründe für den Beitritt

Mädchen, die in sozialen Brennpunkten in amerikanischen Städten leben, haben viele Gründe einer Gang beizutreten. In den Nachbarschaften, in denen sie wohnen, regieren Gangs oft die Straßen. Um sich vor den anderen zu schützen, „müssen“ die Mädchen einer Bande beitreten, nur so sind sie sicher[16]. Zusätzlich kommen viele dieser Mädchen aus zerrütteten Familien und haben Erfahrungen mit sexuellem Missbrauch gemacht[17]. So dient die Gang auch als Schutz vor der eigenen Familie[18], oft auch als Ersatz für diese.

Die Mädchen haben meist die Schule abgebrochen, sie können schlecht lesen und schreiben. Somit ist eine berufliche Karriere kaum möglich, selbst die Aussichten auf einen schlecht bezahlten Job sind gering. Die wenigen Jobchancen, die sie haben, werden selten wahrgenommen, da die Mädchen davon träumen Popstar oder Model zu werden und gar nicht erst versuchen, etwas anderes zu erlernen[19].

Außerdem bildet die Gang die wichtigste peer-group für die Mädchen[20]. Dort finden sie Freundinnen und Bekannte, mit denen sie ihre viele Zeit verbringen können. Da die Mitglieder der Gang alle sehr arm sind, dient diese auch der finanziellen Absicherung. Durch Kriminalität, die von leichtem Ladendiebstahl über Autodiebstahl bis zum Dealen von Drogen reicht, beschaffen sich die Gangmitglieder Geld. Dieses wird allerdings oft sofort für Partys ausgegeben. Außerdem gibt die Gang vielen Mädchen das Gefühl stark und von der Gesellschaft unabhängige Rebellen zu sein und stärkt so ihr Selbstbewusstsein.

[...]


[1] Campbell, Anne: The Girls in the Gang. A report from New York City. Oxford: Blackwell 1984. S. 9

[2] Campbell, Anne. In: The Modern Gang Reader. Hrsg. Von Malcom W. Klein, Cheryl L. Maxson, Jody Miller. Los Angeles: Roxbury Publishing Company 1995. S. 71

[3] Chesney-Lind, Meda. The female Offender. London: Sage Publications 1997. S. 20

[4] Ebd. S. 17

[5] Ebd. S.17

[6] R. J. Bursik & H. G. Grasmick. In: “The Modern Gang Reader”: 114

[7] Campbell 1984: 9

[8] Chesney-Lind 1997: 53

[9] Ebd. S. 54

[10] Campbell. In: “The Modern Gang Reader”: 73

[11] Camplell. In „The Modern Gang Reader“ S. 71

[12] Chesney-Lind 1997: 49

[13] Campbel1 1984: 9

[14] Campbell 1997: 53

[15] Campbell 1984: 9

[16] Chesney-Lind 1997: 55

[17] Ebd. S.45

[18] Ebd. S. 54

[19] Campbell. In The Modern Gang Reader: 73

[20] Ebd S. 73

Final del extracto de 27 páginas

Detalles

Título
Mädchengangs in Deutschland und den USA
Subtítulo
Ein Vergleich
Universidad
Bielefeld University
Curso
Geschlecht und soziale Probleme
Autores
Año
2004
Páginas
27
No. de catálogo
V86880
ISBN (Ebook)
9783638027458
ISBN (Libro)
9783638926591
Tamaño de fichero
485 KB
Idioma
Alemán
Notas
"Prima Arbeit, sehr gut strukturiert" (Anmerkung des Dozenten), mündlich genannte Note 1,3
Palabras clave
Mädchengangs, Deutschland, Geschlecht, Probleme
Citar trabajo
Katrin Grebing (Autor)Melanie Grebing (Autor), 2004, Mädchengangs in Deutschland und den USA, Múnich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/86880

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Título: Mädchengangs in Deutschland und den USA



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