Fundraising von Nonprofit-Organisationen

Marketinginstrument oder Aufgabe der Public Relations?


Bachelorarbeit, 2007

34 Seiten, Note: 1,3


Leseprobe


Inhalt

1 Einleitung

2 Der Dritte Sektor
2.1 Grundlagen
2.2 Wandel des Dritten Sektors
2.3 Konfliktpotential und Risiken: NPOs zwischen Markt und Mission

3 Public Relations und Marketing
3.1 Grundlagen
3.2 Nonprofit-Marketing
3.3 Nonprofit-Public Relations
3.4 Das Verhältnis von Public Relations und Marketing

4 Fundraising
4.1 Einordnung und Definitionsproblematik
4.2 Das Prinzip des Fundraisings: Fundraising als Marketinginstrument
4.3 Eine alternative Sichtweise: Fundraising als Aufgabe der Public Relations

5 Fazit

Literaturverzeichnis

Abbildungsverzeichnis

Anhang

Einleitung

NPOs berichten überwiegend von einem mehr oder weniger freiwillig beschrittenen Entwicklungspfad hin zum institutionellen Pol der Wirtschaft. (ZAUNER 2002: 175)

Die Vermarktungs- und Veröffentlichungsstrategien von Misereor und Tchibo, Greenpeace und Shell, Benetton und amnesty international werden sich immer ähnlicher. (RÖTTGER 2006: 14)

1 Einleitung

Wenn ich morgens auf die S-Bahn warte, begleiten mich am Bahnsteig mittlerweile weniger Plakate, die mich von der Notwendigkeit bestimmter Kleidung, den Vorzügen eines Autos oder dem unwiderstehlichen Geschmack eines Erfrischungsgetränks überzeugen wollen. Dafür versucht mir das Rote Kreuz zu sagen, eine Blutspende sei Ehrensache, die Diakonie bezeugt, sie sei Geborgenheit, und die Welthungerhilfe braucht meine Stimme gegen Armut.

Dies alles sind Beispiele für die Kommunikation von Nonprofit-Organisationen (NPOs)1, den Akteuren des Dritten Sektors, der zwischen Staat, Wirtschaft und Gemeinschaft verortet wird und einen wesentlichen Teil moderner Gesellschaften darstellt. Darüber hinaus können diese Beispiele als Ausdruck einer zunehmenden Annäherung des Dritten Sektors an den Pol der Wirtschaft und Techniken des Marktes gelten. Im Zuge sinkender staatlicher Unterstützung, gestiegener Konkurrenz sowie der Forderung nach mehr Effizienz ist die Rede von einem Professionalisierungs- und Rationalisierungsdruck auf NPOs und damit einem Wandel des Dritten Sektors. Eine Entwicklung, die sich auch in einer Vielzahl von Ratgebern und Praxishandbüchern niederschlägt, deren Themen Management, Marketing, Public Relations (PR) oder Fundraising für Nonprofit-Organisationen sind.

Die Beschäftigung mit dem Thema Fundraising, also der Mittelbeschaffung, von NPOs, nimmt in den letzten Jahren stark zu2. Ausdruck findet dies in der Gründung des Deutschen Fundraising Verbands3, in der Schaffung eines Ausbildungsinstituts, der Fundraising- Akademie4 und in der erwähnten Vielzahl praxisorientierter Publikationen. Ein Blick in das Internet zeigt, dass einerseits bestehende Agenturen für Marketing, Werbung und Kommunikation, Fundraising in ihr Dienstleitungsspektrum aufnehmen, andererseits neue Agenturen entstehen, die sich explizit an NPOs wenden5.

Den Rahmen der vorliegenden Arbeit bildet der Wandel des Dritten Sektors. Dabei findet die Annäherung an den Markt und dessen Verhaltensweisen besonders im Marketing, per Definition die Ausrichtung am Markt, ihren Ausdruck. Den Schwerpunkt der Arbeit bildet das Fundraising. Dabei geht es weniger um eine detaillierte Vorstellung, als vielmehr um eine Auseinandersetzung mit dem prinzipiellen Verständnis des Fundraisings. Die Frage im Titel der Arbeit, ob Fundraising von NPOs Marketinginstrument oder Aufgabe der Public Relations ist, soll dabei weniger als Fragestellung verstanden werden, die es innerhalb dieser Arbeit zu beantworten gilt. Die Intention ist in erster Linie, diese Frage überhaupt aufzuwerfen und zu ihrer Diskussion anzuregen. Der Großteil der Literatur, die sich intensiver mit dem Fundraising befasst, ist marketing- und praxisorientiert und beantwortet die Frage bereits: Fundraising ist ein Instrument im Rahmen des Marketings für Nonprofit-Organisationen. Dieses Verständnis soll in der Arbeit einer kritischen Betrachtung unterzogen werden, wobei wie folgt vorgegangen wird:

Der erste Hauptteil der Arbeit wird sich dem Dritten Sektor als grundlegende Basis widmen. Dabei wird genauer auf den Wandel und mögliche Risiken der Annäherung von NPOs an den Markt einzugehen sein. Die kritische Auseinandersetzung mit dem Verständnis des Fundraisings setzt eine Beschäftigung mit den Grundlagen von PR und Marketing, sowie der Anpassung an den Nonprofit-Bereich voraus. Dies erfolgt im zweiten Hauptteil der Arbeit. Dieser schließt mit einer Betrachtung des Verhältnisses von Marketing und Public Relations und liefert bereits einen Teil der kritischen Betrachtung. Der dritte Hauptteil der Arbeit wird zuerst grundlegend auf den Begriff und die Einordnung des Fundraisings eingehen, um dann die Konzeption als Teil des Nonprofit-Marketings darzustellen. Daran schließt die Hinwendung zur Frage der Arbeit an, ob und warum eine Alternative zur dominanten Sichtweise des Fundraisings als Instrument des Marketings diskutiert werden sollte.

2 Der Dritte Sektor

2.1 Grundlagen

Obwohl der Dritte Sektor als fester Bestandteil moderner Gesellschaften gilt, fehlte lange eine entsprechende wissenschaftliche Forschung: „erst in den letzten Jahren wurde damit begonnen, diesen weißen Fleck auf der Landkarte sozialwissenschaftlichen Wissens […] auszufüllen“ (ZIMMER / PRILLER 2004: 9). Die Frage, was mit dem Begriff Dritter Sektor gemeint ist, wird in einer einfachen Abgrenzung oft dadurch beantwortet, dass es sich weder um den Ersten Sektor (Staat) noch den Zweiten Sektor (Wirtschaft / Markt) handelt. ZAUNER (vgl. 2002) ergänzt diese Abgrenzung aus einer systemtheoretischen Perspektive durch den Pol der Gemeinschaft und fügt Steuerungsmedien sowie Steuerungsrahmen hinzu. Somit ergibt sich ein Raum, innerhalb dessen sich der Dritte Sektor und sein Handeln verorten lässt, dargestellt in folgender Abbildung.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 1: Verortung des Dritten Sektors. Eigene Darstellung in Anlehnung an ZAUNER (2002: 174)

Wurde die Frage nach einer exakten Beschreibung des Begriffs Dritter Sektor zu Beginn der 90er Jahre noch „in ganzen Kapiteln einschlägiger Publikationen abgehandelt“ (EISEN 2001: 278), so versteht man ihn heute in der Regel als Summe seiner Akteure, der NPOs. In Anleh- nung an das Johns Hopkins Comparative Nonprofit Sector Project6 (vgl. SALAMON / ANHEIER 1996a: 2f.), sowie PRILLER / ZIMMER (vgl. 2001a: 13) werden diese wie folgt abgegrenzt:

NPOs sind formell strukturiert, organisatorisch unabhängig vom Staat und eigenständig verwaltet. Entscheidend ist weiterhin, dass sie nicht gewinnorientiert bzw. gewinnverteilend sind: Sie dürfen Gewinne zwar erwirtschaften, diese aber nicht an leitende Angestellte, Mitglieder oder Eigentümer ausschütten. Sie müssen in die Arbeit der Organisation zurück- fließen. In Abgrenzung zu Wirtschaftsunternehmen sind sie nicht auf individuelle Nutzen- maximierung, sondern auf den Gemeinnutzen ausgerichtet und orientieren sich nicht an kommerziellen, sondern an ideellen Zielen, ihrer Mission. Ferner sind NPOs freiwillige Organisationen. D.h., dass sie zu einem gewissen Grad mit dem Engagement Freiwilliger arbeiten, schließt jedoch die Möglichkeit Angestellte zu beschäftigen nicht aus. Freiwilligkeit bezieht sich auch auf freiwillige Mitgliedschaft, womit sich NPOs von Kammern oder Innungen abgrenzen, deren Mitgliedschaft für einige Berufsgruppen obligatorisch ist.

Somit ist es möglich zu klären, was eine NPO und was der Dritte Sektor als Summer dieser ist. Damit entsteht kein einheitliches, sondern ein höchst heterogenes Gebilde. Häufig hat man zuerst Organisationen wie Greenpeace oder amnesty international im Sinn, international agierende große NPOs. Diese machen jedoch nur einen kleinen Teil der mehr als 400000 Organisationen des Dritten Sektors aus (vgl. PRILLER/ZIMMER 2006: 71f.). Neben ihrer Größe unterscheiden sich NPOs erheblich anhand ihrer Zielsetzung: So gibt es politische (z.B. Umweltorganisationen), karitative (Hilfsorganisationen), wirtschaftliche (z.B. Verbraucher- schutzorganisationen) oder auch soziokulturelle (z.B. Kulturvereine) NPOs. Auch daher ist es sinnvoll, sich den Dritten Sektor als Raum vorzustellen (vgl. Abb. 1), innerhalb dessen eine unterschiedliche Nähe zu den begrenzenden Polen denkbar ist. Aufgrund der Heterogenität und Komplexität sind Aussagen über den Dritten Sektor grundsätzlich vorsichtig zu treffen. Auf die Frage nach der gesellschaftlichen Funktion des Dritten Sektors, wird auf den Gedan- ken des Staats- und Marktversagens hingewiesen:

Die spezifische Mission von Nonprofit-Organisationen liegt darin, Güter und Dienstleistungen dort bereitzustellen, wo sie von Markt und Staat […] nicht bereitgestellt werden (SEIBEL 2002: 20)

Auf dem Dritten Sektor ruht die Hoffnung, aktuelle Probleme der Gesellschaft zumindest teilweise zu lösen (vgl. ARBEITSKREIS NONPROFIT-ORGANISATIONEN 2003: 1). Er gilt biswei- len „als Motor einer innovativen Sinnstiftung von Arbeit“, als „Arbeitsplatzreservoir in der Beschäftigungskrise“ oder als „Ort einer Revitalisierung (sozial-)politischen Engagements“ (ebd.). ZIMMER / PRILLER (vgl. 2004: 20f.) sprechen von der Multifunktionalität des Dritten Sektors, aufgrund derer Überschneidungen mit den Funktionen der anderen Pole der Gesell- schaft existierten. NPOs seien ein wichtiger Faktor der Interessenartikulation und so poli- tische Akteure. Sie hätten aufgrund der Dienstleistungserstellung und als Arbeitgeber eine ökonomische Funktion und trügen nicht zuletzt zu Integration und Sozialisation bei. Aufgrund dessen sei der Dritte Sektor Teil mehrerer gesellschaftlicher Diskurse, dargestellt in folgender Abbildung.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 2: Funktionen des Dritten Sektors. Eigene Darstellung in Anlehnung an ZIMMER / PRILLER 2004: 23

Obwohl NPOs unabhängig vom Staat sind, spielt dieser eine entscheidende Rolle bei ihrer Finanzierung, Im Schnitt kommen ca. 64 Prozent der Geldmittel des Dritten Sektors aus öffentlichen Zuwendungen. Eigene Einnahmen über den Verkauf von Leistungen sowie Gebühren bzw. Mitgliedsbeiträge steuern ca. 32 Prozent bei. Nur etwa drei Prozent werden im Schnitt durch Spenden aufgebracht7 (vgl. PRILLER et al. 2003: 160). Dies bedeutet jedoch nicht, dass Spenden für den Dritten Sektor in Deutschland bedeutungslos wären. PRILLER et al (vgl. ebd.: 160f.) verweisen darauf, dass es sich bei den drei Prozent um einen Geldbetrag in Milliardenhöhe handelt. Ferner unterlägen die öffentlichen Zuwendungen strengeren Begrenzungen, was den Einsatz der Mittel angeht. Nicht zuletzt herrscht Heterogenität auch in Bezug auf die Finanzierungsstruktur: es gibt NPOs, die sich zu weit größeren Teilen aus Spenden finanzieren8. Genaue Zahlen zum deutschen Spendenmarkt und seiner Entwicklung wären eine wichtige Basis für das Fundraising (vgl. URSELMANN 2006: 80), existieren jedoch nicht. Das Deutsche Zentralinstitut für soziale Fragen geht von ca. 20000 Organisationen aus, welche Fundraising betreiben, nur „250 bis 300 davon sind bundesweit […] profiliert“ (ebd.: 131). Wie viel gespendet wird kann anhand der Spenden, die steuerlich geltend gemacht werden, anhand von Informationen der NPOs und durch Befragungen von Spendern geschätzt werden. Steuerlich geltend gemacht wurden im Jahr 1998 ca. dreieinhalb Milliarden Euro, die 76 größten spendensammelnden Organisationen gaben Einnahmen in Höhe von 2,2 Milliarden Euro an (vgl. ebd.: 82f.). Bezogen auf die Entwicklung des Spendenmarkts hält URSELMANN fest, „dass einer stark wachsenden Nachfrageseite eine stagnierende Angebotsseite bei den Privatpersonen gegenüberzustehen scheint“ (ebd.: 86).

2.2 Wandel des Dritten Sektors

Vielfach ist in den letzten Jahren die Rede von einem Wandel des Dritten Sektors. Bezogen auf den Raum, in dem sich NPOs und ihr Handeln verorten lassen, spricht ZAUNER (vgl. 2002) von einer zunehmenden Annäherung an den Pol der Wirtschaft und dessen Steuerungs- rahmen, den Markt. In diesem Zusammenhang trifft man auf den Begriff der Ökonomisierung, welcher in dieser Arbeit in Anlehnung an HARMS / REICHARD (vgl. 2003: 13) als wachsende Ausrichtung des Handelns an ökonomischen Kategorien und Werten und besonders der Orientierung an ökonomischen Rationalitäten verstanden wird. PRILLER / ZIMMER (vgl. 2001b: 199) verweisen auf deutliche Veränderungen in der Handlungslogik von NPOs, diese orientierten sich in ihrer Ressourcenerschließung in gestiegener Weise am Markt und veränderten so Schritt für Schritt auch ihr Leistungsangebot sowie ihre Arbeitsweise. TAKE (vgl. 2002: 367) spricht vom Trend zu gestiegener Professionalisierung und einem Wandel des Verhältnisses zu Staat und Wirtschaft.

Die zunehmende Ökonomisierung und Rationalisierung des Dritten Sektors bezeichnet ANHEIER (vgl. 2001: 62) als einen Teil der global fortschreitenden Rationalisierung der Gesellschaft. TAKE (vgl. 2002: 367) geht von einer gestiegenen Dominanz des Neoliberalismus und zunehmender Interdependenz der Prozesse in Politik, Markt und Gesellschaft aus, was sich auch auf NPOs ausgewirkt habe. Auch SEIBEL erwähnt die neoliberale Wirtschaftspolitik und den „Siegeszug des auf Wirtschaftlichkeit und Wettbewerbsfähigkeit orientierten ökonomischen Paradigmas“ (2002: 26), als dessen Resultat von NPOs erwartet werde, sich wettbewerbsorientiert zu verhalten und „nach dem Muster professionellen Managements in der Privatwirtschaft“ (ebd.) zu arbeiten. Dies ist laut SEIBEL aber nur eine von mehreren Tendenzen, die die ehemals sichere Nische des Dritten Sektors destabilisieren: Weiterhin hätte die transnationale Liberalisierung der Märkte bei gleichzeitiger sinkender staatlicher Bezuschussung „seit den 1980er Jahren zu einer schleichenden Finanzierungskrise […] geführt“ (ebd.).

Ergänzend ist festzuhalten, dass eine Annäherung zu gewissen Teilen auch vom zweiten Sektor ausgeht. Immer mehr Unternehmen verfolgen Strategien, „die direkt auf soziale, gesellschaftliche Anliegen Bezug nehmen“ (RÖTTGER 2006: 11). Die Beispiele für diese Vorgänge, für die Begriffe wie Corporate Social Responsibility oder Corporate Citizenship stehen, sind ebenso vielfältig, wie die Diskussion diesbezüglich (vgl. ebd.: 11f.).

Es würde allerdings zu kurz greifen, ausschließlich von einem exogenen Prozess auszugehen und die mangelnde finanzielle Unterstützung sowie die Forderung einer Anpassung an das ökonomische Paradigma heranzuziehen. Ein Teil des Wandels kann auch als Merkmal von NPOs verstanden werden, die ihre „Besonderheiten tendenziell wieder verlieren, wenn sie älter und größer werden. Sie werden kommerzieller, bürokratischer, professioneller und oligarchischer“ (HORCH 1995: 280). Zu hinterfragen ist daher auch, ob und wie Veränderungen von Organisationsmitgliedern bewusst oder unbewusst gefördert werden.

2.3 Konfliktpotential und Risiken: NPOs zwischen Markt und Mission

Befürworter eines professionelleren Handelns und Managements, und einer stärkeren Aus- richtung am Markt im Sinne des Marketings verweisen auf die Notwendigkeit und resul- tierende Vorteile. So beispielsweise BRUHN (vgl. 2005), HAIBACH (vgl. 1996) oder URSELMANN, der betont: „stärkere Professionalisierung ist […] nicht nur für das Überleben der NPO selbst wichtig, sondern auch für die gesamte Gesellschaft“ (1998: 2). Implizit oder explizit wird behauptet, so WEX (vgl. 2003: 45), NPOs arbeiteten schlechter als Wirtschafts- unternehmen Auf Argumente für eine stärkere Marktausrichtung wird hier nicht detailliert eingegangen, da selbst die Skepsis seitens der NPOs immer mehr verschwindet und „betriebswirtschaftliches Know How […] zunehmend als die conditio sine qua non einer effizienten Organisationsführung“ gilt (ZIMMER / NÄHRLICH 1993: 2). Es soll im Folgenden aber gefragt werden, welches Konfliktpotential in einer Annäherung des Dritten Sektors an den Pol der Wirtschaft und dessen Steuerungsrahmen den Markt liegt - und welche Risiken daraus entstehen könnten.

Ein Konflikt kann darin gesehen werden, dass es eine Funktion des Dritten Sektors ist, Leistungen zu erbringen, die seitens des Marktes nicht ausreichend erbracht werden, nun aber andererseits eine Annäherung an diesen erfolgt. Ein denkbares Risiko besteht hier darin, dass im Zuge der Annäherung an den Markt und seine Gesetze auch im Dritten Sektor die Leistungen wegfallen, die sich am Markt nicht lohnen. Ein Ziel des Marketings besteht beispielsweise in dem Erreichen von Marktmacht. Diese bezeichnet „die Fähigkeit eines Marktteilnehmers, den freien Verhaltensraum eines anderen Marktteilnehmers einzuengen“ (KROEBER 2006: 226) Folglich sei auch davon auszugehen, das leistungsschwache Organisationen langfristig verschwinden (vgl. ebd.). Zu hinterfragen ist, ob diese Organisa- tionen nicht dennoch gesellschaftliche Bedeutung haben, und ob sie leistungsschwach nur aus betriebswirtschaftlicher Sicht sind.

Konfliktpotential liegt auch darin, dass zwei Sektoren mit grundlegend unterschiedlicher Zielsetzung zunehmend von denselben Instrumenten Gebrauch machen sollen. Laut HORCH ist „die unreflektierte Übertragung von Strukturen und Rezepten aus dem For-profit-Bereich […] ein todsicherer Weg zur Selbstzerstörung freiwilliger Vereinigungen“ (1995: 294). Die Annäherung an Marktmechanismen versteht HORCH dabei in zweierlei Hinsicht als Selbstzerstörung. Einerseits werde das Selbst, die Identität der Organisation zerstört. Zum anderen bezieht er Selbst darauf, dass die Zerstörung teilweise von der Organisation selbst gefördert wird (vgl. ebd.: 281). Konkrete Risiken des Wandels entstünden laut HORCH durch eine Loslösung von den Mitgliedern der Organisation: Das freiwillige Engagement könne dadurch sinken, dass integrations- und identitätsstiftende Potential verloren gehen. Somit drohe die eigentliche Ressource, nicht Geld sondern Mitgliederbindung, und damit die Legitimität zusätzlicher Mittel, wie Spenden, verloren zu gehen: „die Vereinigung sägt sich den Ast ab, auf dem sie sitzt“ (ebd.: 288).

Aus der grundlegend unterschiedlichen Zielsetzung lässt sich ein weiteres Risiko ableiten: Während Unternehmen ihre Ziele quantitativ mittels der Messgröße Geld ausdrücken können, muss bei NPOs ihr Zweck qualitativ operationalisiert werden (vgl. HERGER 2004: 159 f.). ZIMMER und NÄHRLICH (vgl. 1993: 5f.) führen an, dass betriebswirtschaftliche Planungspro- zesse in NPOs zu einer organisationsinternen Stärkung des operativen Tagesgeschäfts führen. Hieraus kann resultieren, dass ideelle Ziele einer NPO (also Teile ihrer Mission), wenn diese nicht mit operativen Zielen vereinbar sind, an Gewicht verlieren. Auch HORCH (vgl. 1995: 285f.) spricht von diesem Risiko der Zielverschiebung: Von den schwer messbaren bedarfs- wirtschaftlichen Zielen hin zu formalen Zielen wie Mitglieder- oder Budgetwachstum.

Ein Risiko besteht weiterhin in der Differenzierbarkeit der Akteure aus Wirtschaft und Drittem Sektor. Diese kann durch vermehrte kommerzielle Tätigkeit von NPOs eingeschränkt werden, der Verlust von Glaubwürdigkeit und Image könnte die Folge sein (vgl. LITTICH 2002: 370). Verstärkend kann hier auch die erwähnte Annäherung seitens der Wirtschaft wirken. Man muss sich fragen, inwieweit eine verstärkte Nutzung von Marketingtechniken oder professionellen PR-Kampagnen seitens der NPOs auf der einen Seite und der moralischen Aufladung der Kommunikation von Unternehmen auf der anderen Seite zu einem Verschleiß der Moral, einer Abstumpfung des Publikums oder sinkender Glaubwürdigkeit sozialer Kampagnen führen könnten (vgl. RÖTTGER 2006: 16).

Es ist nicht das Ziel dieser Arbeit, die Frage zu beantworten, ob Vor- oder Nachteile eines Wandels im Dritten Sektor überwiegen. Es ist in meinen Augen jedoch für die theoretische Beschäftigung mit dem Dritten Sektor und für dessen praktisches Handeln unverzichtbar, mögliche Risiken des Wandels mitzudenken.

[...]


1 Im Folgenden wird die Nonprofit-Organisation mit NPO abgekürzt, zur besseren Unterscheidung steht im Plural NPOs.

2 Dies gilt hier für den deutschsprachigen Raum. In den USA hat die Beschäftigung mit dem Fundraising im speziellen, aber auch mit Marketing und Management für NPOs eine längere Tradition.

3 Der Deutsche Fundraising Verband ging 1997 aus der 1993 gegründeten Bundesarbeitsgemeinschaft Bundesarbeitsgemeinschaft Sozialmarketing (BSM) hervor. 2005 gehörten dem Verband 1047 Personen an (vgl. DEUTSCHER FUNDRAISING VERBAND 2007b: ohne Seite).

4 Die Fundraising Akademie ist im Internet zu erreichen unter http://www.fundraising-akademie.de/.

5 Auf Fundraising und NPOs spezialisiert bezeichnen sich beispielsweise die Agentur Neues Handeln (http://www.neueshandeln.de/), die Deutsche Fundraising Company (http://www.d-fc.de/), oder AMM (http://www.amm-gmbh.de).

6 Das Johns Hopkins Comparative Nonprofit Sector Project lieferte in den 1990er Jahren einen entscheidenden Beitrag zur empirischen Erfassung und systematischen Analyse des Dritten Sektors (vgl. PRILLER / ZIMMER 2001a: 12). Innerhalb des Projekts wurden „Umfang, Struktur, Finanzierung und Rolle des Nonprofit-Sektors jeweils auf nationaler Ebene“ (ebd.) untersucht. So war erstmalig möglich, den Dritten Sektor international zu vergleichen. Fast die gesamte Literatur zu NPOs, die ich im Rahmen der Arbeit gelesen habe, unabhängig ob sie aus dem politikwissenschaftlichen oder dem Bereich des Marketing oder der Nonprofit-PR stammte bezog sich direkt oder indirekt auf die Ergebnisse des Projekts. Erwähnenswert ist, dass auch aktuelle Literatur aus den letzten zwei Jahren nach wie vor nur auf Zahlen dieses Projekts, also aus den 1990er Jahren, zurückgreifen kann.

7 Damit liegt der Anteil der öffentlichen Mittel an der Finanzierung der NPOs in Deutschland über dem internationalen Durchschnitt. Laut der internationalen Vergleichsstudie des Johns Hopkins Comparative Nonprofit Sector Project lag der öffentliche Anteil im Länderdurchschnitt bei 42% (vgl. PRILLER et al. 2003: 160).

8 Dies gilt besonders für NPO im Bereich internationaler Hilfe, die sich im Schnitt zu 40,9% aus Spenden finanzieren, aber auch für NPO im Bereich Umwelt- und Naturschutz (im Schnitt 15,6%) oder Kultur und Erholung (im Schnitt 13,4%) (vgl. PRILLER /ZIMMER 2006: 74).

Ende der Leseprobe aus 34 Seiten

Details

Titel
Fundraising von Nonprofit-Organisationen
Untertitel
Marketinginstrument oder Aufgabe der Public Relations?
Hochschule
Freie Universität Berlin
Note
1,3
Autor
Jahr
2007
Seiten
34
Katalognummer
V87073
ISBN (eBook)
9783638010573
Dateigröße
1121 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Fundraising, Nonprofit-Organisationen, Nonprofit, Marketing, Thema Fundraising
Arbeit zitieren
Julius Stucke (Autor:in), 2007, Fundraising von Nonprofit-Organisationen, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/87073

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Titel: Fundraising von Nonprofit-Organisationen



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