Die Integration Schwedisch-Pommerns in den preußischen Staatsverband

Transformationsprozesse innerhalb von Staat und Gesellschaft


Doktorarbeit / Dissertation, 2005

296 Seiten, Note: 2


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einführung
1. 1 Aufgabenstellung
1. 2 Vorgehensweise
1. 3 Forschungsstand

2. Preußens Integrationspolitik im Schatten der schwedischen Landesherrschaft
2. 1 Die Genese eines vorpommerschen Sonderbewusstseins
2. 1. 1 Schweden und Pommern auf politisch-institutioneller Ebene
2. 1. 2 Schwedisch-pommersche Begegnungen auf gesellschaftlicher Ebene
2. 2 Schwedisch-Pommern unter dem Absolutismus Gustav IV. Adolfs
2. 2. 1 Schweden und Pommern im Zeichen der politischen Wandlungsprozesse gegen Ende des 18. Jahrhunderts
2. 2. 2 Die Bedeutung des Staatsstreichs von 1806
2. 3 Das Preußenbild in Schwedisch-Pommern
2. 4 Zusammenfassung

3. Integration auf staatlicher Ebene: Verfassung, Verwaltung und Rechtssystem
3. 1 Schwedisch-Pommern im Blickfeld preußischer Machtpolitik
3. 2 Die neuvorpommersche Verfassungsfrage
3. 2. 1 Staatsrechtliche Prämissen
3. 2. 2 Verfassungsdebatten auf regionaler und gesamtstaatlicher Ebene
3. 2. 3 Die Einführung der neuständischen Provinzialverfassung von 1823
3. 2. 4 Der neuvorpommersche Kommunallandtag von 1825
3. 3 Integration mittels Adaption der staatlichen Verwaltung
3. 3. 1 Die Errichtung des Regierungsbezirks Stralsund
3. 3. 2 Die Reorganisation der Behörden nebst Personal
3. 4 Der Versuch einer Rechtsangleichung
3. 4. 1 Organisationsbemühungen unter dem Regime Hardenbergs
3. 4. 2 Der Einfluss der allgemeinen Gesetzesrevision
3. 5 Oberpräsident Johann August Sack – Mittler zwischen Zentrum und Peripherie
3. 6 Zusammenfassung

4. Integration auf gesellschaftlicher Ebene: Veränderungen in Stadt und Land
4. 1 Die ländliche Welt
4. 1. 1 Die Wirksamkeit preußischer Agrar- und Sozialgesetzgebung
4. 1. 2 Die Regulierung des Hypothekenwesens
4. 1. 3 Fürst Wilhelm Malte zu Putbus – Exponent und Importeur preußischen Kultur- und Gedankengutes
4. 2 Die bürgerlich-städtische Welt
4. 2. 1 Die Reform der städtischen Verfassungen
4. 2. 2 Die Einführung des preußischen Zoll- und Steuersystems
4. 2. 3 Akademie zu Greifswald – Wissenschaft im Dienste des Staates
4. 3 Zusammenfassung

5. Schlussbetrachtung

6. Literatur- und Quellenverzeichnis
6. 1 Überblicksliteratur
6. 2 Literatur vor 1900
6. 3 Literatur nach 1900
6. 4 Quellenverzeichnis
6. 4. 1 Gedruckte Quellen
6. 4. 2 Ungedruckte Quellen

7. Anhang

1. Einführung

Am 23. Oktober 1815 ereignete sich in Stralsund ein für die Geschichte Pommerns und Preußens denkwürdiger Staatsakt.[1] Unter Anwesenheit lokaler Honoratioren übergab der schwedische Bevollmächtigte Generalleutnant Gustav Freiherr von Boye Schwedisch-Pommern, das fortan als Neuvorpommern bezeichnet werden sollte, an den preußischen Staatsminister und neuen Oberpräsidenten Pommerns Karl Heinrich Ludwig Freiherr von Ingersleben. Mit jenem Datum endete die 185- jährige Herrschaft Schwedens über die Region Vorpommern und Rügen. Nunmehr bildete Pommern als Ganzes erstmals seit dem Verlust seiner staatsrechtlichen Eigenständigkeit wieder ein politisch geschlossenes Territorium, wenngleich unter der Krone Preußens.

Der in Schwedisch-Pommern im Herbst 1815 stattfindende Regierungswechsel bezeichnete indes kein isoliertes Ereignis preußischer Innenpolitik, sondern vollzog sich im Kontext eines tiefgreifenden, in vielen europäischen Staaten stattfindenden Wandlungsprozesses. Zwischen 1750 und 1850 – jenem Zeitabschnitt, der auch als Europäische Sattelzeit bezeichnet wird – endete mit regional unterschiedlichem Tempo das Zeitalter absoluten Königtums, welches in Preußen mit der Regentschaft Friedrichs II. und in Schweden unter Gustav IV. Adolf seinen letzten Höhepunkt erfahren hatte. Europas überwiegend agrarisch-geprägte Ständegesellschaften begannen sich zu industriellen Massengesellschaften mit kodifizierten Rechts- und Wirtschaftssystem zu entwickeln.[2]

Preußen begegnete dem durch Aufklärung, Modernisierung und Revolution ausgelösten Zeitenwandel[3] mit eher defensiven Strategien. Zur Erneuerung von Staat und Gesellschaft entschied sich die oberste Administration für den Weg der Reform.[4] Im Jahr der totalen militärischen Niederlage gegen die napoleonischen Armeen, am 12. September 1807, formulierte Karl August von Hardenberg im königlichen Auftrag seine Gedanken zur Reorganisation des Staates.[5] Das auch als Rigaer Denkschrift[6] in die Geschichte eingegangene Schriftstück stellte, neben der vom Reichsfreiherrn vom und zum Stein im Juni 1807 verfassten Nassauer Denkschrift,[7] das intellektuelle Fundament des preußischen Reformwerks dar. Als Gegenentwurf zur Französischen Revolution konzipiert, zielte Hardenbergs Schrift auf eine Reorganisation des preußischen Staatswesens durch von oben gelenkte Reformen ab. Zwei Hauptaufgaben deklarierte er dabei: Erstens die Wiedererlangung äußerer Stärke und Unabhängigkeit sowie zweitens die Reform der inneren Grundverfassung. Nach seiner Ansicht konnte ein derartiges Vorhaben nur mittels einer Radikalkur aller gesellschaftlichen und staatlichen Instanzen gelingen. Hauptaugenmerk lag dabei auf der Beseitigung des ständischen Systems. Der Ausgleich zwischen den verschiedenen gesellschaftlichen Gruppen sollte zu einer Wiederbelebung des Staates führen. Letztlich beabsichtigte Hardenberg mit seinem politischen Konzept das monarchische Staatsprinzip grundsätzlich, jedoch in modifizierter Form, am Leben zu erhalten.[8]

Im Herbst 1815 trat Schwedisch-Pommern somit einem Staatsverband bei, der zwar wieder zu äußerer Stärke gefunden hatte, aber dessen innere Verfasstheit keineswegs gefestigt war. Weder waren die Reformen zu einem erfolgreichen Ende gelangt, noch hatte das Königreich Preußen sein Territorium (verfassungs-)rechtlich und ökonomisch geeint. Vielmehr führten die umfangreichen Gebietszuweisungen des Wiener Kongresses dazu,[9] dass die Berliner Regierung ihre Gesetzgebung in einem weit größeren Rahmen durchsetzen musste. Neuvorpommern gehörte deshalb zu jenen neuerworbenen Provinzen, die neben dem Wechsel der Landesherrschaft zugleich umfangreiche Modernisierungsmaßnahmen zu verkraften hatten.[10] Gleichwohl hatten das westliche Vorpommern und Rügen auch unter der Hoheit Schwedens erste Erfahrungen mit staatlich veranlassten Reformen gemacht. Allerdings konnten die schwedischen Initiativen nicht die gleiche Wirkung entfalten, wie sie etwa die Reformgesetzgebung in den preußischen Provinzen zeitigte. Nach 1815 war demzufolge die Modernisierung im alten (ehedem preußischen) Pommern weiter vorangeschritten, als im neuen (vormals schwedischen) Landesteil. Angesichts der angestrebten Wiedervereinigung Pommerns in den Grenzen einer preußischen Provinz erhöhte sich somit für Schwedisch-Pommern noch die Notwendigkeit eines umfassenden Wandels.

1. 1 Aufgabenstellung

Die zentrale Aufgabenstellung der vorliegenden Dissertation ist es, die Integration Schwedisch-Pommerns in das staatliche und gesellschaftliche Gefüge Preußens vor dem Hintergrund der zur gleichen Zeit ablaufenden Wandlungsprozesse detailliert aufzuzeigen. Anhand ausgesuchter Gesetzesvorhaben wird darzulegen sein, dass die Eingliederungspolitik Preußen nicht nur eine rein administrative Adaption und sozioökonomische Reorganisation Schwedisch-Pommerns zum Ziel hatte, sondern desgleichen die Wiedervereinigung des durch Traditionen verbundenen Gebietes Pommern beabsichtigte. Einhergehend damit gilt es die Frage zu beantworten, ob und inwieweit es dem preußischen Staat gelang, Schwedisch-Pommern in die administrativen, wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Strukturen des Gesamtstaates einerseits und der Provinz Pommern andererseits zu integrieren.

1. 2 Vorgehensweise

Schwedisch-Pommerns Integration in den preußischen Staatsverband berührt in unterschiedlicher Weise Forschungsaspekte der regionalen, nationalen und europäischen Geschichte des 18. und 19. Jahrhunderts. Zur Darstellung der Wechselwirkungen zwischen diesen historischen Mikro- und Makrodimensionen ist es daher notwendig, den thematischen, zeitlichen und geographischen Rahmen genau zu definieren.[11]

Im Mittelpunkt der folgenden Betrachtung steht die Insel Rügen sowie das westliche Vorpommern nördlich des Flüsschens Peene. Eine Region, welche in etwa den östlichen Landkreisen des heutigen Bundeslandes Mecklenburg-Vorpommern entspricht.[12] Wechselnde Landesherrschaften und die damit einhergehenden Grenzverschiebungen seit dem Dreißigjährigen Krieg führten zur Herausbildung mannigfacher Bezeichnungen für die Geschichtslandschaft Vorpommern. Mit Schwedisch-Pommern ist prinzipiell das bis 1815 unter schwedischer Hoheit stehende Territorium gemeint. Demgegenüber werden die zu Brandenburg-Preußen gehörende Teile Vorpommerns einschließlich Hinterpommerns als Preußisch- Pommern benannt. Nach 1815 setzte sich diese Namensteilung innerhalb Vorpommerns fort, indem zwischen neuem (Neuvorpommern) und älterem (Altvorpommern) Landesteil differenziert wurde.[13]

Den zeitlichen Bezugspunkt der vorliegenden Dissertation bildet das Jahr 1815. Es interessieren vorrangig die unmittelbaren Effekte des in Schwedisch-Pommern stattfindenden Regierungswechsels. Ausdrücklich muss der Übergang von Schweden zu Preußen aber als ein Prozess verstanden werden. So erstreckte sich die Phase der Transformation im engeren Sinne auf den auch als Vormärz (1815-1848) bezeichneten Zeitabschnitt deutscher Geschichte, wobei einzelne Rück- und Vorgriffe in das 18. beziehungsweise 20. Jahrhundert durchaus erforderlich sind. Zielsetzung ist es hingegen nicht, eine rein chronologische Abhandlung über die historischen Ereignisse zu verfassen.

Die Konzentration auf das Jahr 1815 erfordert eine Teilung der Arbeit. In einem ersten Schritt (Kapitel 2) wird auf die Prämissen der preußischen Machtübernahme in Schwedisch-Pommern eingegangen. Zu klären gilt, welche Spuren die schwedische Landesherrschaft sowohl in Politik und Wirtschaft, als auch im Bewusstsein der Einwohner Vorpommerns hinterließ. Besondere Beachtung soll dabei der Staatsstreich des Schwedenkönigs Gustav IV. Adolf von 1806 finden. Zudem wird in einem eigenen Abschnitt die Sichtweise der schwedischen Pommern auf das benachbarte Preußen dargelegt. Kapitel 3 und 4 thematisieren schließlich den eigentlichen Eingliederungsvorgang. Aus methodischer Sicht erweist sich eine solche Zweiteilung als sinnvoll. Bietet es doch die Möglichkeit eines Vergleichs schwedischer und preußischer Integrations- und Reformstrategien.

Neben der Gliederung nach chronologischen Gesichtspunkten werden thematische Schwerpunkte gesetzt. Durch die Zusammenführung von regionalen, nationalen und europäischen Entwicklungssträngen wird eine komparative und damit letztlich bewertende Analyse der in Schwedisch-Pommern und später in Neuvorpommern stattfindenden Integrations- und Transformationsprozesse möglich. Auf regionaler Stufe erfolgt die stete Gegenüberstellung des schwedischen und preußischen Vorpommerns. Jeder Landesteil hatte differente Erfahrungen mit den Eingliederungs- und Reformbestrebungen der jeweils übergeordneten Landesherrschaft gemacht. Entsprechend unterschiedlich begegneten Altvor- und Neuvorpommern den staatlichen Maßnahmen nach 1815. Um qualifizierte Aussagen, über Hergang und Ergebnis preußischer Integrations- und Reformpolitik in Neuvorpommern treffen zu können, werden die zeitgleich ablaufenden Prozesse in den 1815 ebenfalls von Preußen neuerworbenen Territorien zum Vergleich herangezogen. Zu nennen, sind hier vorrangig die Eingliederung der Rheinlande und Westfalens. Es wird insbesondere auf die Parallelität der Entwicklungsgänge hinzuweisen sein. Nicht nur Vorpommerns Zugehörigkeit zu Schweden und Preußen, sondern auch die grenzübergreifende Dimension des allgemeinen gesellschaftlichen Wandels erfordert schließlich die Einbeziehung einer europäischen Ebene. Am Beispiel Schwedisch-Pommerns offenbaren sich verschiedene Modernisierungskonzepte einzelner Staaten.

Aufgrund der Komplexität des Integrations- und Transformationsprozesses insgesamt findet zwischen den beiden Hauptkapiteln außerdem die Unterteilung in eine gesellschaftliche und staatliche Ebene statt. Nicht zuletzt kann damit der zu Beginn des 19. Jahrhunderts noch nicht existierenden, engen Verschmelzung von Gesellschaft und Staat Rechnung getragen werden. Die Analyse der staatlichen Ebene (Kapitel 3) hat zum Ziel, die Auswirkungen des Regierungswechsels auf Verwaltung, Rechts- und Justizwesen sowie Verfassung darzulegen. Schwerpunkte bilden hierbei die Einrichtung des Stralsunder Regierungsbezirks im Rahmen der preußischen Provinz Pommern, die Rechtsangleichung unter anderem in Form der Einführung des Allgemeinen Landrechts und die Konstituierung ständischer Landtage. Auf gesellschaftlicher Ebene (Kapitel 4) wird zwischen ländlichem und städtischem Raum unterschieden. Diese Aufteilung ergibt sich zum einen aus den verschiedenen Arbeits- und Lebensbedingungen der Menschen in Stadt und Land. Zum anderen differenzierten auch die preußischen Reformen selbst, wegen der noch immer vorhandenen ständischen Gliederung der Gesellschaft, zwischen beiden Lebenswelten. Mittels Darstellung ausgewählter Reformgesetze soll auf die Umbrüche hingewiesen werden, die die Bevölkerung Neuvorpommerns während des Integrations- und Transformationsprozesses zu verkraften hatte. Hierdurch können die jeweiligen Reaktionen, Stimmungslagen und Befindlichkeiten von Adel, Bürgertum und Bauern sichtbar gemacht werden. Das individuelle Erleben, der in Vorpommern zu Beginn des 19. Jahrhunderts sich ereignenden Wandlungen, verdeutlichen die Ausführungen zu namhaften Persönlichkeiten in jeweils eigenen Kapiteln.

Um der komplexen Aufgabenstellung gerecht zu werden, liegt dieser Dissertation eine breitangelegte Auswertung von Quellenmaterial zugrunde. Aussagekräftige Aktenbestände, die für diese Arbeit benutzt wurden, befinden sich in folgenden Archiven: Vorpommersches Landesarchiv Greifswald, Geheimes Staatsarchiv Preußischer Kulturbesitz in Berlin/ Dahlem, Reichsarchiv (Riksarkivet) Stockholm, Staatsarchiv Stettin (Archivum Panstwowe w Szczecinie) und Stadtarchiv Stralsund.

Im Vorpommerschen Landesarchiv lagert ein Großteil an Dokumenten der ehemaligen Verwaltungseinrichtungen Pommerns. Repositur 65 c beinhaltet etwa die nahezu vollständige Registratur der Stralsunder Bezirksregierung in der Zeit von 1818 bis 1932. Hier finden sich unter anderem die Personalakten des Generalgouverneurs Fürst zu Putbus (Rep. 65c Nr. 515), Gutachten und Materialien über die Regulierung der gutsherrlich- und bäuerlichen Besitzverhältnisse in Neuvorpommern 1848/1850 (Rep. 65c Nr. 2501) oder Geschäftsanweisungen für die pommerschen Oberpräsidenten, Konsistorien und Regierungen (Rep. 65c Nr. 403). Ebenso interessieren die Bestände des Stettiner Oberpräsidiums, welche unter der Repositur 60 aufbewahrt sind. Als Schnittstelle zwischen Berliner Staatsministerium und lokalen Regierungen war das Oberpräsidium unmittelbar in jeglichen Schriftverkehr involviert. Entsprechend viele Informationen ließen sich diesem Aktenbestand entnehmen; so beispielsweise die Dokumente zur Organisation und Einführung der Regierung zu Stralsund (Rep. 60 Nr. 296) oder die Gutachten zwecks Einführung der Preußischen Gesetze und Gerichtsverfassung in Neuvorpommern (Rep. 60 Nr. 226). Neben diesen Quellen finden sich im Vorpommerschen Landesarchiv Akten der Regierungen Stettin und Köslin.

Die im Geheimen Staatsarchiv Preußischer Kulturbesitz in Berlin/ Dahlem aufbewahrten Akten geben vor allem Aufschluss über die Arbeit der obersten Staatsorgane Preußens. Ausgewertet wurden hauptsächlich die Dokumente des Geheimen Zivilkabinetts (I. Hauptabteilung Repositur 89) sowie die Sitzungsprotokolle und Akten des Staatsministeriums (I. Hauptabteilung Repositur 90). Zur Auffindung der Quellen diente die von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften herausgegebene Regestensammlung „Acta Borussica“.[14] Insbesondere zur Einführung der preußischen Gesetze in den neuerworbenen Provinzen war in den Beständen des Geheimen Staatsarchivs umfangreiches Quellenmaterial nachzuweisen.

Da in einem ersten Kapitel die schwedische Zeit Vorpommerns näher zu untersuchen ist, vorrangig der Staatsstreich von 1806, musste eine Sichtung der in Schweden lagernden Akten erfolgen. Unter der Bezeichnung „Pommeranica“ befindet sich im Stockholmer Reichsarchiv der komplette Schriftverkehr zwischen dem skandinavischen Königreich und seinen ehemaligen deutschen Besitzungen. Daneben waren einzelne Personalakten (Ruuthska Samlingen) und Dokumente des „Außenministeriums“ (Pommerska expeditionen/ Utrikesexpeditionen) von Belang.[15]

Weit weniger ergiebig waren die Bestände der Archive Stralsund und Stettin. Trotzdem ließen sich hier aussagekräftige Quellen, beispielsweise Beschwerdebriefe der neuvorpommerschen Ritterschaft (Stettin, NPPP 1297) und zeitgenössische Zeitungen (Stralsund E4 375.47), ausfindig machen.

1. 3 Forschungsstand

In jüngerer Zeit ist die Geschichts- und Kulturlandschaft Pommern wieder stärker zum Gegenstand historiographischer Untersuchungen geworden. Die Ausweitung der Europäischen Integration auf die Länder Osteuropas sowie die Wiederentdeckung des Ostseeraumes haben das Interesse für das Land am Meer wachsen lassen.[16] So sind seit Anfang der 1990er Jahre zahlreiche Studien zur Geschichte Pommerns erschienen, wobei die Publikationen des Historischen Instituts der Universität Greifswald besonders hervorhebenswert sind.[17]

Zur Eingliederung Schwedisch-Pommerns in den preußischen Staatsverband wurden Forschungsergebnisse vorrangig zu einzelnen Themenbereichen, zumeist in Aufsatzform, veröffentlicht. Fragen zur Verfassungs-, Verwaltungs- und Wirtschaftsgeschichte stehen dabei oftmals im Vordergrund. Wichtige Beiträge sind hier die von Joachim Wächter, Helmut Backhaus und Harald Lutter.[18] Thematisch gleichgelagert, aber umfangreicher sind die Studien[19] von Manfred Reißland und Fritz Glaser zur Ständepolitik oder die Arbeit[20] von Carl Johannes Fuchs über die Bauernbefreiung in Neuvorpommern. Diese Untersuchungen enthalten zwar erste qualifizierte Aussagen, entsprechen aber nicht mehr dem neueren Forschungsstand. Ausgenommen davon ist der jüngst erschienene, rechtsgeschichtliche Beitrag von Anja Tews, die in ihrer Dissertation detailliert die Einführung der preußischen Strafgesetze in Neuvorpommern darlegt.[21] Neben diesen eher klassischen Problemfeldern historischer Forschung sind auch die Aspekte zur Identität und kulturellem Wandel dargelegt worden. Gerade die Habilitationsschrift von Kyra T. Inachin hat sich in diesem Zusammenhang ausführlich mit der Konstruktion der preußischen Provinz Pommern auseinandergesetzt.[22]

An einer umfassenden Gesamtdarstellung mangelt es indes nach wie vor. Verantwortlich dafür mag auch das Fehlen des Untersuchungsgegenstandes selbst sein. Neuvorpommerns administrative Eigenständigkeit endete 1932 mit der Angliederung an den Stettiner Regierungsbezirk. Bedingt durch die Folgen des Zweiten Weltkrieges verschwand Vorpommern, wie auch Pommern als Ganzes, schließlich völlig von der politischen Landkarte. Hinzu kam, dass die den Integrationsprozess dokumentierenden Akten sich auf verschiedene Archive in Deutschland, Polen und Skandinavien verteilten und vor 1989/90 der Wissenschaft eine ungehinderte Quellensichtung nur bedingt möglich war. Aber auch die ältere Historiographie des 19. und zu Beginn des 20. Jahrhunderts zeigte nur wenig Interesse an einer ausführlichen Erforschung des Regierungswechsels von 1815. Wurde anfangs Schwedens Einflussnahme in Pommern ganz im Geiste einer borussophilen Geschichtsschreibung ausgeblendet und die Kontinuität preußischer Landesherrschaft herausgestellt,[23] fand später zumeist eine strikte Trennung zwischen schwedischer und preußischer Zeit statt.[24] Gerade durch letztere Vorgehensweise wurden jedoch die Wechselwirkungen beider „Epochen“ vernachlässigt und somit die Wahrnehmung für die weitere, besondere Entwicklung Neuvorpommerns im 19. Jahrhundert eingeengt. Das Verständnis dafür, dass die Schwedenzeit vielfältige Spuren hinterließ, welche später die Politik der Berliner Administration nicht unwesentlich beeinflusste, setzte sich erst in jüngerer Zeit durch. Werner Buchholz etwa verweist in seinem Aufsatz zum Ende der Frühen Neuzeit in Pommern auf den größeren Rahmen der allgemeinen Wandlungsprozesse um 1800.[25]

Wie dargelegt, ist der in Schwedisch-Pommern im Jahr 1815 stattfindende Regierungswechsel nicht nur Teil pommerscher Landesgeschichte, sondern ebenso auf das engste mit der Historiographie Europas und Preußens verbunden. Daher ist eine Berücksichtigung der entsprechenden Forschungsergebnisse unumgänglich. Seitens der schwedischen Geschichtswissenschaft besteht nur ein untergeordnetes Interesse an den Vorgängen in Vorpommern zu Beginn des 19. Jahrhunderts. Viele skandinavische Studien bauen zudem auf dem deutschen Forschungsstand auf und beschränken sich ganz auf die Zeit schwedischer Landesherrschaft in Deutschland.[26] Gründe dafür sind sicherlich in dem erschwerten Zugang zu entsprechenden Archivalien zu sehen.[27] Einzelne Darstellungen, wie die zum Staatsstreich von 1806 durch Lars Dalgren,[28] sind davon ausgenommen.

Ziel dieser Dissertation ist es, auch einen Beitrag zur preußischen Geschichte des 19. Jahrhunderts zu leisten. Während die Integrations- und Reformpolitik in Neuvorpommern zumeist nur am Rande Erwähnung findet,[29] ist zu anderen Regionen, die im gleichen Zeitraum ebenfalls in den preußischen Staat eingegliedert wurden, weit umfangreicher geforscht worden. So ist im Auftrag der Preußischen Historischen Kommission eine Aufsatzsammlung erschienen, die sich ausschließlich mit der Integration neugewonnener Gebiete im 18. und 19. Jahrhundert auseinandersetzt.[30] Darin wird der Versuch unternommen, die Eingliederung einer Vielzahl ehemaliger deutscher Kleinstaaten in den sich vom absoluten Herrschaftsprinzip lösenden und zu einem modernen Verwaltungsstaat wandelnden Staat Preußen darzustellen. In diesem von seiner Zielsetzung bislang einmaligen Sammelband bleiben jedoch die wichtigen Provinzen Ost- und Westpreußen, Posen und auch Pommern unberücksichtigt. Einzelne Aufsätze bieten aber dennoch eine bedeutungsvolle Arbeitsgrundlage.

Schließlich ist zu resümieren, dass der Forschungsstand einzelner Themenbereiche, wie zur Bauernbefreiung oder der Konstituierung einer neuständischen Verfassung, sehr dicht ist. Die Darstellung finanz- und rechtspolitischer Integrationsmaßnahmen beruht dagegen zu großen Teilen auf archivarischem Quellenmaterial.

2. Preußens Integrationspolitik im Schatten der schwedischen Landesherrschaft

Die innere Entwicklung Schwedisch-Pommerns[31] seit dem Ende des Nordischen Krieges 1720 trug maßgeblich Verantwortung für Charakter und Verlauf der Integration des Landes in den preußischen Staat nach 1815. Unter Einbeziehung der Landung des legendären Schwedenkönigs Gustav Adolf am 30. Juli 1630 auf Usedom stand die Region Vorpommern und Rügen gut 185 Jahre unter schwedischem Einfluss. Im Herbst 1815 übernahm Preußen folglich einen Landstrich, dem preußische Administration, preußisches Recht, preußisches Wirtschaften und Leben gänzlich unbekannt waren.

In Hinterpommern hingegen war dies nicht der Fall. Von Beginn an erlebte jener Teil Pommerns das Werden und Wachsen des preußischen Staates als ein integrativer Bestandteil mit. Martin Schoebel bezeichnete die Entwicklungen in Hinterpommern als geradezu beispielhaft für den tiefgreifenden Wandlungsprozess Brandenburg-Preußens im 17. und 18. Jahrhunderts.[32] Insbesondere die absolutistische Regierungsweise der preußischen Könige prägte das Bewusstsein der Landeseinwohner. Die Unterdrückung des landständischen Regiments, sowie die feste Einbindung des Adels und der Landbevölkerung in Militär und Bürokratie, die Auseinandersetzung zwischen dem im Luthertum tief verwurzelten Hinterpommern und dem Calvinismus des Herrscherhauses stellen nur einige Aspekte dieses vielschichtigen Wandlungsprozesses dar.

Verantwortlich für die unterschiedlich verlaufenden Entwicklungen in Vor- und Hinterpommern waren die Bestimmungen des 1648 abgeschlossenen Friedensvertrags von Osnabrück. Das seit dem Tod Bogislaw XIV. 1637 herrscherlose Herzogtum Pommern wurde nach dem Ende des Dreißigjährigen Krieges unter der Krone Schwedens und dem brandenburgischen Kurfürsten aufgeteilt. Beide Monarchen traten die offizielle Rechtsnachfolge des erloschenen pommerschen Herzogsgeschlechts an. Während Hinterpommern dem Kurfürstentum Brandenburg zugesprochen wurde, erhielt Schweden Vorpommern und Rügen, sowie einige weitere deutsche Besitzungen, die es allerdings im Zuge seiner gescheiterten Großmachtpolitik stückweise bis 1720 verlor.[33] Mit der Besitzergreifung deutscher Territorien geriet der schwedische König zugleich in den Rang eines deutschen Reichsfürsten. Damit verfügte er über Sitz und Stimme im deutschen Reichstag. Schwedisch-Pommern gehörte völkerrechtlich zwar zu Schweden, verblieb aber aufgrund lehnrechtlicher Bindungen im Verbund des Heiligen Römischen Reiches deutscher Nation. Bis 1806 lautete daher der offizielle Titel: Herzogtum Pommern königlich schwedischen Anteils.

Im folgenden Kapitels wird es Aufgabe sein, die Auswirkungen dieser eigentümlichen staatsrechtlichen Zwitterstellung Schwedisch-Pommerns darzustellen und in den Zusammenhang mit der ab 1815 erfolgenden Eingliederung in den preußischen Staat zu setzen. Der stete Vergleich mit dem preußischen Teil Pommerns soll die divergente Entwicklung beider Landesteile vor Augen führen. Während zunächst (Kap. 2. 1) die unter der schwedischen Landesherrschaft stattgefundenen staatlichen und gesellschaftlichen Gegebenheiten erläutert werden, folgt in einem weiteren Schritt (Kap. 2. 2) die für Preußen nicht unwichtige Pommernpolitik des Schwedenkönigs Gustav IV. Adolf. Daran anschließend (Kap. 2. 3) interessiert die Wahrnehmung Preußens in Schwedisch-Pommern vor dem Jahr 1815, um daraus erste Schlüsse auf die Akzeptanz des neuen Landesherrn Preußen zu ziehen.

2. 1 Die Genese eines vorpommerschen Sonderbewusstseins

Ein Gedicht von Ludwig Gotthard Kosegarten (1758-1818) beschreibt auf prägnante Art und Weise die Gefühlslage der Menschen in Schwedisch-Pommern unmittelbar nach dem Wechsel der Landesherrschaft. Im Namen der Studierenden der Universität Greifswald widmete Kosegarten am 27. November 1815 dem ersten Oberpräsidenten der Provinz Pommern Freiherr von Ingersleben (1753-1831) folgende Verse:

„Was Gott zusammengefügt, das soll der Mensch nicht scheiden! Hinfort soll Pommern nicht zwiespältig Pommern neiden; Ewig sei eins hinfort, was Sprach` und Abkunft eint! Wohl unter den drei Kronen Ließ sich´s gemächlich wohnen; Doch mag das Band nicht dauern, Was die Natur verneint.“[34]

Die Intention des Verfassers ist nur zu deutlich. Mit einer Anspielung auf das schwedische Wappen, das seit der Kalmarer Union von 1297 die Verbindung der drei skandinavischen Königreiche versinnbildlicht, verwies Kosegarten auf die eigentümliche Tradition der Region Vorpommern und Rügen. Zugleich war es ein Appell des Dichters an den neuen Landesherrn Preußen, auf die Eigenheiten des ehemaligen schwedischen Pommerns Rücksicht zu nehmen. Der Dichter wusste um die Prägekraft der 185 Jahre Schwedenzeit; und er ahnte, dass eine Eingliederung des Landes in den preußischen Staat nicht ohne Reibungsverluste zu absolvieren war. Schließlich beruhte die Verbindung Vorpommerns mit Schweden nicht allein auf Gesetzen, sondern auch zu einem Großteil auf wirtschaftlichen und kulturellen Beziehungen. Die Überwindung vorpommerscher beziehungsweise schwedischer Rechts- und Verwaltungsnormen bildete daher nur einen Teil der von Preußen zu leistenden Integrationspolitik. Insofern ist es von Bedeutung neben der politisch-institutionellen Ebene, gleichfalls die mentale Sphäre des schwedisch-pommerschen Verhältnisses eingehend zu betrachten. Beide Ebenen beeinflussten auf ganz unterschiedliche Weise das Bewusstsein, die Identität der vorpommerschen Landeseinwohner.

2. 1. 1 Schweden und Pommern auf politisch-institutioneller Ebene

Kosegartens Verse waren die Reminiszenz an eine Zeit, deren ausdrückliches Charakteristikum die Kontinuität im öffentlichen Leben darstellte. Das Einfrieren der politischen Verhältnisse auf den Stand kurz nach dem Ende des Dreißigjährigen Krieges manifestierte sich in der Landständischen Verfassung. Typisches Merkmal dieser frühneuzeitlichen Verfassungsform war das Nebeneinander von Landesherrschaft und Ständeverwaltung. An der Spitze der landesherrlichen Verwaltung Schwedisch-Pommerns stand der Generalgouverneur in der Funktion als königlicher Stellvertreter. Zu seinen Aufgaben zählte insbesondere die Repräsentation des Landes nach innen und nach außen. Unter dem Generalgouverneur standen die traditionellen, noch aus herzoglicher Zeit stammenden Oberbehörden: Regierung, Hofgericht und Konsistorium. Während der Schwedenzeit kamen noch besondere Behörden für die Finanz- und Militärverwaltung hinzu. Der der Stralsunder Regierung zugeordneten Provinzialkammer oblag die Aufsicht über alle königlichen Steuern und Abgaben. Direkt dem Kriegskollegium in Stockholm zugeordnet waren die pommerschen Garnisonen. Lediglich deren Versorgung übernahm die Provinzialkammer mit. Die Gerichtsbarkeit in erster Instanz übte im Herzogtum Pommern königlich schwedischen Anteils ein Hofgericht aus. Es war die übergeordnete Gerichtsbarkeit für alle Patrimonial-, Stadt- und sonstigen Gerichte. Daneben existierte als Besonderheit ein Oberappellationsgericht. Die Einrichtung des in Wismar ansässigen Tribunals ergab sich durch die Bestimmungen des Osnabrücker Friedensvertrages. Schweden besaß das „privilegium de non appellando“ für seine deutschen Besitzungen. Jedem deutschen Untertan wurde dadurch garantiert, nicht von einem schwedischen Gericht abgeurteilt zu werden. Bei Klagen gegen den Landesherrn konnten die Untertanen zwischen dem Reichskammergericht oder dem Reichshofrat wählen – „privilegium electionis fori“.[35]

Ein weiteres Merkmal der Landständischen Verfassung war das Fortbestehen eigener ständischer Versammlungen und die strikte Einteilung der Gesellschaft in Stände. In Schwedisch-Pommern existierten drei Stände: die Prälaten, die Ritterschaft und die städtischen Magistrate. Infolge der militärischen Niederlagen gegen Brandenburg-Preußen verzichtete Schweden aber 1679 zu dessen Gunsten auf seine vier Prälaturen, so dass im schwedischen Teil Pommerns der erste Stand an Bedeutung verlor. Dem Großteil der Landeseinwohner, die zur überwiegenden Zahl in der Landwirtschaft tätig waren, wurde die Landstandschaft verweigert. Somit lagen die Geschicke des Landes in den Händen einiger weniger adliger Gutsbesitzer und wohlhabender Kaufleute. Dieser kleine elitäre Kreis organisierte sich in Landtagen, die immer dann einberufen wurden, wenn es um die Verhandlung steuer- und verfassungsrechtlicher Angelegenheiten zwischen Krone und Landständen ging. Neben dem Landtag existierte noch der Landkasten. Über diese zentrale Hebungs- und Rechnungsbehörde wickelten die Stände alle nicht von der Provinzialkammer verwalteten Finanzangelegenheiten ab.[36]

Das konstitutionelle Gefüge Schwedisch-Pommerns untermauerte der Artikel X. § 16 des Osnabrücker Friedensvertrages, indem er die Landständische Verfassung fest in der deutschen Reichsverfassung verankerte. Auf diese Weise erhielten die Landstände eine wirksame Waffe gegen die schwedische Krone. Unter Androhung einer Klage vor den Reichsgerichten vermochten sie mögliche absolutistische Bestrebungen deutlich in die Schranken zu weisen. Um dem vorzubeugen bestätigte der neue Landesherr gleich bei der Inbesitznahme Vorpommerns den Ständen ihre in der Vergangenheit wohlerworbenen Freiheiten, Güter, Rechte und Privilegien. Diese Zusage bestimmte in der Folgezeit maßgeblich das Verhältnis zwischen den vorpommerschen Ständen und der Krone Schwedens.[37]

Die Landständische Verfassung basierte auf einer Vielzahl von Verträgen, Anordnungen, Landtagsabschieden, Resolutionen und Kommissionsrezessen. Ein einheitliches und allgemeingültiges Recht in Form eines Gesetzbuches existierte nicht. Grundpfeiler der Verfassungsordnung waren die Schwedisch-Pommerschen Regimentsreform vom 17. Juli 1663, die Gouvernements-Kanzlei-Ordnung vom 9. März 1669 und die Tribunalsordnung von 1653. Bis zum Jahr 1806 machten diese Verordnungen die staatsrechtliche Grundlage des Landes aus.[38]

In erster Linie gereichte die Vielfalt und Konfusion der Rechtsvorschriften den Landständen zum Vorteil. Aus der eigenwilligen Interpretation des geltenden Rechts generierten sie diverse Privilegien. Mehr als deutlich bekam die schwedische Administration diese juristische „Sachkundigkeit“ der vorpommerschen Stände zu spüren. Exemplarisch mag hier die Schilderung des für Pommern zuständigen Staatssekretärs in der Stockholmer Regierung Nils Bark sein. Er beschrieb dem Generalgouverneur Schwedisch-Pommerns Graf Ruuth seine Erfahrungen mit den vorpommerschen Landständen wie folgt: „[…] större advocater än Herrar Pomeranikare har jag aldrig känt. De skrifva externer om alting och kunna skrifva per secula seculorum utan att tröttna.“[39] Neben den juristischen Schwierigkeiten stellte die sprachliche und geographische Distanz eine für die schwedische Staatsmacht nicht zu unterschätzende Hürde dar, um ihren Einfluss in Vorpommern unmittelbarer geltend zu machen.

Im Vergleich dazu gestaltete sich die Regulierung des Verhältnisses zwischen Landständen und Landesherrschaft in Hinterpommern vergleichsweise reibungslos.[40] Kurfürst Friedrich Wilhelm I. (1620-1688) lehnte von vornherein die ältere Regimentsverfassung von 1634 ab. Seine Kontaktaufnahme mit den hinterpommerschen Ständen trug jedoch nicht die Züge eines absolutistischen Landesherrn. Vielmehr suchte der Kurfürst den Kompromiss zwischen Wahrung altständischer Privilegien einerseits und Sicherstellung landesherrlicher Einwirkungsmöglichkeiten andererseits. In dem Stargarder Landtagsabschied von 1653 einigten sich Landstände und Kurfürst auf einen tragfähigen Interessensausgleich. Eine Konservierung landständischer Allmacht, wie in Schwedisch-Pommern, fand aber nicht statt. Von einer Kontinuität der inneren Verfasstheit konnte in Hinterpommern nicht die Rede sein.[41]

Die unterschiedliche verfassungsrechtliche Stellung der beiden pommerschen Landesteile hinterließ im Bewusstsein der Bewohner mannigfache Spuren. Schließlich wurde die Definierung der eigenen Identität seit dem Verlust der staatlichen Souveränität Pommerns durch die jeweils übergeordnete Landesherrschaft bedingt. Hinterpommern war in politischer und rechtlicher Hinsicht fest in den brandenburgisch-preußischen Staat eingebunden. Das Verhältnis Vorpommerns zur Krone Schwedens kennzeichnete eher eine lockere Verbindung. Bei der Bestimmung der Ursachen für die unterlassene politische Integration Schwedisch-Pommerns ist sich sowohl die ältere als auch die gegenwärtige Geschichtsschreibung einig. Sie verortet in dem Fehlen einer durchsetzungsfähigen Zentralgewalt das bestimmende Moment für die Konstituierung und zum Teil Vitalisierung der altständischen Gesellschaftsordnung in Schwedisch-Pommern. Die Strenge der monarchischen Gerechtigkeit, wie Heinrich von Treitschke es formulierte, war hier gänzlich unbekannt.[42] Fritz Glaser stellte fest: „[…] es fehlte an einem einheitlichen starken Königswillen, der die vielen auseinanderstrebenden Kräfte des Landes sammelte, der die Sonderinteressen des Adels der Staatsraison unterwarf.“[43] In Schwedisch-Pommern herrschte nicht das strenge preußische Regiment, so dass alles beim Alten blieb.[44] Für Werner Buchholz ist die Ablösung des Absolutismus durch ein ständisches Regiment innerhalb Schwedens der Hauptgrund für die Beibehaltung und sogar Stärkung der Landständischen Verfassung.[45]

Dabei gab es in Schwedisch-Pommern durchaus Ansätze, die verkommenen Verhältnisse einer Revision zu unterziehen. So ordnete die schwedische Regierung 1692 unter der absolutistischen Regentschaft Karls XI. die geometrische Vermessung Vorpommerns an. Die so genannte Lagerströmsche Matrikel diente zur Ausarbeitung eines Steuerkatasters, welches die Größe und Wertigkeit des Bodeneigentums zur Grundlage haben sollte. Für die Landstände bedeutete dies die Offenlegung ihrer Besitzverhältnisse. Auf Kosten des kleinen und mittleren Bauerntums hatten sie seit dem Dreißigjährigen Krieg ihre Güter um ein beträchtliches Maß vergrößert. Eine genaue Vermessung ihres Grund und Bodens ermöglichte den schwedischen Steuerbehörden die Einforderung höherer Abgaben. Nach der Lagerströmschen Matrikel wurde berechnet, dass die Krone eine jährliche Einnahme von 81326 Reichstalern erwarten könnte, während sie durch die ältere Usualmatrikel lediglich 26.902 Reichstaler akquirierte.[46]

Dass die Matrikel 1709 entgegen aller Widerstände fertig gestellt wurde, bewies die Abhängigkeit schwedischer Integrationspolitik von der Qualität der königlichen Gewalt. Als das absolutistische Königtum nach dem Tode Karls XII. 1718 durch einen Putsch der Generalität von einem ständeparlamentarischen System abgelöst wurde, gelang es der neuen Regierung nicht, das moderne Steuersystem in Vorpommern einzuführen. Interessanterweise erfuhren die Gebiete Vorpommerns, die nach der territorialen Neuordnung des Stockholmer Friedens 1720 an Preußen fielen, eine Einführung der Lagerströmschen Matrikel. Diese Tatsache ermöglicht den einmaligen Vergleich der Durchsetzungsfähigkeit landesherrlicher Gewalt in einem ständischen und einem absolutistischen Regierungssystem. Offen und selbstbewusst trugen die Landstände des schwedischen Vorpommerns ihre Kontroversen mit der Landesherrschaft aus. Den Landständen im nun preußischen Teil Vorpommerns fehlte es fortan an einem vergleichbaren politischen Handlungsspielraum.[47]

Insgesamt gesehen, erwies sich aber die Prägekraft des karolingischen Absolutismus als zu kurz, um eine nachhaltige Veränderung der vorpommerschen Verhältnisse herbeiführen zu können. Vor 1720 dominierten militärische Themen Schwedens Pommernpolitik, wodurch eine intensivere Auseinandersetzung zwischen dem skandinavischen Königreich und seinen deutschen Besitzungen erschwert wurde. Nach dem Ende des Nordischen Krieges verlor die schwedische Administration die Region Vorpommern und Rügen schließlich fast in Gänze aus den Augen. Im Mittelpunkt schwedischer Politik standen fortan die eigenen innenpolitischen Verwicklungen. Hochadel und Krone stritten um das politische Erbe der Großmachtzeit.[48] Für Vorpommern bedeutete dies in erster Linie einen Funktionswandel. Die schwedisch besetzten Territorien an den deutschen Ostseeküsten dienten nun nicht mehr als „antemurale regni“, als militärstrategischer Brückenkopf einer im Ostseeraum nach Suprematie strebenden Großmacht. Vielmehr war die Regierung in Stockholm froh, wenn die Verhältnisse in den deutschen Besitzungen keine Schwierigkeiten machten und ein Eingreifen nicht notwendig war. Den vorpommerschen Landständen kam die schwindende Aufmerksamkeit der Stockholmer Regierung gerade recht. Nur allzu deutlich nahmen sie die Ereignisse im benachbarten Brandenburg und Hinterpommern wahr. Hier setzte der preußische König Friedrich I. seit geraumer Zeit alles daran, die Befugnisse und Privilegien der Stände einzuschränken.[49] Im Bewusstsein der Schwäche der eigenen Landesherrschaft ließen die Stände Schwedisch-Pommerns daher nichts unversucht, die ihnen Privilegien garantierende Landständische Verfassung zu erhalten. Hilfe erfuhren sie dabei vom schwedischen Hochadel. Immerhin fünf pommersche Adlige waren Mitglieder des schwedischen Reichsrats. Diese verfügten in Vorpommern über umfangreiche Ländereien und genossen die Privilegien der einheimischen Ritterschaft. Sie hatten daher, auch aus ganz persönlichem Interesse, keinen Anlass, verändernd in die Verfassung des Landes einzugreifen. Die Wohlgesonnenheit von Mitgliedern des schwedischen Hochadels repräsentierte ein gewichtiges Unterpfand für die Autonomiebestrebungen der vorpommerschen Landstände. Letztere sicherten sich, die Gunst der Stunde nutzend, umfangreiche Privilegien. Hierzu zählte unter anderem die Ausstellung einer Privilegienurkunde, mit der sich die Ritterschaft die Wahrung der Besitzrechte an ihren Gütern versicherte. Im preußischen Teil Pommerns wurden seit 1717 die adligen Güter allodifiziert, das heißt, dass die Ritterschaft ihre Güter gegen eine jährlich zu leistende Geldsteuer vom Lehnscharakter loskaufen musste. Schwedisch-Pommerns Ritterschaft verfolgte die Allodifikation mit einigem Unbehagen. Ermöglichte ihnen doch, oben bezeichnete Privilegienurkunde am status quo festzuhalten. Überhaupt erfuhr die Landständische Verfassung nach 1720 eine nachhaltige Belebung. So gewährte die Regierung in Stockholm dem schwedischen Pommern umfangreiche Autonomierechte. Dazu gehörte die eigene Verwaltung der Finanzen ebenso, wie die selbstständige Gerichtsbarkeit und Polizeigewalt der Magistrats- und Gutsherrschaften.[50]

Über das Verhältnis zwischen Vorpommern und Schweden auf staatlicher Ebene bleibt zu resümieren: Schwedisch-Pommern, das war ein Staat im Staat oder „Außenland mit eigener Verwaltung“.[51] Die Befugnisse der Krone beschränkten sich auf Außenpolitik, Militärwesen und landesherrliche Finanzverwaltung. Wobei der Landkasten, als zentrale ständische Rechnungsbehörde, auch die Hebung landesherrlicher Steuern beanspruchte. Allein die Akzise und die Kontribution durfte die königliche Provinzialkammer eigenständig verwalten. Hinzu kommt, dass es nicht schwedische, sondern pommersche Gesetze und Verordnungen waren, die das öffentliche Leben regelten. Die eigentliche Verwaltung des Landes oblag den Landständen. Ihre Interessen kommunizierten Ritterschaft und Magistrate über den schwedisch-pommerschen Landtag. An die Weisungen ihrer Auftraggeber gebundene Deputierte sicherten den Landständen die Kontrolle über die Landtagsverhandlungen. Dadurch vermochten sie die Geschicke des Landes sowohl nach innen, gegenüber den Landeseinwohnern, als auch nach außen, gegenüber Krone und Provinzialregierung, zu bestimmen. Diese Machtfülle stärkte das Selbstbewusstsein der vorpommerschen Landstände auf ungemeine Art und Weise. Ein beredtes Zeugnis davon liefert die Einschätzung der landständischen Tätigkeit durch die Akteure selbst:

„In solchen Zeiten – es soll der Krone Schwedens nicht das Zeugnis versagt werden, daß sie immer und immer mit Eifer und Umsicht die Interessen ihrer deutschen Länder sich hat angelegen sein lassen, – in solchen Zeiten aber von Noth und Trübsaal waren es vor allem die Stände, an welche das Land zur Hülfe und Abwehr sich gewiesen sah, und um so mehr die Stände, als ihnen nach vielen Seiten hin ein unmittelbarer Antheil an der Verwaltung zustand.“[52]

Unter den Bedingungen einer restaurierten Landständischen Verfassung und einer auf Souveränitätsansprüche verzichtenden schwedischen Regierung war eine Integration Vorpommerns in den schwedischen Gesamtstaat undenkbar. Schwedisch-Pommerns politische und wirtschaftliche Elite lebte weitestgehend ungestört oder, wie Kosegarten es umschrieb, gemächlich vor sich hin. Insbesondere die Ritterschaft und städtischen Magistrate verbanden mit der Schwedenzeit vorwiegend positive Erfahrungen. Konnten sie doch zumindest bis zum Jahr 1806 die Vorzüge der Landständischen Verfassung genießen. Die weitgehende politische Autonomie des Landes bildete somit eine Ursache für die Genese eines vorpommerschen Sonderbewusstseins.

2. 1. 2 Schwedisch-pommersche Begegnungen auf gesellschaftlicher Ebene

Es genügt aber nicht, die schwedische Landesherrschaft lediglich auf hoheitliche Verordnungen und Gesetze zu reduzieren, weil damit die vielfältigen Beziehungen zwischen Schweden und Vorpommern außer Acht gelassen würden.[53] Gerade auf wirtschaftlicher und soziokultureller Ebene entstanden zahlreiche Kontaktzonen. So lebten in Stralsund schwedischstämmige Beamte und Offiziere. In Vorpommern stationierte Regimenter bestanden zum Teil bis zu zehn Prozent aus schwedischer Mannschaft. Viele Beamte aus Vorpommern unternahmen Reisen in die schwedische Hauptstadt, um Sprache und Verwaltungsrichtlinien zu studieren. Überdies erfolgte die gesamte Korrespondenz zwischen Stockholm und der in Stralsund ansässigen Regierung zweisprachig. Schwedische Akademiker besuchten die Greifswalder Universität und vorpommersche Gelehrte unternahmen Studienreisen nach Schweden. Schwedischer und pommerscher Adel besaß Güter jenseits und diesseits der Ostsee, was zur Herausbildung schwedisch-pommerscher Familiendynastien führte. Nicht zuletzt der lebhafte Handel zwischen Schweden und Vorpommern eröffnete zahlreiche Beziehungen, die nicht nur wirtschaftlicher Natur waren. Wer vermochte zum Ende der Schwedenzeit noch zu unterscheiden, ob Mitglieder der Familien, wie Beskow, Hebbe, Wallin und Kempe, schwedische oder pommersche Bürger waren?[54]

Vorpommerns Zugehörigkeit zum Königreich Schweden bedingte mit fortwährender Dauer bei den Landeseinwohnern zugleich eine veränderte Wahrnehmung der schwedischen Landesherrschaft. Im Laufe der Zeit verblasste der Eindruck einer fremdländischen Besetzung und es wurde der Versuch unternommen, Schweden gleichfalls als Kultur- und zum Teil auch als Leitnation zu begreifen. Diese allmähliche Hinwendung der vorpommerschen Landesbewohner zur Kultur- und Ideenwelt Schwedens wies eine nicht zu unterschätzende identitätsstiftende Wirkung auf. Der schwedische Historiker Andreas Önnerfors untersuchte die kulturelle Doppelstellung Schwedisch-Pommerns und es gelang ihm, die Herausbildung eines spezifischen Identifikationsmusters in Vorpommern nachzuweisen, das im Wesentlichen auf einer Vermischung deutschen und schwedischen Gedankengutes fußte.[55] Die Annäherung zwischen Schweden und Pommern erfolgte jedoch nicht plötzlich. Vielmehr muss diese als ein Prozess verstanden werden, der sich in den einzelnen Bevölkerungsschichten mit unterschiedlicher Geschwindigkeit vollzog. Zunächst beschränkte sich die Auseinandersetzung mit den Werten, der Kultur und der Ideenwelt Schwedens auf einige wenige Intellektuelle.[56]

Als Ausgangsbasis für die Berührungen schwedischen und vorpommerschen (deutschen) Geisteslebens diente die gemeinsame lutherische Kirche. Bildete der Kampf um den rechten Glauben schon während des Dreißigjährigen Krieges das einigende Band zwischen Schweden und dem protestantischen Deutschland, so verfestigte sich diese kirchlich-theologische Linie noch in der Folgezeit. Gelehrte auf beiden Seiten fanden in der Diskussion um religiöse Fragen erste Anknüpfungspunkte.[57]

Insgesamt gesehen gestaltete sich die Kontaktaufnahme zum Beginn der Schwedenzeit aber recht zögerlich. Zurückzuführen ist diese anfängliche Distanz unter anderem auf die Großmachtideologie des karolingischen Absolutismus. Dieser bediente sich zur Legitimierung seiner Vormachtsbestrebungen der gothizistischen Zivilisationstheorie. Der Gothizismus ging davon aus, dass sich die Wiege der Völker im skandinavischen Norden befand. Die in Kontinentaleuropa lebenden Volksgruppen seien demzufolge vorwiegend Emigranten aus Skandinavien. Im 16. und 17. Jahrhundert nutzte die schwedische Krone den Bezug auf das Gotentum vorwiegend zur Herausbildung einer gesamtschwedischen Identität. In der Hochphase des Gothizismus unter Gustav II. Adolf und Karl XII. erfuhr die nach innen gerichtete einheitsstiftende Wirkung des Gotenmythos eine Ergänzung mit religiösen Werten. Dadurch gewann der Gothizismus auch eine außenpolitische Komponente, indem schwedische Großmachtpolitik durch ein religiöses Sendungsbewusstsein legitimiert wurde. Das schwedische Königtum verstand sich als der aus dem Norden kommende „Löwe“, der das göttliche Urteil über die „Hure Babylon“ vollstreckte.[58]

Versuche einzelner vorpommerscher Gelehrter, wie die, des Greifswalder Juristen Christian Nettelbladt (1696-1775), durch archäologische Untersuchungen die Zugehörigkeit Vorpommerns zu Schweden mit historischen Fakten zu belegen, um damit die Thesen des Gothizismus zu stützen, blieben singuläre Erscheinungen. Grundsätzlich lehnten die pommerschen Kollegen Nettelbladts dessen Theorien ab. Sofern eine Beschäftigung mit der eigenen Vergangenheit und dem eigenen Herkommen stattfand, konzentrierte sich diese vordergründig auf die regionale und reichsdeutsche Tradition.[59]

„Die entscheidende Wende im historischen Bewusstsein und der Identifikation gegenüber dem Norden konnte […] erst entstehen, als man in Schwedisch-Pommern eine historische Zusammengehörigkeit formulieren konnte, die über die konfessionelle Gemeinschaft hinausreichte.“[60]

Diese Wende erfolgte in der Mitte des 18. Jahrhunderts. Stetiger Ausbau und zunehmende Vertiefung der wirtschaftlichen und kulturellen Beziehungen beförderten auf pommerscher Seite ein wachsendes Einvernehmen mit den geistigen Idealen Schwedens. Es entstanden gelehrte Gesellschaften und eine rege Pressekultur in Schwedisch-Pommern, die die Kommunikation zwischen Provinz und Mutterland intensivierten. In Zeitungen, Büchern, Briefen und Reiseberichten wurde Schweden für nahezu jedermann erlebbar. Demgegenüber übernahm Vorpommern für Schweden gleichzeitig eine gewichtige Brückenfunktion zur geistigen Welt Mitteleuropas. Der Großteil des schwedischen Bücherimports wurde über die jährlich rund 400 in Stockholm einlaufenden Schiffe aus Vorpommern bestritten. Auf diesem Weg gelangten die Klassiker der deutschen und europäischen Literatur nach Skandinavien. Vermutlich nutzten auch berühmte deutsche Wissenschaftler und Architekten, wie Carl Wilhelm Scheele oder Nicodemus Tessin d. Ä., die schwedisch-pommersche Seeverbindung nach Skandinavien.[61]

Verantwortlich für die kulturelle Annäherung war aber auch der Wandel des Zeitgeistes. Die Dominanz der Theologie wurde durch die Philosophie verdrängt. Schwedens Gothizismus erfuhr eine Relativierung und verminderte damit den ideologischen Druck auf Vorpommern. Die Ideale der Aufklärung begannen den intellektuellen Diskurs zu bestimmen. Deren Ursprung lag zum Großteil in Kontinentaleuropa, wodurch der Kulturaustausch zwischen Schweden und Vorpommern seine vorherige „nationale Einfärbung“ verlor. Schwedische und pommersche Intellektuelle widmeten ihre Aufmerksamkeit nun verstärkt den Schriften von Voltaire oder Christian Wolff. In eigens gegründeten Journalen und Gesellschaften diskutierten Gelehrte und Geistliche in Schwedisch-Pommern über das Für und Wider der unterschiedlichen philosophischen Denkansätze. Durch die Beschäftigung mit den Idealen der Aufklärung veränderte sich auch die Wahrnehmung der Verbindung zu Schweden. Immer weniger wurde die Gemeinschaft mit dem skandinavischen Landesherrn als eine auf äußerem Zwang beruhende Verbindung interpretiert, sondern als eine auf gegenseitigem Einvernehmen basierende Verbindung. Maßgeblichen Anteil an der Vermittlung schwedischen Kulturgutes hatte der Stralsunder Professor Johann Carl Dähnert (1719-1785). Er publizierte unter anderem 1784 ein „Deutsch-Schwedisches Handlexikon“. Daneben stand Thomas Thorild (1759-1808), welcher an der Greifswalder Universität noch heute als Begründer der Nordistik angesehen wird. Thorild referierte über schwedische Sprache und Literatur. In seinem Hauptwerk „Maximum seu Archimetria“ setzte er sich kritisch mit der Philosophie Immanuel Kants auseinander. Der Kern seiner Kritik richtet sich vor allem gegen eine Wissenschaft, die sich allein auf theoretische Überlegungen stützt und die praktische Erfahrung vernachlässigt.[62]

Zeitgenossen, wie Ernst Moritz Arndt (1769-1860), beherzigten Thorilds Sichtweise. Angezogen vom schwedischen Nachbarland entschloss sich Arndt im Herbst 1803 zu einer Reise nach Schweden. Nach eigenen Angaben wollte er „[…] jenes nordische Land, welches zum deutschen Volke und zur deutschen Geschichte so viele Beziehungen hat […]“ und mit seiner Heimat auf das Engste verbunden war durch „eigene Anschauung und Mitlebung“[63] näher kennen lernen. Arndts Schwedenreise stand beispielhaft für die Vielzahl von Bildungs- und Kavaliersreisen, die gegen Ende des 18. Jahrhunderts eine wahre Konjunktur erlebten. Daneben lag Arndts Schwedenreise das profane Motiv zugrunde, durch eine politisch opportune Reisebeschreibung eine Empfehlung des schwedischen Königs zu bekommen. Arndt bewarb sich zu jener Zeit um eine außerordentliche Professur an der Greifswalder Universität.[64]

Dagegen dürfte die Raumerfahrung und das Bewusstsein der einfachen Landbevölkerung Schwedisch-Pommerns kaum über die Grenzen der dörflichen Lebenswelt hinausgegangen sein. Eingeschränkte Mobilität und Bildung behinderten eine intensive Auseinandersetzung mit der schwedischen Kultur. Die schwedische Präsenz in Vorpommern beinhaltete für einen Darßer Fischer nicht das gleiche Konfliktpotential, wie für den Intellektuellen Ernst Moritz Arndt. Trotzdem lässt sich auch für jene Bevölkerungsschichten eine gewisse innere Ausrichtung an Schweden nachweisen. Ausdruck dafür war beispielsweise die rege Anteilnahme am Schicksal der königlichen Familie. In Gottesdiensten und bei öffentlichen Feierlichkeiten wurde des schwedischen Königshauses gedacht. Insofern eine Identifikation mit Schweden stattfand, etwa in der Form des Treueeids als Untertanen der schwedischen Krone, bewegte sich diese vorwiegend auf der Ebene einer dynastischen Identifikation.[65]

Eine wirkliche, schichtübergreifende Annäherung an Schweden und die Herausbildung eines spezifischen schwedisch-pommerschen Identifikationsmusters ist erst gegen Ende des 18. Jahrhunderts zu verzeichnen. Die Auseinandersetzung mit der Gedanken- und Kulturwelt Schwedens verließ den kleinen Zirkel der vorpommerschen Gelehrtenwelt und erfasste breite Teile der Bevölkerung. Verantwortlich für diese Entwicklung waren zwei Faktoren. Erstens: die sozialen Reformen unter Gustav IV. Adolf (1778-1837), und zweitens: die grundlegenden politischen und gesellschaftlichen Umwälzungen in Europa zwischen 1789 und 1815.

Mit der Aufhebung der Leibeigenschaft 1806 erhöhte sich die Attraktivität der schwedischen Landesherrschaft auch und insbesondere innerhalb der einfachen Landbevölkerung. Es verfestigte sich das Bild vom Schwedenkönig als „Schutzpatron der einfachen Leute“. Für die arme Landbevölkerung verkörperte die Krone die gerechte und fürsorgliche Institution, welche sie vor der Willkür der heimischen Gutsverwalter und Magistrate schützte. Im Stockholmer Reichsarchiv befinden sich zahlreiche Briefe aus Schwedisch-Pommern, die diese Annahme belegen.

„Wir armen unglückliche Leute können weiter nichts als Sr. Majestät nach unsere ländliche Art unsre Noth vortragen, in welcher wir uns befinden und wie man mit uns umgeht, und wie wir gepreßt und geplagt werden.“[66]

Die Auflösung des Heiligen Römischen Reiches 1806 sowie die Degradierung Preußens zu einem Rumpfstaat nach dem Frieden von Tilsit 1807 ließen für viele Bewohner Schwedisch-Pommerns nur noch aus nördlicher Himmelsrichtung Hilfe erwarten. Dass diese Hoffnung offensichtlich auch ganz realpolitische Züge trug, belegt die Existenz einer vom schwedischen Kronprinzen Jean Baptiste Bernadotte (1764-1844) verfassten Denkschrift aus dem Jahr 1813. Danach bot jener an, sich „als Herzog von Pommern, […] mit der Bürde der kaiserlichen Krone“[67] zu beladen. Kronprinz Bernadotte plante den napoleonischen Truppen während des Russlandfeldzuges in den Rücken zu fallen, um anschließend als Kaiser an die Spitze eines Volksaufstandes in Deutschland zu treten. Schwedisch-Pommern als Träger des Kaisertums, wie von Ulmann im Jahr 1915 fantasiert, mag das ehrgeizigen Vorhaben eines schwedischen Kronprinzen gewesen sein. Dennoch zeigt es, dass das Land zwischen Peene und Ostsee als das letzte freie deutsche Reichsterritorium betrachtet wurde, welches noch unabhängig vom französischen Diktat agieren konnte.[68]

Die Wucht der Ereignisse zwischen 1806 und 1815 wurde von einer allgemeinen Politisierung der Öffentlichkeit begleitet. Spätestens seit der ersten Okkupation Schwedisch-Pommerns im Jahr 1807 durch französische Truppen ergab sich auch für die Einwohner Vorpommerns die zwingende Notwendigkeit, die Frage nach der nationalen Zugehörigkeit zu beantworten.[69] Mehr denn je fand die vorpommersche und schwedische Seite mit ihrem gemeinsamen Hass auf Napoleon und dessen nicht nur militärische Hegemonie über Europa eine gemeinsame Identifikationsbasis. Der skandinavische Norden entwickelte sich zum politischen Leitbild. Schwedens kulturelle und politische Reinheit präsentierte sich als ein Modell, das es auf deutsche Verhältnisse zu übertragen galt. Daher war Ernst Moritz Arndts oben erwähnte Schwedenreise auch ein Versuch, die eigene deutsche Position zwischen der französischen Modernität napoleonischen Schlages und einer schwedischen Urtümlichkeit zu verorten – ein empirischer Vergleich verschiedener politisch-kultureller Modelle.[70]

Önnerfors vermutet in der Schlussphase der schwedischen Landesherrschaft die Genese einer „Kompensationsidentität“[71]. Der drohende „Verlust der eigenen deutschen Identität“ zu Beginn des 19. Jahrhunderts wurde durch den nordischen Motivkomplex aufgefangen. Zurückzuführen ist diese doppelte Loyalitätsbekundung gegenüber Schweden und Deutschland auch auf die Verschmelzung von Krieg und Politik während der napoleonischen Kriege.[72] Breite Bevölkerungsschichten erfuhren durch eine bisher nicht da gewesene Propaganda eine ungemeine Ideologisierung. Neue Feinbilder und Loyalitäten wurden geschaffen. Die Kriegserklärung Schwedens an das napoleonische Frankreich harmonierte mit der deutschen, antinapoleonischen Haltung. Dementsprechend verhielten sich die deutschnationalen Attitüden eines Ernst Moritz Arndt nicht widersprüchlich zu seiner proschwedischen Gesinnung; vielmehr ergänzten sie einander. Aus der anfänglichen Abstandnahme entstand nun eine Idealisierung der schwedischen Landesherrschaft. Diese Entwicklung wurde durch die gesellschaftsübergreifend positiven Erfahrungen mit der schwedischen Administration noch begünstigt. Insbesondere der schwedisch-pommersche Adel hatte eine nicht zu vernachlässigende standesrechtliche Erhöhung realisiert. Hingen doch im Stockholmer Ritterhaus die Wappen vorpommerscher Adelsgeschlechter unmittelbar neben den großen Namen des schwedischen Hochadels. Vorpommersche Adlige erwarben sich in Armee, Flotte und Verwaltung zahlreiche Titel und Ehrungen. Exemplarisch mag hier das Haus Putbus stehen. Unter schwedischer Herrschaft stiegen die Herren zu Putbus erst zu Grafen und später in den Rang von Fürsten auf. Dagegen hatte sich für die Landbevölkerung durch die sozialen Reformen um die Jahrhundertwende ein Weg aus sozialer und wirtschaftlicher Abhängigkeit eröffnet. Zusammen mit der erfolgten geistigen Annäherung internalisierte sich in Vorpommern ein grundweg positives Bild von Schweden.[73] In Gedichten, wie dem von Kosegarten, spiegelte sich die allgemeine proschwedische Stimmung der Bevölkerung in Vorpommern wider. Bis in die jüngere Vergangenheit hat sich dieser merkwürdige „Erinnerungsoptimismus“[74] bewahrt.[75] Ein Umstand, der sicherlich auch auf die in der Folgezeit im Vergleich zu Schweden restriktiveren Regierungs- und Gesellschaftsformen preußischer beziehungsweise deutscher Ausprägung zurückgeführt werden kann. Nicht zuletzt die „Schären-Fraktion“[76] der bundesrepublikanischen Gesellschaft steht sinnbildlich für die Kontinuität einer allgemeinen deutschen Nordsehnsucht, bei der das schwedische Königreich die stilbildende Hauptrolle spielt. Ganz praktische Zeugnisse schwedisch-deutscher Begegnungen waren und sind die Adaption schwedischer Ess- und Feierkultur[77] oder die Aufnahme schwedischer Vokabeln in die niederdeutsche Sprache.[78]

Die 185 Jahre schwedische Landesherrschaft formten nachhaltig das Bewusstsein der Landeseinwohner. Das besondere Charakteristikum der vorpommerschen Schwedenzeit war die Herausbildung einer doppelten Identität. Doppelt im Sinne einer Orientierung sowohl an deutschen, wie auch an schwedischen Wertmaßstäben. Die desintegrativen Momente der staatlich-institutionellen Ebene, gepaart mit einer soziokulturellen Annäherung zwischen Provinz und Mutterland, bedingten letztendlich die Genese eines vorpommerschen Sonderbewusstseins. Für die spätere Integration der Region Vorpommern und Rügen in das Königreich Preußen nach 1815 stellte dieses vorpommersche Sonderbewusstsein eine schwer zu meisternde Hürde dar. Die Substitution schwedischer Gesetze und Verordnungen durch preußisches Regelwerk gegen den Widerstand selbstbewusster Stände stellte nur eine, dafür aber lösbare, weil fassbare, Maßnahme preußischer Integrationspolitik dar. Bereits Heinrich von Treitschke erkannte die aus diesem Aspekt erwachsene Problematik.

„Es war die höchste Zeit gewesen, das Land von dem skandinavischen Leben zu trennen. Vorpommern war in fast zwei Jahrhunderten gänzlich für die drei Kronen des Nordens gewonnen; wie spät hatte doch selbst E. M. Arndt, fast vierzig Jahre alt, das Bewußtsein seines deutschen Volkstums erlangt!“[79]

Wenngleich die Äußerung Treitschkes im Kontext einer borussophilen Geschichtsschreibung des 19. Jahrhunderts zu sehen ist, so verweist sie doch darauf, dass bereits die zeitgenössische Historiographie um eine Erfassung der eigentümlichen Tradition Schwedisch-Pommerns bemüht war.[80]

2. 2 Schwedisch-Pommern unter dem Absolutismus Gustav IV. Adolfs

In der Geschichte Schwedisch-Pommerns die Regierungszeit des schwedischen Königs Gustav IV. Adolf von 1796 – 1809 nimmt nur einen sehr kurzen Zeitabschnitt ein. Die Ereignisse jener Jahre brachten trotzdem eine grundlegende Veränderung der inneren Verfasstheit des Landes. Gustav IV. Adolfs Pommernpolitik bedingte die Ingangsetzung eines längst überfällig gewordenen Reformprozesses. Für den späteren Landesherrn Preußen gewinnt diese Tatsache insofern an Bedeutung, als dass dieser den vom Schwedenkönig initiierten Reformprozess nur noch fortzuführen brauchte. Der Staatsstreich von 1806 bildete gewisser Maßen die „Initialzündung“.[81] Nach Jahrzehnten des Stillstandes kam Schwedisch-Pommern endlich in Bewegung. Von den großen politischen Umwälzungen des 18. Jahrhunderts war Vorpommern bislang weitestgehend unberührt geblieben. Erste Anzeichen einer manufakturkapitalistischen Entwicklung waren hier ebenso wenig spürbar, wie die Überwindung der überkommenen Verhältnisse in der vorpommerschen Landwirtschaft. Von einer Demokratisierung der Gesellschaft im Sinne der Ideale der Aufklärung und der Französischen Revolution konnte in Schwedisch-Pommern ohnehin nicht Rede sein. Adel und Magistrate hatten es verstanden, die ökonomischen und politischen Verhältnisse zu ihren Gunsten und auf Kosten der unteren Bevölkerungsschichten zu konservieren. Unter König Gustav IV. Adolfs Regentschaft schickte sich die schwedische Administration, welche bislang als Garant vorpommerscher Rückständigkeit gewirkt hatte, nun zu einer grundlegenden Reformierung des Landes an.[82]

2. 2. 1 Schweden und Pommern im Zeichen der politischen Wandlungsprozesse gegen Ende des 18. Jahrhunderts

Der Neuausrichtung der schwedischen Pommernpolitik im Sinne verstärkter Integrations- und Reformbemühungen ging eine grundlegende Veränderung der innerschwedischen Verhältnisse voraus – die „wunderbare Revolution“[83] von 1772. König Gustav III. (1746-1792) übernahm im März 1771 nach dem Tod seines Vaters Adolf Friedrich den schwedischen Thron mit dem Willen, die innere Verfasstheit Schwedens grundlegend zu reformieren. Eine seiner ersten Amtshandlungen war die Entmachtung des vom Hochadel dominierten Reichsrats und des Geheimen Ausschusses am 19. August 1772. Mittels dieses Staatsstreiches bekundete Gustav III. seinen festen Willen, die ursprüngliche Macht der Krone wieder herzustellen. Dazu wurde auf Initiative des Königs eine Verfassung erarbeitet, die eine Gewaltenteilung zwischen Krone und Reichsständen vorsah. Keine Behörde im Staate durfte danach ohne vorherige Rücksprache mit dem König irgendeine Entscheidung treffen. Gustav III. übernahm die alleinige Leitung der Regierungsgeschäfte. Zu den Befugnissen der Stände zählten zwar weiterhin das Steuerbewilligungsrecht und das Mitspracherecht bei wichtigen Personalentscheidungen. Aber auch hier behielt die neue Verfassung dem Monarchen Zugriffsmöglichkeiten vor. Für ein Parteiwesen, wie es während Schwedens „Freiheitszeit“ ein markantes Merkmal für das politische System gewesen war, war kein Freiraum mehr vorhanden. Unterstützung für sein Reformwerk wusste sich der junge Monarch beim Bürgertum und den unteren Bevölkerungsschichten einzuholen. Den nichtadligen Bürgern, denen bislang die Teilnahme an den Regierungsgeschäften verboten war, eröffnete Gustav III. durch großzügige Erhebungen in den Adelsstand einen Zugang zur Macht. Dementsprechend freundlich begegnete die Mehrheit der Schweden dem Wiedererstarken der Königsgewalt. Die Motive Gustavs III. wurzelten jedoch tiefer als bloßer Populismus. Er ließ sich seit seiner frühesten Kindheit von der Überzeugung leiten, dass er durch Geburt und Standesprivilegien an die Spitze der feudalen Hierarchie gehöre. Nur in einem resolut handelnden und absolutistisch regierenden König glaubte er den besten Garanten für staatliche Prosperität zu sehen. Gustav III. war dabei kein Feind des Adels. Stattdessen beabsichtigte er mit der Entmachtung des Adels nicht dessen Gleichschaltung mit dem Bürgertum, vielmehr sah er im absoluten Königtum die einzige Chance, dem Adel die Rolle als gesellschaftlich führendem Stand zu bewahren. Ein solches Vorhaben konnte aus Sicht Gustavs III. aber nur im Einklang mit den Interessen aller gesellschaftlichen Kräfte von statten gehen. So suchte der König ein Gleichgewicht zu finden zwischen der Aristokratie, die seine Macht antastete, und dem Bürgertum, das den Staat als Ganzes in Frage stellte.[84]

Gustav III. gelang es letztendlich 1779, den Hochadel von seinem absolutistischen Machtanspruch zu überzeugen. Nur zu deutlich wurde auch in den Kreisen des Adels die Gefahr einer Mobilisierung der Volksmassen durch den demokratisch-revolutionären Zeitgeist wahrgenommen. Die Einsicht des Hochadels währte nur kurz. Bereits Mitte der 1780er Jahre begann sich innerhalb führender adliger Kreise eine erneute Opposition gegen Gustav III. zu formieren. Als führende Offiziere mittels einer Verschwörung den königlichen Bestrebungen gegen Russland ein schmähliches Ende setzten, eskalierte der Streit zwischen Hochadel und Krone vollends.[85] Gustav III. belegte die opponierenden Offiziere mit drakonischen Strafen. Auch die Zuspitzung der innenpolitischen Verhältnisse Frankreichs mag schließlich dazu beigetragen haben, dass der schwedische König dem Feudalsystem endgültig den Kampf ansagte. Nicht ohne Zufall fand daher im Jahr der Französischen Revolution in Stockholm ein Reichstag statt, der, nach Ansicht der schwedischen Geschichtsschreibung, den eigentlichen Beginn der sozialen Reformbewegung Schwedens einläutete.[86] 1789 wurde auf Initiative Gustav III. die Vereinigungs- und Sicherheitsakte verabschiedet. Zum Entsetzen des Adels beschloss der Reichstag die relative Gleichstellung aller Schweden vor dem Gesetz. Die meisten Privilegien des Adels, wie zum Beispiel das Bodenmonopol, wurden abgeschafft. Auf den Erwerb und Besitz von Grund und Boden erhielten die Bauern ein verfassungsmäßiges Anrecht. In weiten Teilen des schwedischen Adels rief dieser Reichstag einen unbeschreiblichen Hass gegen Gustav III. hervor. Im März 1792 kulminierte die Antipathie der adligen Stände in einem Attentat, dem der König in der Stockholmer Oper zum Opfer fiel. Das Reformwerk des Königs blieb damit unvollendet.[87]

Mit Gustav III. hatte Schweden den Weg in die Moderne eingeschlagen. Seine Regierungszeit war gekennzeichnet von einem sich wandelnden Staatsverständnis. Er begann als ein Kronprinz, der sich zum Herrscher von Gottes Gnaden berufen fühlte, und fand später zu der Erkenntnis, dass das absolute Königtum gegen den Zeitgeist nicht durchzusetzen war. Einer Revolution von unten versuchte er mit Reformen von oben zu begegnen; obgleich er sich bewusst war, dass auch diese auf lange Sicht das feudale System zerstören würden.

In Hinsicht auf Schwedisch-Pommern bedeutete die Reformpolitik Gustav III. zunächst keine grundlegenden Veränderungen. Auf Initiative des schwedischen Generalgouverneurs Friedrich Wilhelm von Hessenstein (1735-1808) gab es zwar diverse Versuche gerade im Bereich der Landwirtschaft soziale Reformen durchzuführen. Allerdings wusste der vorpommersche Adel, geschickt alle Veränderungen zu sabotieren. Das einmal erwachte Interesse der Stockholmer Regierung an innerpommerschen Fragen ließ sich hingegen nicht wieder rückgängig machen. Dafür verantwortlich war insbesondere die dramatische Verschlechterung der pommerschen Staatsfinanzen infolge des Krieges Schwedens gegen Russland. Vor Kriegsausbrauch erwirtschaftete die königliche Kammer in Stralsund einen jährlichen Überschuss von 20.000-40.000 Reichstalern. Mitte der 1790er Jahre litt Schwedisch-Pommern bereits unter einer Staatsschuld von 450.000 Reichstalern. Die nach dem Tod Gustav III. eingesetzte Vormünderregierung suchte die fiskalischen Probleme Schwedisch-Pommerns zunächst durch das Einsetzen einer Kommission zu lösen. Am 24. Januar 1793 wurde der Kammerherr Freiherr Gustav D’Albedyhl mit dem Auftrag nach Schwedisch-Pommern gesandt, sich Aufklärung über die Finanzen der Provinz im Besonderen und über den Zustand Schwedisch-Pommerns im Allgemeinen zu verschaffen. Nach gut einem halben Jahr reichte D’Albedyhl einen sehr umfassenden Bericht ein. Hierin kommt er zu dem bemerkenswerten Schluss, dass es für Schweden das Beste sei, das Land gegen eine Summe Geld abzutreten.

„Schwedens Könige dürften nunmehr dem weiseren System den Vorzug geben, ihre Fürsorge auf die bessere Verwaltung Schwedens und auf seine sichere Verteidigung unternehmenden Nachbarn gegenüber zu beschränken, vor dem früher herrschenden System, durch Eindringen in fremde Länder unter Verlust und Bloßstellung der eigenen, Ehre und Macht zu suchen.“[88]

Zur eigentlichen Sache seines Auftrages konstatierte D’Albedyhl im Wesentlichen vier zu bewältigende Aufgaben: erstens die Verkleinerung sämtlicher Verwaltungsinstitutionen des Landes; zweitens die Einführung eines Grundbuches; drittens die Allodifikation der Lehngüter und viertens die Aufhebung der Leibeigenschaft. In Stockholm wurden die Vorschläge der Kommission sehr unterschiedlich bewertet. D’Albedyhls Ausführungen über das Verhältnis von Schweden zu Pommern stießen auf lebhafte Ablehnung. Darin wurde das schwedische Pommern als kostbares Kleinod Schwedens bezeichnet, das symbolhaft für den im Dreißigjährigen Krieg erlangten Ruhm des Königreiches stand.[89] Hinsichtlich der übrigen Punkte in D’Albedyhls Kommissionsbericht vertrat die zuständige Abteilung in der Stockholmer Regierung grundsätzlich die gleiche Meinung. Eine Umsetzung der Reformvorschläge, wie etwa die effektivere Gestaltung der Verwaltung oder die Aufhebung der Leibeigenschaft, erfolgten jedoch nicht. Schuld daran war im Wesentlichen der vehemente Widerstand der Landstände. Ständische Drohungen, im Konfliktfall die Reichsgerichte anzurufen, erwiesen sich nach wie vor als wirksames Druckmittel. Das Selbstbewusstsein der vorpommerschen Landstände manifestierte sich dabei in einem äußerst souveränen Auftreten gegenüber der schwedischen Landesherrschaft. Vertreter der Landstände begnügten sich nicht allein mit der Abwehr schwedischer Reformbemühungen. Sie stellten sogleich neue Forderungen auf, die eine Rücknahme sämtlicher Reformen beinhalteten. Dazu zählte der Abbruch der Matrikelarbeiten ebenso, wie die Verschiebung der längst überfälligen Visitation des Wismarer Tribunals. Die am 26. Februar 1795 verabschiedete königliche Resolution ging auf die meisten Wünsche der Stände ein. Noch einmal war es ihnen gelungen, den status quo zu sichern. Stockholm musste seinerseits wieder einmal die eigene Unterlegenheit gegenüber den vorpommerschen Ständen zur Kenntnis nehmen.[90]

Im Jahr 1796 löste der nun volljährige Gustav IV. Adolf die Vormünderregierung ab. Schnell zeigte sich, dass von dem jungen König ein tatkräftiger Regierungsstil zu erwarten war. In Bezug auf Vorpommern standen für Gustav IV. Adolf, ebenso wie für seine Vorgänger, die Sanierung der pommerschen Staatsfinanzen und die Neuorganisation der lokalen Verwaltung im Zentrum seiner Politik. Dementsprechend lag dem König daran, die unter seiner Vormundschaft verabschiedete Resolution vom 26. Februar 1795 wieder rückgängig zu machen. In ihr sah er die Verkörperung ständischen Allmachtstrebens und den Hemmschuh für jegliche Reformpolitik. Der König ließ verlautbaren, dass er „[…] gesonnen sei, wieder zu nehmen, was ihm etwa in ungebührlicher Weise von seinen Rechten entzogen worden sei.“[91] Zu diesen seinen Rechten zählte der Monarch die Wiederaufnahme der Tribunalvisitation, die Visitation des Hofgerichts und des Konsistoriums, die Allodifikation der Lehen, die Einführung eines neuen Zolltarifs sowie die nun beinahe seit einem Jahrhundert offene Matrikelfrage. All dies ereignete sich Ende August 1798. Gustav IV. Adolf hatte also gerade erst seit zwei Jahren die Regierungsgewalt übernommen. Ein deutliches Zeichen dafür, dass er ernstlich gewillt war, nun auch die Landstände Schwedisch-Pommerns der königlichen Gewalt zu unterwerfen. Unter der Vormünderregierung ergebnislos verlaufene Verhandlungen bezüglich der beiden Kernanliegen – der Gerichtsvisitation und der Matrikelfrage – konnten aufgrund des bestimmten Engagements des Schwedenkönigs vielversprechend abgeschlossen werden. Für den 1. Juni 1800 wurde die Visitation der vorpommerschen Gerichte angeordnet. Die Einführung der Lagerströmschen Matrikel bestimmte die Stockholmer Regierung auf den 1. Januar 1800. Letztlich scheiterten beide Reformvorhaben aber dann doch am Widerstand der Landstände. Nunmehr wurde die Visitation auf unbestimmte Zeit verschoben.[92] Durch eine Einverständniserklärung, ihre jährlichen Abgaben an den schwedischen Staat zu erhöhen, vermochten die Landstände die Lagerströmsche Matrikel abzuwenden. Der schwedische König Gustav IV. Adolf musste angesichts dessen zunehmend in der Überzeugung bestärkt worden sein, dass die Durchführung seiner Reformpolitik nur auf den „Trümmern der alten Verfassung“[93] möglich sein konnte.[94]

2. 2. 2 Die Bedeutung des Staatsstreichs von 1806

Seit Beginn der schwedischen Landesherrschaft war das Verhältnis zwischen Krone und Landständen von einer steten Auseinandersetzung um den finanziellen Beitrag der Provinz zum Staatshaushalt geprägt gewesen.[95] Keiner schwedischen Administration war es bislang gelungen, diese Problematik eindeutig, das heißt im Sinne der Landesherrschaft, zu lösen. Nachdem 1793 der deutsche Reichstag Frankreich den Krieg erklärt hatte, gewannen die Zwistigkeiten zwischen Mutterland und Provinz deutlich an Brisanz. Schwedisch-Pommern war als deutscher Reichsstand dazu verpflichtet, einen Beitrag an der Aufstellung der Reichsarmee zu leisten. Dies erfolgte durch die Zahlung einer Ablösesumme. Bis zum Jahr 1806 erfüllten die Landstände pünktlich ihre Verpflichtungen gegenüber dem Reich. Sicherte ihnen die regelmäßige Zahlung doch zugleich den Schutz der Reichsgerichte. Unter der Regentschaft Gustav IV. Adolfs verschlechterte sich die Zahlungsmoral der Landstände aber zusehends. Das lag zum einen an der allgemeinen Verschlechterung der finanziellen Situation des Landes und zum anderen an den konstant steigenden Forderungen des Reiches. Als Gustav IV. Adolf im Jahr 1806 schließlich die Aufstellung einer pommerschen Landwehr befahl, was mit erneuten, finanziellen Belastungen verbunden war, eskalierte der Streit zwischen Krone und Landständen in einem Staatsstreich, auf den im weitern Verlauf noch eingegangen wird.[96]

Die Einberufung einer Schutztruppe aus einheimischen Soldaten war aufgrund der außenpolitischen Ereignisse um die Jahrhundertwende notwendig geworden. Während sich die innenpolitischen Verhältnisse Schwedens nach der ereignisreichen Regentschaft unter Gustav III. allmählich zu beruhigen begannen, hatte das Königreich Schweden außenpolitisch mit schweren Problemen zu kämpfen. Seit dem Ende des Dreißigjährigen Krieges stellten Dänemark, England und Russland die Pole dar, zwischen denen sich Schweden zu positionieren suchte. Mit dem revolutionären Frankreich kam nun Ende des 18. Jahrhunderts ein weiterer maßgeblicher Faktor hinzu. König Gustav IV. Adolf sah sich zu einer eindeutigen Positionierung gezwungen. Er entschied sich frühzeitig gegen Frankreich und für die Aufrechterhaltung der engen handelspolitischen Beziehungen zu England. Fast die Hälfte des schwedischen Erzexportes wurde Richtung britische Inseln verschifft. Auch trug die Außenpolitik des Königs zum Teil sehr irrationale persönliche Züge. Zu nennen wäre hier sein tiefer Hass auf Napoleon. Ausschlaggebend für seine Antipathie gegenüber Napoleon mögen die Erfahrungen gewesen sein, die er während eines Aufenthaltes bei seinen Schwiegereltern, dem badischen Thronfolgerpaar, machte. Hier entwickelte er eine eigentümlich romantische Neigung für die alten Traditionen des Deutschen Reiches. In einer Rede vor dem pommerschen Landtag 1806 kommt diese Sympathie zum Ausdruck.

„Möchte Ich dereinst den Tag doch erleben, wo ich Teutschland, als Mein zweites Vaterland zu dem Ansehen wieder hergestellt erblicke, wozu dessen achtungswürdige Nation und der Ruhm von Jahrhunderten ihm ein unleugbares Recht geben!“[97]

Napoleons traditionsverachtendes Vorgehen, die Verhaftung des Herzogs von Enghien am 21. März 1804 auf badischen Boden, erweckte in dem schwedischen König eine große Feindschaft gegen Napoleon. Es mögen daher neben rein sachpolitischen Zwängen ebenso persönliche Motive des Königs gewesen sein, die dazu führten, dass sich Schweden 1805 ohne Not der dritten Koalition gegen Napoleon anschloss.[98]

Gustav IV. Adolf gab mit dem Eintritt in den europäischen Krieg die Neutralität Schwedens auf. Für Schwedisch-Pommern hatte diese Neuausrichtung der schwedischen Außenpolitik schwere Folgen. Es wurde jetzt unmittelbar in den Krieg hineingezogen. Schwedische und russische Truppen sammelten sich 1805 in Vorpommern, um, so der Plan des Schwedenkönigs, über Mecklenburg Richtung Hannover zu ziehen. Jedoch durchkreuzte der Schönbrunner Vertrag von 1805 dieses ehrgeizige Vorhaben. Napoleon gestattete Preußen die Annexion von Hannover. Obwohl die Ambitionen Gustav IV. Adolfs scheiterten, blieben diese aber nicht folgenlos. Das militärische Engagement Schwedens in Vorpommern rief nämlich nicht allein den Zorn Napoleons gegen Schweden hervor, sondern durchkreuzte – wie unter Kapitel 3. 1 noch zu zeigen sein wird – außerdem auf empfindliche Weise die Politik Preußens. Schwedisch-Pommern war somit zur Zielscheibe vielfältiger Aggressionen geworden. Die Errichtung einer pommerschen Landwehr wurde zu einer unumgänglichen Notwendigkeit.[99]

Am 30. April 1806 erging die Verordnung über die Einrichtung einer Landwehr in Schwedisch-Pommern.[100] Aufgabe dieser Landwehr sollte einzig und allein die Verteidigung der eigenen Landesgrenzen sein. Zur Wehrpflicht wurden alle unverheirateten Männer zwischen 19 und 26 Jahren herangezogen, wobei die Liste der Ausnahmen jedoch lang war. Der Kreis der Wehrpflichtigen beschränkte sich fast ausschließlich auf die Dorfjugend. Adel, Beamte, Studenten, Handwerker und städtische Hausbesitzer waren freigestellt. Trotzdem verursachte die königliche Landwehr-Verordnung „im ganzen Lande eine unbeschreibliche Sensation“.[101] Es war weniger der Inhalt der Landwehrverordnung, als vielmehr die Art und Weise, mit der sie publiziert wurde. Gustav IV. Adolf hatte nämlich das verfassungsmäßige Mitspracherecht der Landstände einfach außer Acht gelassen. Die Landstände Schwedisch-Pommerns fühlten eines ihrer ureigensten Rechte empfindlich missachtet.

„Es ist auch in den Landesprivilegiis die allgemein gnädigste Versicherung enthalten, daß keine Landes Constitutiones und Verordnungen ohne vorherige Zuziehung der Landstände verfasset und publiciert und daß über alle und jede Landesangelegenheit betreffende Sache auf Landtagen mit Landständen und derselben Deputierten, der Landes Verfassung gemäß, überlegt, tractiert und abgehandelt werden soll.“[102]

Unterstützung erhielten die Landstände auch von der Regierung in Stralsund.[103] Diese fühlte sich an die ständische Verfassung des Landes gebunden und sah sich, ohne die Zustimmung der Stände, außerstande, die königliche Anordnung umzusetzen. Wieder drohten die Landstände mit einer Klage vor den Reichsgerichten. Dieses Mal schien der König jedoch nicht gewillt, sich auf eine langwierige Auseinandersetzung mit den Honoratioren der pommerschen Provinz einzulassen. Zunächst befahl er am 18. Juni 1806 die Auflösung der pommerschen Regierung und die Übernahme der Regierungsgeschäfte durch den Generalgouverneur. In der Veröffentlichung[104] dazu heißt es, dass der König mit „Verwunderung und Mißfallen“ einen „strafbaren Ungehorsam“ der Regierungsmitglieder feststellen musste. In einem weiteren Schritt ordnete Gustav IV. Adolf am 26. Juni 1806 die Aufhebung der alten ständischen Verfassung an. Sämtliche ständischen Körperschaften und Institutionen verloren ab diesem Datum ihre Gültigkeit.[105] Die Gründe für seinen Staatsstreich ließ der König in der offiziellen Bekanntmachung verlautbaren:

„Schon seit längerer Zeit her haben Wir mit Kummer verspürt, die wie alle Mühe und Sorgfalt, womit Wir dasjenige umfasset, was Unseren getreuen Pommerschen Unterthanen zum wahren Nutzen und Vortheil gereichen können, bei der Ausübung unerwartete Schwierigkeiten getroffen, womittelst Unsere Gnädigen Absichten theils oftmals nicht erfüllt, theils durch Zeitverschub und bei jeder Gelegenheit geschehenes Berufen auf Privilegien in ihrer Wirkung verspätet worden.“[106]

Es wird deutlich, dass der schwedische Monarch nicht erst seit dem Streit um die Landwehraufstellung, sondern eben schon seit geraumer Zeit mit dem opponierenden Verhalten der Landstände unzufrieden war. Ebenso, wie in Schweden selbst, schien Gustav IV. Adolf keinen Zweifel an seiner königlichen Macht dulden zu wollen. Sein Vater Gustav III. hatte mittels der Reformierung des schwedischen Staatswesens die Rollenverteilung zwischen Ständen und Krone eindeutig geregelt. Hinsichtlich Schwedisch-Pommerns sah es nun Gustav IV. Adolf als seine Aufgabe an, die väterlichen Reformen auch hier zur Geltung zu bringen. Er wähnte in der Landständischen Verfassung die Wurzel allen Übels. Diese beförderte seiner Ansicht nach das widerstrebende Verhalten der Landstände und verhinderte zugleich den politischen und wirtschaftlichen Fortschritt des Landes. So offensichtlich es auch erscheinen mag, die Initiative zur Aufhebung der Landständischen Verfassung in Vorpommern beruhte weniger auf einem bürgerlich-revolutionären Geist, der die Überlebtheit des ständischen Regierungssystems kritisierte. Vielmehr war der Staatsstreich von 1806 der Ausdruck landesherrlicher Machtpolitik. Der während der gesamten Schwedenzeit schwelende Konflikt mit den Landständen – angefangen von dem gescheiterten Versuch, die Lagerströmsche Matrikel einzuführen, bis hin zum gemeinsamen Widerstand von Provinzialregierung und Landständen gegen die Landwehraufstellung – entlud sich nun in dem Befehl eines absolutistischen Monarchen. König Gustav IV. Adolf unterließ es in der Verfügung vom 26. Juni 1806 nicht, den Vergleich mit anderen Ländern zu bemühen, um die Rolle der Landstände im modernen Staatswesen zu verdeutlichen.

„Wir haben Uns solchergestalt von den Gebrechen der jetzt geltenden Verfassungen überzeugt, zumal, wenn Wir die rascheren Fortschritte der vermehrten Bevölkerung und des Ertrages damit verglichen, die andere Länder darbieten, wo all die Hindernisse aufgehört, welche Unseren Deutschen Staaten die Quellen des Gedeihens, die einem wohleingerichteten Staatswesen so nothwendig sind, bisher fast abgeschnitten […].“[107]

Es war der deutliche Fingerzeig an die vorpommerschen Landstände, um auf das untergeordnete Verhältnis ihrer Pendants in Hinterpommern zu verweisen. Im preußischen Pommern waren die Landstände schon längst fest in das landesherrliche Gefüge eingebunden. Als Militärs oder Beamte unterstanden sie direkt der politischen Führung in Berlin. Hier, in Hinterpommern, hatten die Landstände die inneren Verhältnisse nicht so frei gestalten können, wie in Vorpommern.[108]

Die machtpolitischen Erwägungen des Staatsstreichs zeigten sich zudem daran, dass an die Stelle der bisherigen Verfassung die Staatsverfassung Schwedens treten sollte. Hiervon erhoffte sich Gustav IV. Adolf, möglichen Disputen mit den Landständen in der Zukunft von vornherein zu entziehen. Der König konnte seine deutsche Provinz fester an das schwedische Mutterland und letztlich unmittelbarer an seine Regie binden. Vorpommern dürfe nicht länger „[…] einen abgesonderter Teil des Schwedischen Volkes ausmachen, sondern in brüderlicher Vereinigung die Verfassung genießen sollen, welche die Wohlfahrt desselben schon seit Jahrhunderten verbürgte.“[109] Auf Grundlage dieser Verordnung wurden die Regierungsform des schwedischen Reiches von 1772, die Vereinigungs- und Sicherheitsakte von 1789, die Privilegien der schwedischen Stände sowie das allgemeine Gesetzbuch Schwedens als die für Vorpommern zukünftig geltende rechtliche Grundlage bestimmt. Schwedens moderne Reformverfassung sollte auch in der pommerschen Provinz in Kraft treten.[110]

Unter Hinzuziehung außenpolitischer Beweggründe gewinnt die machtpolitische Komponente des Staatsstreiches noch an Bedeutung. Schwedisch-Pommern war nach wie vor ein Bestandteil des Heiligen Römischen Reiches deutscher Nation und Gustav IV. Adolf dem deutscher Kaiser als Reichsfürst verpflichtet. Die Substitution der Landständischen Verfassung durch die Staatsverfassung Schwedens war ein direkter Eingriff in die innere Rechtsordnung des deutschen Reiches. Schließlich verankerte der Artikel X, § 16 des Osnabrücker Friedensvertrages die Landständische Verfassung Schwedisch-Pommerns fest in der deutschen Reichsverfassung. Demzufolge kann die Erklärung Vorpommerns zur schwedischen Provinz in einer außenpolitisch hoch sensiblen Zeit nicht ohne ein entsprechendes Kalkül hinsichtlich einer Außenwirkung des Staatsstreiches von statten gegangen sein. Seit 1805 hatte sich Vorpommern überdies in ein militärisch hochgerüstetes Gebiet verwandelt. Der König musste die außenpolitischen Konsequenzen seiner pommerschen Aktivitäten mit einkalkuliert haben. Ein an die Gesandten aller ausländischen Mächte gerichtetes Rundschreiben bestätigt diese Annahme. Darin ließ Gustav IV. Adolf verlautbaren, dass

„[…] es nie die Absicht Sr. Majestät gewesen ist, die Verhältnisse Pommerns zu dem Deutschem Reiche aufzuheben; sondern daß die Schwedische Constitution und Gesetze blos daselbst eingeführt worden sind, um die Ordnung und Vollkommenheit zu bewirken, welche mit der alten Landesverfassung bisher unverträglich waren.“[111]

Offensichtlich suchte der König mit dem ausschließlichen Verweis auf innenpolitische Beweggründe etwaige Befürchtungen, bezüglich einer schwedischen Expansionspolitik zu zerstreuen. Nach Dalgrens Auffassung scheint es hingegen nicht das Ansinnen Gustav IV. Adolfs gewesen zu sein, Vorpommern gänzlich vom deutschen Kaiserreich zu trennen.[112] So verweist er auf die königliche Bekanntmachung an die vorpommersche Bevölkerung nach der Auflösung des Heiligen Römischen Reichs deutscher Nation am 6. August 1806. Darin verkündete Gustav IV. Adolf, dass das Deutsche Reich zwar aufgelöst, aber die deutsche Nation selbst nicht vernichtet sei. Ungeachtet dessen schließt auch Dalgren weitergehende außenpolitische Motive des Schwedenkönigs nicht aus: „Denkbar ist jedoch auch, daß sich Gustav Adolf durch diese Äußerung nur eine Möglichkeit offen halten wollte, sich in die rein politischen Angelegenheiten Deutschlands einzumischen.“[113] Bestrebungen Gustav IV. Adolfs um die Jahrhundertwende, Pommern in den Rang eines Kurfürstentums zu erheben, um dadurch zwei zusätzliche Stimmen im Reichsfürstenrat zu erhalten bestätigen Dalgrens Vermutung.[114]

Letzte Klarheit über die Motivation Gustav IV. Adolfs für seinen Staatsstreich in Vorpommern konnten sich wohl selbst die Zeitgenossen in Schweden nicht verschaffen. Ein Grund dafür mag auch die bereits angesprochene irrationale Komponente in der gustavianischen Politik gewesen sein. Immer wieder war der König durch eine aufgeregte Gemütslage, gepaart mit Wutausbrüchen und einem allgemeinem Misstrauen, aufgefallen. Aus dem Kreis enger Vertrauter wurde die Sorglosigkeit der königlichen Politik scharf kritisiert.[115]

Kaum geringere Kritik konnte sich der König von den Landständen in Schwedisch-Pommern erwarten. Adel und Städtebürgertum sahen sich durch die Aufhebung der Landständischen Verfassung um ihre wohlbehüteten Privilegien gebracht. Unmittelbar nach dem Staatsstreich versammelten sich Ritterschaft und Vertreter der großen Städte, um eventuelle Gegenmaßnahmen zu organisieren. Die Widrigkeit der allgemeinen Umstände, vor allem die Auflösung des Heiligen Römischen Reiches, entzog ihnen aber die Möglichkeit, auf die gewohnte Weise zu protestieren. Der Gang vor die Reichsgerichte erschien aussichtslos, da es an Personen fehlte, die durch Verfassung und königliche Anerkennung legitimiert gewesen wären, als Kläger aufzutreten. An bewaffneten Widerstand war gleichfalls nicht zu denken. Immerhin hielt sich der König selbst mit einer nicht geringen Zahl an Soldaten im Land auf. Die einzige Möglichkeit, den Unwillen über den Staatsstreich zu bekunden, eröffnete sich lediglich auf dem vom König angekündigten allgemeinen Landtag. Am 4. August 1806 erfolgte die entsprechende Bekanntmachung, wonach sich die Stände zu einem Landtag in Greifswald einzufinden hatten.[116] Von Beginn an wurde jedoch von Gustav IV. Adolf die Platzierung einer Protestnote unterbunden. Im königlichen Interesse lag es nämlich nicht, eine gewöhnliche Landtagsverhandlung abzuhalten, sondern vielmehr die nachträgliche Absegnung seines Staatsstreiches. „Der wichtige Endzweck, weswegen Ich Euch zusammenberufen, ist nun erfüllt,“[117] verkündete Gustav IV. Adolf in seiner Rede vor dem Landtag. Den versammelten Landständen blieb schließlich nichts weiter übrig, als ihren Treueeid auf den schwedischen König zu leisten. Aus dem Landtag war eine „grosse politische Komödie“[118] geworden.

Desgleichen muss die relativ kritiklose Zustimmung der Landstände auf den Umstand zurückgeführt werden, dass neben Adel und Städten erstmals auch Bauern und Geistlichkeit die Landstandschaft gewährt wurde. Deren politische Aufwertung sicherte dem Schwedenkönig die notwendige Unterstützung für seinen Staatsstreich. Damit weist der Staatsstreich von 1806 gewisse Ähnlichkeiten mit dem des Jahres 1789 auf. Auch hier gewann der damalige König Gustav III. die Stimmen der unteren Bevölkerungsschichten, durch die Gewährung verschiedener Vorteile. Gustav IV. Adolf wusste die Gunst der Landstände, durch weitere großzügige Versprechen zu gewinnen. Er kündigte den Ausbau des vorpommerschen Kanalsystems sowie die Anlage eines neuen Hafens auf der Insel Rügen an. Außerdem versicherte er den Landständen die Freistellung von den schwedischen Reichsschulden und gewährte ihnen auch zukünftig einen eigenen Landtag für Vorpommern.[119]

Die Aufhebung der Landständischen Verfassung kam einer tiefen Erschütterung der gesellschaftlichen Grundfesten des Landes gleich. Immerhin stand die alte Verfassung nicht nur für landständische Autonomie. Sie war zugleich ein Stück Tradition, der ein nicht zu unterschätzendes, identitätsstiftendes Moment innewohnte. Zahlreiche Verordnungen und Regelungen entstammten noch der Zeit, als Pommern ein selbstständiges Herzogtum war. Über die Landständische Verfassung definierten und legitimierten Ritterschaft und Magistrate ihren politischen und gesellschaftlichen Führungsanspruch. All das stellte der Staatsstreich nun in Frage. Viel Zeit für eine nachhaltige Reflektion der Ereignisse des Jahres 1806 verblieb den Einwohnern Schwedisch-Pommerns aber nicht. Es war ein Wesensmerkmal jener Tage, dass eine wahre Flut an inneren und äußeren Geschehnissen auf die Menschen einströmte. Entscheidungen, die an einem Tag getroffen wurden, konnten am nächsten Tag längst ihre Gültigkeit verloren haben. Als besonders markant stellte sich in diesem Zusammenhang die Besetzung Schwedisch-Pommerns im Januar 1807 durch französische Truppen heraus. Im April des gleichen Jahres gelang zwar die Vertreibung des Feindes; doch hemmte diese kurze Besatzung ungemein die Umsetzung, der im Zuge des Staatsstreiches eingeleiteten Reformgesetze. Die Dauer der französischen Besatzung war nicht von vornherein absehbar und die Verabschiedung nachhaltiger Entscheidungen ohne eine institutionelle Präsenz vor Ort undenkbar. Als Napoleons Armee im Juli 1807 erneut von Schwedisch-Pommern Besitz ergriff, ereilte das Reformwerk Gustav IV. Adolf sein vorzeitiges Aus. Schweden erhielt seine deutsche Provinz nach dem Pariser Frieden von 1810 zwar wieder zurück. Der Initiator des Staatsstreiches von 1806 war derweil selbst Opfer eines Umsturzes geworden.[120] Insofern verblieb der schwedischen Regierung unter Gustav IV. Adolf kaum ein halbes Jahr, um die Durchführung der zahlreichen Reformvorhaben zu organisieren.[121]

Überhaupt litten die Reformen Gustav IV. Adolfs an dem Umstand, dass deren Umsetzung in aller Eile und nur fragmentartig in Schwedisch-Pommern erfolgt war. So wurde der Termin für das Inkrafttreten der schwedischen Gesetze zwar auf den 1. September 1807 veranschlagt, musste aber aufgrund der kriegerischen Ereignisse auf den 1. August 1808 verschoben werden. Bis dahin wurde eine Kommission beauftragt, die die Anpassung der schwedischen Gesetze an das deutsche Recht vorzunehmen hatte. Ernst Moritz Arndts Eintritt in diese Kommission verhalf jener zu einer gewissen Bekanntheit. Mit großem Eifer soll sich Arndt dabei an die Arbeit gemacht haben. In späteren Jahren distanzierte er sich aber von seiner Kommissionsarbeit. Das schwedische Recht hatte seiner Ansicht nach „[…] hierlandes weder einen örtlichen noch volklichen Boden, und war trotz aller Veränderungen und Anpassungen und Umstellungen hier nicht brauchbar […]“.[122]

Einige der in Schwedisch-Pommern eingeführten Neuerungen sollten jedoch über die Schwedenzeit hinaus nicht an Bedeutung verlieren, so dass noch die preußische Administration aus deren Bestand Vorteile zu ziehen wusste. Zu den bedeutungsvollsten Neuerungen zählte sicherlich die grundsätzliche Erfahrung der vorpommerschen Gesellschaft mit einer resoluten Landesherrschaft. Der Staatsstreich von 1806 weckte Vorpommern aus der selbstherrlichen Gemütlichkeit eines ständischen Regierungssystems. Letztlich tat die französische Okkupation in militärischer und ideologischer Hinsicht ihr Übriges, um die bestehende Ordnung in ihren Grundfesten zu erschüttern.

Den Kern der schwedischen Reformen unter Gustav IV. Adolf machte die Neuorganisation der Verwaltung aus. Die beiden Pole der zentralen Verwaltungsorgane, landesherrlicher und ständischer Aufgabenbereich, bildeten das Generalgouverneuramt und ein Vier-Stände-Landtag. Hinsichtlich der ständischen Organisation war aber unklar, ob Deputierte aus Vorpommern in den Stockholmer Reichstag zu entsenden seien, oder ob der vorpommersche Landtag einen Sonderstatus einzunehmen hätte. Eine definitive Lösung erfolgte zunächst nicht. Fest stand nur die Einteilung nach schwedischem Vorbild in die vier Stände: Adel, Städte, Bauern und Geistlichkeit. Einfacher gestaltete sich dagegen die Formierung der staatlichen Institutionen. Dem Generalgouverneur oblag die Leitung der staatlichen Behörden. Er stand an der Spitze eines Generalgouverneuramts, welches in vier Departments eingeteilt war: das Militär-, Ökonomie-, Polizei- und Kameraldepartment. Jedem dieser vier Departments wurde ein Direktor vorgestellt, der für die Koordinierung der entsprechenden Verwaltungsaufgaben und für die Berichterstattung an den Generalgouverneur verantwortlich war. Ausnahmslos wurden die Posten der Direktoren mit schwedischen Beamten besetzt. Frühere Mitglieder der königlich schwedischen Regierung zu Stralsund – zumeist lokale Honoratioren – erhielten lediglich untergeordnete Funktionen. Dieses konnte als deutliches Signal der Krone gewertet werden, dass ein provinzielles Eigenleben nun nicht länger gewünscht war, was im Übrigen eine gute Aussicht auf die preußische Verwaltungspraxis darstellte, entscheidende Positionen mit ortsfremden Beamten zu besetzen.[123]

Neben den Umstrukturierungen bei den landesherrlichen Behörden bestimmte das königliche Schreiben vom 9. Juli 1806 die Neueinteilung des Landes in vier Ämter (nach 1810 als Kreise bezeichnet): Franzburger, Grimmensches, Greifswalder und Bergensches Amt.[124] Dadurch wurde die Landesverwaltung komplett in die Hände der Krone gelegt. Die Trennung in landesherrliche Ämter, adlige Distrikte und städtische Herrschaften war vorbei. Jeweils ein Amtshauptmann leitete die vier Kreise. Er übernahm die Aufgabe, die von den Departments verfügten Anordnungen auf dieser untersten Verwaltungsebene umzusetzen. Ausgenommen von dieser Kreisreform waren die Städte. Sie behielten ihren Sonderstatus hinsichtlich der eigenen Oberhoheit über Rechtspflege, Polizei, Handel und Gewerbe. Die Überwindung des verwaltungsrechtlichen Unterschieds zwischen Stadt und Land wurde erst unter preußischer Führung in Angriff genommen. Trotzdem ist das Ergebnis der schwedischen Kreisreform, noch zumal vor dem zeitgeschichtlichen Hintergrund, nicht zu unterschätzen. Um wieviel schwerer tat sich doch die preußische Administration in ihren Bemühungen zwischen 1809 und 1818, in den brandenburgischen und hinterpommerschen Gebieten eine Kreisreform durchzuführen. Nach dem Regierungswechsel sollte, angesichts der schwedischen Vorarbeiten, eine erneute Reform nach preußischem Muster in Neuvorpommern überflüssig sein.[125]

In diesem Sinne als wegbereitend für die späteren preußischen Reformbestrebungen kann auch die Neuorganisation des vorpommerschen Justizwesens gewertet werden. Gerade jener Bereich bedurfte der dringenden Revision. Nahezu unbegrenzt war die Vielfalt der unteren Gerichte. Folgende (unvollständige) Aufzählung rechtsprechender Instanzen mag einen Eindruck von über Jahrhunderten hinweg gewachsenen Strukturen geben. In Schwedisch-Pommern existierten neben dem Tribunal die Pastoratsgerichte auf dem Land, die Patrimonialgerichte der Gutsbesitzer, sieben Amtsgerichte in den königlichen Domanialämtern, das Hofgericht, das akademische Gericht der Universität Greifswald, die Gerichtsbarkeit des Hauses Putbus, die städtischen Gerichte, die verschiedenen königlichen Spezialgerichte, die Kriegsgerichte sowie die Gerichtsbarkeit der Regierung.[126]

Am 3. Juli 1806 erging die königliche Bekanntmachung, die der Unübersichtlichkeit der ländlichen Justizpflege ein Ende bereitete.[127] Die erste Instanz der Rechtsprechung auf dem Land übernahm fortan ein Amtsgericht. Jedes der vier Ämter erhielt eines dieser Gerichte, das sich aus einem Amtsrichter, einem Justitiar und einem Aktuarius (Gerichtsschreiber) zusammensetzte. Diese Gerichte verwalteten, da die Patrimonialgerichtsbarkeit abgeschafft war, alle Justizangelegenheiten im ländlichen Raum. Den Städten verblieb ihre Jurisdiktion mit Beschränkung auf Stadt und Vorstadt. Ihre Kompetenzen entsprachen in etwa denen der Amtsgerichte. In Kriminalsachen und bei kleineren zivilrechtlichen Delikten führten die Amtsgerichte die Untersuchungen. Urteilsverkündungen waren mit Ausnahme der Gerichte in den vier Seestädten dem Hofgericht vorbehalten. Dieses bildete das Überbleibsel der Mitte des 16. Jahrhunderts in Pommern errichteten zwei fürstlichen Hofgerichte. Sämtliche Zivilsachen mit einem Streitwert von über 200 Talern wie die Kriminalgerichtsbarkeit oblagen größtenteils dem königlichen Hofgericht. Es verfügte über die Gerichtsbarkeit in erster Instanz. Das Oberappellationsgericht war 1653 als Wismarer Tribunal gegründet worden und für alle schwedischen Besitzungen auf deutschem Boden verantwortlich. Im Jahr 1815 repräsentierte es eine Art Verfassungsgericht und nahm die Funktion einer Appellationsinstanz für die am Hofgericht anhängigen Sachen wahr. Neben diesen vier Gerichtsbarkeiten bestanden weitere Institutionen, die sich mittelbar mit Rechtsfragen auseinandersetzten. Dazu gehörten die Stralsunder Regierung, welches die landeshoheitliche Aufsicht über das Hofgericht und das Konsistorium wahrnahm und der für die Aufsicht über sämtliche niederen Gerichte zuständige Obersachanwalt. Weiterhin bestanden Spezialgerichte, wie zum Beispiel die Jagd- und Holzgerichte, die Konsistorien und das Universitätsgericht.[128]

Generell änderte sich an den Kompetenzen und der personellen Zusammensetzung der vorpommerschen Gerichte zwar nicht viel. Geschuldet war das zum Großteil dem provisorischen Charakter der neuen Gerichtsordnung. Dennoch wurde mit der Einführung der vier Amtsgerichte eine solide Basis geschaffen, um in Vorpommern ein modernes Gerichtswesen einzuführen. Insbesondere die Aufhebung der Patrimonialgerichtsbarkeit erwies sich von nachhaltigem Wert. Was hier mit einer einzigen Verordnung beseitigt wurde, bedurfte in den preußischen Provinzen jahrelanger und mühevoller Verhandlungen. Es wird noch zu zeigen sein, welche Komplikationen sich in diesem Zusammenhang für Vorpommern ergeben sollten.

Als wohl bedeutendste Neuerung im Zuge des Staatsstreichs von 1806 kann die Aufhebung der Leibeigenschaft bezeichnet werden. Die Befreiung der Bauern von der Erbuntertänigkeit ereignete sich als eine natürliche Folge der Einführung der schwedischen Gesetze in Vorpommern. Der Pommernpolitik Gustav IV. Adolfs wurde dadurch eine soziale Komponente verliehen, die den machtpolitischen Charakter des Staatsstreiches verdeckte. In der Planung des Staatsstreichs schien gerade dieses Faktum, die Gewinnung der einfachen Landbevölkerung mittels sozialpolitischer Reformen, eine gewichtige Rolle gespielt zu haben. Gustav IV. Adolf wusste sehr wohl um die innerschwedische Opposition seiner Politik. Er war geradezu angewiesen auf eine breite Unterstützung in der Bevölkerung. Was hätte in Vorpommern da näher gelegen, als in den unterprivilegierten Klassen eine Stütze gegen Ritterschaft und Magistrate zu suchen. Jakob August Hartmannsdorff, Sekretär in der schwedischen Regierung, beurteilte folgerichtig die Handlungsweise des Königs:

„Um dies [der Staatsstreich] zustande zu bringen, mußte die Leibeigenschaft aufgehoben werden, und er tat dies umsolieber, als er sich dadurch besonders an dem Adel rächte, während er die Masse des Volkes für sich gewann und so der neuen Einrichtung der Sachen an Stärke verlieh.“[129]

Es käme dem Urteil über die Politik Gustav IV. Adolfs aber nicht gerecht, wenn die Motivation zur Abschaffung der Leibeigenschaft ausschließlich in machtpolitischen Sphären verortet würde. In der öffentlichen Bekanntmachung vom 4. Juli 1806 erklärte der König selbst die Aufhebung der Leibeigenschaft zu dem großen Endzweck seines Staatsstreiches.[130] Er bezeugte in seiner Ansprache vor dem Landtag seine besondere Wertschätzung gegenüber dem Bauernstand.

„Gute Männer von dem achtungswerthen Bauernstande! Gottes Furcht, Emsigkeit, Fleiß, alte Treue und Reglichkeit waren jederzeit die sichersten Bürgen für die ausgezeichnete Achtung, die Eurem Stande gebührt, welcher alle übrigen durch seine Arbeitsamkeit ernähren soll. Gleichet auch Euren Schwedischen Mitbrüdern in der unveränderlichen Treue und Ergebenheit, welche sie ihren Königen bewiesen.“[131]

Gustav IV. Adolf hegte schon kurz nach seiner Thronbesteigung ein tiefgehendes Interesse an der Modernisierung der Landwirtschaft. In Schweden setzte er die auf Rutger Macklean zurückgehende Verkoppelung[132] durch. Schriften von Arndt, Gadebusch und Reichenbach lenkten seine Aufmerksamkeit auf die vorpommersche Landwirtschaft.[133] Gerade die Veröffentlichung Arndts über die nachteiligen Folgen der Leibeigenschaft ermunterte den Schwedenkönig dazu, auch in Schwedisch-Pommern eine Modernisierung der landwirtschaftlichen Verhältnisse zu erwirken. Beseitigung der Erbuntertänigkeit sowie Übertragung der Mackleanschen Reformen erschienen ihm dabei als die geeigneten Maßnahmen. Beide Vorhaben verlangten jedoch Zeit und einfühlsames Vorgehen. Gustav IV. Adolf verfügte weder über das eine, noch über das andere, so dass seine Agrarreformen in Schwedisch-Pommern nicht über den Charakter eines Provisoriums hinauskamen. Die Mackleanschen Reformen ließen sich nur auf die Domanialgüter anwenden. Allein hier existierten noch Reste eines freien und wirtschaftsfähigen Bauerntums. Auf den landesherrlichen Gütern sollten einzelne Pachthöfe, sogenannte Farmen, entstehen. Für die Mehrheit der großen Güter, die sich in Privatbesitz befanden, konnte Gustav IV. Adolf allenfalls eine Empfehlung aussprechen.[134]

Was die Befreiung der Bauern aus der Leibeigenschaft betraf, so erhielten diese zwar ihre persönliche Freiheit zurück. Die in gleicher Weise bedeutsame Lösung der Bauern von den materiellen Pflichten und Abhängigkeiten gegenüber ihrem Gutsbesitzer fand jedoch nur unzureichend statt. Als besonders nachteilig stellte sich das Fehlen einer Regelung heraus, die das Verbot des Bauernlegens aussprach. Letztlich erreichte der König mit seinen Reformen eher das Gegenteil, nämlich den endgültigen Untergang des Bauerntums in Schwedisch-Pommern. Ein Umstand, der, wie noch zu zeigen sein wird, nach 1815 zu einer ganz eigenen Sichtweise seitens der preußischen Administration auf die gutsherrlich-bäuerlichen Verhältnisse im ehemaligen Schwedisch-Pommern führte.[135]

Trotz aller Fehlerhaftigkeit seiner Sozialreformen konnte Gustav IV. Adolf zumindest das anvisierte Ziel, die Initiierung einer königsfreundlichen Stimmung in den unteren Bevölkerungsschichten, als erreicht verbuchen. Ein Umstand, der für die eigenartige Verklärung der Regierungszeit des Königs in Schwedisch-Pommern verantwortlich war. In Schweden wurde die Politik Gustav IV. Adolfs zumeist als ausgeprägt reaktionär wahrgenommen, was insbesondere auf dessen scharfe Verurteilung der Französischen Revolution zurückzuführen ist. In Vorpommern bedeutete die Bauernbefreiung für den Großteil der Menschen der Beginn einer hoffnungsvollen Reformperiode.

Auch wenn die Reformgesetze Gustav IV. Adolfs in Vorpommern keine nachhaltige Wirkung entfalten konnten, so lässt sich im Vergleich zum schwedischen Kernland, wo es möglich war Reformpolitik zu betreiben, die Tragweite der historischen Chance des Staatsstreiches von 1806 in Bezug auf das schwedische Pommern erahnen. Die von Gustav IV. Adolf forcierte Stärkung der mittleren bäuerlichen Betriebe in Schweden bewirkte, dass das skandinavische Königreich besser auf die Agrarkrisen des 19. Jahrhunderts zu reagieren im Stande war. Während das preußische Deutschland seine durch Gutswirtschaften dominierte Landwirtschaft durch horrende Zölle schützen musste, eroberten schwedische Landwirte den englischen Agrarmarkt.[136]

Nach der Absetzung Gustav IV. Adolf übernahm dessen Onkel, Karl XIII., den schwedischen Thron. Am 6. Januar 1810 schloss er mit Napoleon in Paris Frieden. Schweden trat der Kontinentalsperre bei und Vorpommern ging wieder an Schweden zurück. Gleichzeitig wurde die Verfassung von 1806 außer Kraft gesetzt. Der neue schwedische König beauftragte nunmehr eine Kommission zur Erarbeitung einer neuen Verfassung. Allerdings trat die am 8. März 1811 per königliche Verfügung festgestellte Verfassung aufgrund der fortdauernden kriegerischen Verwicklungen des Landes nie in Kraft.[137] Bis Mitte der 1820er Jahre blieb die Verfassungsfrage des Landes ungelöst. In der Hauptsache blieb es bei den von Gustav IV. Adolf im Jahr 1806 geschaffenen Veränderungen. Die Kreiseinteilung, die Behörden- und Gerichtsorganisation sowie die Aufhebung der Leibeigenschaft erfuhren ihre praktische Umsetzung. Zu der geplanten Einführung des schwedischen Gesetzbuches kam es hingegen ebenso wenig, wie zu einer erneuten Konstituierung des Vier-Stände-Landtages.[138]

1812 geriet Schwedisch-Pommern erneut unter französische Besatzung. Frankreichs hohe Kontributionsforderungen, einhergehend mit den negativen Folgen der Kontinentalsperre, ließen Vorpommern und Rügen in eine schwere wirtschaftliche Krise geraten. An eine abschließende Umsetzung der noch immer offenen Verfassungsfrage war nicht zu denken. Im Frühjahr 1813 kehrte die schwedische Armee unter Führung des schwedischen Kronprinzen nach Vorpommern zurück. Damit erlebte die schwedische Herrschaft über Vorpommern ihren letzten und glanzlosen Akt. Die deutsche Besitzung Schwedens erregte in Stockholm nur noch als lukratives Tauschobjekt die Aufmerksamkeit der politischen Führung. An einer Fortsetzung der unter Gustav IV. Adolf begonnenen Reformen schien kein Interesse mehr vorhanden zu sein. Am 23. Oktober 1815 endete schließlich die Schwedenzeit Pommerns. Vorpommern und Rügen standen fortan unter preußischer Herrschaft.[139]

2. 3 Das Preußenbild in Schwedisch-Pommern

Um das in Schwedisch-Pommern vorherrschende Preußenbild[140] erfassen zu können, muss es zum jeweiligen zeitlichen Rahmen und dem sozialen Umfeld, in dem es erzeugt worden ist, in Beziehung gesetzt werden. So ist der preußische Nachbar zu Beginn des 18. Jahrhunderts gewiss mit anderer Intensität wahrgenommen und beurteilt worden, als um den Jahreswechsel 1814/15, zu einem Zeitpunkt, wo sich die Übernahme des Landes durch die preußische Krone abzuzeichnen begann. Desgleichen war die Haltung der Rittergutsbesitzer zu Preußen ohne Frage eine ungleich andere, als die des leibeigenen Bauern. Aus diesem Grund kann von dem Preußenbild in Schwedisch-Pommern nicht die Rede sein. Ohnehin ist es aus heutiger Perspektive mit einigen Schwierigkeiten verbunden, die Aufnahme eines spezifischen Stimmungsbildes zu der damaligen Zeit wiederzugeben. Die Historiographie ist ausschließlich auf die Auswertung schriftlichen Quellenmaterials, wie beispielsweise Zeitungen und Briefe angewiesen. Dies birgt die Gefahr, den Blick vornehmlich auf die gebildeten Bevölkerungsteile zu richten und damit ein einseitiges Stimmungsbild zu zeichnen.

Ungeachtet der methodischen Schwierigkeiten bleibt festzuhalten, dass der Wechsel der Landesherrschaft in Schwedisch-Pommern im Jahr 1815 unter anderen Prämissen stattfand, als die Übernahme der landesherrlichen Gewalt durch das Königreich Schweden in der Mitte des 17. Jahrhunderts. Im schwedischen Teil Pommerns konnten sich die Landeseinwohner über ein Jahrhundert hinweg ein Bild von der preußischen Art des Regierens machen. Nachdem Pommern 1637 seine Eigenständigkeit verloren hatte, war es das damals noch kurfürstliche Brandenburg, welches mit der Krone Schwedens um die Aufteilung des Herzogtums Pommerns stritt. Pommerns Landeseinwohner werden sowohl Schweden, als auch Preußen zunächst gleichermaßen mit Distanz begegnet sein. Schließlich verband sich mit einem neuen und fremden Landesherrn die Aufgabe bisher gewohnter Rechte und Privilegien. Das fernere Schicksal des Landes hing nun „von der Gewalt fremder Waffen, oder den Künsten fremder Politik“[141] ab. Den Unmut über die neuen Abhängigkeiten bezeugen die in jener Zeit an den Kurfürsten und die schwedische Krone gerichteten Petitionen, in welchen die Landstände um die Beibehaltung der lokalen Administration bitten.

Spätestens seit dem Ende der Nordischen Kriege, als sich die Teilung Pommerns in einen schwedischen und einen brandenburg-preußischen Teil dauerhaft abzuzeichnen begann, erfolgte die mehr oder minder intensive Anbindung an die übergeordnete Landesherrschaft. Obgleich eine gewisse landsmannschaftliche Verbundenheit zwischen den Bewohnern dies- und jenseits der Grenze erhalten blieb, wurde der Nachbar an der innerpommersche Grenze mit fortschreitender Trennung zunehmend auch als Repräsentant des jeweiligen Landesherrn betrachtet. Ein zeitgenössischer Beobachter registrierte in diesem Zusammenhang mit Verwunderung, „[…] wie fremd sich die Pommern wurden, die einer verschiedenen Herrschaft angehörten.“[142] Und in einer Denkschrift aus dem Jahr 1821 heißt es: „Dagegen sahen Vorpommern und Hinterpommern sich bald dahin gebracht, einander als Feinde betrachten zu müssen.“[143] Gerade in den wirtschaftlich und sozial führenden Schichten wurde deutlich zwischen einem „Preußisch-Pommern“ und einem „Schwedisch-Pommern“ unterschieden. In der landeskundlichen Literatur ist diese Differenzierung bereits im Verlauf des 18. Jahrhunderts festzustellen.[144] Der im preußischen Teil lebende Pommer wurde als „preußisch-pommerscher Landsmann“ bezeichnet, der im schwedischen Teil hieß schlicht „Landsmann“.[145]

Die Ursachen für die gute Kenntnis der preußischen Landesherrschaft liegen in dem besonderen Verhältnis begründet, welches zwischen der Region Vorpommern und dem Königreich Preußen bestand. Preußen repräsentierte nicht einfach nur einen beliebigen Nachbarn an der südlichen und westlichen Grenze. Vielmehr gehörte der an Schwedisch-Pommern grenzende Teil Preußens gleichfalls zu Vorpommern. Jenseits des Grenzflüsschens Peene lebten nicht „Preußen“, sondern die eigenen Landsleute, die in gleicher Weise in den Traditionen und Gebräuchen der Region verwurzelt waren. Aus diesem Grund war der Blick nach Preußen in erster Linie ein Blick auf Pommern und umgekehrt. Vornehmlich resultierte die Wahrnehmung Preußens in Schwedisch-Pommern aus dem direkten Vergleich der beiden Landesherrschaften und deren konkreten Auswirkungen auf die jeweiligen Landeseinwohner. Eigene Erfahrungen mit dem Nachbarn jenseits der Peene oder die Erlebnisberichte von Reisenden machten den preußischen Staat unmittelbar vor den Augen der schwedischen Pommern erlebbar. Beispielsweise berichtete Ernst Moritz Arndt über seinen Onkel:

„Moritz Schumacher auf der anderen Seite war ein heftiger Preuße ganz gegen die Neigungen meiner meisten Landsleute, welche an eine gewisse gutmütige Lockerheit und sorglose Ungebundenheit mit großer einzelner Freiheit des schwedischen Wesens gewöhnt, jenseits der Peene etwas Korporalischfreudenloses und Fiskalischhartes zu sehen glaubten.“[146]

Das Anderssein, beziehungsweise das Anderswerden der pommerschen Nachbarn glaubte Arndt in der inneren Entwicklung Preußens während des 18. Jahrhunderts zu sehen. Pommerns einfacher Landbevölkerung imponierten die „Taten des großen Friederichs.“[147] Und so holte sich auch der Onkel Arndts seine „preußische Farbe.“[148] In Schwedisch-Pommern dagegen hielt sich die Begeisterung für das unter der Regentschaft Friedrich Wilhelm I. und Friedrich II. emporstrebende Königreich Preußen eher in Grenzen. Hier registrierte die gesellschaftliche Elite sehr genau den forschen Eingriff der preußischen Administration in die innerpommerschen Angelegenheiten. Insbesondere der Teil Vorpommerns, der nach dem Ende des Nordischen Krieges von Schweden an Preußen abgetreten wurde, musste schnell das Ende schwedischer Gemütlichkeit und den Beginn preußischer Eifrigkeit realisieren. Weiter vorne ist bezüglich der Einführung der Lagerströmschen Matrikel bereits ein Beispiel für das bestimmte Vorgehen der neuen, preußischen Landesherrschaft angeführt worden. Wehrmann konstatierte in diesem Zusammenhang, dass es die Pommern, die bislang unter der milden Verwaltung Schwedens gestanden hatten, nicht leicht mit ihrem neuen Landesherrn Preußen hatten.[149] Dieser griff mit mannigfachen Reformen und Modernisierungsmaßnahmen in den Geschäftsgang der Behörden und in die wirtschaftlichen Verhältnisse des Landes ein. Argwöhnisch beäugten die Landstände in Schwedisch-Pommern die Regulierungstätigkeit der preußischen Administration; und sie fühlten sich angesichts der eigenen Autonomie in der Vorstellung bestärkt, mit ihrem Landesherrn das bessere Los gezogen zu haben.

Interessanter Weise schien innerhalb der Stockholmer Regierung die bei den Ständen vorhandene Abneigung gegen den preußischen Staat in der Form nicht registriert worden zu sein. Hier herrschte augenscheinlich die Auffassung[150], dass die Einwohner Schwedisch-Pommerns lieber mit Preußen vereint wären, weil der Staat dort mit viel Aufwand eine Verbesserung der Infrastruktur und des Kreditwesens herbeigeführt hatte. Diese Fehleinschätzung durch die schwedische Regierung rührte wohl in erster Linie aus dem konstanten Widerstand der Landstände gegen jedwede Reformversuche. Die in Vorpommern vorherrschenden Befindlichkeiten – die Anhänglichkeit an Schweden und die Abneigung gegenüber preußischer Verwaltung – erkannten die schwedischen Machthaber in der Form nicht. Sichtlich überrascht registrierten die königlichen Begleiter, bei der Flucht Gustav IV. Adolfs in das Schweizer Exil, die „Adoration des Pöbels“[151] in Schwedisch-Pommern.

Gegen Ende der Schwedenzeit gewann die bislang eher am Rande geführte Debatte über die Vor- und Nachteile der einen oder anderen Landesherrschaft an zentraler Bedeutung. Ebenso wie in den übrigen Regionen Deutschlands erwachte auch in Schwedisch-Pommern im Zuge der napoleonischen Besetzung ein starkes nationales Bewusstsein. Auf der richtigen Seite zu stehen, war die zu jener Zeit gewichtigste Entscheidung – zumal für das westliche Vorpommern mit seiner staatsrechtlichen Sonderstellung. Der durch den Kieler Friedensvertrag von 1814 angedeutete Regierungswechsel ließ die Beantwortung der Frage nach der nationalen Zugehörigkeit umso dringlicher hervortreten.

Eine offen geführte Debatte über die Vorzüge schwedischer und preußischer Landesherrschaft fand in Vorpommern nicht statt. Öffentliche Diskussionen wurden durch die von Regierung und Besatzungsarmee verordnete, repressive Zensur verhindert. Die „verwünschten Zeitungen wissen nichts“,[152] beklagte sich Friedrich Carl Arndt (1772-1815); und die „Herren von den Posten werden sich das Briefbrechen sobald nicht abgewöhnen.“[153] Schwedisch-Pommerns wichtigsten regionalen Zeitungen[154] – „Stralsundische Zeitung“ und „Greifswalder Anzeiger“ – veröffentlichten keine Kommentare zum aktuellen Zeitgeschehen. Sie beschränkten ihre Berichterstattung im Wesentlichen auf die Wiedergabe öffentlicher Bekanntmachungen. Als ausschließliches Verkündigungsorgan des Staates verstand sich etwas die seit 1772 verlegte Stralsundische Zeitung.[155] „Im Wandel der regierenden Gewalten in der Stadt [Stralsund] blieb die Stralsundische Zeitung der ruhende Pol in der Erscheinungen Flucht.“[156] Dennoch wirkten die in privater Hand befindlichen Blätter durch eine gezielte Berichterstattung als eine Art vorbereitende Instanz, die mit ihren Artikel für den öffentlichen Gesprächsstoff sorgten. So informierte etwa die Stralsundische Zeitung am 6. Dezember 1812 über den Jahrestag der Krönung Napoleons. Zu den im Anschluss stattfindenden Feierlichkeiten verlor diese kein Wort. Nachdem die napoleonischen Besatzungstruppen endgültig aus Vorpommern abgezogen waren und im Februar 1813 schwedische Regimenter auf Rügen landeten, wurde der Zeitungsleser hingegen ausführlich über jubelnde Einwohner und Feierlichkeiten in Stralsund in Kenntnis gesetzt.[157] Der Greifswalder Anzeiger, welcher hauptsächlich ein Anzeigenblatt war, suchte durch die Veröffentlichung lyrischer Texte und Anekdoten aus dem Alltagsleben ein Stimmungsbild in der vorpommerschen Bevölkerung nachzuzeichnen, beziehungsweise zu erzeugen. Exemplarisch stand dafür der Vorabdruck der Novelle „Die Pfarrerstochter von Koserow“ des auf Usedom geborenen Dichters Wilhelm Meinhold (1797-1851) – ein Schüler Kosegartens. Meinholds Werk reihte sich ein in die Vielzahl von Gedichten und Erzählungen, die die Schwedenzeit nachträglich glorifizierten.[158]

Obgleich die regionale Presse in Schwedisch-Pommern in ihrer Grundtendenz eher proschwedisch ausgerichtet war, unterließen die Zeitungen es nicht, ihre Leserschaft eindringlich an deren nationale (deutsche) Aufgabe im Kampf gegen Frankreich zu erinnern. „Es ist ein heiliger Krieg und da muß jeder gehen.“[159] Preußen wurde im Zusammenhang mit dem allerorten proklamierten Befreiungskampf in der zeitgenössischen Publizistik weitestgehend ausgeklammert. Die Formulierung einer deutschen Identität erfolgte nach den Richtlinien der schwedischen Obrigkeit. Insbesondere die Stralsundische Zeitung zeigte sich primär staatsbezogen und vermied jedwede konfrontative Berichterstattung. Mit Äußerungen über den Verlauf des Krieges hielt sich das Blatt ebenso zurück, wie mit Bemerkungen über die Verhandlungen Schwedens bezüglich der Abtretung des Landes an Dänemark oder Preußen. Im preußischen Pommern unterrichtete die Presse ihre Leser weit ausführlicher. Sie machte keinen Hehl aus ihrer antinapoleonischen Gesinnung und setzte den Befreiungskampf der Deutschen mit dem Preußens gleich. Nach Angaben Wehrmanns setzte sich die „Stettiner Sonntagszeitung“ in der Zeit der französischen Besatzung intensiv für die Aufrechterhaltung der allgemeinen Moral ein. Es war „[…] gewiß für preußisch gesinnte Männer schwer, die Fremdherrschaft zu ertragen, während draußen im Vaterlande ein neues Preußen entstand.“[160] Detailliert informierten die in Preußisch-Pommern erscheinenden Zeitungen über die politischen Ereignisse in Schwedisch-Pommern und im Reich. Während die „Königliche Preußische Stettinische Zeitung“ alle Einzelheiten des Kieler Friedensschlusses offen legte, unterschlug die Stralsundische Zeitung die wichtigste Information: Vorpommerns Abtretung an Dänemark. Erstgenannte schilderte in drei Ausgaben die Abtretungsverhandlungen zwischen Preußen und Schweden.[161] Die Stralsundische Zeitung veröffentlichte selbst im Juni 1815 keinen Beitrag über die bevorstehende Regierungsübernahme durch Preußen.[162]

Gründe für die „Lautlosigkeit“ des politischen Diskurses in Schwedisch-Pommern sind aber nicht allein bei Zensur und unzureichender, journalistischer Berichterstattung zu suchen. Im Land fehlte es auch an einer entsprechenden politischen Kultur. Die Intellektuellen, wie Ernst Moritz Arndt, flüchteten aus Schwedisch-Pommern und bevorzugten lieber jene Orte, wo „[…] alles Politische frisch aus dem Backofen auf die Tische der Leute geschoben wird.“[163] Und die (studentische) Jugend des Landes schien es Arndt gleich zu tun. Bei einem Aufenthalt in Dresden im Jahr 1813 notierte er: „[…] auch erschienen einige Jünglinge der Heimath, welche der Zeit würdig dienen und für das Vaterland die Waffen ergreifen wollten.“[164] Innerhalb der Greifswalder Professorenschaft fanden sich nur wenige, die offen ihre politischen Ansichten darlegten. Karl Schildener, Rektor der Universität, gehörte zu diesen Wenigen. Er vertrat mit Vehemenz seine vaterländische, deutsche Gesinnung. Insgesamt gesehen schien die Stimmung in Vorpommern ziemlich bekümmert gewesen zu sein. „Köpfe und Herzen sind hier durch die letzten Jahre sehr zusammengepresst und eingedrückt.“[165] Selbst noch im Jahr 1818, als der Machtwechsel zwischen Schweden und Preußen längst vollzogen war, hatte offensichtlich keine wesentliche Belebung der politischen Diskussion stattgefunden. Schildener stellte folgende Worte einer seiner Schriften voran:

„Schreibt man nicht, so heißt es: in dieser Provinz giebt es keine Meinung! – Schreibt man, so ist man Gefahr, für einen Schmeichler der Regierungsgewalt, oder für einen Demagogen zu gelten! – Was soll man thun? – Schreiben! – Und Vertrauen erhalten zwischen Regierung und Volk!“[166]

Der politische Diskurs ging in Schwedisch-Pommern selten über den privaten Rahmen hinaus. Unzählige Gerüchte waren im Umlauf. Einige glaubten von in Preußen entwickelten „luftdurchsegelnden Maschinen“[167] gehört zu haben; andere wollten von einer Abtretung des Landes an England wissen. Die Sichtung eines hannoverschen Offiziers in englischer Uniform war der Grund für dieses Gerücht.[168] Im Jahrestakt wechselnde Machtverhältnisse und sich täglich widersprechende Meldungen führten zu einer Verunsicherung der eher an Gleichmaß gewohnten Menschen. Ob „Schweden oder Deutschland, Franzosen oder Preußen – so blaßgrau ist die Farbe der Zeit, daß alles in einander fließt“[169], und so bemerkte Friedrich Arndt gegenüber seinem Bruder weiter spöttisch, „die schwedischen und preußischen Böcke Schaafe und Haasen springen hier […] albern untereinander und gegen einander“.[170] Als Orientierung in der politischen bewegten Zeit zwischen 1806 und 1815 dienten die im Verlauf des 18. Jahrhunderts direkt, beziehungsweise indirekt gesammelten Erfahrungen mit der schwedischen und preußischen Landesherrschaft. Dieses „Vorwissen“ prägte die Debatte am Vorabend der preußischen Regierungsübernahme. Nationale und staatspolitische Erwägungen wurden wirtschaftlichen Interessen gegenübergestellt. Unter Zuhilfenahme zumeist stereotyper Bilder[171] versuchten die vorpommerschen Landeseinwohner die komplexen zeitpolitischen Probleme auf eine allgemein fassbare Ebene zu bringen. In Bezug auf das Preußenbild ist davon auszugehen, dass im Jahr des Regierungswechsels in Schwedisch-Pommern ein mehr oder minder gefestigtes Meinungsbild von dem zukünftigen Landesherrn vorherrschte. Friedrich Arndt schrieb an seinen Bruder Ernst Moritz im Februar 1815 über das Preußenbild seiner Landsleute:

„Sie sehen immer nur noch den alten dünnhalsigen langbeinigen preußischen Unteroffizier und Korporal als Accisschreiber und Gränzhüter der Schlagbäume an der Peene, und der war freilich nichts Appetitliches.“[172]

Das Interesse am zeitpolitischen Geschehen wurde im Wesentlichen durch die eigenen, materiellen Bedürfnisse diktiert. Sichtlich frustriert notierte Friedrich Arndt über seine Landesleute:

„Solches Volk willst du mit dem idealischen Bissen Ruhm Ehre Freiheit Deutschland locken; ach! es ist – schändlich zu sagen und zu hören – eher dänisch als preußisch. Was wissen die von deutschen Siegen und deutschem und preußischen Ruhm? Sie wollen eine Flagge, die ihre Schiffe deckt, sie wollen ihr Korn theuer verkaufen, sie wollen zollfrei durch den Sund segeln […].“[173]

Die in den vorangestellten Kapiteln gemachten Ausführungen über den Charakter der schwedischen Landesherrschaft haben verdeutlicht, wie die jeweiligen gesellschaftlichen Schichten aus unterschiedlichen Motiven heraus sich mit Schweden verbunden fühlten. In den Kreisen, in denen die Verbundenheit mit dem skandinavischen Landesherrn am größten war, zeigte sich die renitenteste Haltung gegen die zu erwartende preußische Regierungsübernahme. Insbesondere der landbesitzende Adel, der unter schwedischer Regentschaft die meisten Vorteile für sich zu verschaffen wusste, hegte gegenüber Preußen starke Antipathien. Die schwedisch-pommersche Ritterschaft fürchtete um den Verlust lieb gewonnener Sonder- und Standesrechte. Mit Hochmut sah hier der vor Selbstbewusstsein strotzende Adel auf seine preußisch-pommerschen Standesgenossen herab. Waren doch jene vielfach zu landesherrlichen Beamten degradiert oder mussten Eingriffe in ihre gutsherrlichen Rechte hinnehmen. Der Geist der Ritterschaft Schwedisch-Pommerns war in jenen Tagen zutiefst reaktionär. Als im Jahr 1810 die Schweden noch einmal ein kurzes Intermezzo ihrer landesherrlichen Gewalt gaben, charakterisierte Friedrich Arndt den heimischen Adel wie folgt:

„Unsre Junkerlein stecken nun bei dem Wiedereintritt der alten neuen Dinge mit der lebendigsten Gerührigkeit wieder ihre Köpfe zusammen. Sie hätten wohl Appetit sich die entlassenen Leibeigenen wieder ins alte Strick zu fangen.“[174]

Zur Sicherung des status quo bedienten sich die adligen Kreise im Land ein Stück weit politischen Opportunismus. Schon kurz nach dem Friedensschluss zwischen Dänemark und Schweden beschloss die Ritterschaft, eine Delegation nach Kopenhagen zu entsenden, um der dänischen Krone ihre Treue zu versichern.[175] Der einflussreichste Gutsbesitzer des Landes, Fürst Wilhelm Malte zu Putbus (1783-1854), stellte in diesem Zusammenhang die Ausnahme dar. Er gehörte zu den wenigen Repräsentanten Schwedisch-Pommerns, die sich frühzeitig gegen eine dänische Landesherrschaft und für Preußen aussprachen. In seiner Funktion als erster Beamter des Landes – seit 1813 Vize-Generalgouverneur; ab 1815 Generalgouverneur – äußerte der Fürst bei den Kieler Friedensverhandlungen in einem Vieraugengespräch mit dem schwedischen Kronprinzen Karl Johann seinen Unmut über die Abtretungspläne Schwedens. Noch im gleichen Jahr, 1814, wandte sich der Fürst an den preußischen König Friedrich Wilhelm III. (1770-1840). Mit eindringlichen Worten beschwor er diesen

„[...] sich unserer [Schwedisch-Pommern] gnädigst anzunehmen und uns wenigstens die beruhigende Aussicht zu geben, daß, wenn die Umstände durchaus eine jetzige Vereinbarung oder einen Tausch mit Dänemark verhindern sollten, beim allgemeinen Frieden unter Ew. Majestät gerechtem und milden Czepter mit einem Reiche vereinigt zu werden, zu dem wir unserer Lage nach gehören und das einen so verehrten Monarchen besitzt.“[176]

[...]


[1] Das Prozedere dieses Ereignisses ist in den Akten des Vorpommerschen Landesarchivs Greifswald wie auch unterschiedlichen Einzelpublikationen umfangreich ausgeführt. Siehe dazu u. a.: Vorpommersches Landesarchiv Greifwald (VLaG), Rep. 60 Nr. 24; Ernst Zober, Die Vereinigung des ehemaligen schwedischen Pommerns und Rügens mit dem preußischen Staate, Stralsund 1865, S. 13ff.

[2] Ausführlich hierzu u. a.: Wolf D. Gruner / Wichard Woyke, Europa-Lexikon. Länder, Politik, Institutionen, München 2004, S. 21f; Thomas Nipperdey, Deutsche Geschichte 1800-1866. Bürgerwelt und starker Staat, München 1983, S. 11ff.

[3] Vgl.: Dietrich Schwanitz, Die Geschichte Europas, Frankfurt a. M. 2000, S. 153ff.

[4] Dargelegt u. a. in: Georg Moll, Preußischer Weg und bürgerliche Umwälzung in Deutschland, Weimar 1988.

[5] Vgl.: Thomas Stamm-Kuhlmann, Man vertraue doch der Administration. Staatsverständnis und Regierungshandeln des preußischen Staatskanzlers Karl August von Hardenberg, in: Lothar Gall (Hg.): Historische Zeitschrift, Bd. 264, München 1997, S. 613-654.

[6] Vgl.: Leopold von Ranke, Denkwürdigkeiten des Staatskanzlers Fürsten von Hardenberg. Vom Jahre 1806 bis zum Jahre 1813, Leipzig 1877, S. 5ff.

[7] Gedruckt bei: Georg Winter (Hg.), Die Reorganisation des Preussischen Staates unter Stein und Hardenberg [Publikationen aus den Königlichen preußischen Staatsarchiven, Bd. 93], Leipzig 1931, S. 189-206.

[8] Siehe dazu u. a.: Elisabeth Fehrenbach, Vom Ancien Régime zum Wiener Kongress [Oldenbourg. Grundriss der Geschichte, Bd. 12], München 2001, S. 235ff; Hans-Ulrich Wehler, Deutsche Gesellschaftsgeschichte. Vom Feudalismus des Alten Reichs bis zur defensiven Modernisierung der Reformära 1700-1815, Bd. 1, München 1989, S. 397ff.

[9] Über die zahlreichen Territorialveränderungen informiert: Ernst Rudolf Huber, Deutsche Verfassungsgeschichte seit 1789, Bd. 1, Stuttgart 1957, S. 571f und S. 576ff.

[10] Explizit ausgeführt in: Johannes F. Weise, Die Reformpolitik Preußens. Dargestellt am Beispiel des vormaligen Schwedisch-Pommern, in: Anke John (Hg.): Reformen in der Geschichte. Festgabe für Wolf D. Gruner zum 60. Geburtstag [Rostocker Beiträge zur Deutschen und Europäischen Geschichte, Bd. 14], Rostock 2005, S. 35-60.

[11] Auf die verknüpfenden Elemente der historischen Mikro- und Makroebenen hinsichtlich vergleichender Studien zur Landesgeschichte weist Wolf D. Gruner hin. Siehe dazu: Wolf D. Gruner, Mecklenburg im deutschen und europäischen Rahmen der Geschichte des 19. Jahrhunderts: das Modell der drei Ebenen, in: ders./ Gunther Viereck (Hg.): Kolloquium zum Gedenken an Prof. Dr. phil. habil. Ilona Buchsteiner [Rostocker Beiträge zur Deutschen und Europäischen Geschichte, Bd. 13], Rostock 2004, S. 33-46; ders, Historical dimensions of german statehood. From the Old Reich to the New Germany, in: Arthur B. Gunlicks (Hg.): German public policy and federalism. Current debates on political, legal, and social issues [Policies and Institutions, Bd. 5], New York 2003, S. 15-46, hier S. 25.

[12] Siehe dazu Abbildung 2.

[13] Amtliche Bezeichnungen für Schwedisch-Pommern: Herzogtum Pommern königlich schwedischen Anteils sowie für Neuvorpommern: Regierungsbezirk Stralsund.

[14] Vgl.: Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften unter der Leitung von Jürgen Kocka (Hg.), Acta Borussica, Neue Folge, Hildesheim u. a. 1999-2004.

[15] Siehe dazu: James Cavallie / Jan Lindroth (Hg.), Riksarkivet beståndsöbersikt [Skrifter utgivna av Svenska Riksarkivet Bd. 8], Stockholm 1996.

[16] Vgl. u. a.: Bernd Hennigsen, Zur politischen und kulturellen Bedeutung der Ostseeregion, in: Detlef Jahn / Nikolaus Werz (Hg.): Politische Systeme und Beziehungen im Ostseeraum, München 2002, S. 18-30.

[17] Aufgrund der Vielzahl von Veröffentlichungen muss auf die entsprechenden Fußnoten beziehungsweise das Literaturverzeichnis verwiesen werden.

[18] Vgl.: Joachim Wächter, Die Bildung des Regierungsbezirks Stralsund, in: Kulturhistorisches Museum Stralsund u. a. (Hg.): Greifswald-Stralsunder Jahrbuch, Bd. 10, Weimar 1973, S. 127-137; Helmut Backhaus, Verfassung und Verwaltung Schwedisch-Pommerns, in: Stiftung Pommersches Landesmuseum (Hg.): Unter der schwedischen Krone. Pommern nach dem Westfälischen Frieden, Greifwald 1998, S. 29-40; Harald Lutter, Neuvorpommern beim Übergang vom ständischen Partikularismus zu landschaftlicher Selbstverwaltung, in: Horst Wernicke / Ralf-Gunnar Werlich (Hg.): Pommern. Geschichte, Kultur, Wissenschaft, Greifswald 1996, S. 340-350.

[19] Vgl.: Manfred Reißland, Grundzüge der Ständepolitik in dem Gebiet von Vorpommern und Rügen während der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts, Greifswald 1962; Fritz Glaser, Die Stände Neuvorpommerns 1806-1826 [Pommersche Jahrbücher, Bd. 25], Greifswald 1929.

[20] Vgl.: Carl Johannes Fuchs, Der Untergang des Bauernstandes und das Aufkommen der Gutsherrschaften. Nach archivarischen Quellen aus Neu-Vorpommern und Rügen [Abhandlungen aus dem staatswissenschaftlichen Seminar zu Strassburg], Strassburg 1888.

[21] Vgl.: Anja Tews, Die Kriminalverfassung in Neuvorpommern und Rügen 1815 bis 1851. Ein Beitrag zur preußischen Justizgeschichte, Greifswald 2004.

[22] Vgl. dazu: Kyra T. Inachin, Nationalstaat und regionale Selbstbehauptung. Dargestellt am Beispiel der preußischen Provinz Pommern 1815-1945 [Habilitationsschrift], Greifwald 200.

[23] Vgl. u. a.: Julius von Bohlen, Die Erwerbung Pommerns durch die Hohenzollern, Berlin 1865.

[24] Dieses Phänomen der Unterscheidung zwischen Schweden- und Preußenzeit findet sich sowohl in der älteren Forschung: Martin Wehrmann, Geschichte von Pommern Bd. 2, [Deutsche Landesgeschichten, Bd. 5], Gotha 1906; als auch in der jüngeren: Werner Buchholz (Hg.), Deutsche Geschichte im Osten Europas, Berlin 1999.

[25] Vgl.: Ders., Pommern, in: ders. (Hg.): Das Ende der Frühen Neuzeit im „Dritten Deutschland“. Bayern, Hannover, Mecklenburg, das Rheinland und Sachsen im Vergleich [Historische Zeitschrift, Beihefte (NF) Bd. 37], München 2003, S. 77-119, hier S. 116.

[26] Vgl. u. a.: Ulf Pauli, Det Svenska Tyskland. Sveriges tyska besittningar 1648-1815, Stockholm 1992.

[27] Siehe dazu: Göran Larsson, Svenska Pommern. Arkivmaterial in Stralsund och Greifswald [Arkiv samhälle och forskning. Svenska Arkivsamfundet], Stockholm 1994, S. 47-66.

[28] Vgl. deutsche Fassung: Lars Dalgren, Pommern und Schweden 1792 bis 1806. Der Staatsstreich von 1806 und dessen Vorgeschichte [Pommersche Jahrbücher, Bd. 17], Greifswald 1916.

[29] So etwa bei: Ilja Mieck, Preußen von 1807 bis 1850. Reformen, Restauration und Revolution, in: Otto Büsch (Hg.): Handbuch der preussischen Geschichte. Bd. 2, Berlin 1992, S. 3-292, hier S. 104ff.

[30] Vgl.: Peter Baumgart (Hg.), Expansion und Integration. Zur Eingliederung neugewonnener Gebiete in den preußischen Staat [Neue Forschungen zur brandenburgisch-preußischen Geschichte, Bd. 5.], Köln 1984.

[31] Zur Geschichte Schwedisch-Pommerns sei vor allem auf die vielfältigen Veröffentlichungen von Werner Buchholz verwiesen. Vgl. u. a.: Werner Buchholz, Das schwedische Pommern vom Westfälischen Frieden bis zum Wiener Kongreß, in: ders. (Hg.): Deutsche Geschichte im Osten Europas, S. 237-304; Ders., Das schwedische Pommern, in: Jan M. Piskorksi (Hg.): Pommern. Im Wandel der Zeiten, Stettin 1999, S. 173-195; Ders., Pommern (HZ), S. 77-119.

[32] Vgl.: Martin Schoebel, Hinterpommern als brandenburgisch-preußische Provinz 1648 bis 1815, in: Buchholz (Hg.): Deutsche Geschichte im Osten Europas, S. 305-364, hier S. 306.

[33] In den Friedensverträgen von St. Germain 1679 und Stockholm 1720 musste Schweden die Gebiete östlich der Oder und das gesamte Vorpommern südlich der Peene an Brandenburg abtreten. Vgl.: Backhaus, Verfassung und Verwaltung, S. 30.

[34] Ludwig Gotthard Kosegarten, Dichtungen, 7. Band, Greifswald 1824, S. 194.

[35] Vgl.: Backhaus, Verfassung und Verwaltung, S. 32ff.

[36] Für eine ausführliche Darstellung zur ständischen Verwaltung Schwedisch-Pommerns vgl. u. a.: Glaser, Die Stände Neuvorpommerns; Reißland, Grundzüge der Ständepolitik.

[37] Vgl.: Buchholz, Das schwedische Pommern vom Westfälischen Frieden, S. 174.

[38] Der Stralsunder Professor, Bibliothekar und Journalist Johann Carl Dähnert (1719-1785) erarbeitete eine detaillierte Aufzeichnung aller in Schwedisch-Pommern gültigen Gesetze und Verordnungen. Vgl.: Johann Carl Dähnert, Sammlung Pommerscher und Rügischer Urkunden, Bde. 1-3, Stralsund 1765-69.

[39] „[…] größere Advokaten als die Herren Pommeraner habe ich nie gekannt. Sie schreiben Bände über Alles und können per saeculum saecularum schreiben, ohne müde zu werden.“, Übersetzung durch Autor. Schreiben vom 3. Februar 1795, in: Riksarkivet Stockholm (RA), Ruutska Samlingen E 5216.

[40] An dieser Stelle sei auf den westlichen Nachbarn Schwedisch-Pommerns, Mecklenburg, verwiesen. Hier verhinderten die Landstände ebenfalls, mit dem Landesgrundgesetzlichen Erbvergleich von 1755, die Etablierung eines absolutistischen Regierungssystems. Die Union der Landstände garantierte die ständische Mitregierung mit der Option, jede dem Willen der Stände zuwider laufende Regelung zu kippen. Aus regionaler Sicht war die Verfestigung der Landständischen Verfassung in Schwedisch-Pommern daher keine Ausnahme. Vgl.: Wolf Karge / Ernst Münch / Hartmut Schmied, Die Geschichte Mecklenburgs, Rostock 2000.

[41] Vgl.: Werner Buchholz, Die pommerschen Landstände unter brandenburgischer und schwedischer Herrschaft 1648-1815. Ein landesgeschichtlicher Vergleich, in: ders. (Hg.): Land am Meer. Pommern im Spiegel seiner Geschichte, Köln 1995, S. 427-455.

[42] Vgl.: Heinrich von Treitschke, Deutsche Geschichte im neunzehnten Jahrhundert, Bd. 2, [Neuausgabe von Heinrich Heffter] Leipzig 1932, S. 118.

[43] Glaser, Die Stände Neuvorpommerns, S. 37.

[44] Vgl.: Oskar Eggert, Geschichte Pommerns, Hamburg 1965, S. 73.

[45] Buchholz bezieht sich dabei auf die kurze Phase des karolingischen Absolutismus 1680-1700, vgl.: Buchholz, Das schwedische Pommern, S. 286f.

[46] Vgl.: Glaser, Die Stände Neuvorpommerns, S. 46.

[47] Vgl.: Werner Buchholz, Die Bedeutung der Kataster für die Durchsetzung der staatlichen Finanzhoheit in der Frühen Neuzeit. Dargestellt am Beispiel des Herzogtums Pommern königlich schwedischen Anteils, in: Roderich Schmidt (Hg.): Tausend Jahre pommersche Geschichte, Köln 1999, S. 235f.

[48] Die Epoche zwischen 1719 und 1772 wird als „Freiheitszeit“ bezeichnet. In Schweden dominierte ein ständisches Regiment das politische Geschehen. Die Krone war weitestgehend handlungsunfähig. Zwei Parteien, die Hüte und die Mützen, stritten um die politische Führungsrolle innerhalb des Staates. Vgl.: Erik Lönnroth, Schwedisch-Pommern und das Königtum Schwedens im 18. Jahrhundert, in: Greifswalder Universitätsreden, Neue Folge Nr. 89, Greifwald 1999, S. 25f.

[49] Beispielhaft mögen an dieser Stelle die von Friedrich I. angeregten Reformen hinsichtlich der städtischen Verwaltung und Wirtschaftsführung stehen. Hier schaltete der absolutistische Staat die Selbstverwaltung der Städte aus, vgl.: Schoebel, Hinterpommern als preußische Provinz, S. 345f.

[50] Vgl.: Marco Pohlmann-Linke, Landesherrschaft und Verwaltung in Vor- und Hinterpommern nach dem Stockholmer Friedensvertrag von 1720, in: Ivo Asmus u. a. (Hg.): Gemeinsame Bekannte. Schweden und Deutschland in der Frühen Neuzeit, Münster 2003, S. 347-362.

[51] Wilhelm Steffen, Kulturgeschichte von Rügen, in: Franz Engel (Hg.): Veröffentlichungen der historischen Kommission für Pommern, Reihe V: Forschungen zur pommerschen Geschichte, Heft 5, Köln 1963, S. 246.

[52] Rudolf Baier, Geschichte der Communalstände von Neuvorpommern und Rügen. Mit einem Rückblicke auf die ständische Verfassung und Verwaltung der früheren Jahrhunderte, Stralsund 1881, S. 16.

[53] Zur Vielfalt vgl.: Stadt Stade (Hg.), Veröffentlichungen aus dem Stadtarchiv Stade, Bd. 14. Kulturelle Beziehungen zwischen Schweden und Deutschland im 17. und 18. Jahrhundert. 3. Arbeitsgespräch schwedischer und deutscher Historiker in Stade am 6. und 7. Oktober 1989, Stade 1990.

[54] Vgl.: Staffan Helmfrid, Schwedisch-Pommern – Brücke oder Brückenkopf, in: Gunnar Müller-Waldeck (Hg.): Drei Kronen und ein Greif. Deutschland in Schweden. Schweden in Deutschland, Bremen 1998, S. 93-102, hier S. 94ff.

[55] Vgl.: Andreas Önnerfors, Svenska Pommern – kulturmöten och identifikation 1720 – 1815, Lund 2003.

[56] Das geistige Zentrum Schwedisch-Pommerns bildete die Universität in Greifswald. Die hier forschenden Akademiker setzten sich im Verlauf des 18. Jahrhunderts verstärkt mit den geistigen Beziehungen zwischen Deutschland und Schweden auseinander. „Nordische Altertümer, nordisches Recht und nordische Geschichte sind hier wohl früher als anderswo und immer liebevoll und gründlich gepflegt worden.“ Vgl.: Adolf Hofmeister, Die geschichtliche Stellung der Universität Greifswald, Greifswald 1932, S. 22.

[57] Vgl.: Martin Gerhardt / Walther Hubatsch, Deutschland und Skandinavien im Wandel der Jahrhunderte, Bonn 1977, S. 264ff.

[58] Olaf Mörke, Holstein und Schwedisch-Pommern im Alten Reich. Integrationsmuster und politische Identitäten in Grenzregionen, in: Nils Jörn / Michael North (Hg.): Die Integration des südlichen Ostseeraumes in das Alte Reich, Köln 2000, S.444.

[59] Önnerfors, Svenska-Pommern, S. 43ff.

[60] Ebd. S. 506.

[61] Vgl.: Jan Peters, Die alten Schweden. Über Wikingerkrieger, Bauernrebellen und Heldenkönige, Berlin 1981, S. 166ff.

[62] Vgl.: Horst Langer, Schweden in Werken pommerscher Dichter, Gelehrter und Publizisten in der zweiten Hälfte des 18. und an der Wende zum 19. Jahrhundert, in: Müller-Waldeck (Hg.): Drei Kronen und ein Greif, S. 103ff.

[63] Rolf Weber (Hg.), Ernst Moritz Arndt, Erinnerungen 1769-1815, Berlin 1985, S. 122.

[64] Zur Relevanz der Reisebeschreibung Arndts vgl.: Richard Wolfram, Ernst Moritz Arndt und Schweden. Zur Geschichte der deutschen Nordsehnsucht, Weimar 1933.

[65] Zur dynastische Identifikation vgl.: Benedict Anderson, Die Erfindung der Nation. Zur Karriere eines erfolgreichen Konzepts, Frankfurt a. M 1993, S. 27.

[66] Klageschrift vom 26. 11. 1804, in: RA, Pommeranica 202.

[67] Heinrich Ulmann, Schwedisch-Pommern als Träger des Kaisertums. Eine Phantasie aus dem Jahr 1812 [Pommersche Jahrbücher, Bd. 16], Greifswald 1916, S. 203-209, hier S. 204.

[68] Vgl.: ebd. S. 203-209.

[69] Für Wehler sind die Französischen Revolution und die Napoleonischen Kriege die Initialzündung für das Entstehen von Nationalismus. Als Prämissen bestimmt er unter anderem die tiefe Erschütterung des Sozialgefüges und den weitgreifenden wirtschaftlichen Wandel in der Gesellschaft. Vgl.: Hans-Ulrich Wehler, Nationalismus und Nation in der deutschen Geschichte, in: Helmut Berding (Hg.): Nationales Bewußtsein und kollektive Identität. Studien zur Entwicklung des kollektiven Bewusstseins in der frühen Neuzeit, Bd. 2, Frankfurt a. M. 1994, S. 163-174, hier S. 164f.

[70] Vgl.: Harald Schmidt, Fremde Heimat, in: Berding (Hg.): Nationales Bewußtsein und kollektive Identität, S. 394-442.

[71] Önnerfors, Svenska-Pommern, S. 510.

[72] Zu den Auswirkungen des Krieges auf protomoderne Gesellschaften vgl.: Ute Planert, Staat und Krieg an der Wende zur Moderne. Der deutsche Südwesten um 1800, in: Werner Rösener (Hg.): Staat und Krieg. Vom Mittelalter zur Moderne, Göttingen 2000, S. 159-180.

[73] Vgl.: Karl Scharping, Stimmung und Verhalten der Bevölkerung Schwedisch-Pommerns im Wandel der Zeit von 1806-1820, Stettin 1932, S. 22.

[74] Peters, Die alten Schweden, S. 191.

[75] Anfang der 1950er Jahre verfassten die Bewohner der Insel Hiddensee eine Petition an Stalin. Sie baten darum ihre Insel den Schweden zu überlassen und selbst schwedische Staatsbürger werden zu dürfen. Die Reaktion auf dieses Gesuch ist jedoch unbekannt. Vgl.: Pauli, Det Svenska Tyskland, S. 26.

[76] Die „Schären-Fraktion“ spiegelt jenen Teil der bundesdeutschen Gesellschaft wider, der sich als soziokulturellen Gegenentwurf zur „Toskana-Fraktion“ versteht. Ausdruck des Nordifizierungsgrades ist die Identifikation mit einem imaginären skandinavischen Lebensstils, der sich mit den Schlagwörtern Ikea, Henning Mankell und Volvo zu umschreiben sucht. Vgl.: Susanne Gaschke, Die Schären-Fraktion, in: Die Zeit, Nr. 26, 17. 06. 2004, S. 53-54.

[77] Einige vorpommersche Volksbräuche ähneln noch heute sehr den in Skandinavien zelebrierten Traditionen. Beispielhaft stehen dafür: der „Schwedentanz“, eine auf Feierlichkeiten üblicher Tanz; das Tonnenreiten, das in den Dörfern auf dem Fischland und dem Darß praktizierte Reiterspiel. Vgl.: Peters. Die alten Schweden, S. 191.

[78] Vgl.: Jan Frederiksen, Schwedische Sprachreste in Pommern, in: Niederdeutsche Mitteilungen, Jg. 16/18, Lund 1960, S. 91-107.

[79] Treitschke, Deutsche Geschichte, S. 117f.

[80] Vgl.: Wolf D. Gruner, Preußen in Europa 1701-1860/ 1871, in: Jürgen Luh (Red.): Preußen, Deutschland und Europa 1701-2001, Baltic Studies 8, Groningen 2003, S. 429-460. Über Bedeutung und Funktion der zeitgenössischen Geschichtsschreibung für den Integrationsprozess wird an anderer Stelle näher einzugehen sein.

[81] Die Referenzarbeit zum Staatsstreich von 1806 bildet nach wie vor die Veröffentlichung von Lars Dalgren. Vgl.: Dalgren, Pommern und Schweden 1792 bis 1806.

[82] Vgl.: Peters, Die alten Schweden, S. 185.

[83] Jörg-Peter Findeisen, Schweden, Regensburg 1997, S. 174.

[84] Vgl.: Ronald D. Gerste, Der Zauberkönig. Gustav III. und Schwedens goldene Zeit, Göttingen 1996.

[85] Im Krieg gegen Russland 1788-1790 unterbreitete der so genannte Anjalaverband – ein Zusammenschluss führender adliger Offiziere – ein gegen Gustav III. gerichtetes Bündnisangebot an die russische Krone. Schweden und Russland stritten sich 1741-1743 und 1788-1790 um die Vorherrschaft in Finnland. Trotz erfolgreicher Operationen konnte Schweden im Friedensvertrag von Werela (1790) nicht über die Ergebnisse des Frieden von Åbo 1743 hinaus gelangen. Im Frieden von Frederikshamn 1809 verzichtet Schweden schließlich auf Finnland. Vgl.: Findeisen, Schweden, S. 179f.

[86] Vgl.: Alf Åberg, Var svenska historia, Malmö 1991, S. 64ff.

[87] Vgl.: Findeisen, Schweden, S. 174ff.

[88] zit. nach: Dalgren, Pommern und Schweden 1792 – 1806, S. 24f.

[89] Der Besitz von Schwedisch-Pommern versprach auch ganz handfeste Vorteile: Schweden besaß ein Mitspracherecht bei inneren Angelegenheiten des deutschen Reiches; die pommersche Provinz diente zugleich als Kornkammer Schwedens. Vorpommern bestückte die schwedische Armee mit Schiffen und Soldaten. Darüber hinaus verliehen die 1792 beginnenden Koalitionskriege gegen Frankreich dem Land wieder einen größeren geostrategischen Wert. Vgl. u. a.: Kyra T. Inachin, Schwedisch-Pommern. Vom Dreißigjährigen Krieg bis zum Wiener Kongress, in: Pommerscher Zentralverband (Hg.): Pommern. Zeitschrift für Kultur und Geschichte, Heft 4, Lübeck 2002, S. 8-15.

[90] Vgl.: Dalgren, Pommern und Schweden 1792-1806, S. 29f.

[91] Zit. nach: ebd. S. 58.

[92] Im Jahre 1688 fand die erste und einzige Visitation des Tribunals in Wismar statt. Vgl.: Patrick Reslow, Die Visitation des Tribunals, in Nils Jörn (Hg.): Integration durch Recht. Das Wismarer Tribunal (1653-1806), Köln 2003, S. 239-246.

[93] Glaser, Die Stände Neuvorpommerns, S. 47.

[94] Vgl.: Dalgren, Pommern und Schweden 1792 – 1806, S. 57f.

[95] Vgl.: Werner Buchholz, Öffentliche Finanzen und Finanzverwaltung im entwickelten frühmodernen Staat. Landesherr und Landstände in Schwedisch-Pommern 1720-1806, Köln 1992.

[96] Vgl.: Buchholz, Das schwedische Pommern, S. 298f.

[97] Ansprache Gustav IV. Adolfs auf Landtag von 1806, in: RA, Pommeranica 465.

[98] Vgl.: Ingvar Andersson, Schwedische Geschichte, München 1950, S. 349f.

[99] Vgl.: Wehrmann, Geschichte von Pommern, S. 251ff.

[100] Vgl. entsprechende Anordnung in: Friedrich Hermann Sonnenschmidt (Hg.), Sammlung der für Neuvorpommern und Rügen in den Jahren 1802 bis Schluß 1817 ergangenen Gesetze, königl. Schreiben, Regierungspatente, Rescripte und sonstigen Bekanntmachungen und Verordnungen, Bd. 1, Stralsund 1844, S. 258ff.

[101] Stellungnahme der Landstände zur Landwehraufstellung vom 7. Mai 1806, in: RA, Pommeranica 118.

[102] Brief der vorpommerschen Landräte an Generalgouverneur von Essen bezüglich Einberufung einer Landwehr 1. Halbjahr 1806, in: RA, Pommeranica 179.

[103] Vgl.: Regierungsbericht über Landwehraufstellung vom 9. Mai 1806, in: RA, Pommeranica 118.

[104] Sonnenschmidt, Sammlung I, S. 274.

[105] Buchholz verweist in diesem Zusammenhang auf die enge Verbindung zwischen Reichsverfassung und landständischer Verfassung. Mit der Auflösung des Heiligen Römischen Reichs 1806 verschwanden alle, mit Ausnahme der mecklenburgischen, landständischen Verfassungen. Das Ende des Reiches bildete somit eine entscheidende Prämisse für den Staatsstreich des Gustav IV. Adolf. Vgl.: Buchholz, Pommern (HZ), S. 87f.

[106] Sonnenschmidt, Sammlung I, S. 275.

[107] Ebd. S. 275.

[108] Vgl.: Buchholz, Die pommerschen Landstände, S. 438.

[109] Sonnenschmidt, Sammlung I, S. 276.

[110] Vgl.: Dalgren, Pommern und Schweden 1792 – 1806, S. 116ff.

[111] Sonnenschmidt, Sammlung I, S. 285f.

[112] Vgl.: Dalgren, Pommern und Schweden 1792 – 1806, S. 117f.

[113] Ebd. S. 118.

[114] Vgl.: Buchholz, Das schwedische Pommern, S. 298.

[115] Dalgren beruft sich hier auf die Äußerungen von Fredrik Wilhelm Ehrenheim (1753-1826), Mitglied der „Pommerschen Bereitung“, und Gustav af Wetterstedt (1776-1837), Kabinettssekretär des Königs sowie Graf Jakob Gustaf De la Gardie (1768-1842), enger Vertrauter des Königs. Vgl.: Dalgren, Pommern und Schweden 1792 – 1806, S. 176.

[116] Vgl.: Sonnenschmidt, Sammlung I, S. 300ff.

[117] Ansprache des Königs auf Landtag von 1806, in: RA, Pommeranica 465.

[118] Fuchs, Der Untergang, S. 232.

[119] Vgl.: Dalgren, Pommern und Schweden 1792 – 1806, S. 150f.

[120] Gustav IV. Adolf wurde am 13. März 1809 von führenden Offizieren der schwedischen Armee verhaftet. Der ausschlaggebende Punkt für seine Absetzung war das Scheitern seiner militärischen Ambitionen gegen Napoleon. Vgl.: Findeisen, Schweden, S. 182ff.

[121] Vgl.: Dalgren, Pommern und Schweden 1792 – 1806, S. 178ff.

[122] Ernst Moritz Arndt, Geschichte der Veränderung der bäuerlichen und herrschaftlichen Verhältnisse in dem vormaligen Schwedischen Pommern und Rügen vom Jahr 1806 bis zum Jahr 1816, Berlin 1817, S. 27.

[123] Das königliche Patent zur Einrichtung einer Departmentverwaltung findet sich in: Sonnenschmidt, Sammlung I, S. 341ff.

[124] Ebd. S. 288ff.

[125] Vgl.: Berthold Schulze, Die Reform der Verwaltungsbezirke in Brandenburg und Pommern 1809-1818, Berlin 1931.

[126] Vgl.: Tews, Die Kriminalverfassung in Neuvorpommern, S. 66ff.

[127] Vgl.: Sonnenschmidt, Sammlung I, S. 277ff.

[128] In ausführlicher Form vgl. auch: Pawel Gut, Das Hofgericht in Greifwald in schwedischer und preußischer Zeit, in: Jörn (Hg.): Integration durch Recht, S. 172f.

[129] zit. nach: Dalgren, Pommern und Schweden 1792 – 1806, S. 124.

[130] Vgl.: Sonnenschmidt, Sammlung I, S. 279ff.

[131] Ansprache des Königs auf Landtag von 1806, in: RA, Pommeranica 465.

[132] Die Verkoppelung (schwedisch: enskifte) war Teil der Agrarreformen in Schleswig-Holstein. Sie bezeichnet die Privatisierung der bis dahin genossenschaftlich genutzten Acker-, Weide- und Wiesenländereien. Insbesondere die Ackerflächen wurden zum Teil noch gemeinschaftlich bewirtschaftet, weil die Flächen oft in schmale Besitzstücke geteilt waren. Deshalb mussten die einzelnen, „Gewann” genannten Ackerschläge, gemeinsam in „Feldgemeinschaft” bewirtschaftet werden. Die Verkoppelung begann auf dem Sundewitt und in Angeln schon Ende des 16. Jahrhunderts. 1766 erfolgte eine Verordnung für das Herzogtum Schleswig, 1767 begann die Verkoppelung im herzoglichen, 1770 im königlichen Anteil Holsteins. Ab 1781 wurde die Verkoppelung in ganz Dänemark durchgesetzt. Rutger Macklean übertrug die „Verkoppelung“ schließlich auf seine Güter im schwedischen Schonen. Vgl.: Carl-Johan Gadd, Den agrara revolutionen 1700-1870 [Det svenska jordbrukets historia, Bd. 3], Stockholm 200, S. 283ff.

[133] Vgl.: Ernst Moritz Arndt. Versuch einer Geschichte der Leibeigenschaft in Pommern und Rügen nebst einer Einleitung in die alte teutsche Leibeigenschaft, Berlin 1803; Thomas Heinrich Gadebusch. Schwedisch-Pommersche Staatskunde, 2 Teile, Greifswald 1786/ 88; Johann David von Reichenbach. Patriotische Beyträge zur Kenntniß und Aufnahme des Schwedischen Pommerns, Stralsund 1784. In diesem Zusammenhang siehe auch: Jörg-Peter Findeisen, Zukunftsorientiertes Wirtschaftsdenken in Schwedisch-Pommern zwischen 1650-1806, in: Haik Thomas Porada (Hg.): Beiträge zur Geschichte Pommerns, Schwerin 1997, S. 83-94.

[134] Vgl.: Dalgren, Pommern und Schweden 1792 – 1806, S. 143ff; Sonnenschmidt, Sammlung I, S. 282.

[135] Vgl.: Fuchs, Der Untergang, S. 239.

[136] Vgl.: Buchholz, Pommern (HZ), S. 111f.

[137] Vgl.: Sonnenschmidt, Sammlung II, S. 136ff.

[138] Vgl.: Baier, Geschichte der Communalstände, S. 36ff; Glaser, Die Stände Neuvorpommerns, S. 62ff.

[139] Vgl.: Wehrmann, Geschichte von Pommern, S. 247ff.

[140] Zum Preußenbild im Allgemeinen und dessen Bedeutung für die historische Forschung sei auf die folgenden Aufsatzsammlungen verwiesen: Otto Büsch (Hg.), Das Preussenbild in der Geschichte. Protokoll eines Symposiums [Veröffentlichungen der Historischen Kommission zu Berlin, Bd. 50], Berlin 1981.

[141] Julius Heinrich Biesner, Geschichte von Pommern und Rügen nebst angehängter Specialgeschichte des Klosters Eldena, Greifswald 1839, S. 236.

[142] Friedrich Rühs, Die Vereinigung Pommerns mit der preussischen Monarchie. Schreiben an einen Kaufmann im ehemaligen schwedischen Pommern, Berlin 1815, S. 5.

[143] Verfasser unbekannt. Von den Schicksalen des Landes Pommern, Stettin 1821. VLaG, Rep. 60 Nr. 382.

[144] Vgl.: Thomas Heinrich Gadebusch (Hg.), Pommersche Sammlungen, Heft 2 und 3, Greifswald 1782, S. 232 und 234; Reichenbach. Patriotische Beyträge, S. 4.

[145] Vgl.: Buchholz, Pommern (HZ), S. 80f.

[146] Weber, Ernst Moritz Arndt, Erinnerungen, S. 110.

[147] Ebd. S. 111.

[148] Ebd.

[149] Vgl.: Martin Wehrmann, Aus Pommerns Geschichte, Stettin 1902, S. 88f.

[150] Dalgren verweist diesbezüglich auf den Bericht einer in den 1790er Jahren nach Vorpommern entsandten Kommission, vgl.: Dalgren, Pommern und Schweden 1792 – 1806, S. 25.

[151] Ebd. S. 177.

[152] Arndt, Schriften für und an, S. 110.

[153] Ebd. S. 165.

[154] Zum Bestand der in der Region Vorpommern und Rügen erscheinenden Zeitungen vgl.: Heinz Gittig (Hg.), Mecklenburgische und pommersche Zeitungen und Wochenblätter, Berlin 1994.

[155] Nach dem Übergang an Preußen verlor die Stralsundische Zeitung ihre Monopolstellung. Die Einführung des preußischen Amtsblattes sowie der Einzug anderer deutschsprachiger Zeitungen nach Neuvorpommern wandelten Gestaltung und Inhalt der regionalen Zeitung. Vgl: Hanns Heino Reinhardt, Die Geschichte des Zeitungswesens in Stralsund, Stralsund 1936, S. 73ff.

[156] Ebd. S. 71.

[157] Stralsundische Zeitung, 30. März und 3. April 1813, Stadtarchiv Stralsund (StaSt), E 4 375. 47.

[158] Vgl.: Roland Ulrich, Ein Blick in die vorpommersche Presse um 1815 – Der junge Wilhelm Meinhold als Zeitungslyriker, in: Müller-Waldeck (Hg.), Drei Kronen und ein Greif, S. 122-130.

[159] Stralsundische Zeitung, 15. April 1813, StaSt, E 4 375. 47.

[160] Wehrmann, Geschichte von Pommern, S. 257.

[161] Vgl. Inachin, Nationalstaat und regionale Selbstbehauptung, S. 94ff; Scharping, Stimmung und Verhalten, S. 30.

[162] Erst in der Ausgabe Nr. 127 vom 24. Oktober 1815 druckte die Stralsundische Zeitung die wichtigsten Proklamationen der Übergabeprozedere.

[163] Arndt, Schriften für und an, S. 171.

[164] Ernst Moritz Arndt, Meine Wanderungen und Wandlungen mit dem Reichsherrn Heinrich Karl Friedrich von Stein, Berlin 1869, S. 163f.

[165] Arndt, Meine Wanderungen, S. 166.

[166] Karl Schildener, Einige Ideen über ständische Volksvertretung in Neu-Vorpommern und Rügen. Ein Versuch, den Sinn für´s Öffentliche anzuregen, nicht zu bestimmen, Greifswald 1818, S. 3.

[167] Arndt, Schriften für und an, S. 111.

[168] Scharping, Stimmung und Verhalten, S. 26.

[169] Arndt, Schriften für und an, S. 145.

[170] Ebd. S. 113f.

[171] Zur Rolle von Stereotypen vgl. auch: Klaus-Rudolf Wenger, Preußen in der öffentlichen Meinung Frankreichs 1815-1870. Politische Aspekte des französischen Preußenbildes. Ein Beitrag zur historischen Analyse nationaler Urteilklischees, [Göttinger Bausteine zur Geschichtswissenschaft, Bd. 50], Göttingen 1979, S. 18ff.

[172] Arndt, Schriften für und an, S. 170.

[173] Ebd.

[174] Ebd. S. 145.

[175] Vgl.: StaSt, Rep. I P. 211.

[176] Zit. nach: Johannes Rassow, Verhandlungen über die Vereinigung des ehemaligen schwedischen Vorpommerns und Rügens mit Preußen, [Pommersche Jahrbücher Bd. 16], Greifswald 1915, S. 93-200, hier: S. 180.

Ende der Leseprobe aus 296 Seiten

Details

Titel
Die Integration Schwedisch-Pommerns in den preußischen Staatsverband
Untertitel
Transformationsprozesse innerhalb von Staat und Gesellschaft
Hochschule
Universität Rostock
Note
2
Autor
Jahr
2005
Seiten
296
Katalognummer
V87371
ISBN (eBook)
9783638010245
ISBN (Buch)
9783638915212
Dateigröße
1608 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Integration, Schwedisch-Pommerns, Staatsverband
Arbeit zitieren
Dr. Johannes Weise (Autor:in), 2005, Die Integration Schwedisch-Pommerns in den preußischen Staatsverband, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/87371

Kommentare

  • Noch keine Kommentare.
Blick ins Buch
Titel: Die Integration Schwedisch-Pommerns in den preußischen Staatsverband



Ihre Arbeit hochladen

Ihre Hausarbeit / Abschlussarbeit:

- Publikation als eBook und Buch
- Hohes Honorar auf die Verkäufe
- Für Sie komplett kostenlos – mit ISBN
- Es dauert nur 5 Minuten
- Jede Arbeit findet Leser

Kostenlos Autor werden