Mit dieser Arbeit soll der wissenschaftliche Diskurs über Sexualität im Zeitraum zwischen 1830 und 1915 untersucht werden. Es wird davon ausgegangen, dass Sexualität ein Bereich menschlicher Lebensäußerungen ist, der wesentlich durch kulturelle und gesellschaftliche Verhältnisse, Einrichtungen und Normen geprägt wird. Da auch die wissenschaftstreibenden Subjekte von den Normen und Werten ihrer Zeit beeinflusst werden, ist auch ihre wissenschaftliche Produktion nicht frei von diesen gesellschaftlichen Vorstellungen und Interessen. Neben der wissenschaftlichen Festschreibung „normaler“ Sexualität, die aus christlichen und bürgerlichen Werten abgeleitet wurde, wurden zugleich Entgrenzungen vorgenommen und Abweichungen produziert. Bei einer Form dieser so genannten „Perversionen“ handelte es sich um Homosexualität, wobei die Aufmerksamkeit zunächst ausschließlich den männlichen Homosexuellen zuteil wurde. Im Folgenden untersucht werden, wie die gleichgeschlechtliche Liebe erklärt wurde, das heißt welche wissenschaftlichen Konzepte ihr, insbesondere als eine Art der sexuellen Devianz, gegenüber vertreten wurden und welche Bewertungen sie erfuhr. Galt die Homosexualität als moralisch, physiologisch, psychologisch oder sozial bedingt? Diese Fragen werden in der folgenden Analyse der "Scientia sexualis" im medizinisch-psychologischen Diskurs von der Mitte des 19. Jahrhunderts bis zum beginnenden 20. Jahrundert zu beantworten sein.
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- Entstehung der „Sexualität“ als wissenschaftliches Forschungsobjekt
- Karl Heinrich Ulrichs (1825-1895) und das „Urningstum“
- Die Pathologisierung der „konträren Sexualempfindung“
- Carl Friedrich Otto Westphal (1833-1890)
- Richard Fridolin Joseph Freiherr von Krafft-Ebing (1840-1902)
- Der Diskurs der Jahrhundertwende
- Magnus Hirschfeld (1868-1935)
- Iwan Bloch (1872-1922)
- Sigmund Freud (1856-1939)
- Vergleich der wissenschaftlichen Beurteilungen
- Zusammenfassung
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die Arbeit befasst sich mit der wissenschaftlichen Auseinandersetzung mit Sexualität zwischen 1830 und 1915. Sie untersucht, wie gleichgeschlechtliche Liebe in dieser Zeit erklärt wurde, welche wissenschaftlichen Konzepte ihr gegenüber vertreten wurden und welche Bewertungen sie erfuhr. Dabei fokussiert die Analyse auf den medizinisch-psychologischen Diskurs und untersucht, ob Homosexualität als moralisch, physiologisch, psychologisch oder sozial bedingt betrachtet wurde.
- Die Entstehung der „Sexualität“ als wissenschaftliches Forschungsobjekt
- Die Pathologisierung der Homosexualität durch verschiedene Wissenschaftler
- Der Diskurs der Jahrhundertwende und die Entstehung von neuen Konzepten der Homosexualität
- Der Vergleich verschiedener wissenschaftlicher Beurteilungen
- Die Forschungsmethoden und Paradigmenwechsel im wissenschaftlichen Diskurs über Homosexualität
Zusammenfassung der Kapitel
- Die Einleitung stellt die wissenschaftliche Fragestellung und den Forschungsgegenstand vor. Sie beleuchtet die Entstehung des Begriffs „Homosexualität“ und erläutert die Bedeutung des wissenschaftlichen Diskurses über Homosexualität im Kontext gesellschaftlicher Normen und Werte.
- Das zweite Kapitel beleuchtet die Genese des wissenschaftlichen Diskurses über Geschlechtlichkeit und die Entwicklung der Sexualität als wissenschaftliches Forschungsobjekt im 19. Jahrhundert.
- Kapitel 3 widmet sich dem Werk von Karl Heinrich Ulrichs und dem Konzept des „Urningstums“ als einer frühen Form der wissenschaftlichen Auseinandersetzung mit Homosexualität.
- In Kapitel 4 werden die Theorien von Carl Friedrich Otto Westphal und Richard von Krafft-Ebing zur Pathologisierung der „konträren Sexualempfindung“ vorgestellt.
- Kapitel 5 analysiert den Diskurs der Jahrhundertwende, fokussiert auf die Werke von Magnus Hirschfeld, Iwan Bloch und Sigmund Freud.
Schlüsselwörter
Homosexualität, Sexualität, Sexualitätsdiskurs, Urningstum, konträre Sexualempfindung, Devianz, Pathologisierung, Medizin, Psychologie, Jahrhundertwende, Wissenschaft, Forschung, Methoden, Paradigmenwechsel.
- Quote paper
- Evelyn Ehle (Author), 2007, Unmoral, Krankheit oder Naturphänomen? Homosexualitätskonzepte im wissenschaftlichen Sexualitätsdiskurs zwischen 1830 und 1915, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/87245