Die kritische Beschäftigung mit dem deutschen Kolonialismus hat noch keine allzu lange Tradition und gewann erst in den späten 70er Jahren an Aufschwung. Thema zahlreicher Publikationen ist dabei vor allem das Verhalten der deutschen Verwaltung und Politik im Hinblick auf die Kolonien selbst. Besonders die Aufarbeitung des kriegerischen und gewaltsamen Charakters deutscher Politik in Afrika ist dabei immer wieder Gegenstand der Literatur. Der Aufarbeitung der Kriege in den Kolonien kommt natürlich besondere Bedeutung zu, um nicht zu vergessen, welch dramatische Auswirkungen die Umsetzung deutscher Interessen für die betroffenen Völker zum Teil hatte. Weniger wurden bisher die Themen bearbeitet, die Deutschland selbst betreffen. Besonders interessant erscheint hier die Frage, wie sich der deutsche Kolonialismus auf das Mutterland selbst ausgewirkt hat, und welche Veränderungen in Deutschland dabei zu beobachten sind.
In dieser Arbeit wird daher die Entstehung des Hamburger Kolonialinstituts, unter besonderer Berücksichtigung der Entstehung der Islamwissenschaft, untersucht. Das Kolonialinstitut markierte einen wichtigen Meilenstein auf dem Weg zur Hamburger Universität. Möglich gemacht wurde diese Institution erst durch das gesteigerte Interesse an den Kolonien und den einhergehenden Problematiken, die nach einer wissenschaftlichen Herangehensweise verlangten.
Im Rahmen des Kolonialinstituts etablierte sich dann in Deutschland unter anderem die
Disziplin der Islamwissenschaft, die hier als Fallbeispiel herausgesucht wurde. Carl Heinrich Becker konnte als Professor am Seminar für Geschichte und Kultur des vorderen Orients seine Auffassungen über den Islam und die Beschäftigung mit diesem als Kulturwissenschaft durchsetzen. Das starke Interesse am Islam, welches die Finanzierung und Etablierung seines Lehrstuhls ermöglichte, ging geradlinig auf koloniale Fragestellungen zurück, und blieb zunächst eng mit diesen verbunden. So arbeiteten Wissenschaft und Kolonialismus eng zusammen, und können nicht losgelöst voneinander untersucht werden.
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- Kolonialismus im Kaiserreich
- Deutscher Kolonialismus im Überblick
- Hamburgs koloniale Geschichte
- Das Hamburger Kolonialinstitut
- Entstehung
- Organisation und Lehre
- Der Islam als Wissenschaft in Hamburg
- Die Islamwissenschaft in Hamburg
- Die Hamburger Professur Carl Heinrich Beckers
- Islamwissenschaft und Kolonialismus
- Resümee
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die Arbeit untersucht die Entstehung des Hamburger Kolonialinstituts und betrachtet dabei insbesondere die Entwicklung der Islamwissenschaft. Sie beleuchtet den Zusammenhang zwischen der Etablierung des Instituts, dem wachsenden Interesse an den deutschen Kolonien und der wissenschaftlichen Auseinandersetzung mit kolonialen Problematiken.
- Der Einfluss deutscher Kolonialpolitik auf das Mutterland
- Die Entstehung des Hamburger Kolonialinstituts als Meilenstein in der Hamburger Universitätsgeschichte
- Die Etablierung der Islamwissenschaft in Hamburg und die Rolle des Professors Carl Heinrich Becker
- Die Wechselwirkungen zwischen Wissenschaft und Kolonialismus im Kontext des Hamburger Kolonialinstituts
- Die Ambivalenz der Bedeutung des Hamburger Lehrstuhls für die Islamwissenschaft
Zusammenfassung der Kapitel
Die Einleitung beleuchtet die historische Entwicklung der deutschen Kolonialpolitik und stellt die Forschungsfrage nach den Auswirkungen des Kolonialismus auf Deutschland in den Mittelpunkt. Insbesondere die Entstehung des Hamburger Kolonialinstituts und die Etablierung der Islamwissenschaft stehen im Fokus der Arbeit.
Kapitel 1 bietet einen Überblick über die deutsche Kolonialgeschichte mit einer Einteilung in drei Phasen: Experimentierphase, Konsolidierungsphase und die "Ära Dernburg". Es wird deutlich, dass die deutsche Kolonialpolitik nicht von Anfang an durch einen klaren staatlichen Willen geprägt war, sondern zunächst von privaten Akteuren angetrieben wurde. Bismarcks Traum von einem "überseeischen Imperium mit beschränkter Haftung" zeigt die anfängliche Zurückhaltung des Staates bei der Verwaltung der Kolonien.
Kapitel 2 widmet sich der Entstehung und den Strukturen des Hamburger Kolonialinstituts. Es wird dargestellt, wie das gesteigerte Interesse an den Kolonien und die damit verbundenen Problematiken eine wissenschaftliche Herangehensweise erforderlich machten, die durch das Kolonialinstitut institutionalisiert wurde.
Schlüsselwörter
Die Arbeit befasst sich mit den Themen deutscher Kolonialismus, Wissenschaft und Kolonialismus, Islamwissenschaft, Hamburger Kolonialinstitut, Carl Heinrich Becker, Kulturwissenschaft, Geschichte und Kultur des Vorderen Orients, Imperialismus, Wissenschaftsgeschichte.
- Citar trabajo
- Behnam Said (Autor), 2007, Wissenschaft und koloniale Interessen im Kaiserreich. Das Kolonialinstitut Hamburg und die Entstehungsgeschichte der Islamwissenschaft in Hamburg, Múnich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/87220