Dezentrale Steuerung und Selbstmanagement. Herausforderungen der Unternehmensführung


Tesis, 2007

141 Páginas, Calificación: 1,0


Extracto


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Subjektivierung der Arbeit
2.1. Die Krise des Fordismus
2.2. Krise des Kommandosystems
2.2.1. Indirekte Steuerung
2.2.2. Selbstorganisation
2.2.3. Subjektivierung
2.2.4. Die Ambivalenz der neuen Freiheit
2.3. Der richtige Umgang mit der Paradoxie

3. Objektivierung subjektivierter Arbeit
3.1. Objektivierendes Handeln
3.2. Selbststeuerung nach objektiver Maßgabe
3.2.1. Entwicklung von Informations- und Steuerungssystemen
3.2.2. Steuerung über Kennzahlen
3.3. Neue Formen der Kontrolle und Macht
3.3.1. Handlungsspielräume als Äquivalent zu Befehl und Gehorsam
3.3.2. Ersetzen der Kontrolle durch Kontrollierbarkeit
3.4. Verwissenschaftlichung handlungsleitender subjektiver Orientierungen
3.5. Grenzen der Objektivierbarkeit

4. Wo bzw. wie existiert Autonomie?
4.1. Vom Einfachen zum Komplexen
4.2. Funktionaler vs. Struktureller Freiraum
4.3. Handlungs- und Entscheidungsfreiraum
4.4. Der Einfluss der Führung
4.5. Bring- und Holschuld der Autonomie

5. Steuerungsmechanismen der Autonomie – Formen der Objektivierung
5.1. Das grundsätzliche Kontrollproblem
5.2. Standardisierung von Prozessen
5.3. Festlegung von Rahmenbedingungen
5.4. Zielvereinbarungen
5.4.1. Aufbau und Bedeutung Zielvereinbarung
5.4.2. Individualität
5.4.3. Entgeltwirksamkeit
5.4.4. Umgang mit Risiko – wenn Ziele nicht erreicht werden
5.4.5. Bedeutung von qualitativen Zielen
5.5. Dokumentationspflichten
5.5.1. Transparenz durch Dokumentation
5.5.2. Weniger ist mehr?
5.5.3. Entwicklung von Dokumentationssystemen
5.6. Projektmanagement
5.6.1. Dokumentation im Projektmanagement
5.6.2. Freiräume in der Projektarbeit
5.7. Kennzahlen
5.7.1. Abhängigkeit des Steuerungspotentials
5.7.2. Wie viel Rechnen ist notwendig?
5.7.3. Die andere Seite der Kennzahlen

6. Schatten der Objektivierung
6.1. Akzeptanz Nicht-Objektivierbarer Anteile des Handelns
6.1.1. Forderung nach dem Mensch als Subjekt
6.1.2. Erfahrungswissen und Kooperation
6.2. Abbild oder Transformation des Objektiven
6.2.1. Messbarkeit von Zielen
6.2.2. Quantifizierung über Abgleich des Selbst- und Fremdbildes
6.2.3. Erzeugung von Schein-Objektivität
6.2.4. Mehraugen-Objektivität
6.3. Mehr Druck durch mehr Freiheit
6.3.1. Ausprägungen von Druck
6.3.2. Mehr Freiheit durch mehr Druck?
6.4. Freiheit und Innovation

7. Fazit

8. Literaturverzeichnis

1. Einleitung

In den letzten Jahrzehnten kam es in der Wirtschaft sowie auch der Gesellschaft durch die fortschreitende Dynamisierung, Flexibilisierung und Globalisierung zu einschneidenden Veränderungen. Die Komplexität von Arbeitstechniken/-systemen erhöhte sich und die Entwicklung von neuen Informations- und Kommunikationstechniken ermöglichte andere Formen der Steuerung und Kontrolle. All diese und weitere Veränderungen beeinflussten das Verständnis von Arbeit und tun dies immer noch. Arbeit als Phänomen bleibt dabei zwar das Gleiche, jedoch verändern sich die Anforderungen an den Einzelnen sowie die Bedingungen unter denen gearbeitet wird. Als Folge veränderte sich das, was unter dem Begriff Arbeit verstanden wird.

Innerhalb des Themenkomplexes der ‘Entwicklungsperspektiven von Arbeit’ wird sich im ersten, theoretischen Teil dieser Arbeit mit dieser Veränderung des Verständnisses von Arbeit auseinandergesetzt und vor allem betrachtet, was diese Veränderungen für den Einzelnen für Folgen haben. Dabei wird der Taylorismus beziehungsweise Fordismus vorgestellt und erläutert, inwiefern es dabei zu Diskrepanzen zwischen den Bedingungen dieser Theorien und den Anforderungen der Gegenwart gekommen ist. Des Weiteren wird erörtert, inwiefern die Lösung der Diskrepanzen in der (Re-)Subjektivierung der Arbeit (vor allem auch von qualifizierter Arbeit) gesucht wurde, aber ebenfalls, und das wird ein Schwerpunkt des ersten Teils sein, wie diese Subjektivierung nur scheinbar diese ist, da sie in großem Maße wiederum objektiviert wurde. Dieser Prozess der Objektivierung subjektivierter Arbeit, findet unter dem Deckmantel der Humanisierung (Subjektivierung) großen Anklang, da er in Konformität zu unserer wissenschaftlichen, rational denkenden Gesellschaft steht. Ebenso aber führt er zu neuen großen Konfliktfeldern, welche darzulegen versucht werden soll.

Da das Subjekt schon immer in der Arbeit vorhanden war, bezeichnet die ‘Subjektivierung von Arbeit’ lediglich ein begriffliches wissenschaftliches Konstrukt, um die aktuellen Veränderungen benennen zu können. Die nachfolgenden Ausführungen sollen nicht die Annahme erwecken, der Taylorismus sei durch die Subjektiverung von Arbeit ersetzt worden. Es geht darum, dass zusätzlich zu dem Alten (Taylorismus) etwas Neues geschaffen wurde, welches eben dieses Alte ergänzt und nur teilweise ersetzt. Die Frage, die zu stellen ist lautet, in welchem Ausmaß das Alte verschwindet, beziehungsweise inwieweit das Neue nur eine andere Ausprägung des Alten ist. Ansatzpunkte sind dabei die Verfügung, Nutzung, Kontrolle sowie Gratifikation der Arbeit. Entscheidend bei der Betrachtung des Veränderungsprozesses ist also, wie mit dem Subjekt im Arbeitsbereich umgegangen wird bzw. wie sich die Prinzipien und Grundsätze in der Organisation von Arbeit verändert haben.[1]

Um dieser Frage nachzugehen folgt ein zweiter Teil, in welchem der Fokus weg von der Theorie und hin zur Praxis gelenkt wird. Über Interviews mit insgesamt 13 Unternehmen soll dargestellt werden, inwiefern sich die im ersten Teil dargestellten theoretischen Ansätze in der Praxis bestätigen lassen. Im Fokus steht dabei vor allem die Frage, wo letztlich autonome Bereiche existieren und wovon deren Ausgestaltung abhängig ist. Des Weiteren werden verschiedene Mechanismen der Steuerung dargestellt, durch welche eine Objektivierung des Handelns gewährleistet werden soll. Im Speziellen sind dies Zielvereinbarungen, Dokumentationspflichten, Organisations­formen wie Projektmanagement und Kennzahlen­steuerung. Außerdem soll der Frage nachgegangen werden, inwieweit die durch die vorgestellten Mechanismen produzierte Objektivität auch wirklich diese ist, und an welchen Stellen vielleicht auch nur der Schein einer Objektivität erzeugt wird. Letztlich wird der Aspekt behandelt, wie Mitarbeiter mit den veränderten Anforderungen durch eine neue Art der Arbeitsorganisation umgehen und was dem Subjekt letztlich bleibt an Subjektivität, d.h. wo neben dem Zwang zur Handlung nach objektiver Maßgabe auch Erfahrungen, Intuitionen und Gefühle nicht nur erwünscht, sondern vielleicht sogar gefordert werden (müssen) – gerade im Zusammenhang mit der geforderten Innovationskraft von Unternehmen eine äußerst interessante Fragestellung.

2. Subjektivierung der Arbeit

2.1. Die Krise des Fordismus

In der Entwicklung von Arbeit sind seit Mitte der 70er Jahren grundlegende Veränderungen zu beobachten. Die bis dahin vorherrschende und prägende tayloristisch-fordistische Arbeitsorganisation wird durch eine zunehmende Dynamisierung und Komplexität der Kontextbedingungen in Frage gestellt.

Im Fordismus wird in erster Linie eine möglichst hohe Kapitalakkumulation angestrebt. Aufgrund dessen sind eine stark standardisierte, arbeitsteilige und auf Massenkonsum ausgerichtete industrielle Massenproduktion kennzeichnend, in dessen Rahmen lediglich kompromissorientierte Arbeitsbeziehungen bestehen. Des Weiteren ist diese Zeit geprägt durch eine niedrige Frauenerwerbsquote, eine Lohnentwicklung entsprechend dem Produktivitätsfortschritt zuzüglich Inflationsrate und kollektiven Tarifverträgen. Gründe für ein grundlegendes Umdenken liefern dabei ökonomische wie gesellschaftliche Entwicklungs­prozesse, wodurch der Fordismus schließlich in die Krise gerät und die Wohlfahrt des Staates gefährdet ist: „Zu beobachten ist ein Nebeneinander von verschärfter fordistischer Akkumulationskrise, ökonomischer Stagnation, finanz­kapitalistischer Risikomaximierung, sozialer Destabilisierung in Form wachsender sozialer Ungleichheiten…“ (Peters, Sauer in: Wagner 2001, S. 27). Genannt seien nur die markantesten Trends: Verschärfte Konkurrenz­situation durch Globalisierung, Tertiarisierung, Informatisierung, Wertewandel, Individuali­sierung und dadurch verändertes Nachfrage­verhalten, Auflösung traditioneller Familienstrukturen, Infragestellung geschlechts­spezifischer Segregation, wachsende Erwerbsbeteiligung von Frauen, sowie Massenarbeitslosigkeit (vgl. Kratzern et al. (ISF München), S. 3).

Dass sich Prinzipien des fordistischen Systems in dieser Situation nicht mehr bewähren ist offensichtlich. Um sich den Entwicklungen anzupassen, werden neue Strategien zur Bewältigung der Krise entwickelt, welche sich in den 90er Jahren, der so genannten Umschlagphase (vgl. Peters, Sauer in: Wagner 2001, S.28), durchzusetzen beginnen. Sie beinhalten grundlegende Veränderungen in der Unternehmensorganisation, sowie der Organisation von Arbeit in Form von Rationalisierung, Dezentralisierung, Vermarktlichung, indirekte Steuerung und Selbstorganisation (vgl. Kratzer et al., S.3). In der Umsetzung sind Tendenzen einer flexiblen Arbeitsgestaltung in Bezug auf die Beschäftigung, Arbeitszeit, Arbeitsort, qualitative Anforderungen, etc. zu beobachten. Zudem setzen sich neue Arbeitsformen wie Projekt- oder Gruppenarbeit, aber auch neue leistungspolitische Konzepte im Hinblick auf Zielvereinbarungen und leistungsgerechter Entlohnung durch.

Innerhalb der Umbruchphase ist die Generierung von geeigneten Managementkonzepten nahezu eine Modeerscheinung. Als übergreifendes Entwicklungsmerkmal ist die Internalisierung des Marktes in das Unternehmen zu verzeichnen: Jegliche unternehmerischen Prozesse sind am Marktgeschehen ausgerichtet; der Markt dient als „generelles Steuerungs-, Organisations- und Allokationsprinzip“ (Peters, Sauer in: Wagner S. 31). Er fungiert als „Motor der permanenten Reorganisation der Binnenstrukturen“ (Peters, Sauer in: Wagner 2001, S. 41). Die betriebliche Organisation öffnet sich, um auf die Umweltbedingungen, die durch die Dynamik des Marktes gegeben sind, ständig flexibel reagieren und Strukturen entsprechend anpassen zu können. Dabei werden die Bedingungen des Marktes in abstrakte Zielvorgaben für das Unternehmen übersetzt, deren Umsetzung letztendlich vom Einzelnen Subjekt abhängt. Es gilt die Grenzen, die durch eine tayloristisch-fordistische Produktionsökonomie auferlegt wurden, vor allem in Hinblick auf die Nutzung von Arbeitskraft, zu überwinden. Dies bedeutet eine „Rückkehr des Subjekts in die Ökonomie. Die im Fordismus auf der Basis ökonomischer und wohlfahrtsstaatlicher Absicherung hervortretende Tendenz einer Individualisierung im lebensweltlichen Bereich, wird jetzt zur Voraussetzung für die Bewältigung von Anforderungen, die sich aus der Unmittelbarkeit des Marktes für die Arbeit ergeben“ (Kratzer in: Wagner 2001, S. 31).

Durch die Internalisierung des Marktes gehen einige neue Erscheinungsformen der Arbeitsorganisation einher, auf die im Anschluss noch genauer eingegangen wird.

2.2. Krise des Kommandosystems

2.2.1. Indirekte Steuerung

Um das Marktgeschehen in den Unternehmensprozess integrieren zu können, müssen traditionelle Strukturen des tayloristisch-fordistischen Systems in Bezug auf Weisungsbefugnis und Weisungsgebundenheit aufgelöst werden. Dies bedeutet eine Ablösung des Kommandosystems, dessen Kennzeichen Fremdbestimmtheit, Gehorsam, Kontrolle und Zwang sind, durch indirekte Steuerung: Die abhängig beschäftigten Mitarbeiter handeln, indem sie ihre Ziele verfolgen, automatisch im Sinne des Unternehmens und damit der Unternehmensführung. Der „Wille des Einzelnen ist in den Dienst des Unternehmenszwecks“ (vgl. Peters, Sauer in: Wagner 2001, S. 37) zu stellen. Aufgabe der Unternehmensführung ist folglich in erster Linie, die Rahmenbedingungen so zu gestalten, dass zwar aus Sicht der Angestellten scheinbar weitestgehende Handlungs- und Entscheidungsfreiheit besteht, diese jedoch durch das Marktgeschehen gelenkt wird. Da Grenzen durch den Markt vorgegeben werden, ist die gewonnene Autonomie der Angestellten eingeschränkt, man spricht auch von „heteronom bedingter Autonomie“ (vgl. Glißmann, Peters 2001, S. 26). Im Idealfall bedeutet indirekte Steuerung einen vollständigen Verzicht auf Befehl und Gehorsam, der jedoch nur vorgegeben wird: „… solange ihr von selbst tut, was ich von euch erwarte, brauche ich keine Befehle und keine Drohungen aussprechen und wir können hier so leben, als ob es das Kommandosystem gar nicht gäbe“ (Glißmann, Peters 2001, S. 26).

Einerseits ergeben sich aus dieser Art der Steuerung ganz neue Entwicklungs- und Entfaltungsmöglichkeiten für den Angestellten, auf der anderen Seite aber auch ganz neue Herausforderungen. Sein Verhalten wird nun nicht mehr durch Vorgaben gelenkt, sondern er muss unternehmerisch tätig werden und selbstständig sowie verantwortungsbewusst agieren. Sein Handeln ist nicht mehr ausschließlich der Unternehmensleitung gegenüber zu rechtfertigen, sondern vor der Abteilung, dem Unternehmen und in letzter Instanz vor sich selbst. Fehlverhalten wird nun nicht mehr nur durch die Androhung von Konsequenzen des Vorgesetzten geahndet, sondern es bestraft der Markt das gesamte System (Abteilungsschließung, Unternehmensverluste o. Ä.) (vgl. Peters, Sauer in: Wagner 2001, S. 40). Das Verhalten der unternehmerisch handelnden Mitarbeiter sollte sich somit an dem der (ehemaligen) Führungsspitze orientieren. Aber auch Selbstständige können als Vorbild dienen, da ja eine Selbstständigkeit in der Unselbstständigkeit (vgl. Glißmann, Peters 2001, S.51) erreicht werden soll.

Es ist festzuhalten, dass das Individuum als Bestandteil einer Organisation in Veränderung des Managementverständnisses, die Umwandlung seines Arbeitsvermögens in einen produktiven Beitrag zum Unternehmensziel selbst organisieren und verantworten muss. Welche Änderungen sich aus dieser Selbstständigkeit heraus für Organisationsstrukturen und das Subjekt ergeben, soll im Anschluss genauer behandelt werden.

2.2.2. Selbstorganisation

In der Umsetzung der Vermarktlichung von Unternehmen werden funktionale Abteilungen aufgelöst, an deren Stelle dezentrale Einheiten treten, welchen eigene Markt- und Kundensegmente zugeordnet werden. Dabei gilt die allgemeine Maxime: „Tut was ihr wollt aber seid profitabel!“ (Glißmann, Peters 2001, S. 36) Aus dieser Richtlinie lassen sich einige Änderungen in der Arbeitsorganisation ableiten: Durch Aufgabe von Kontrolle auf der Unternehmerseite und den Zugewinn an Gestaltungs- und Entscheidungsfreiheit auf der Arbeitnehmerseite werden Hierarchiestufen abgebaut. Es sei darauf verwiesen, dass sich durch derartige Umstrukturierungsprozesse die Funktion des Arbeitgebers maßgeblich verändert. Er erteilt nun nicht mehr Befehle, sondern tritt auf die Seite, um ein möglichst autonomes und selbstständiges Arbeiten der Angestellten zu ermöglichen. Seinen Beitrag zu einem möglichst produktiven Arbeitsverhalten kann er durch eine geeignete Gestaltung der teilautonomen Einheiten leisten. Dazu gehören eine möglichst exakte Bestimmung des zugeordneten Marktsegments, die richtige personelle Zusammensetzung, eine Rahmensetzung durch finanzielle sowie sachliche Ressourcen und schließlich die Herbeiführung von Konkurrenz- und Wettbewerbsverhältnissen innerhalb des Unternehmens (vgl. hierzu Glißmann, Peters 2001, S. 36).

Innerhalb der generierten Einheiten bestehen offenere und flexiblere Arbeitsformen, wie zum Beispiel Projekt- oder Gruppenarbeit, variable Anpassung der Größe der Belegschaften, aber auch die Arbeitszeitgestaltung erfolgt flexibler. Unter dem Stichwort „die atmende Fabrik“ (Olesch in: Gutmann 1997, S.125) kann sie in Dauer, Lage und Verteilung individuell eingeteilt werden. Es wird deutlich, dass der Angestellte innerhalb der vom Markt vorgegebenen Grenzen einen enormen Autonomiegewinn verzeichnen kann. Um dennoch innerhalb des durch den Markt fremdbestimmten Rahmens zu agieren, sind Instrumente einer ergebnisorientierten Leistungspolitik nötig. Dazu zählen zum Beispiel Zielvorgaben, marktorientierte Kennziffern, Budgets, sowie die Berechnung des Lohns anhand der am Markt erzielten Ergebnisse (vgl. Peters, Sauer in: Wagner 2001, S. 41). Genauere Ausführungen dazu erfolgen unter dem Gliederungspunkt 3, Objektivierung subjektivierter Arbeit.

Zusammenfassend lässt sich also festhalten: „Die Grenzen sind fremdbestimmt, aber innerhalb dieser Grenzen muss der Untergebene autonom entscheiden“ (Glißmann, Peters 2001, S. 25). Zu berücksichtigen ist, dass das eigenverantwortliche Entscheiden im Zuge der Selbstorganisation auf den Ebenen Organisation, Gruppe und Individuum stattfinden kann. Auf Organisationsebene bedeutet dies eine sinnvolle Strukturierung der Abläufe durch das System selbst, innerhalb der Gruppe müssen zunächst Handlungsmuster entwickelt werden; Abläufe müssen selbst koordiniert werden. Das Individuum kann seine Arbeit durch die Ausnutzung von Spielräumen nach subjektiven Bedürfnissen gestalten (vgl. Pongratz, Voß 1997, S. 36). Im Vergleich zu den Bedingungen im Kommandosystem des Taylorismus bzw. Fordismus hat sich ein radikaler Wandel vor allem in der Rolle der einzelnen Arbeitskraft vollzogen. Mittels der Erweiterung von Handlungs- und Entscheidungsspielräumen möchte man durch einen dadurch bedingten Subjektivierungsprozess eine produktivere Ausschöpfung der individuellen Potentiale erreichen. Dass dies jedoch auch kontraproduktiv sein kann, sei im Anschluss genauer erörtert.

2.2.3. Subjektivierung

Die veränderten Bedingungen in der Arbeitsorganisation, wie Dezentralisierung, indirekte Steuerung, Ergebnisorientierung, und neue Arbeitsformen wie Gruppen- bzw. Projektarbeit erfordern von dem Beschäftigten in hohem Grade Selbstorganisation und Selbststeuerung. Hinzu kommen höhere Anforderungen in der „subjektiven Gestaltung des Verhältnisses von Arbeit und Leben“ (vgl. Kratzer et al. S.38) durch Flexibilisierungstendenzen. Ein zunehmend „subjektivierendes Arbeitshandeln“ ergibt sich zudem aus der Technisierung (Automatisierung, Informatisierung) (vgl. Boehle 1994, S.6), aber auch durch die Bedeutung von emotionalen Aspekten und subjektiven Eigenschaften innerhalb von Dienstleistungs- und kundenorientierten Tätigkeiten. Über die strukturellen Veränderungen hinausgehend, üben auch gesellschaftliche und individuelle Entwicklungstendenzen Einfluss auf die Subjektivierung aus. Genannt seien an dieser Stelle die gewonnenen Gestaltungsspielräume durch „eine abnehmende ‚Prägung’ durch die institutionellen Arrangements des fordistischen Produktions- und Sozialmodells“ (vgl. Junge 1996 in: Kratzer et al. S.38), sowie wachsende subjektive Ansprüche im Zuge von veränderten Orientierungen an die Selbstentfaltung und Selbstverwirklichung (vgl. Baethge, Heidenreich in: Kratzer et al. S.39).

Es vollzieht sich also eine Ablösung von einer objektbezogenen Welt des fordistischen Produktions- und Sozialmodells, welches versucht, „sich soweit als möglich gerade von den subjektiven Eigenschaften und Fähigkeiten, aber auch Eigensinnigkeiten und Präferenzen der Beschäftigten unabhängig zu machen“ (Kratzer et al., S.39), zu einer subjektbezogenen Welt, in der subjektive Potenziale und Ressourcen vom Betrieb in höchstem Maße gefordert werden und die Trennung zwischen Arbeitswelt und Privatleben zumindest teilweise aufgelöst wird. Durch diesen Wandel ergeben sich veränderte Qualifikationsanforderungen an die Beschäftigten; ein aufsteigender Anteil an höherqualifizierten Tätigkeiten, sowie der Trend in Richtung personen- und unternehmensbezogener Dienstleitungen ist festzustellen. Nach IAB/Prognose-Projektion zum Qualifikationsbedarf haben produktionsorientierte Tätigkeiten zwischen den Jahren 1991 und 1995 einen leichten Rückgang, primäre Dienstleistungen (Büro-, Handels-, sowie allgemeine Dienstleistungen) ein relativ konstantes Niveau zu verzeichnen, hingegen kommt es bei sekundären Dienstleistungen wie Entwickeln, Forschen, Beraten, Organisation, Management, Lehre, u. Ä. zu einem kontinuierlichen Anstieg (vgl. Kratzer et al. S.42). Solche Entwicklungen sind nicht zuletzt durch eine Ausweitung der Kompetenzbereiche zu begründen. Die Anforderungen eines Angestellten beziehen sich nicht mehr ausschließlich auf das fachliche Handwerk, sondern erstrecken sich darüber hinaus gehend über unternehmerische Fähigkeiten, als auch über den richtigen Umgang mit der „Selbstständigkeit in der Unselbstständigkeit“ (vgl. Glißmann, Peters 2001, S.51). Damit ist die erforderliche Qualifikation der breiten Arbeitnehmerschicht mit der eines ehemaligen Geschäftsführers oder Top-Managers zu vergleichen.

Gerade diese Positionen sind es, die mit einem hohen Maß an Verantwortung ausgestattet sind. Die Arbeitssituation wird durch Leistungs- und Termindruck als stressiger und belastender empfunden. Dass sich die Situation der Angestellten durch eine indirekte Selbststeuerung nicht notwendigerweise verbessert, sondern im Gegenteil, erheblich verschlechtern kann, ist somit leicht nachzuvollziehen. Welche konkreten Risiken sich in Bezug auf „Mehr Duck durch mehr Freiheit“ (vgl. Glißmann, Peters 2001) ergeben können, soll im Anschluss ausführlich dargestellt werden.

2.2.4. Die Ambivalenz der neuen Freiheit

Zielsetzung der neuen Managementkonzepte ist in erster Linie eine vollständige Ausschöpfung der Leistungspotenziale der Mitarbeiter: „Die Ausschöpfung der Produktivkraft Arbeit bezieht sich auf ihre Leistungsreserven, ihr Erfahrungswissen, ihre Kreativität und Motivation“ (Müller-Jentsch, Stahlmann in: Pongratz, Voß 1997, S.39).

In diesem Sinne werden Freiräume und Selbstbestimmungsmöglichkeiten ausschließlich als Mittel zum Zweck eingerichtet. Der Unternehmer spekuliert letztendlich damit, seinen Machtstatus auszubauen.

Mit der Abschaffung des Kommandosystems läuft man jedoch Gefahr, dass der Beruf als eine Art Hobby oder Freizeitvergnügen betrachtet wird (vgl. Glißmann, Peters 2001, S.27), weshalb Kontextsteuerungen notwendig sind. Fraglich ist, ob man noch von Autonomie und Aufgabe von Kontrolle sprechen darf, wenn die individuellen Möglichkeiten durch explizite Zielvorgaben eingeschränkt werden bzw. die freie Gestaltungsmöglichkeit durch eine Internalisierung des Unternehmenszwecks nur scheinbar existiert, da der Mitarbeiter nicht mehr zwischen eigenen Präferenzen und Organisationszielen unterscheiden kann (vgl. Peters, Sauer in: Wagner 2001, S.37). Die ideologische Vorstellung, dass durch „Versöhnung von betrieblichen und individuellen Interessen, von Produktivität und Humanität“ (Pongratz, Voß 1997; S.37), durch freie Entfaltungsmöglichkeiten der Mitarbeiter mittels Selbstständigkeit und Eigenverantwortung und dadurch mehr Freude und Interesse an der Arbeit, Produktivitätshemmnisse abgebaut und die Unternehmensleistung gesteigert werden kann, wird in der Realität widerlegt. Wie bereits bei den Ausführungen der Subjektivierung erwähnt wurde, ist demzufolge ein Abbau von Kommandostrukturen nicht ohne weiteres ein Abbau von Zwang und wirkt entlastend, sondern oftmals mit einer Erhöhung des Leistungsdrucks verbunden. Auf die möglichen Auswirkungen soll anschließend im Einzelnen genauer eingegangen werden.

Rollenüberlastung

Im Unternehmenssegment wird vom Mitarbeiter erwartet, den fachlichen und inhaltlichen Anforderungen gerecht zu werden und gleichzeitig unternehmerische und möglichst produktive Entscheidungen zu treffen. Die Herausforderung besteht zunächst darin, sich als „Unselbstständiger selbstständig“ (vgl. Glißmann, Peters 2001 S.51) zu verhalten. Darüber hinaus wird dies zusätzlich durch die Tatsache erschwert, dass sich der Markt dem Menschen gegenüber autonom entwickelt und nicht auf Kommandos reagiert (vgl. Glißmann, Peters 2001, S. 30). Da dieser jedoch in seiner Dynamik handlungsleitend sein soll, müssen diese Entscheidungen revidierbar sowie anpassungsfähig sein und sind dementsprechend mit einer bestehenden Unsicherheit behaftet. Der Begriff Autonomie zielt somit nicht mehr auf die Selbstbestimmung der Individuen, sondern „auf die Eigendynamik der Bedingungen, die die Individuen in ihrem Verhalten bestimmen, ob sie es wollen oder nicht - also auf ihre Fremdbestimmheit, ihre Heteronomie“ (Glißmann, Peters 2001 S.31) ab.

Unterlaufung von erkämpften Regeln

Die Angst, den Anforderungen, die dem unselbständigen Selbstständigen in seiner neuartigen Position gestellt werden, nicht gerecht werden zu können, veranlassen ihn zunehmend bestehende Schutzrechte zu unterlaufen. So werden beispielsweise tarifvertraglich geregelte Arbeitszeiten aus Angst um den Arbeitsplatz durch Verdichtung und Verlängerung übergangen. Gewerkschaften und Betriebsräte geraten in einen Zwiespalt, da die Interessen der Mitarbeiter, welche sie zu schützen suchen, gerade von diesen wieder ignoriert werden (vgl. Peters, Sauer in: Wagner 2001, S. 47).

Verschärfte Konkurrenzsituation

Während im Kommandosystem durch die Tatsache einer gemeinsamen Kontrolle unterworfen zu sein das Zusammenhörigkeitsgefühl verstärkte, wird die Solidarität in den neuen Managementkonzepten in Frage gestellt. „Obwohl man gemeinsam um das Überleben am Markt kämpft, wird gerade dadurch der eine viel mehr als bisher zum Konkurrenten des anderen“ (Glißmann, Peters 2001, S. 47).

Die Abhängigkeit eines jeden Mitarbeiters als Anbieter individueller Fähigkeiten von seinen subjektiven Potentialen bewirkt einen Mechanismus der Vereinzelung. Indirekte Steuerung verlangt Produktivität bis in die „Besonderheit ihrer Individualität“ (vgl. Peters, Sauer in: Wagner 2001, S.48). Jeder wird versuchen sein bestes zu geben und die Mitstreiter zu überbieten.

Gerade mit den neuen Arbeitstechniken wie Team- und Gruppenarbeit oder leistungsgerechter Entlohnung werden derartige Aufschaukelungsprozesse provoziert:

Innerhalb der Arbeitsgruppen sind etablierte Herrschaftsstrukturen unbedingte Voraussetzung für ein Funktionieren. Jeder Beteiligte hat sich auf die Gruppenarbeit umzustellen, um die Aufgabe als Gruppe bzw. Team effizient bearbeiten zu können. Dabei ist die richtige Balance zwischen einzelkämpferischen Verhalten zum Eigenschutz und solidarischem Verhalten zum Bestehen der Gruppe zu halten. Dazu sind eindeutige Beziehungs- und Abhängigkeitsstrukturen hilfreich, denn bei einer negativen Gruppendynamik ist die Gefahr groß, dass sich Rivalitäten und Machtkämpfe bei der Verteilung von Aufgaben ergeben (vgl. Pongratz, Voß 1997, S. 41). „Beschäftigte, die leistungsabhängig bezahlt werden und in Teams arbeiten, die bestimmte Ziele erreichen müssen, entwickeln ein Interesse an der Leistungssteigerung ihrer Kolleginnen und Kollegen…“ (Peters, Sauer in: Wagner 2001, S.47). Dies kann im Extremfall über mikropolitische Taktiken bis zu Mobbingaktivitäten führen.

Strafe durch das System

Ein weiterer Punkt, der den Mitarbeiter zusätzlich unter Druck setzt und deshalb in diesem Zusammenhang nicht unerwähnt bleiben sollte, ist die Bestrafung von Fehlverhalten. Da sie nicht länger unmittelbar durch einen Vorgesetzten, sondern durch den Markt, wie die Bestrafung eines Unternehmers erfolgt, hat der Angestellte falsche Entscheidungen nicht mehr nur vor sich selbst zu rechtfertigen, sondern vor der Gruppe, bzw. im Extremfall vor dem gesamten Betrieb (vgl. Kap. 2.2.1).

Abschließend ist festzuhalten, dass mit der Aufgabe von Befehl und Kontrolle sich verselbstständigende Prozesse einhergehen, die eine Erhöhung des Leistungsdrucks mit sich führen: Der Angestellte ist zwar „nicht abhängig von Anweisungen, aber er ist einer Abhängigkeit und Unfreiheit ganz anderer Art unterworfen,…“ (Glißmann, Peters 2001, S.44), welche dazu führen, dass er sich überfordert und allein gelassen fühlt. An diesem Punkt drängt sich uns die Frage auf, welche Art der Unfreiheit nun zu bevorzugen ist: Die Beschränkung durch ein System von Befehl und Gehorsam, oder die Beschränkung durch Rahmenbedingungen und den damit einhergehenden Handlungsspielräumen?

2.3. Der richtige Umgang mit der Paradoxie

Die angeführten Probleme, die sich aus einer Umstellung auf indirekte Steuerung ergeben können, sollen dieses Konzept jedoch nicht vollständig in ein schlechtes Licht stellen. Es ist zwar nicht zu leugnen, dass dadurch Mechanismen in den Vordergrund geraten, die ausschließlich eigenen Gesetzmäßigkeiten folgen, dennoch werden durch einen richtigen Umgang mit diesen die Vorzüge der Beseitigung des Kommandosystems wieder greifbar.

„Je besser man die Gesetzmäßigkeiten, Funktionsweisen und Anforderungen solcher Selbstorganisationsprozesse kennt, desto besser kann man sie durch entsprechende Rahmenbedingungen steuern und manipulieren“ (Glißmann, Peters 2001, S.38). Dazu existieren unterschiedlichste Ansätze. Im Umfang dieser Arbeit wir sich auf die drei grundlegenden Prinzipien für den richtigen Umgang mit Selbstorganisationsprozessen von H. J. Pongratz und G.G. Voß bezogen: Kontextsteuerung, Improvisation und Erfahrung.

Die Kontextsteuerung erfolgt über „Zielsetzungen, welche den Mitarbeitern Transparenz und Sinn ihrer Aufgaben vermitteln sollen“ (Pongratz, Voß 1997 S.44). Der Manager steht als Coach bzw. Moderator beratend und unterstützend zur Verfügung.

Unter Improvisation verstehen Pongratz und Voß den flexiblen Umgang mit Unwägbarkeiten.

Der Mitarbeiter ist sich seiner Unzulänglichkeit bezüglich bestimmter Prozesse bewusst, lässt sich davon jedoch nicht irritieren, sondern ist dazu in der Lage spontan auf sie zu reagieren. Die Fähigkeit mit Unsicherheit umgehen zu können ist eine Frage der Bereitschaft und erfolgt vor allem auf kommunikativer Basis, ist somit erlernbar. Auch der Erfahrungsschatz diesbezüglich spielt eine nicht unerhebliche Rolle, da Unsicherheit gelassener hingenommen werden kann.

Schließlich ist „die Nutzung nicht-rationaler Erkenntnisquellen, wie Gefühl, Intuition und Erfahrung als Reaktion auf die Defizite zweckrationaler, bürokratischer Vereinheitlichung erforderlich“ (Pongratz, Voß 1997, S.45). Sie fungiert als Mittel der Inspiration, Entscheidung und Kontrolle.

Ob diese drei Richtlinien ausreichen, um die durch die Selbstorganisation entstehenden autonomen Prozesse zu bewältigen, soll im Rahmen dieser Arbeit nicht diskutiert werden. Fest steht jedoch, dass eine grundlegende Umorientierung der Arbeitspolitik statt finden muss, welche die einer „Vermarktlichung immanente Maßlosigkeit“ (vgl. Peters, Sauer in: Wagner 2001, S.51) im Zaune hält. Der Arbeitnehmer hat nach Peters und Sauer (in: Wagner 2001, S.54f.) einen Beitrag dazu zu leisten, indem er durch Widerstand seine Autonomie verteidigt. Um diese auch in seinem Sinne nutzen zu können, „muss man wissen, was man denn tun will, wenn man tun kann, was man will.“ Was soviel bedeutet wie: „Jeder muss selber wissen, was für ihn selber gut ist.“ Dies lässt sich am besten durch gemeinsame Verständigungsprozesse erreichen (Peters, Sauer in: Wagner 2001, S.54f).

Nach der Behandlung der indirekten Steuerung, welche Selbstorganisation und somit Subjektivierung impliziert, sollte deutlich geworden sein, dass traditionelle Steuerungsformen zugunsten objektiver Daten wie kunden- und marktbezogener Kennziffern- und Benchmarksysteme aufgegeben werden. Wie nun eine Objektivierung der subjektivierten Arbeit durch Interpretation der abstrakten Daten erfolgt, soll im anschließenden Teil dieser Arbeit ausführlich dargestellt werden.

3. Objektivierung subjektivierter Arbeit

Das prinzipielle Problem das sich durch die Subjektivierung und die dadurch entstehende Autonomie des Handelns ergibt besteht darin, dass das ursprüngliche Grundparadigma des Taylorismus, die Trennung von Planung bzw. dessen Umsetzung durch Anweisung und Befehl und der Ausführung aufgehoben wurde. Als Folge der Selbstverantwortung und Selbststeuerung ergibt sich jedoch der „Interessengegensatz von betrieblicher Kontrolle und individuellem Autonomieanspruch der Arbeitskräfte“ (Pongratz 1997 in: Zeitschrift für Personalforschung, S.47). Wer soll bzw. kann die autonomen Individuen wie kontrollieren? Dies ist das grundlegende Problem der Subjektivierung der Arbeit.

Es gibt verschiedene Ansätze (vgl. Deutschmann, Grey, Garsten) die damit argumentieren, es sei notwendig, eine entsprechende Unternehmenskultur zu etablieren um so über ein ‘commitment’ der einzelnen Mitarbeiter zu garantieren, dass die entsprechenden Leistungen auch erbracht werden. Wir werden uns im Zuge dieser Arbeit auf einen anderen Ansatz konzentrieren, nämlich den der „Objektivierung subjektgesteuerten Handelns“ (vgl. Boehle in: Moldaschl 2002).

Objektivierung kann in diesem Zusammenhang ebenfalls als Rationalisierung des subjektiven Handelns verstanden werden, in dem Sinne als dass die Rationalisierung des Handelns „nicht nur dort, wo der Mensch zum ‘Objekt’ fremder Verfügung wird, sondern auch dort, wo er als autonom handelndes ‘Subjekt’ in Erscheinung tritt, zu einer spezifischen Eingrenzung von Subjektivität“ (Boehle in: Moldaschl 2002, S.14), führt. Damit ist jedoch nicht die Transformation des Subjekts in ein Objekt fremder Verfügung und die instrumentelle Nutzung, sondern „vielmehr die ‘Spaltung’ des Subjekts in seine objektivierbaren und nicht-objektivierbaren Anteile“ (Boehle in: Moldaschl 2002, S. 14) gemeint. „Arbeitshandeln verwandelt sich [somit] in eine neue Form des Rationalisierungshandelns: Rationalisierung in Eigenregie. Der Arbeitende wird Subjekt und Objekt der Rationalisierung zugleich“ (Wolf in: Sonderforschungsbericht 333, 2001, S.137). Durch diese Objektivierung kommt es also zu einer Abspaltung all dessen, was objektiv nicht erfasst werden kann. Welches Handeln folglich gefordert wird, darauf wird im nächsten Abschnitt eingegangen.

3.1. Objektivierendes Handeln

Wenn wir uns mit objektivierendem Handeln befassen, so verstehen wir darunter im weitesten Sinne das, was Max Weber als zweckrationales Handeln bezeichnet. Um ein genaueres Verständnis davon zu bekommen, was damit gemeint ist, werden wir im Folgenden die Implikationen des zweckrationalen Handelns darstellen, die für das selbstregulierte, autonome Handeln von Bedeutung sind.

„Grundlegend für zweckrationales Handeln ist seine ‚verstandesmäßige’ Regulierung“ (Boehle in: Moldaschl 2002, S.11). Es ist somit strikt abzugrenzen von affektuellem und emotionalem Handeln. Des Weiteren erfordert es eine „verstandesmäßige Abschätzung und Abwägung von Zielen (Zwecken), Mitteln und Folgen“ (Boehle in: Moldaschl 2002, S.11), wofür ein dem Handeln vorausgehendes Wissen und hierauf beruhenden Entscheidungen benötigt wird. Die Prämisse „erst denken und planen, dann handeln“ (Boehle in: Moldaschl 2002, S.11) steht somit im Vordergrund des zweckrationalen Handeln, wobei deutlich wird, dass dem Körper und den Sinnen in diesem Kontext ein untergeordneter Stellenwert zukommt, da sie ‘nur’ an der Ausführung und Durchführung, nicht aber an der geistigen Planung beteiligt sind. „Das eigentlich ‚Menschliche’ ist der ‚geistige’ Anteil und entsprechend die Planung und (rationale) Regulierung wie auch Kontrolle praktischen Handelns (Boehle in: Moldaschl 2002, S.12). Das körperliche dient somit nur der Ausführung des Geplanten und auch die sinnliche Wahrnehmung ist für rationales Handeln nur begrenzt brauchbar, da sie ebenso wie Gefühle dem Problem subjektiver Verzerrung und Täuschung unterliegen. All diesem zu Trotz beinhaltet rationales Handeln jedoch die kognitive sowie praktische Auseinandersetzung mit der Umwelt. Kant beschreibt dies folgendermaßen: „Für die Erkenntnis der Wirklichkeit ist die sinnliche Wahrnehmung einerseits unverzichtbar; ohne sie unterliegt (auch) der Verstand der Gefahr des Trugs, der Täuschung wie auch des Wahns; andererseits kann Erkenntnis jedoch nur dann entstehen, wenn der Verstand den ‚rohen Stoff’ sinnlicher Empfindungen bearbeitet“ (Müller in: Boehle in: Moldaschl 2002, S.12). Die sinnliche Wahrnehmung ist demnach zwar unverzichtbar, einen Sinn bekommt diese jedoch erst über die rationale Begriffsbildung.

Wichtig beim Einbeziehen von Wahrnehmung in den Prozess des rationalen Handelns ist aber, dass es zu einer Ablösung der sinnlichen Wahrnehmung vom subjektiven Empfinden kommt und ebenfalls, dass die Wahrnehmung insofern ausgerichtet ist, als dass man sich auf die Aspekte der Umwelt konzentriert, welche in ihrer innewohnenden Bedeutung eindeutig und objektiv sind. Anzumerken sei noch, dass ebenfalls ‘geistige’ Prozesse ‘objektiv’ auszurichten sind, d.h. dass sowohl assoziatives, bildhaftes als auch kontemplatives und intuitives Denken sowie die „Erkenntnis auf dem Weg von Empathie und subjektivem Nachvollzug [...] als minderwertig und nicht nur ‘nicht-rational’, sondern auch als ‘irrational’“ (Boehle in: Moldaschl 2002, S.13) gelten.

Ist es also möglich, eine praktische Handlung als rational auszuweisen, erlangt diese demzufolge eine besondere Legitimation als ‘sachlich richtig’ und ist alternativen Formen des Handelns überlegen. Die Spezifizierung des Zweckrationalen, als besondere Ausprägung des rationalen Handelns bezieht sich auf die Ziele des Handelns, welche auf rationale Weisen erfasst und objektiv bestimmt werden können. ‘Rentabilität’ wäre ein solches Ziel, wohingegen die Ziele ‘Nützlichkeit’ oder ‘Bedarfsdeckung’ eher wage Formulierungen und somit nicht Ziele zweckrationalen Handelns sein können.

Abschließend hierzu sei noch erwähnt, dass „das Misstrauen gegenüber allem „Nicht-Rationalem“ [...] zu einem der Grundpfeiler ‘modernen Denkens’“ (Boehle in: Moldaschl 2002, S.14) zählt. Dies liegt daran, dass dieses Denken vor allem durch die modernen Naturwissenschaften geprägt und durch diese auch gerechtfertigt und vorangetrieben wird. Eine der Folgen dieser Verwissenschaftlichung ist auch, dass vieles, was bisher als nicht-objektivierbar galt nun doch „in Objektivierbares transformiert und entsprechend in rationales Handeln eingebunden wird“ (Boehle in: Moldaschl 2002, S.15). Ist dies so, dann stellt sich vor allem die Frage, was dem Subjekt, durch die Subjektivierung von Arbeit nach objektiver Maßgabe noch bleibt. Was bedeutet dann Subjektivität als Gegenpart des Objektiven und kann dieses Subjektive aus dem Prozess des rationalen Handelns wirklich ausgeschlossen werden?

Bevor wir uns diesen Fragen zuwenden, soll davor noch darauf eingegangen werden, inwiefern sich die Orientierung an objektiven Maßstäben auf die Arbeitsorganisation des Einzelnen auswirkt.

3.2. Selbststeuerung nach objektiver Maßgabe

Wenden wir unser Augenmerk nun auf die in neuerer Zeit veränderten Arbeitsbedingungen, so scheint es sinnvoll zuerst einmal zu analysieren, wie Arbeit in der Vergangenheit organisiert war.

Früher spielte vor allem bei qualifizierten Tätigkeiten das subjektivierende Handeln eine große Rolle, da hierauf das wesentliche berufliche Selbstverständnis beruhte. Berufliches Erfahrungswissen, Berufskulturen und vor allem Vertrauensbeziehungen bildeten die Grundlage, dass die vom Management nicht vollständig transparente und kontrollierbare Arbeitsabläufe als solche hingenommen wurden. Des Weiteren galten die ausgegrenzten Bereiche der Technisierung und Rationalisierung in der Vergangenheit als „Rationalisierungsnischen“ (Boehle in: Moldaschl 2002, S. 20), womit nicht nur gemeint war, dass sie von der Rationalisierung verschont blieben, „sondern auch, dass hier die wissenschaftliche Durchdringung von Arbeits- und Produktionsabläufen (noch) nicht oder bestenfalls ansatzweise erfolgte“ (Boehle in: Moldaschl 2002, S.20).

3.2.1. Entwicklung von Informations- und Steuerungssystemen

In neuerer Zeit liegt demgegenüber die Tendenz vor, dass in den entstehenden qualifizierten Tätigkeiten „die Selbststeuerung verbunden wird mit einer sehr viel stärkeren Strukturierung der Arbeitstätigkeit nach Maßgabe eines objektivierenden Handelns“ (Boehle in: Moldaschl 2002, S.21). Dies geschieht vor allem durch die rechnergestützten Informations- und Steuerungssysteme, welche keineswegs nur „das Rückgrat [...] der inzwischen als obsolet geltenden zentralistischen Planungs- und Steuerungskonzepte [bilden], sie sind auch die Basis für aktuelle Konzepte dezentraler Selbststeuerung von Gruppen, Fraktalen, Segmenten, Cost- und Profit-Centers etc. (Kocyba in: Konrad 1999, S.102). Des Weiteren schreibt Kocyba, dass diese Planungs-, Budgetierungs- oder Kennziffernsysteme zwar die Voraussetzungen und Grenzen der Dezentralisierung bilden, aber dennoch nicht deren Auslöser darstellen. Durch rechnergestützte Informations- und Steuerungssysteme wird lediglich „die Wahrnehmung konkreter Abläufe sowie der Einfluss hierauf ‘technisch mediatesiert’ [...] und dabei eine auf objektivierendes Handeln ausgerichtete ‘Informations- und Eingriffsstruktur’ geschaffen und (technisch) vorgegeben“ (Boehle in: Moldaschl 2002, S.21). Es wird der Idee nach also nicht direkt über Anweisungen kommuniziert, sondern „via Information, die erst von ihren Adressaten eigenständig in Handlungsaufforderungen übersetzt werden muß“ (Kocyba in: Konrad 1999, S.103), und nur vor dem Hintergrund von Zielvereinbarungen sowie Rahmenvorgaben und allgemeinen Betriebszielen bzw. -werten an Bedeutung erlangt. Durch diese Art der Tendenz der Versachlichung betrieblicher Herrschaft „und der Ersetzung persönlicher Autorität durch unpersönliche Kontrollmechanismen […sollte die] Kontrolle durch Rückmeldung, das Eingreifen des Managements tendenziell überflüssig machen“ (Kocyba in: Konrad 1999, S.103).

3.2.2. Steuerung über Kennzahlen

Mit der Weiterentwicklung der elektronischen Datenverarbeitung wurde einer anderen Form der Steuerung ebenfalls die Türen für neue Möglichkeiten eröffnet. Die Steuerung betrieblicher Prozesse über ‘Kennzahlen’ gewinnt zunehmend an Bedeutung. Peter Miller schreibt dazu, „that the pricipal achievements of management accounting is to link together responsibility and calculation: to create the responsible and calculating individual“ (Miller in: Social Research 2001, S.380). Dessen Ergebnis soll sein, Zielvorgaben und Orientierungsgrößen ‘objektiv’ festzulegen, damit eine Selbststeuerung des individuellen Arbeitshandelns erst ermöglicht und letztlich auch angemessen entlohnt werden kann. Als explizites Merkmal von Kennzahlen sieht Miller „their ability to translate diverse and complex processes into a single financial figure“ (in: Social Research 2001, S.381). Durch Kennzahlen können somit innerhalb eines Unternehmens verschiedene Mitarbeiter als auch Abteilungen und Produktionsstätten miteinander verglichen werden, dessen physische Eigenschaften als auch geographische Lage weit auseinander liegen. „The labor efficiency variance, the return on investment of a division, and the net present value of an investment opportunity all share this elegance of the single figure“ (Miller in: Social Research 2001, S.382). Für die Einführung neuer Entlohnungssysteme, die auf der Leistungsbewertung anhand von Kennzahlen basieren ist es nötig, auch solche Faktoren zu objektivieren, welche sich den traditionellen Methoden der Leistungsbewertung entziehen (vgl. Boehle in: Moldaschl 2002, S.21), denn „[only] what is counted usually counts“ (Miller in: Social Research 2001, S.328). Damit soll deutlich werden, dass das sich selbststeuernde Individuum in einem Rahmen bewegen kann, in welchem eben nur das von Bedeutung ist, was quantifizierbar und somit objektivierbar ist.

All diese Entwicklung haben eine Veränderung der Planbarkeit, der Berechenbarkeit sowie der Kontrolle zur Folge, auf die wir im Folgenden eingehen werden, um aufzuzeigen, welche Auswirkung dies auf die Organisation der Arbeit der einzelnen Person hat.

3.3. Neue Formen der Kontrolle und Macht

Der Unterschied zur wissenschaftlichen Betriebsführung im Sinne des Taylorismus, wird an dieser Stelle deutlich. Es geht nicht mehr darum, den gesamten Arbeitsablauf ins Detail zu steuern, sondern vielmehr einen Rahmen zu setzen, welcher selbstobjektivierendes Handeln fordert (aber auch erzwingt). Können die Beteiligten vor Ort „aufgrund ihres Erfahrungswissens die Anforderungen einer Arbeitsaufgabe fachgerecht und situationsangemessen einschätzen und unverzüglich in praktikable Handlungsstrategien umsetzen“ (Pongratz, Voß, 1997, S.35), kann es anstatt Managern beispielsweise vorzuschreiben, welche Investitionen sie tätigen sollen besser sein „[to] specify a percentage return to be earned on all investmenst and leave managers ‘free’ to make the decisions as to which investments to choose“ (Miller in: Social Research 2001, S.380). Miller merkt außerdem an, dass nicht nur Manager multinationaler Großunternehmen so gesteuert werden können, sondern ebenfalls Ärzte, Lehrer oder Sozialarbeiter etc. „As a calculative practice, accounting represents one of the preeminent devices for acting upon individuals and intervening in their lives in an attempt to ensure that they behave in accordance with specified economic objectives“ (Miller in: Social Research 2001, S.392).

In Anlehnung an diese Aussagen kann festgestellt werden, dass die Objektivierung subjektivierter Arbeit, im Vergleich zur Rationalisierung des Taylorismus, lediglich „als eine neue Strategie zu begreifen [ist], mit der es möglich wird, selbstgesteuerte Arbeit sowohl in die betriebliche Planung, ökonomische Kalkulation und Kontrolle einzubinden“ (Boehle in: Moldaschl 2002, S.25). Das Ziel dieses Prozesses bleibt das gleiche wie beim Taylorismus: Das Arbeitshandeln des Individuums planbar, berechenbar sowie kontrollierbar zu machen. Hierauf wird unser Fokus im nächsten Abschnitt liegen.

3.3.1. Handlungsspielräume als Äquivalent zu Befehl und Gehorsam

Bezüglich der Handlungsspielräume schreibt Kocyba, dass den Beschäftigten zwar ein Gestaltungsraum, „eine von ihnen zu kontrollierende Ungewissheitszone“ (in: Konrad 1999, S.104) und somit Macht eingeräumt wird, dass aber andererseits das Management die Kontrolle auch nicht aus der Hand gibt. „Die Eröffnung von Entscheidungsspielräumen dient gleichsam als funktionales Äquivalent zu Befehl und Gehorsam. Das Management steuert seine taktische ‘Selbstentmachtung’ selbst und steigert damit [...] letztlich die Macht der Unternehmensspitze, zumal das Management die Zügel jederzeit, obzwar nicht ohne negative Auswirkungen auf Motivation und Commitment der Beschäftigten, wieder straffer anziehen kann“ (Kocyba in: Konrad 1999, S.104). Durch die Handlungsspielräume werden die Anforderungen an den Mitarbeiter unbestimmter formuliert, aber gleichzeitig versucht, diese wieder ökonomisch wie technisch planbar zu machen. So kommt es zwar zu einer Flexibilisierung der Anforderungen, die jedoch immer noch von außen vorgegeben werden, wie beispielsweise „bei Gruppenarbeit in der Produktion durch die Produktionsplanung und PPS-Systeme; oder es werden leistungsbezogene und ökonomische Ziele festgelegt, die den Rahmen vorgeben, in dem inhaltliche Aufgaben zu erfüllen sind“ (Boehle in: Moldaschl 2002, S.25). Dies alles wird unter anderem als Kontextsteuerung bezeichnet und zeigt die Verbindung von Dezentralisierung und neuen Formen zentraler Steuerung auf.

Zentrales Merkmal der dezentralen Steuerung stellt die Tatsache dar, dass die betrieblichen Prozesse sowie die diskursive Koordination dezentraler Entscheidungsprozesse an Informations- und Wissenssysteme gekoppelt sind, welche den einzelnen Mitarbeitern nicht direkt zur Verfügung stehen. „Macht und Kontrolle sind [somit] nicht verschwunden, sie sind als nicht mehr thematisierte Vorgaben und Constraints gleichsam in die kommunikative Infrastruktur betrieblicher Prozesse gewandert“ (Kocyba in: Konrad 1999, S.105), wobei „Anforderungen nicht mehr primär inhaltlich konkret, sondern nur unter Bezug auf abstrakte, ökonomische und technische Erfordernisse festgelegt werden. Entsprechend geht es nicht mehr darum, ‘was’ konkret erreicht wird, wesentlich ist vielmehr, dass es ‘sich rechnet’ oder/und sich als ‘technisch effizient’ erweist“ (Boehle in: Moldaschl 2002, S.25). Moldaschl zitiert dazu exemplarisch im Sonderforschungsbericht 333, Denis de Rougemont: „Der Imperativ der Rentabilität hat den Kategorischen Imperativ von Kant ersetzt“ (S.149), womit ausgedrückt werden soll, dass die Maxime des Handelns immer unter dem Gesichtspunkt der Rentabilität erfolgen soll. Doch was ist rentabel? Wie kann man gewährleisten, dass die Effizienz des Handeln ständig gesteigert wird und vor allem: Wie kann man dieses Handeln messen bzw. kontrollieren?

3.3.2. Ersetzen der Kontrolle durch Kontrollierbarkeit

Wie wir weiter oben bereits gesehen haben, erlangen die Mitarbeiter im Zuge der Subjektivierung zwar Freiräume und Selbstbestimmungsmöglichkeiten, gleichzeitig aber bleiben die neuen Strategien „Herrschaftsinstrumente, mit denen weitere Leistungspotentiale der Arbeitnehmer nutzbar gemacht werden sollen“ (Pongratz, Voß, 1997, S.38). Diese neue Form der Steuerung der Mitarbeiter steht in komplementärer Beziehung zu neuen Kontrollsystemen. Die „direkte Kontrolle des Arbeitshandelns [wird] durch seine grundsätzliche ‘Kontrollier- und Überprüfbarkeit’“ (Boehle in: Moldaschl 2002, S.27) ersetzt. Um dies zu gewährleisten, muss das objektivierende Handeln des Einzelnen in einer Art und Weise vollzogen werden, dass es für außenstehende Dritte nachvollziehbar ist. Neben dieser Transparenz spielt aber auch die akribische Dokumentation des Handelns eine große Rolle. Da die Kontextsteuerung über beispielsweise Kennzahlen erfolgt, und somit objektive Zielvorgaben herrschen, entsteht vor allem in jenen Bereichen die Notwendigkeit das Vorgehen der Verantwortlichen zu kontrollieren, welche ihre Maßgrößen nicht erreichen. In diesen Bereichen besteht dann aufgrund der transparenten Dokumentation der Arbeitsprozesse die Möglichkeit, „ex post Fehlhandlungen aufzudecken und zu sanktionieren“ (Boehle in: Moldaschl 2002, S.27). Dabei ist das Anliegen dieser Strategie nicht nur bestimmte Qualitätsstandards zu prüfen und einzuhalten, sonder sie zielt auch darauf ab, den Beitrag des einzelnen zum Gesamtergebnis aufzudecken. In einem Interview mit der Süddeutschen Zeitung sagte Helmut Teppich bezüglich der Einführung von Workflow Systemen, dass man jetzt „sekundengenau nachvollziehen [kann], wann jemand einen Vorgang in seinem Postfach hatte, wie lange es gedauert hat, bis er ihn geöffnet hat, ob er daran gearbeitet hat und wann er ihn weitergeschickt hat“ (Süddeutsche Zeitung, 21.März 2000). „Ob und in welcher Weise dabei faktisch kontrolliert wird, ist letztlich unerheblich; entscheidend ist, dass dies grundsätzlich möglich ist. Die Verankerung der Gewissheit über Letzteres, wie auch deren Demonstration, wird daher zu einem zentralen strategischen Instrument betrieblicher Arbeitspolitik“ (Boehle in: Moldaschl 2002, S.27). Die zunehmende Tendenz zur Objektivierung hat also nicht nur die Effizienz, sondern vor allem auch die Kontrollierbarkeit zum Ziele.

Wie es dazu kommt, dass die einzelnen Individuen konform gehen mit der Entwicklung neuer Formen von Arbeit, wieso sie akzeptiert und warum sogar aktiv am Veränderungsprozess teilgenommen wird, darauf soll der Fokus im Folgenden gerichtet werden.

3.4. Verwissenschaftlichung handlungsleitender subjektiver Orientierungen

Alle bisher angesprochenen Entwicklungen der neuen Arbeitsgestaltung haben eines gemeinsam: „Sie sind Manifestationen einer fortschreitenden Verwissenschaftlichung technischer ebenso wie ökonomischer und sozialer Prozesse. Verwissenschaftlichung beinhaltet dabei nicht nur die Anwendung wissenschaftsbasierten Wissens, sondern vor allem die Anwendung wissenschaftsgestützter Methoden und Verfahren bei der Gestaltung betrieblicher Prozesse“ (Boehle in: Moldaschl 2002, S.21). Damit ist beispielsweise gemeint, dass die Methode der Kontextsteuerung, durchaus rational nachvollziehbar (weil effizient) und objektivierbar ist und somit ein Instrument der Kontrolle darstellt, obwohl es nicht zur Anwendung von wissenschaftlichem Wissen kommt. Miller schreibt dazu: „As we enter the twenty-first century, the calculative practices of accountancy are intrinsic to and constitutive of social relations, rather than secondary and derivative“ (in: Social Research 2001, S.392).

Anhand dieser beiden Zitate wird deutlich, dass sich die Verwissenschaftlichung jeglicher Prozesse nicht auf wirtschaftliches Handeln beschränkt. Wir leben in einer wissenschaftlichen Welt, in der eben alles unter wissenschaftlichen Aspekten betrachtet wird und dies sehr wohl Auswirkungen auf das Subjekt an sich hat. So kommt (kam) es vor allem auch zu einer Verwissenschaftlichung „handlungsleitender subjektiver Orientierungen“ (Boehle in: Moldaschl 2002, S.22). Diese Veränderung wird maßgeblich durch die bereits frühe Prägung des Subjekts durch Schulen gewährleistet. Man wird hierbei langsam dazu ‚erzogen’ die benötigten kognitiven Fähigkeiten auszubauen, was einhergeht mit „der Einübung der Disziplinierung und ‚Stillegung’ des Körpers“ (Boehle in: Moldaschl 2002, S.22). In der höheren Bildung steht dann die Schulung des spezifischen Gebrauchs der Sinne und sinnlicher Wahrnehmung im Vordergrund. „Seit undenkbaren Zeiten haben sich die Institutionen der Gesellschaften viel Mühe gegeben [...], die Nicht-Trivialität [des Menschen] abzuschwächen, die Voraussagbarkeit zu erhöhen. Dazu gibt es die Familie, Schulen, Betriebe und viele andere Organisationen und Institutionen. Sie alle sind nach Foerster ‚Trivialisierungsanstalten’“(Stengel 1997, S.78). Hieran wird deutlich, dass die schulische wie auch berufliche Bildung dazu dient, die für ein objektivierendes Handeln erforderlichen Kompetenzen und Handlungsorientierungen einzuüben. Vor allem bei der Beurteilung ‚richtigen Wissens’ zeigt sich die Objektivierungstendenz. So kommt es im Deutschunterricht der Oberstufe beispielsweise keineswegs darauf an, seine subjektive Interpretation eines Textes auszudrücken, sondern auf die ‚objektiv richtige’ Interpretation.

Hieran soll deutlich werden, dass es weniger die Unternehmenskultur, Psychotechniken und Ähnliches sind, welche die Selbst-Objektivierung der Individuen vorantreiben, sondern vielmehr die in den Sozialisationsprozess eingebundene ‚Bildung’. Sie ist also nicht nur die Grundlage, welche Selbst-Objektivierung ermöglicht, sondern vor allem die Basis dafür, dass sich die Arbeitskräfte nicht nur an der Objektivierung äußerer Arbeitsbedingungen beteiligen und diese als ‘sachlich richtig’ akzeptieren, sondern ebenfalls aktiv unterstützen. Die Selbst-Objektivierung beinhaltet somit „die selbstgesteuerte Ausformung von Handlungsspielräumen und die aktive Mitwirkung an der Herstellung (nicht nur Reproduktion!) der auf ein objektivierendes Handeln ausgerichteten ‘äußeren’ Arbeitsbedingungen“ (Boehle in: Moldaschl 2002, S.23).

Zu Beginn dieses Textes lag das Augenmerk auf der Beschreibung der veränderten Arbeitsorganisation, sowie der Subjektivierung von Arbeit. Daran anschließend wurde aufgezeigt, inwiefern dieser Prozess durch eine Objektivierungstendenz gleichzeitig wieder eingeschränkt wurde. Im nun Folgenden soll betrachtet werden, wie weit diese Einschränkungen ‚Sinn’ machen, beziehungsweise die Frage gestellt werden, was denn nun dem Subjekt noch bleibt an Subjektivität (bzw. bleiben muss) und welche Folgerungen sich dadurch ergeben.

3.5. Grenzen der Objektivierbarkeit

Grundlegend bei der Beschäftigung mit der Frage, wie weit Arbeitsprozesse objektiviert werden können ist die Tatsache, „dass gerade jene, die sich in einem Fachgebiet sehr gut auskennen und souverän handeln (Experten), vielfach intuitiv statt planmäßig-rational handeln, holistisch-bildhaft anstelle analytisch-sequentiell denken und Probleme durch den Vergleich ähnlicher Situationen und das Hervorheben von Ähnlichkeiten und Unterschieden Anstelle der Anwendung expliziter Regeln lösen“ (Boehle in: Moldaschl 2002, S.18). In den Vordergrund der Analyse treten an dieser Stelle also das implizite Wissen und die Frage, ‘weshalb’ Menschen so handeln wie sie es tun. Eine Abweichung vom Konzept des rationalen Handelns scheint somit nicht nur als Zugeständnis an individuelle Defizite, Gewohnheiten etc. sinnvoll, sondern erweist sich als ‚objektiv’ notwendig. „Menschliches Tun ist keineswegs rein zweckrational; wenn man die nicht-rationalen Anteile ausblendet, hat man keine Chance, Aus- und Rückwirkungen auf die damit gekoppelten Systeme verstehen zu können“ (Stengel 1997, S.151). Des Weiteren besagt das Konzept der ‘bounded rationality’ von Simon/March, dass es fast niemals Situation gibt, in denen vollständige Information und somit eindeutige, objektive Entscheidungen möglich, oder besser gesagt sinnvoll erscheinen (vgl. Boehle in: Moldaschl 2002, S.19). Wird das Handeln an ausschließlich rationalen Vorgaben orientiert, kann dies zu Ineffizienzen führen. So kann ein Ingenieur beispielsweise anhand eines Geräusches, den Fehler einer Maschine erahnen. Ist es ihm jedoch nicht möglich aufgrund dieser Vorahnung zu handeln, da es nicht objektiv gegenüber Dritten ist, muss er zunächst einen handfesten Beweis liefern, was ihn Zeit und Ressourcen kostet, welche ohne die Transparenzforderung nicht notwendig wären.

Hier wird deutlich dass gerade die Stärke und Unverzichtbarkeit menschlichen Arbeitsvermögens „in der Fähigkeit des ‘sowohl-als-auch’ liegt, d.h. der Verbindung von einem objektivierenden und subjektivierenden Handeln und in dessen wechselseitiger Verschränkung“ (Boehle in Moldaschl: 2002, S.20). Gerade auf diese Verschränkung kommt es an. Der Mitarbeiter eignet sich im Laufe seiner Arbeitsjahre ein gewisses Erfahrungswissen (implizites Wissen) an, welches ihm hilft, in problematischen (nicht objektiven, eindeutigen) Situationen Entscheidungen zu treffen. Dies spielt gerade angesichts einer fortschreitenden Technisierung eine große Rolle. Doch, wie wir auch im obigen Beispiel des Ingenieurs gesehen haben, stehen wir vor dem Problem, „dass gerade dort, wo Arbeitskräfte in neuer Weise als Subjekte gefordert werden, die Arbeitsorganisation und Technik primär auf ein objektivierendes Arbeitshandeln ausgerichtet sind“ (Boehle in: Moldaschl 2002, S.20).

Nachdem sich nun mit den Grenzen der Objektivierbarkeit befasst wurde ist deutlich geworden, „dass menschliche Arbeit vor allem auch zur Bewältigung dessen erforderlich ist, was sich dem objektivierenden Zugriff entzieht“ (Boehle in: Moldaschl 2002, S.28). Es geht daher bei der Subjektivierung der Arbeit nicht nur darum, die „Starrheiten traditioneller Technik und bürokratischer Organisation zu überwinden, oder anstelle der strikten Trennung von Planung und Ausführung nun auch die Planungskompetenz von Arbeitskräften zu nutzen“ (Boehle in: Moldaschl 2002, S.28), sondern vor allem das in den Vordergrund zu rücken, was nicht objektivierbar und rational erfassbar sowie begründbar ist.

Vor diesem Hintergrund wird deutlich, dass sich durch die beschriebene Rationalisierung und Objektivierung eine widersprüchliche Situation ergibt. Es wird dem Einzelnen nicht nur erschwert, wichtige und faktisch notwendige Leistungen zu erbringen, sondern es kommt auch zu einer Beeinträchtigung der hierfür notwendigen Kompetenzen. Subjektivierendes Handeln ist keine „naturgegebene, quasi unerschöpfliche Ressource“ (Boehle in: Moldaschl 2002, S.28), sondern erfordert die explizite Heranbildung spezieller Kompetenzen wie beispielsweise die Fähigkeit zur komplexen sinnlichen Wahrnehmung oder gefühlsgeleitetem Erkennen. Wo diese Fähigkeiten vorhanden sind, wurden sie über langjährige Prozesse beruflicher Praxis erworben. „Da die Objektivierung des Arbeitshandelns jedoch nicht nur durch die ‘äußere’ Gestaltung von Arbeitsbedingungen forciert wird, sondern auch durch Veränderungen in der beruflichen Sozialisation, werden die für ein subjektivierendes Handeln notwendigen Kompetenzen und Orientierungen quasi von zwei Seiten in einem sich wechselseitig verstärkendem Prozess aufgerieben“ (Boehle in: Moldaschl 2002, S.28). Als Folge dessen wird es notwendig, subjektivierendes Arbeitshandeln zu ermöglichen beziehungsweise zu fördern, während auf der anderen Seite die Maßgabe objektiv zu handeln zu begrenzen ist.

Inwiefern der Nutzen bzw. die einschränkenden Aspekte zu konsequenter Objektivierung tatsächlich in der Praxis vorherrschen und wo sich die in diesem theoretischen Teil getroffenen Feststellungen in der Praxis wieder finden lassen, soll nun Gegenstand des zweiten Teils sein. Die nachfolgenden Erläuterungen basieren dabei auf Interviews, welche in 13 verschiedenen Unternehmen geführt wurde und bis auf sprachliche Bereinigungen in Originalform dargestellt werden. Bei der Auswahl der Unternehmen wurde sich dabei bewusst nicht auf eine Branche bzw. Unternehmensgröße beschränkt, um im Umfang dieser kleinen qualitativen Untersuchung einen Einblick zu bekommen, wie in verschiedensten Bereichen mit dem erläuterten Thema umgegangen wird.

Zu Beginn dieses praktischen Teils soll das Augenmerk der Frage gewidmet werden, wo in den befragten Unternehmen Handlungsspielräume gegeben werden und wie diese Freiräume ausgestaltet sind.

4. Wo bzw. wie existiert Autonomie?

4.1. Vom Einfachen zum Komplexen

Die erste Erkenntnis, die sich aufgrund der Interviews eingestellt hat besteht darin, dass teilweise entgegengesetzt zu der eben zitierten These, nach welcher gerade dort, wo der Mensch als Subjekt gefordert ist, er nach objektiver Maßgabe zu handeln hat, eine Tendenz zu erkennen ist, welche auf den ersten Blick sich so nicht bestätigen lässt. Man kann, wie sich auch im Folgenden erkennen lässt, zwar schon davon ausgehen, dass die Tendenzen der Objektivierung gegeben sind, dass aber gerade in den standardisierten Tätigkeiten die Objektivierung sehr weit fortgeschritten ist, während im Spezialistenbereich, dort wo die Tätigkeiten äußerst komplex sind, die Freiräume zu handeln sehr groß sind. Nachfolgend seien diesbezüglich zwei Zitate (eines Standortpersonalleiters eines großen Luftfahrtkonzerns sowie eines seit Jahren international tätigen Organisationsberaters, Herrn Beloch) angeführt, welche diese Aussage stützen sollen:

Sie finden bei uns alle Freiheitsgrade die es nur gibt. Wir haben den klassischen Sachbearbeiter, den Mitarbeiter in der Fertigung, der überhaupt keine Freiheitsgrade hat, den Mann, die Frau in der Buchhaltung, die nur ganz bescheidene Freiheitsgrade hat, weil sie eben nach ganz bestimmten Regularien ihre Dinge erledigen müssen und abwickeln müssen, bis hin zu dem absoluten Spezialisten, in Sachen Radartechnik und in Sachen Softwareentwicklung oder Projektorganisation, der relativ große Freiheitsgrade hat, ja (B4, S.24).

Gestaltet haben wir die Freiheitsgrade natürlich tendenziell eher in den, sagen wir mal, Spezialistenbereichen, in Führungskräftebereichen. (B9, S.67).

Einen weiteren sehr wichtigen Gedanken, welcher sich auch tendenziell immer wieder in den nachfolgenden Ausführungen widerspiegeln wird, ist der von Herrn Dr. Goyk, dem Personalleiter zweier Standorte der Theo Müller GmbH:

Wenn es einfacher wird, nehme ich sie weg und geh auf Effizienz, wenn es komplex wird, dann gebe ich sie dazu, die Freiheitsgrade, weil mich eher die Effektivität, die Lösung überhaupt interessiert und erst in zweiter Linie die Effizienz. Und wenn ich die Lösung habe, dann geh ich auf Effizienz und sage jetzt muss ich standardisieren, jetzt muss ich Freiheitsgrade rausnehmen, sonst hab ich die sehr schöne Lösung, dauerhaft auf einem zu teueren Niveau und die ist dann auch nichts wert. (B9, S.79).

Wie man also sieht scheint es, als gebe es durchaus Freiheiten in den spezialisierten, komplexen Bereichen der Tätigkeit. Inwiefern diese aber dem Diktat der objektiven Maßgabe unterliegen, werden wir weiter unten sehen. Davor sollen jedoch noch weitere Aspekte angesprochen werden, welche die Freiräume der Mitarbeiter beeinflussen.

4.2. Funktionaler vs. Struktureller Freiraum

An dieser Stelle möchte ich auf die Aussage der Leiterin für strategische Projekte einer renommierten Unternehmens­beratung eingehen. In welcher Form Freiräume im Arbeitshandeln gewährt werden können ist ihrer Aussage nach davon abhängig, wie die Bereiche einer Organisation gestaltet sind. Die einfache aber doch einleuchtende Aussage hierzu lautet:

Je größer die Spielräume in der Organisation sind, desto enger sind sie in der Funktion und je größer sie in der Funktion sind, desto enger sind sie in der Organisation. Also da gibt es eine Art von – also das pendelt sich in einem Gleichgewicht ein. Und jetzt ist so die Frage, manches ist eben organisational geregelt und manches wird über die Funktion geregelt, also tatsächlich darüber, wie der Mitarbeiter sich verhält (B10, S. 86).

Dazu soll noch das darauf folgende Beispiel der Beraterin angeführt werden, um den Zusammenhang zu verdeutlichen:

(...) wir haben 200 Leute hier und es kommt nen Kunde. Und nehmen wir mal an, dass nicht geregelt ist, wer die Kundenaufnahmen macht. So, das würde heißen, Sie kommen hier rein und vertreten ne Firma und würden gerne ne Beratung haben. Sie kommen zu Frau Vogel an den Empfang und nehmen wir mal an, wir hätten nicht geregelt, wer solche Gespräche führt, solche Auftragsklärungsgespräche und das hieße jeder kann’s. Und da ist dann also ne organisational völlig große Freiheit da. Damit wir überlebensfähig wären, jetzt nur mal wären, müsste aber Frau Vogel – also wir nehmen an, jeder könnte Auftragsklärungsgespräche führen, dann müsste aber das Tool, wie führe ich ein Auftragsklärungsgespräch, das müsste hoch standardisiert sein (...). Jetzt mal anders herum, (...) die Organisation ist hochgradig kontrolliert geregelt, und am Empfang hat nur Frau Vogel was zu tun, sonst niemand, dann kann sie aber diesen Empfang, da sie ja ganz genau weiß, das ist hier mein Garten, dann kann sie überlegen, tanz ich, pfeif ich, stell ich Blumen auf oder wie – also wissen Sie, das ist dieser Punkt von Freiheit und je nachdem sprechen immer eher von der Struktur und es gibt eben strukturelle Rahmenbedingungen und ne gute Organisation hat beides. Da weiß man in etwa, wer macht die Beratung und wer macht den Empfang, und gleichzeitig gibt es Freiheitsgrade und aber auch nicht völlig. Also sie könnte sich jetzt auch nicht im Bikini hinsetzen, also das wär’ jetzt zu viel der Freiheit, auch wenn sonst niemand konkurriert mit diesem Gartenbeet, was sie da hat. Es gibt ein paar Verhaltensmaßregeln auch (B10, S.86f).

Hiermit sei erst mal dargestellt, dass das Ausmaß der Autonomie vor allem von der Komplexität der Tätigkeit an sich, aber auch davon, wie stark eine Organisation strukturell geregelt ist, abhängt. Sehen wir uns nun an, wie diese Freiräume genau aussehen.

4.3. Handlungs- und Entscheidungsfreiraum

Zu Beginn dieses Abschnittes soll darauf hingewiesen werden, dass es nicht immer leicht fällt zwischen Handlungs- und den Entscheidungsfreiräumen zu differenzieren. Dennoch soll diese Trennung an versucht werden um darauf aufmerksam zu machen, welche verschiedenen Aspekte der Freiheitsbegriff beinhalten kann. Diese werden im weiteren Verlauf vom Allgemeinen zum Speziellen hin aufzeigt. Mit dem folgenden Zitat von Herrn Heinkele, Produkt Manager der Unity Media GmbH sei zunächst einmal verdeutlicht, dass Handlungsspielräume in Organisationen prinzipiell notwendig sind.

(...) ich spreche jetzt erst mal davon wie es sein sollte. Dass das Topmanagement eine Strategie vorgibt und eine Mission und ne Vision und letztendlich die Ausgestaltung dessen oder die wirklich die operative Umsetzung der einzelne Mitarbeiter macht und da dann auch großen Handlungsspielraum hat oder haben muss, weil die Hierarchie sonst überlastet wird...(B1, S.1)

Damit soll klar werden, dass Freiräume in der Organisation des Arbeitshandelns immer gegeben sein müssen, um das Funktionieren eines Unternehmens überhaupt zu sichern. Als nächstes sei aber gleich verdeutlicht, dass diese Spielräume auch gesteuert bzw. kontrolliert werden müssen, um der durch „Vermarktlichung immanenten Maßlosigkeit“ (vgl. Kap. 2.3) entgegenzuwirken und ein Chaos abzuwehren. Dazu der Entwicklungsleiter des Bereichs Roof&Body von Webasto, Herr Vecchioni, sowie darauf folgend der stellv. CIO einer großen deutschen Messe:

Gut, also Handlungsspielräume versuchen wir zu gewähren so viel wie möglich, weil wir ansonsten ja die Kreativität dann einschränken und das ist gerade im Entwicklungsbereich schwierig. Auf der anderen Seite müssen wir dann natürlich entsprechend kontrollieren, ob die Projekte in die richtige Richtung laufen. Ob jetzt aus der Kostenseite, aus der Terminseite – aber den Rahmen müssen wir halt aufspannen für die Leute. Und wenn das dann mal geplant ist, haben die Mitarbeiter innerhalb dieser aufgesetzten Ziele maximalen Spielraum – und sollten auch haben (B11, S.96).

Innerhalb der Messen gibt es eine extrem hohe Handlungsfreiheit. Also es gibt viel, was über Deckungsbeitrag gesteuert wird. Nahezu alle anderen Bereichen zur Erreichung dieses Ziels, also welche Branchenschwerpunkte lade ich ein, wie positioniere ich mich am Markt, welche Teilnehmer spreche ich an, welche Eintrittspreise habe ich und so weiter, das ist völlig frei für das Projektteam selbst. Der Projektleiter gibt das Ziel im Endeffekt vor, was aber auch heißt, dass bei 40 verschiedenen Veranstaltungen 40 verschiedene Wege beschritten werden, also es gibt keinerlei Standards. Das kann man natürlich sehen wie man will (B2, S.6).

Es benötigt also beides, sowohl konkrete Steuerungsmechanismen also auch hohe Freiräume, um die Kreativität nicht einzuschränken und um die Potentiale der Angestellten zur Geltung kommen zu lassen. Einen nächsten wichtigen Bereich, wo Handlungsspielräume gewährt werden (müssen), formuliert ein Personalreferent eines großen Münchner Elektronikkonzerns folgendermaßen:

Also alles was nicht durch Prozesse, durch starre Regelungen vorgegeben ist, was der Auslegung bedarf. Also wenn Sie hier unsere zum Beispiel Forscher und Entwickler nehmen, dann sind da sicherlich unterschiedliche Tätigkeiten. Es gibt auch dort Tätigkeiten – aber abnehmend – also die einen geringeren Handlungsspielraum haben. Die Masse hat einen, eh, denke ich hohen Handlungsspielraum (B3, S.16).

Wurde zu Beginn der Arbeit auf die immer komplexeren Beziehungen in der Umwelt von Unternehmen hingewiesen, wird hier deutlich, dass die autonomen Bereiche zwangsläufig ansteigen mussten, um mit dieser erhöhten Komplexität, in welcher große Bereiche nicht mehr starr vorgegeben werden können, fertig werden zu können. Aus diesem Grund gilt es in diesem dynamischen Umfeld auch bewusst Freiheitsgrade in jeglichen Bereichen eines Unternehmens zu etablieren und vor allem auch Zeit zur Verfügung zu stellen um sich mit Veränderungen zu beschäftigen. Darauf verweisen auch die nachfolgenden beiden Zitate von Herrn Dr. Goyk, des Standortpersonalleiters bei Müller:

Freiheitsgrad bezieht sich ja auch häufig auf die Zeit, zum Beispiel habe ich überhaupt Zeit dafür und wann mach ich das (...). Und wir haben auch einen KVP-Prozess[2], wo dann Ideen eingebracht werden können – wenn man so will – wo wir sogar ein Zeitfenster geschaffen haben, wo mit Freiheitsgraden umgegangen werden kann. Also sagen wir mal so, wir haben eben gesagt, Freiheitsgrade gibt es überall, aber die irgendwann greifenden Restriktionen nehmen natürlich relativ schnell zu (B9, S.69).

Im Spezialistenbereich haben wir dann nicht ganz so die Restriktionen über Aufwände, aber schon noch über Finanzen. Ich kann nicht auf die Kostenseite was tun, aber Aufwandseite schon, so, wir setzen uns jetzt mal mit fünf Leuten zusammen für ne Stunde, im Zweifelsfall schickt er nur über Outlook nen Termin und fragt niemanden nach, warum er das macht. Also die Freiheitsgrade sind ja im Spezialistenbereich eigentlich alle da (B9, S.69).

Dass es aber gerade im Hinblick auf die Ressourcenbereitstellung zu Konflikten kommen kann, sei im Folgenden verdeutlicht. Es wurde ja bereits auf Unterscheidung zwischen Effektivität und Effizienz bzgl. der Gestaltung von Freiheitsgraden hingewiesen. Auf die Frage ob Freiheiten nicht schon viel früher und vor allem auch intensiver geben werden sollten antwortete Herr Dr. Goyk:

Wir haben eigentlich eher relativ hohe Freiheitsgrade, wir haben leider nur so ein paar strukturelle – sagen wir mal – Sachen, die dazu führen, dass die vielleicht zu wenig wirksam werden. Aber an sich haben wir viele Freiheitsgrade und auch von der Kultur her gestatten wir den Leuten, die zu nutzen. Nur wenn ich eben schon so hoch ausgelastet bin, von den Ressourcen, dann fällt es mir eben schwer, das Angebot auch wirklich aufzunehmen. Das ist immer wieder schwierig, die Reflexion mit dieser Effektivität und Effizienz, die ist allerdings nicht ganz einfach. Das ist wirklich – also da müssen wir mal über die internen Berater, so Leute wie Sie vielleicht, die sich mit solchen Themen intensiver beschäftigt haben oder wie ich, die müssen so etwas in die Reflexion des Unternehmens einbringen. Dafür gibt es eben solche Berufe auch, oder solche Qualifikationen, die sich mit so etwas beschäftigt haben. Es ist nicht so etwas, was spontan vorgeht. Weil es sind ja auch, es sind eher schwierige Konzepte muss ich sagen (B9, S.79).

Die Gestaltung von Freiräumen stellt also selbst ein äußerst komplexes Gebilde dar. Einfacher scheint dagegen die Frage nach der Gestaltung von Entscheidungsspielräumen, da hier der Spielraum zur ‘Raumgestaltung’ zu großen Teilen an den Mitarbeiter selbst weitergeleitet wird. Hierzu Herr Heinkele, Produktmanager bei Unity Media:

(...) also man trifft die Entscheidungen bis zu einem gewissen Grad natürlich selber, es gibt Entscheidungen die man selber treffen muss. Also die richtig wirklich wichtigen Themen, die essentiell die Firma betreffen, da ist natürlich das Topmanagement beteiligt (...). Es ist auch nicht festgelegt bei welchen Entscheidungen alles – eh wie man – also es ist einfach alles informell, wie man bei Entscheidungen mit einbezogen wird. Es ist einfach klar, bei welchen Entscheidungen man das Topmanagement mit einbezieht. Wenn ich beispielsweise einen neuen Kanal einkaufe, oder wenn ich den Preis von Sender-Angeboten ändere, dann kann ich das natürlich nicht selber machen (B1, S.1).

Der Mitarbeiter hat also selbst abzuwägen, welche Entscheidungen er selbst trifft und welche nicht. Dass es aber drastische Auswirkungen haben kann, wenn er falsch liegen sollte, darauf wird im Abschnitt 5.4.4, beim Umgang mit Risiko eingegangen. Dass zu viel Spielraum aber auch das Unternehmen als Ganzes gefährden kann, wird am folgenden Beispiel deutlich, wo es um ein stark expandierendes Unternehmen in der Ukraine geht, in welchem Herr Beloch als Organisationsberater tätig ist:

Der Grundgedanke ist – also ich will das und ich hoffe, viele meiner Kollegen in der Ukraine wollen das auch – dass wir so einen Zustand herstellen wollen, wo jeder Mitarbeiter in seinem Bereich wie ein selbstständiger Unternehmer handeln kann. Das macht der, das machen viele, das haben einige sogar übertrieben. Wir haben da angefangen, wirklich ganz selbstständig so einen neuen Unternehmensbereich aufgebaut – fürs mittlere Preissegment so eine Kette – und der Boss der da war, der hat das sehr wörtlich genommen was ich ihm erzählt hab und der hat dann gesagt so, jetzt mach ich mich mal selbstständig. Und dann haben die alle gesagt, jetzt machen wir da Profit-Center draus, also die Idee ist schon richtig. Und dann haben wir gemerkt die Idee war richtig, aber wir haben was vergessen. Wir haben nämlich gesagt, wir brauchen irgendwo zentrale Richtlinien, damit die dezentralisierten Profit-Center nicht total auseinander driften und vergessen, dass sie noch zu einer Holding gehören. So, jetzt sind wir gerade auf dem Rückweg, Stäbe zu zentralisieren – die haben alle mal gesagt, ich brauche keinen IT-Stabsmann, sondern ich mach’s selber. Ich brauch keinen juristischen Stab, ich kauf mir selber einen Juristen, ich bin ein Profit-Center, ich kann das machen. Und die Stäbe haben gesagt, wir können ja nicht nur euch bedienen, sondern wir wollen dann auch frei sein. Wir wollen unsere Leistungen nicht nur der eigenen Holding anbieten, sondern wir gehen damit auch auf den freien Markt. So, das ist also an sich eigentlich alles richtig gedacht gewesen, nur natürlich als Firma mit einer Identität, nicht mehr gut zusammen zu halten. So, das hat also auf den Plan gerufen, die Zentralisierer, es hat auf den Plan gerufen die Corporate-Identity-Leute, also die Leute die immer gesagt haben, jetzt müssen wir mal kucken was wir da tun, was die Group ist, nicht nur nach außen hin, sondern die auch nach innen hin, sozusagen identitätsstiftend zu restaurieren. Da sind wir jetzt (B12, S.104f.).

Ein weiterer Aspekt von Entscheidungsspielräumen kann sein, dass es nicht immer wünschenswert für einen Mitarbeiter sein muss, durch größere Spielräume mehr Entscheidungen treffen zu können. Darauf verweist folgende Ausführung der Leiterin strategischer Projekte einer renommierten Unternehmensberatung:

[...]


[1] Erläuterungen der Einleitung basieren auf den Ausführungen des Block-Seminars Entwicklungsperspektiven der Arbeit II, an der Universität Augsburg.

[2] Kontinuierlicher Verbesserungs Prozess

Final del extracto de 141 páginas

Detalles

Título
Dezentrale Steuerung und Selbstmanagement. Herausforderungen der Unternehmensführung
Universidad
University of Augsburg  (Extraordinariat für Sozioökonomie (Prof. Dr. Böhle))
Calificación
1,0
Autor
Año
2007
Páginas
141
No. de catálogo
V87252
ISBN (Ebook)
9783668333475
Tamaño de fichero
1350 KB
Idioma
Alemán
Notas
Originaltranskriptionen sind nicht in der Arbeit enthalten
Palabras clave
Neue, Herausforderungen, Management, Steuerung, Selbstmanagement
Citar trabajo
Thomas Luister (Autor), 2007, Dezentrale Steuerung und Selbstmanagement. Herausforderungen der Unternehmensführung, Múnich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/87252

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