(Inter)dependenz? Über das Abhängigkeitsverhältnis zwischen politischem und massenmedialem System


Dossier / Travail de Séminaire, 2007

22 Pages, Note: 2,3


Extrait


Inhaltsverzeichnis

0 Einleitung

1 Politisches, massenmediales und öffentliches System
1.1 Politisches System
1.2 Massenmediales System
1.3 Öffentliches System

2 Erklärungsansätze und Modelle zur Beziehung zwischen Politik und Massenmedien
2.1 Dependenzthese
2.1.1 Chapel-Hill-Studie und Agenda-Setting
2.1.2 Gatekeeper-Forschung
2.1.3 Schweigespiralen-Modell
2.1.4 Selektive Wahrnehmung
2.2 Instrumentalisierungsthese / Determinationsthese
2.3 Interdependenzmodelle
2.3.1 Strukturelle Kopplung
2.3.2 Interdependenz
2.3.3 Interpenetration
2.4 Antagonistisches Modell
2.4.1 Funktionaler Erklärungsansatz
2.4.2 Kausaler Erklärungsansatz

3 Zukunftsaussichten

4 Schlussbetrachtung

5 Literaturverzeichnis

0 Einleitung

Politik spielt in der Gesellschaft eine bedeutende Rolle. Ob Wahlen, Machtkämpfe oder verabschiedete Programme: die Gesellschaft ist abhängig von politischen Entscheidungen und deren Auswirkungen. Doch wie nehmen wir das politische System wahr? Kann es die Bürger mit seinen bloßen Inhalten fesseln und zu reger Anteilnahme bewegen? Oder muss es sich stattdessen massenmedialer und dramaturgischer Mittel bedienen, um einer kollektiven Politikverdrossenheit der potentiellen Wähler vorzubeugen? Eines erscheint jedenfalls klar: Politisches und massenmediales System sind gerade in der heutigen Zeit untrennbar miteinander verbunden. Das Verhältnis, das beide Systeme zueinander aufweisen, soll in dieser Arbeit näher untersucht werden, wobei ich mich im Speziellen auf die Abhängigkeiten konzentrieren werde, die sich für Massenmedien und Politik zueinander ergeben. Drückt das politische System den Massenmedien seinen buchstäblichen Stempel auf oder wird Politik für den Rezipienten erst durch Massenmedien erschaffen und somit ein symbolischer Charakter verliehen? Ich stelle die These auf, dass zwischen Politik und Massenmedien ein interdependentes Verhältnis besteht. Zuerst werde ich beide Systeme in einer Gegenstandsbenennung näher erläutern und dabei auch auf das System der Öffentlichkeit eingehen, da dieses in unmittelbaren Zusammenhang zu Politik und Massenmedien steht. Anschließend folgt eine ausführliche Auseinandersetzung mit den Erklärungsansätzen und Modellen zum Abhängigkeitsverhältnis zwischen beiden Systemen, bevor die Arbeit mit einem kurzen Ausblick auf die Zukunft der politisch-massenmedialen Beziehung abgerundet wird.

1 Politisches, massenmediales und öffentliches System

1.1 Politisches System

Das politische System ist ein Subsystem der Gesellschaft und hat als dieses die Aufgabe, gesellschaftliche Ziele zu verwirklichen. Diese Ziele manifestieren sich nicht im politischen System selbst, sondern ganz wesentlich im kulturellen System. So liegen sie beispielsweise den jeweiligen Gesetzesschriften eines Staates zu Grunde. Wie diese Ziele verwirklicht werden sollen und welchen Problemen sowie Interessen sich der Staat zuwendet, obliegt nun der Entscheidung des politischen Systems, das in dieser Hinsicht Macht ausüben muss (Eichhorn 1996, S. 118).

[…] die Legitimation für diese Machtausübung erhalten politische Systeme in Demokratien vom eigentlichen „Souverän“, dem Volk, durch freie und allgemeine Wahlen. Die Legitimierung staatlicher Institutionen ist wichtig, um den zivilen Gehorsam zu bewahren, der letztendlich den Staat stabilisiert – eine demokratische Gesellschaft kann sich nicht darauf verlassen, die gesellschaftlichen Spielregeln durch Strafandrohungen aufrechtzuerhalten. Institutionen wie Parlamente und Regierungen konkretisieren gesellschaftliche Ziele in Form von Gesetzen und sorgen für die Durchführung dieser Gesetze. (Eichhorn 1996, S. 118)

Der Prozess, der sich innerhalb des politischen Systems vollzieht, lässt sich als Verhandlung zwischen unterschiedlichen Gruppen hinsichtlich ihrer Interessen umreißen. Die politischen Institutionen übernehmen dabei die Führungsrolle. Ist die Zahl der Interessengruppen jedoch zu groß, kann dieser Prozess stagnieren. Deutsch (1976) warnt vor einer mangelnden Integration unterschiedlicher Interessen, da diese eine Krise in dem jeweiligen gesellschaftlichen Bereich nach sich ziehen würde (Eichhorn 1996, S. 119).

Das politische System trägt gegenüber der gesamten Gesellschaft Pflichten und wird hinsichtlich dieser von den Bürgern kontrolliert. Beschränkte sich diese Kontrolle früher auf regelmäßige Wahlen, so gibt es seit vielen Jahren im Zuge der medialen Vielfalt auch alternative Ausdrucksmöglichkeiten für bürgerliche Gruppierungen, um auf die Politik Einfluss zu nehmen (Eichhorn 1996, S. 20).

Das politische System ist also, um seine Funktionsfähigkeit zu erhalten, auf Informations-Input über gesellschaftliche Prozesse und ihre Auswirkungen auf das politische System angewiesen (Eichhorn 1996, S. 120).

1.2 Massenmediales System

Das System der Massenmedien besitzt in einer demokratischen Gesellschaft eine entscheidende Bedeutung, da es sowohl für Bürger als auch politische Akteure einen essentiellen Bestandteil zur öffentlichen Artikulation sowie zum Informationsgewinn darstellt (Eichhorn 1996, S. 120).

Das heißt allerdings nicht, daß Massenmedien sich nur in demokratischen Gesellschaften entwickeln können: Massenmedien sind multifunktionale Systeme, sie werden in ihrer Entwicklung vom politischen und kulturellen System beeinflusst (und beeinflussen diese Systeme ihrerseits). In den zahlreichen Katalogen, die Funktionen der Massenmedien auflisten, finden sich dann auch Differenzierungen nach unterschiedlichen Gesellschaftssystemen. (Eichhorn 1996, S. 120)

Stuiber (1978) unterscheidet das massenmediale System hinsichtlich der normativen sowie der systemtheoretischen Perspektive. Während er dem normativen Ansatz eine gewisse Beliebigkeit unterstellt, kritisiert er am systemtheoretischen Ansatz eben jene (im Namen bereits implizierte) Systemverhaftung. Sinn macht für ihn wiederum die von Ronneberger (1964) vorgenommene Katalogisierung des massenmedialen Systems. Dieser betrachtet Massenkommunikation als ein System, „deren Funktionen sich auf der Basis von Umwelterwartungen herausbilden.“ (Eichhorn 1996, S. 120) Die Funktionen gliedert er auf in soziale und politische Funktionen, wobei soziale Orientierung, Sozialisation und Regeneration zu den sozialen Funktionen gehören. Die Herstellung von Öffentlichkeit, politische Sozialisation und Integration, Kritik und Kontrolle sowie politische Bildung ordnet er hingegen den politischen Funktionen zu (Eichhorn 1996, S. 120 f.).

Stuiber […] sieht in der sozialen Orientierung die Grunddimension massenmedialer Funktionen. Sie findet ihr politisches Korrelat im Schaffen von Öffentlichkeit, denn dies bedeutet gleichzeitig die Grundlage für politische Orientierung […]. (Eichhorn 1996, S. 121)

Allerdings setzt das Herstellen von Öffentlichkeit voraus, dass sämtliche gesellschaftlichen Gruppen einen gleichberechtigten Zugang zu den Massenmedien erhalten – eine Forderung, die kaum gewährleistet werden kann (Eichhorn 1996, S. 121). Ist das Herstellen von Öffentlichkeit also Voraussetzung für politische Orientierung, so ist auch letztere nur schwer realisierbar.

1.3 Öffentliches System

Ohne eine Theorie der öffentlichen Meinung läßt sich Medienwirkung nicht verstehen und umgekehrt: Ohne eine Theorie der Medienwirkung versteht man Prozesse öffentlicher Meinung nicht. (Noelle-Neumann 1991. In: Eichhorn 1996, S. 121)

Dieses Zitat von Noelle-Neumann verdeutlicht, wie eng Öffentlichkeit und Massenmedien miteinander verzahnt sind. Es lohnt sich also an dieser Stelle, dem Öffentlichkeitsbegriff einen eigenen Abschnitt zu widmen, in dem vornehmlich seine systemtheoretische Darstellung näher erläutert werden soll. Wurde das Herstellen von Öffentlichkeit im vorigen Abschnitt noch als eine Funktion der Massenmedien beschrieben, so wird Öffentlichkeit von Gebhard und Neidhardt (1993) als ein das Subsystem der Massenmedien übergreifendes soziales System dargestellt. Das politische System wiederum muss in einer demokratischen Gesellschaft nach außen hin offen sein (andernfalls wäre dessen Funktionsfähigkeit gefährdet, siehe Abschnitt 1.1) und erhält durch das öffentliche System einen Input (Eichhorn 1996, S. 122).

Das intermediäre System der Öffentlichkeit sammelt Informationen aus gesellschaftlichen Gruppen und synthetisiert sie. Das Resultat dieses Prozesses manifestiert sich in der öffentlichen Meinung. Der Output des Systems der Öffentlichkeit wird zum Input des politischen Systems, das zwar nicht von der Öffentlichkeit gesteuert, dessen Agenda aber von der Öffentlichkeit mitdefiniert wird. (Eichhorn 1996, S. 122 f.)

Somit liefert das öffentliche dem politischen System Informationen über gesellschaftliche Meinungen sowie die Gewichtung gesellschaftlicher Themen.

Öffentlichkeit wird hier als offenes System verstanden, in dem sämtliche Gesellschaftsmitglieder und Themen Zugang erhalten. Andernfalls wäre es nicht in der Lage, Informationen aus so vielen unterschiedlichen Gesellschaftsgruppen zu sammeln und zu synthetisieren. Da ein durchweg offenes System jedoch seine Stabilität einbüßen könnte, ist es operativ geschlossen. Demnach haben alle Gesellschaftsmitglieder und Themen prinzipiell einen Zugang zum System, müssen sich jedoch zuvor einer Prüfung durch die Gatekeeper unterziehen. Auf diese Weise erfolgt ein Synthetisierungsprozess, der die Flut an Informationen strukturiert und dem Einzelnen ein größeres Maß an Zugänglichkeit und Überschaubarkeit gewährt (Eichhorn 1996, S. 123).

Um die Funktionsfähigkeit des öffentlichen Systems zu gewährleisten, muss es hinsichtlich Input, Synthese und Output gut ausbalanciert sein. So darf beispielsweise die Synthese nicht zu hoch sein, da sie einen zu starken Informationsverlust nach sich ziehen würde. Eine zu schwache Synthese wiederum würde die Überschaubarkeit der Informationen minimieren (Eichhorn 1996, S. 123).

Ein wichtiger Bestandteil des öffentlichen Systems ist das Subsystem der Massenmedien. Für Gebhard und Neidhardt stellt es „die oberste von drei Ebenen der Öffentlichkeit dar“ (Eichhorn 1996, S. 124). Der Vorteil von Öffentlichkeit auf massenmedialer Ebene liegt in der simultanen Erreichbarkeit eines großen Publikums. Somit ist Massenkommunikation in komplexen Gesellschaften (wie bereits erwähnt) eine essentielle Voraussetzung für das Herstellen von Öffentlichkeit. Ein Nachteil ist jedoch die ungleichmäßige Verteilung zwischen Kommunikatoren und Rezipienten, die es dem Publikum kaum ermöglicht, aktiv in das Kommunikationsgeschehen einzugreifen (Eichhorn 1996, S. 124).

Dem “professionellen“ Sprecher im öffentlichen Diskurs kommt daher die Aufgabe zu, die Vielfalt der vorhandenen Informationen und Meinungen zu sammeln und zu vermitteln. (Eichhorn 1996, S. 124)

[...]

Fin de l'extrait de 22 pages

Résumé des informations

Titre
(Inter)dependenz? Über das Abhängigkeitsverhältnis zwischen politischem und massenmedialem System
Université
Ernst Moritz Arndt University of Greifswald  (Institut für Deutsche Philologie Greifswald )
Cours
Politische Kommunikation
Note
2,3
Auteur
Année
2007
Pages
22
N° de catalogue
V87237
ISBN (ebook)
9783638012140
ISBN (Livre)
9783638916196
Taille d'un fichier
496 KB
Langue
allemand
Mots clés
Abhängigkeitsverhältnis, System, Politische, Kommunikation, Schweigespirale, selektive Wahrnehmung, Agenda Setting, Gatekeeper, Interdependenz, Instrumentalisierungsthese, Determinationsthese, Interpenetration
Citation du texte
Sebastian Schult (Auteur), 2007, (Inter)dependenz? Über das Abhängigkeitsverhältnis zwischen politischem und massenmedialem System, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/87237

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