Bewertung von Kompetenzanalyseverfahren unter Zugrundelegung der Kriterien der Qualitätssicherung und der Gütekriterien der empirischen Sozialforschung


Mémoire (de fin d'études), 2007

109 Pages, Note: 1,5


Extrait


Inhaltsverzeichnis

ABBILDUNGS- UND TABELLENVERZEICHNIS

1. EINLEITUNG

2. BETRIEBLICHER WANDEL UND SEINE AUSWIRKUNGEN AUF DIE BETRIEBLICHE BILDUNGSARBEIT
2.1 Einflussfaktoren und Entwicklungstrends
2.1.1 Prozessorientierung
2.1.2 Informelles Lernen
2.1.3 Kompetenzentwicklung
2.2 Begriffsbestimmungen
2.2.1 Kenntnisse, Fertigkeiten und Fähigkeiten
2.2.2 Qualifikation
2.2.3 Kompetenz
2.3 Das Ziel betrieblicher Bildungsarbeit
2.4 Zusammenfassung

3. KATEGORIEN ZUR EINSCHÄTZUNG VON KOMPETENZANALYSEVERFAHREN
3.1 Die Kriterien der Qualitätssicherung
3.2 Die Gütekriterien der empirischen Sozialforschung
3.2.1 Quantitative Gütekriterien
3.2.2 Qualitative Gütekriterien
3.3 Zusammenfassung

4. KOMPETENZANALYSEN ZUR PERSÖNLICHEN ENTWICKLUNG
4.1 Funktion und Anwendung von Kompetenzanalysen
4.2 Bedeutung für die betriebliche Bildungsarbeit
4.3 Exemplarische Verfahren der Kompetenzanalyse
4.3.1 Kompetenzreflektor
4.3.2 Talentkompass NRW
4.4 Probleme des Profilings
4.5 Zusammenfassung

5. BEURTEILUNG DER KRITERIEN
5.1 Anwendung der Gütekriterien
5.2 Anwendung der Kriterien der Qualitätssicherung
5.3 Zusammenfassung der Kriterien und Bewertung der Verfahren
5.4 Einschätzung der Kriterien
5.5 Zusammenfassung

6. FAZIT UND DESIDERATE

LITERATURVERZEICHNIS

Abbildungs- und Tabellenverzeichnis

Abbildung 1: Betriebliche Bildungsarbeit als Schnittstelle von Berufs- und Betriebspädagogik, Personal- und Organisationsentwicklung

Abbildung 2: Bedingungsrahmen reflexiver Handlungsfähigkeit in der Arbeit

Tabelle 1: Kompetenzanalysen zwischen Arbeit und Individuum

1. EINLEITUNG

Die Rahmenbedingungen für Betriebe und ihre Angestellten unterliegen heute einem epochalen Wandel, der es notwendig macht, sich ständig selbst zu hinterfragen und sich weiterzuentwickeln. Die fortschreitenden Veränderungen in der Technologie und in der Gesellschaft haben die Bedingungen für beruflichen Erfolg sowie für den Erhalt der Employability1 komplexer werden lassen. Als Antwort darauf wurde die Diskussion in der Wissenschaft wesentlich von den Begriffen Kompetenz und Kompetenzentwicklung geprägt. So hat sich der Begriff der Kompetenz bis heute weitgehend in der deutschen Bildungslandschaft, in den Lehrplänen und in wissenschaftlichen Aufsätzen durch- gesetzt.2 Dazu kommt, dass die Kompetenzentwicklung von vielen verschiedenen Seiten stark gefordert wird. Es geht beispielsweise um den Erwerb von interkultureller, von Selbstorganisations- oder auch von Medienkompetenz.3

Das Individuum muss sich kontinuierlich mit der Analyse und der Weiterentwicklung seiner Kompetenzen auseinandersetzen, um sein Potenzial so weiterzubilden, dass seine Beschäftigungsfähigkeit erhalten bleibt und es beruflich erfolgreich agieren kann.4 Da Arbeit und Privatleben immer enger miteinander verbunden sind, werden sowohl beruf- lich als auch privat erworbene Kompetenzen für die persönliche berufliche Entwicklung relevant. So gewinnen neben formalisierten Bildungsprozessen immer mehr auch infor- mell erworbene Kompetenzen an Bedeutung. Daraus resultiert, dass bisherige Prü- fungsformen und Diagnoseverfahren zunehmend ungeeignet sind, die Ergebnisse dieser Prozesse zu identifizieren.5

Der Markt sowie die Weiterbildungsforschung haben darauf reagiert und in den letzten Jahren haben sich auf nationaler wie auf internationaler Ebene eine Vielzahl von Kom- petenzanalyseverfahren entwickelt, die auch informell erworbene Kompetenzen erfassen sollen.6 Das begründet sich aus der Erkenntnis, dass so wichtig wie das zertifizierte Wissen, welches man anhand von Zeugnissen nachweisen kann, die Kompetenzen sind, die man auch in informellen Lernprozessen erworben hat.7 Bedeutung hat das nicht nur für das Individuum, sondern auch für den Arbeitgeber. Denn der Mensch, der seine Be- schäftigungsfähigkeit erhalten möchte, muss sich seine eigenen Stärken und Schwächen vergegenwärtigen können, um daraus die richtigen Entscheidungen für eine gewinn- bringende Kompetenzentwicklung zu treffen. Und der Arbeitgeber, der zum Beispiel bei der Personalauswahl ein umfassendes Bild von seinem zukünftigen Angestellten haben möchte, braucht mehr Informationen als ihm Zeugnisse, die der Bewerber vorweist, geben können. Aus diesem Grund sind auch herkömmliche Prüfungen und Diagnosever- fahren zumeist unzureichend, um die Kompetenzen des Betroffenen zu erfassen.

Das Angebot an Kompetenzanalysen wächst und wird zunehmend komplexer. Proble- matisch ist, dass es bisher an allgemein anerkannten Kriterien fehlt, anhand derer man Kompetenzanalyseverfahren einschätzen und bewerten kann. Daraus ergeben sich ver- schiedene Fragen: Sind die einschlägigen Kompetenzanalyseverfahren auch wirklich für die Praxis anwendbar? Könnte man zu ihrer Einschätzung die einschlägigen Qualitäts- standards verwenden? Erfassen sie wirklich das, was sie erfassen sollen, die Kompe- tenzen? Schließlich stellt sich die Frage, inwieweit Kompetenzanalyseverfahren auch den Merkmalen einer modernen betrieblichen Bildungsarbeit entsprechen und die Kom- petenzentwicklung fördern können.

Daraus folgt die zentrale Forschungsfrage der vorliegenden Arbeit. Wenn Kompetenz- analysen auch einen Beitrag zur individuellen Kompetenzentwicklung leisten können, bieten dann die Gütekriterien der empirischen Sozialforschung und die Kriterien der Qualitätssicherung eine Möglichkeit, Kompetenzanalyseverfahren in ihrer Ausrichtung auf die individuelle Kompetenzentwicklung bewerten und einschätzen zu können?8 Auf Grundlage dieser übergeordneten Frage ergibt sich ein weiterer Untersuchungsgegen- stand für die vorliegende Arbeit. Wenn es solche Bewertungskriterien gibt, kann man aus den Vorhandenen die Effektivsten herausfiltern, um sowohl der Praxis als auch der Theorie Kriterien an die Hand zu geben, mit denen Kompetenzanalyseverfahren wissen- schaftlich fundiert beurteilt werden können?

Um diesen Forschungsfragen gerecht zu werden, folgt die Arbeit folgendem Aufbau:

Im anschließenden zweiten Kapitel werden grundlegende Einflussfaktoren auf die be- triebliche Bildungsarbeit skizziert, die dazu geführt haben, dass sich die Vermittlung von Kenntnissen und Fertigkeiten hin zur ständigen Kompetenzentwicklung gewandelt hat. In diesem Zusammenhang soll der Kompetenzbegriff von oft gebrauchten Begriffen wie Qualifikation oder Fähigkeit abgegrenzt werden. Darauf aufbauend wird aus den ver- schiedenen Definitionen eine für das weitere Arbeiten sinnvolle Kompetenzdefinition mit ihren Eckpunkten herausgearbeitet, um schließlich im letzten Schritt das aktuelle Ziel betrieblicher Bildungsarbeit zu fokussieren. Aus den Ergebnissen dieser Betrach- tung soll sich am Ende des Kapitels ein Katalog von Merkmalen ergeben, der beschreibt, wie sich die neuen Anforderungen auf die Qualität betrieblicher Bildungsarbeit aus- wirken.

Im dritten Kapitel werden Kriterien der empirischen Sozialforschung und der Qualitäts- sicherung vorgestellt und untersucht. Dazu wird in einem ersten Schritt geprüft, ob sich aus der aktuellen Diskussion um die Qualitätssicherung und die Einführung von Quali- tätsstandards, gemeinsame Kriterien herausarbeiten lassen. Ziel soll es sein, aus der Vielzahl der Kriterien die Wichtigsten und für die vorliegende Thematik Effektivsten herauszufiltern. In einem zweiten Schritt werden dann die Gütekriterien sowohl der quantitativen als auch der qualitativen Methoden betrachtet. Hierbei steht zum einen die Frage im Vordergrund, welcher Bereich der empirischen Sozialforschung sich eher für die Einschätzung von Kompetenzanalysen eignet. Und zum anderen, welche Gütekri- terien dieses Bereiches besonders wichtig und für die Beurteilung der Verfahren passend erscheinen. Am Ende des Kapitels soll ein Kriterienkatalog entstanden sein, der es mög- lich macht, Kompetenzanalyseverfahren einzuschätzen.

Im vierten Kapitel werden dann Kompetenzanalysen behandelt. Zunächst soll es um die Funktion und Anwendungsbereiche von Kompetenzanalysen gehen. Des Weiteren soll auch der Begriff der Kompetenzanalyse näher bestimmt werden und die Bedeutung von Kompetenzanalysen speziell für die betriebliche Bildungsarbeit soll herausgearbeitet werden. Im zweiten Teil werden zwei Analyseinstrumente exemplarisch vorgestellt. Zuerst wird der Kompetenzreflektor untersucht, der im Rahmen des ‚KomNetz- Projektes’9 entwickelt wurde. Danach soll der Talentkompass, der vom Landesinstitut für Qualifizierung des Landes Nordrhein-Westfalen erarbeitet wurde, betrachtet werden. Um das Thema der Kompetenzanalysen ganz zu erfassen, werden im letzten Teil des Kapitels allgemeine Probleme bei der Erfassung von Kompetenzen aufgezeigt.

Schließlich sollen im fünften Kapitel anhand der herausgearbeiteten Kriterien des dritten Kapitels die vorgestellten Kompetenzanalysen des vierten Kapitels beurteilt werden. Dabei wird der Frage nachgegangen, ob die Kriterien anwendbar sind und ob sie sich weiter zusammenfassen lassen. Weiterhin soll überprüft werden, inwieweit diese Kri- terien deckungsgleich zu den Merkmalen betrieblicher Bildungsarbeit aus Kapitel zwei sind, um sie auch aus einer anderen Perspektive stichhaltig einzuschätzen. Um am Ende des fünften Kapitels die gestellte Forschungsfrage zu beantworten und wenn möglich, einen anwendbaren Katalog von Kriterien zu erhalten, anhand dessen man Kompetenz- analysen einschätzen kann.

Die Schlussbetrachtung im sechsten Kapitel fasst dann die inhaltlichen Aussagen sowie die Befunde der vorliegenden Arbeit in aller Kürze zusammen und formuliert aus den gewonnenen Erkenntnissen Desiderate für weitere Forschung auf diesem Gebiet. Diese Arbeit ist der Weiterbildungsforschung als ein Teil der Erziehungswissenschaft unter spezieller Perspektive der Berufs- und Betriebspädagogik zuzuordnen, „deren ori- ginärer Gegenstand die Entwicklung und das Lernen in beruflichen Zusammenhängen ist“10. Das Themenfeld der Kompetenzentwicklung steht im besonderen Fokus. Aus dem Anliegen Kompetenzanalysen in ihrer Ausrichtung auch auf die Kompetenzentwicklung wissenschaftlich zu fundieren, ergibt sich die Relevanz dieser Arbeit für die Forschung. Ihre Erkenntnisse gewinnt die vorliegende Arbeit durch die hermeneutische Untersu- chung theoretischer Texten aus den Bereichen der Qualitätsicherung, der empirischen Sozialforschung und der Erziehungswissenschaft einerseits und von Konzeptbeschrei- bungen der Kompetenzanalysen andererseits. Darüber hinaus werden die vorliegenden Texte anhand der qualitativ-heuristischen Textanalyse nach Kleining untersucht.11 Durch ein systematisches Durchsuchen der Texte zur Qualitätssicherung und zu den Gütekrite- rien der empirischen Sozialforschung sollen Gemeinsamkeiten in den jeweiligen Be- reichen aufgedeckt werden. Daraus werden dann Erkenntnisse und die Kriterien heraus- gearbeitet, welche im fünften Kapitel durch die Auseinandersetzung mit den Konzept- beschreibungen der exemplarischen Einzelverfahren überprüft werden. In einem ersten Schritt wird untersucht, ob sich die entwickelten Kriterien dazu eignen, die Kompetenz- analyseverfahren zu beschreiben. Implizit sollen Gemeinsamkeiten zwischen Kriterien aufgedeckt werden, sodass sich der Katalog der Kriterien zusammenfassen lässt. Nach- dem dies geschehen ist, werden in einem zweiten Schritt die herausgearbeiteten Krite- rien mit den Merkmalen aktueller betrieblicher Bildungsarbeit konfrontiert, um die Kri- terien nicht nur auf ihre Anwendbarkeit auf Analyseverfahren zu überprüfen, sondern auch um sie anhand der aktuellen Postulate der betrieblichen Bildungsarbeit und somit ihrer Ausrichtung auch auf die individuelle Kompetenzentwicklung stichhaltig abzu- sichern. Das Resultat soll dann ein Verwerfen oder Beibehalten der Kriterien sein, sodass am Ende der Arbeit der anwendbarer Kriterienkatalog entstehen soll. Das Vor- gehen lehnt sich somit an die ‚Grounded Theorie’ von Glaser und Strauss12 an. Die theo- retischen Annahmen stehen nämlich nicht schon zu Beginn des Forschungsprozesses fest, sondern werden erst durch das Untersuchen des Forschungsfeldes und der Beispiele aus der Praxis am Ende des Forschungsprozesses entwickelt.

Da der Forschungsstand im Bereich der Kompetenzforschung sehr umfassend ist und sich bis heute der Kompetenzbegriff in der wissenschaftlichen Diskussion gehalten hat, kann in dem folgenden Kapitel nur ausgewählte Literatur zu dieser Thematik herangezo- gen werden, um ein grundlegendes Verständnis für die weitere Arbeit zu erarbeiten. Kompetenzanalyseverfahren, die am Anfang der persönlichen Kompetenzentwicklung stehen, sind erst seit jüngster Vergangenheit in den Fokus der wissenschaftlichen Be- trachtungen gerückt. Deswegen kann der aktuelle Forschungsstand hierbei nahezu voll- ständig erfasst werden.

Aus Gründen der besseren Lesbarkeit wird in dieser Arbeit die männliche Nennform stellvertretend für beide Geschlechter verwendet.13

2. BETRIEBLICHER WANDEL UND SEINE AUSWIRKUNGEN AUF DIE BETRIEBLICHE BILDUNGSARBEIT

‚Wer rastet, der rostet.’ Dieses Sprichwort hat in unseren Tagen eine ungeahnte Dyna- mik erlangt. Die weltweite Verbreitung des Internets, der rasante Aufstieg sogenannter Schwellenländer wie China, Indien oder Brasilien oder auch die seit dem 01.01.2007 in Kraft getretene erneute Erweiterung der Europäischen Union können nicht ohne Aus- wirkung bleiben. Die Resultate betreffen alle Bereiche der Gesellschaft. Natürlich sind auch die Unternehmen und ihre Beschäftigten davon betroffen, da sie in dem sich ver- ändernden Umfeld agieren. Die betriebliche Bildungsarbeit ist ein Bereich, in dem die Anforderungen, welche die Unternehmen an ihre Beschäftigten stellen, mit den Er- wartungen der Arbeitnehmer, ihre persönliche Beschäftigungsfähigkeit zu erhalten, in Berührung kommen. Aus diesem Grund ist das Wissen um Trends und Megatrends ein nicht zu unterschätzender Faktor, will man sich mit den Zielen betrieblicher Bildungs- arbeit beschäftigen. Die sozioökonomischen Veränderungen sind vielfältig. Daher sollen im Folgenden nur die vier wichtigsten Trends beschrieben werden, um ihre Auswir- kungen auf die betriebliche Bildungsarbeit zu skizzieren.

2.1 Einflussfaktoren und Entwicklungstrends

Der wohl bekannteste Trend wird gemeinhin als Globalisierung oder Internationalisie- rung bezeichnet. Gemeint ist damit die internationale Vernetzung von Betrieben. Ent- standen ist dieser Faktor aus der gesteigerten Expansion, aber auch aus der vermehrten internationalen Zusammenarbeit. Einhergehend damit bedeutet das sowohl den freien Verkehr von Handelsgütern und Rohstoffen, als auch von Arbeit und Dienstleistungen. Hinzu kommt, dass sich die Arbeit neu organisiert. In Niedriglohnländern werden haupt- sächlich Massengüter produziert, wobei die Hightechfertigung meistens in der Industrie- nation verbleibt.14 Die „Internationalisierung individueller Lebensräume“15 wird dadurch hervorgerufen, dass der Einzelne aus seinem eher homogenen Arbeitsumfeld heraus genommen wird und nun mit Beschäftigten mit verschiedensten sozialen und nationalen Hintergründen in Berührung kommt.

Eine weitere Entwicklung spiegelt die gestiegene Bedeutung der Informations- und Kommunikationstechnologien in der Arbeitsorganisation und -struktur wider. Erkennbar ist dies zum einen in der täglichen Arbeitsorganisation, wo Produktionsprozesse auto- matisiert werden, wo der Computer zu der Grundausstattung eines jeden Büros gehört und wo die elektronische Post als Kommunikationsmedium nahezu gleiche Bedeutung wie das Telefon erreicht hat.16 Zum anderen sind die Unternehmen heute weltweit bis in die kleinsten Abteilungen vernetzt und nutzen hauptsächlich rechnergestützte Steuerungssysteme beispielsweise für die Koordination zwischen Abteilungen oder als Qualitätssicherungsinstrument.17 Und das World Wide Web lässt Informationen und Daten schnell und überall verfügbar werden. Das Problem ist hier nicht das mangelnde Angebot, sondern die Vielfalt, die eine Auswahl und Aufbereitung schwierig macht.

Einhergehend mit dieser Entwicklung fällt oft der Begriff der „Wissens- und In- formationsgesellschaft“.18 Das impliziert einerseits, dass Wissen und Informationen ent- scheidende Produkte und Produktionsfaktoren werden. Andererseits meint das aber auch, dass die Halbwertszeit von Wissen und Technologie rapide abgenommen hat.19 Einen nicht unwesentlichen Anteil haben hieran das World Wide Web und der interna- tionalisierte Konkurrenzdruck. Als Antwort auf die neuen Herausforderungen reagieren die Unternehmen mit Innovation und Flexibilität. Innovation meint fortwährende Er- schließung neuer Markt- und Produktmöglichkeiten sowie die ständige Weiterent- wicklung und Verbesserung vorhandener Produkte.20 Flexibilität bedeutet für die Be- triebe, mit der Unbestimmtheit der zukünftigen Anforderungen umgehen zu können und sie gewinnbringend als Innovationsantrieb zu nutzen. Hierbei kann man Flexibilität in verschiedene Arten unterscheiden. Zunächst ist das die funktionale Flexibilität, die die breit gefächerte Aufgabenübernahme der Betriebe meint. Außerdem gibt es die numeri- sche Flexibilität, die sich auf die Arbeitnehmerschaft beziehen kann, die sich je nach Auftragslage anheben oder senken lässt. Das kann weiterhin Outsourcingprozesse oder Teilzeitarbeitsmodelle betreffen. Darüber hinaus kann man von externer Flexibilität der Unternehmen sprechen, wenn man die Anpassungs- und Umstellungsfähigkeit auf neue Märkte und Handelspartner meint. In der innerbetrieblichen Organisation gibt es die in- terne Flexibilität, die sich auf die Unternehmensstruktur bezieht. Als Beispiel ließe sich hier das Einführen von Gruppenarbeit in der Produktion anführen.21 Als ein nächster Entwicklungstrend ist der Wandel zur Dienstleistungsgesellschaft zu nennen. War Deutschland um 1850 noch weitestgehend ein Agrarstaat im Übergang zur Industrienation, so befindet sich die deutsche Gesellschaft seit der zweiten Hälfte des letzten Jahrhunderts auf dem Weg zur Dienstleistungsgesellschaft. Betrachtet man die Berufe funktionell-beruflich22, so waren am Ende des letzten Jahrhunderts über 80% in dienstleistenden Berufen angestellt. Besonders Bereiche wie Rechts- und Unternehmens- beratung, Marketing, Werbung oder Finanzdienstleistungen haben einen Auftrieb erhal- ten.23 Hierbei muss man zwischen den herkömmlichen, nach außen gerichteten Dienst- leistungen, gegenüber Kunden beispielsweise, und den nach innen gerichteten, gegen- über anderen Abteilungen, die Aufgaben vor oder nach dem Produktionsprozess er- füllen, unterscheiden. Das kann auch für vormals kundenferne Bereiche neue Anforde- rungen bedeuten, die über das Fachliche hinaus gehen und den Umgang mit Kunden bei- spielsweise in den Fokus rücken.24

Die Liste der Trends und Megatrends ließe sich noch um eine Vielzahl von Ent- wicklungen erweitern, wie beispielsweise die zunehmende Frauenerwerbsarbeit, die Individualisierung der Gesellschaft sowie die Ökologisierung des Wirtschaftens oder die Ökonomisierung des Handelns.25 Die Entwicklungstrends haben nicht nur zu gestie- genen Anforderungen für die Unternehmen geführt, sondern auch für die Beschäftigten im Betrieb. Daraus ergibt sich eine lange Liste von Eigenschaften, die der neue Mitar- beiter aufweisen soll. Er soll flexibel, mobil, eigenständig, zuverlässig und kundenorien- tiert sein. Der internationale Konkurrenzdruck mit den aufstrebenden Schwellenländern sowie die Begleitumstände der Wissens- und Informationsgesellschaft verlangen höhere Qualifikationen, um den ‚High-Tech-Standort-Deutschland’ zu sichern und wettbe- werbsfähig zu bleiben. Folglich sollen sich die Beschäftigten, neben dem soliden Fach- wissen, durch Selbstorganisation-, Koordinations- und Innovationsfähigkeit aus- zeichnen, die von selbstverantwortlichem Handeln und eigenständiger Qualitätskontrolle begleitet werden.26

Das bedeutet schließlich, dass sich die Individuen ständig weiterentwickeln müssen, um ihre ‚Employability’ aufzubauen und weiterhin zu erhalten. Das betrifft sowohl die Arbeitnehmer und ihre Interessenvertretungen als auch die Vorgesetzten, die ein Interes- se daran haben, die Ressource Mensch so zu entwickeln, dass der Betrieb samt seiner Arbeitsprozesse weiterhin effizient funktioniert und dass neue potenzielle Märkte mit ihm erschlossen werden können. Um die Beschäftigungsfähigkeit seiner Mitarbeiter zu erhalten, sollte daher das Unternehmen die erforderlichen Bildungsmöglichkeiten sicher- stellen und die Mitarbeiter bei den Veränderungsprozessen unterstützen. Dass der Erhalt der ‚Employability’ im Interesse der Arbeitnehmer liegt, steht außer Frage. Ihnen muss daran liegen erreichte Qualifikationen nicht veralten zu lassen und im Weiterentwick- lungsprozess des Unternehmens nicht zurückzubleiben.27 Der Erhalt der Beschäfti- gungsfähigkeit geht aber noch über den aktuellen Beruf hinaus. Aufgrund von Rationali- sierungsmaßnahmen kann das Los der Erwerbslosigkeit beispielsweise auch gut quali- fizierte Fachkräfte treffen. Dort gilt es, sein Potenzial nicht rückständig werden zu las- sen, um sich wieder auf dem Arbeitsmarkt anbieten zu können. Die Entwicklung, dass Erwerbsbiografien zum „Fleckerlteppich aus Phasen der Aus- und Weiterbildung, Er- werbstätigkeit, Unterbeschäftigung, Eigenarbeit, Umschulung, neuerliche Erwerbstätig- keit, Arbeitslosigkeit etc.“28 werden können, ist auch ein Resultat der neuerlichen Ent- wicklungstrends. Als Konsequenz davon verliert das Berufs- und Erwerbsleben seine stabile Orientierungsfunktion in der Biografie.29

Neben dieser Entwicklung, die dem erlernten Beruf seine stabilisierende Funktion nimmt, kommt die Entgrenzung der Arbeitswelt hinzu. Regulierende Faktoren wie Raum und Zeit fallen durch die internationale Vernetzung über das World Wide Web weg. Der Arbeitsplatz in der Firma kann durch das ‚Home-office’ ersetzt werden und die private Kontaktpflege mit Mitarbeitern, Untergebenen, Vorgesetzten oder auch Handels- partnern ist zum Aufbau und Erhalt sozialer Netzwerke ebenso wichtig geworden.30 Um sich nun auf die Entgrenzung der Arbeit einzustellen und seine ‚Employability’ zu erhalten, ist es für den Einzelnen notwendig, sich eigenverantwortlich zu entwickeln. Das Individuum muss nicht nur in der Lage sein, seine Kompetenzen zu entwickeln, es muss sich und seine eigene Lebens- und Karriereplanung auch organisieren können. Dies betrifft aber nicht allein das Aufrechterhalten fachlichen Wissens. Der Mitarbeiter wird ganzheitlich betrachtet. Beispielsweise werden die persönlichen Lebensverhältnisse ebenso fokussiert wie die Integration in die Unternehmenskultur. Das Beispiel der wich- tiger gewordenen Kundenorientierung dürfte darüber hinaus belegen, dass dazu andere Qualitäten von Nutzen sind. Das Individuum muss prospektiv handeln, da es aufgrund der aktuellen Entwicklungstrends zukünftige Anforderungen noch nicht kennen kann.31 Fasst man die Entwicklungstrends zusammen, kommt man zu dem Resultat, dass Weiterbildung sowohl für den Arbeitnehmer als auch für den Arbeitgeber wichtig ist, um wettbewerbsfähig zu bleiben. „Das schlägt sich nicht allein in der quantitativen Aus- dehnung der Weiterbildungszeit nieder, sondern schließt auch qualitativ ein neues Ver- hältnis der Individuen zum Lernen als lebensbegleitender Tätigkeit in formalen und non- formalen sowie informalen Lernwelten ein.“32

Dies hat zu einem neuen Verständnis von betrieblicher Bildungsarbeit geführt. Sie ver- liert ihre reaktive Rolle und versucht nun aktiv durch Verbesserung der Lernmöglich- keiten, sowie der Gestaltung von Lernkonzepten auf Wandlungsprozesse vorzubereiten. Hierbei sieht sie sich im Spannungsverhältnis von pädagogischen und ökonomischen Interessen. Um trotzdem erfolgreich agieren zu können, tragen, wie in Abbildung 1 dar- gestellt, neben der Berufs- und Betriebspädagogik auch die Personal- sowie die Organisationsentwicklung zu betrieblicher Bildungsarbeit bei. Als betriebliche Bil- dungsarbeit gilt zusammenfassend das, was „die [...] Planung, Durchführung, Evaluation und Begleitung aller Maßnahmen und Konzepte der beruflichen Bildung, der Quali- fizierung und des betrieblichen Trainings von der Ebene der Auszubildenden bis zu den Führungskräften umfasst. Die betriebliche Bildungsarbeit bezieht sich sowohl auf das formelle, organisierte Lernen als auch auf das Erfahrungslernen bzw. informelle Lernen.“33

Der sozioökonomische Wandel hat betriebliche Bildungsarbeit dahingehend verändert, dass sie nicht mehr reagiert, sondern antizipiert, um so Innovationen zu gewährleisten und gewinnbringendes Bildungsmanagements im Betrieb zu realisieren. Der aktive ge- staltende Ansatz betrieblicher Bildungsarbeit wird durch das Einbeziehen von Personal- und Organisationsentwicklung in die pädagogische Planung deutlich. Organisationsent- wicklung will dabei die Strukturen, Prozesse und die Personen nach den Zielen des Unternehmens entwickeln. Personalentwicklung versucht ständig, zwischen den Unter- nehmenszielen und denen der Mitarbeiter zu vermitteln. Sie richtet ihren Blick auf die personale Entwicklung und Qualifizierung in Teilbereichen des Unternehmens. Für die Personalentwicklung gilt es, betriebliche Bildungsmaßnahmen strategisch auszu- richten.34

Betriebliche Bildungsarbeit als Schnittstelle von Berufs- und Betriebspädagogik, Personal- und Organisationsentwicklung

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 1: Betriebliche Bildungsarbeit als Schnittstelle von Berufs- und Betriebspädagogik, Personal- und Organisationsentwicklung35

Betriebliche Bildungsarbeit als verbindendes Element nimmt heute einen hohen Stellen- wert in den Betrieben ein, um zukünftigen Anforderungen gewachsen zu sein. Begriffe wie Prozessorientierung, informelles Lernen und Kompetenzentwicklung beschreiben dazu die aktuellen Entwicklungstrends in der betrieblichen Bildungsarbeit.36

2.1.1 Prozessorientierung

Die dargestellten Entwicklungstrends stellen an Unternehmen vor allem die An- forderung flexibel zu sein. Daraus resultiert, dass betriebliche Strukturen sich weniger an Funktionen und Berufen orientieren, sondern sich mehr und mehr Prozessorientierung in Bezug auf die Organisation des Betriebes und der Arbeit durchsetzt.37 Für die betrieb- liche Weiterbildung38 bedeutet das, dass weniger berufs- und funktionsbezogene, sondern mehr bedarfsorientierte Inhalte näher gebracht werden. Ferner, dass auch das Lernen in der Arbeit, welches vor allem selbstorganisiert beispielsweise durch die Ge- staltung einer lernförderlichen Umgebung abläuft, mit einbezogen wird.39 Die Lern- inhalte werden, über das Fachliche hinausgehend, um soziale und personale Kom- ponenten erweitert. Für die Person des vormaligen Lehrers bedeutet dies, dass die einstige Inhaltsvermittlung zurücktritt und durch Beratung und Begleitung im lebens- langen Lernprozess ersetzt wird. Der Lernende erfährt nun die Seminarinhalte nicht mehr instruktionistisch, sondern muss sich die Inhalte konstruktivistisch40 weitestgehend selbst beibringen.41 Die ‚Entgrenzung’ des Lernens hat danach das Resultat, dass for- malisierte Bildungsprozesse durch informelle Lernprozesse ergänzt werden, bei denen nicht nur das Erreichte zählt, sondern auch der Lernprozess als solches starke Berück- sichtigung findet. Damit einhergehend finden die informellen Lernprozesse sowie die Kompetenzentwicklung Einzug in die Debatten der Berufs- und Betriebspädagogik.

2.1.2 Informelles Lernen

Die Bedeutung informellen Lernens ist mit der Erkenntnis gestiegen, dass formalisierte Bildungsprozesse nur begrenzt erfolgreich sind. Kennzeichen des formellen Lernens ist die Organisation des Lernens nach pädagogischen Kriterien und das intentionale Ein- wirken auf den Lernprozess. Das Resultat wird bewusst angestrebt. Die Charakteristik von informellem Lernen ist dagegen weniger eindeutig. Schon das genaue Definieren fällt schwer.42 Im Bildungsbericht 2006 werden für informelles Lernen Erwachsener beispielsweise das Lernen durch Beobachten, das Lesen berufsbezogener Fachliteratur, die Unterweisung durch Mitarbeiter oder der Besuch von Fachmessen aufgeführt.43

Informelles Lernen verläuft zumeist abseits von Bildungseinrichtungen, ist unstrukturiert und erfahrungsgeleitet. Es kann in Arbeitshandlungen wie in anderen Lebenssituationen stattfinden. In der Forschung wird informelles Lernen häufig in Erfahrungslernen und implizites Lernen unterteilt. Dabei ist das Erfahrungslernen, oder auch reflexives Lernen, durch das reflektierende Verarbeiten der Erlebnisse und Erfahrungen bestimmt. Erfahrungen werden bewusst analysiert, um zu einer Erkenntnis zu kommen. Implizites Lernen erfolgt eher unbewusst durch Handlungen. Aus beiden Prozessen ergibt sich das Erfahrungswissen. Gemeinsam mit dem aus formellen Lernprozessen erworbenen theoretischen Wissen bildet das Erfahrungswissen, wenn es aus problemhaltigen Situationen entstanden ist, das Handlungswissen.44 Hier wird deutlich, dass informelle Lernprozesse zwar wichtiger geworden sind, aber formelle Lernprozesse nicht ersetzen können. Sie sind im Verbund als Antwort auf die neuen Anforderungen zu verstehen.45

2.1.3 Kompetenzentwicklung

Das dritte Schlagwort, welches betriebliche Bildungsarbeit kennzeichnet, ist die Kompe- tenzentwicklung. Ausschlaggebend für die Implementierung der Kompetenzentwicklung war die Erkenntnis, dass die Herausbildung von Qualifikationen, die nur auf länger be- stehende Fähigkeiten abzielten, ausgedient hätten. Kompetenzentwicklung stellt das Subjekt in das Zentrum, um seine Persönlichkeit dahingehend auszubilden, dass das Individuum in problembehafteten Situationen handlungsfähig ist. Die Persönlichkeits- strukturen sollen auch unter den Anforderungen der Entwicklungstrends und der öko- nomischen und sozialen Veränderungsprozesse Bestand haben. Den jeweiligen An- forderungsbereichen werden dabei spezifische Kompetenzen, wie beispielsweise Fach- kompetenz, Sozialkompetenz oder Methodenkompetenz, zugeordnet.46

Die Prozesse zur Entwicklung von Kompetenzen werden vom Individuum weitgehend selbst gestaltet. Dabei stehen individuelle Interessen, Stärken und Schwächen im Vordergrund. Der Prozess ist dadurch, dass die verschiedenen Formen des Lernens in der Arbeit aber auch im privaten Bereich einbezogen werden, ganzheitlich zu betrachten und ist nur dann sinnvoll, wenn der Entwicklungsprozess lebensbegleitend abläuft. Kompetenzentwicklung ist kein Ersatz für Aus- oder Weiterbildung, sondern führt im Zusammenspiel zur Entwicklung von Kompetenzen, die das Individuum auch unter veränderten Rahmenbedingungen handlungsfähig machen.47

Die Handlungsfähigkeit des Individuums ist als Antwort auf die Entwicklungstrends, die die Unternehmen, die Menschen und die Bildungsarbeit betreffen, zu sehen. Dabei führt die Unvorhersehbarkeit zukünftiger Aufgaben dazu, dass sich die betriebliche Bildungs- arbeit offener und flexibler gestalten muss. So rückt das Individuum stärker in den Fo- kus und die Entwicklung seiner Stärken und das Vermindern seiner Schwächen im Rahmen der unterschiedlichen Interessenlagen steht für eine Perspektivenerweiterung in der betrieblichen Bildungsarbeit.48

2.2 Begriffsbestimmungen

Unter dem Einfluss der Entwicklungstrends hat sich, wie gezeigt, die betriebliche Bildungsarbeit in ihrer Struktur, in ihren Aufgaben und in ihren Zielen verändert. Kom- petenz und Kompetenzentwicklung sollen das Individuum auch in nicht vorhersehbaren Problemsituationen handlungsfähig machen. Die reflexive Handlungsfähigkeit ist das Resultat aus einem jahrzehntelangen Diskurs über die Ziele von Bildungsprozessen. Nach dem Vorbild der mittelalterlichen Handwerksausbildung etablierte sich seit den 1870er Jahren die industrielle Berufsausbildung. In den Anfangsjahren war die Arbeit zumeist taylorisiert.49 Mit der beginnenden Automatisierung und Computerisierung50 seit den 1960er Jahren wurde die Höherqualifikation der Arbeitnehmer notwendig. Man ver- suchte, durch die quantitative Ausweitung der Weiterbildung den Bedarf zu decken. Erst seit Ende der 1980er Jahre tritt die taylorisierte Arbeitsorganisation in den Hintergrund und neben dem quantitativen Ausbau der Weiterbildung tritt nun die Qualitätskontrolle in den Vordergrund. Damit führten die beschriebenen sozioökonomischen Verände- rungen zu einer Neuausrichtung der betrieblichen Bildungsarbeit.51

Nach der Einführung der neuen Berufsausbildung seit dem letzten Viertel des 19. Jahr- hunderts ging es vormalig darum, Berufskönnen zu vermitteln. Dieses Können bezog sich auf alle Fähigkeiten, Fertigkeiten und Kenntnisse, die speziellen Arbeitsschritte seines Berufs ausführen zu können. Seit der Bildungsdebatte der 1960er Jahre wurde dann der Qualifikationsbegriff eingeführt. Er sollte für mehr Flexibilität der Arbeit- nehmer sorgen, indem die zu vermittelnden Kenntnisse, Fertigkeiten und Fähigkeiten, um die Selbstständigkeit erweitert wurden. Zudem ging es nicht nur noch um einen Be- ruf, sondern die Qualifikationen sollten berufsbreit flexibel sein. Schließlich führte die vollständige Implementierung des Kompetenzbegriffes seit den 1990er Jahren dazu, dass das Ziel der Berufsqualifizierung qualitativ erweitert wurde. Neben der Selbstständigkeit in der Qualifikationsdebatte kam nun die Selbstorganisationsfähigkeit des Individuums dazu. Die fachlichen Inhalte wurden weiter entspezialisiert und um soziale und humane Kompetenzen erweitert.52

Im Folgenden sollen die Ziele der betrieblichen Bildungsarbeit eingehender untersucht werden, um die spezifischen Differenzen herauszuarbeiten.

2.2.1 Kenntnisse, Fertigkeiten und Fähigkeiten

„Berufskönnen umfaßt die Gesamtheit aller Kenntnisse, Fertigkeiten und Fähigkeiten zum Zwecke der Ausführung definierter einzelberuflich gebundener Tätigkeiten.“53 Dieses Ziel der Berufsausbildung des frühen 20. Jahrhunderts muss näher erläutert werden. Kenntnisse können einerseits durch eigene Erfahrungen oder durch Erfahrungs- oder Wissensaustausch entstehen, andererseits durch Erinnerung oder auch durch Reflexion vorhandener Einsichten und Ansichten oder bestehende Gegebenheiten und ihrer Zusammenhänge. Dabei sind Kenntnisse oder Wissen historisch entstandene Überzeugungen, die sowohl subjektiv als auch objektiv begründet sein können, über konkrete Sachverhalte, über ideelle Gegenstände, beispielsweise Mathematik oder Ethik, oder letztlich auch über deren Zusammenwirken und Bedeutung.54

Für den beruflichen Alltag stellen Kenntnisse eine Orientierungsgrundlage für das Handeln dar. Die relevanten Kenntnisse werden zu einem Wissenssystem vereint. Das trifft vor allem in problembehafteten Situationen zu, in denen versucht wird, Probleme durch Reflexion zu lösen. Das Wissen wirkt dann mit anderen Qualifikationen zusammen und bildet „die intellektuelle Ebene der Handlungsregulation“55, in dem es zum Beispiel Handlungsabläufe durchdenkt und damit vorbereitet. Diese handlungsvorbereitenden Denkoperationen müssen aber nicht bewusst erfolgen. Besonders bei geübten Arbeitern sind Handlungsabläufe vielmals automatisiert und Kenntnisse nehmen die Aufgabe der Strukturierung und Systematisierung wahr.56

Fähigkeiten werden allgemein als die Möglichkeit bezeichnet, eine Aufgabe bestimmter Art zu erfüllen oder eine Leistung bestimmter Ausprägung zu zeigen. Dabei spielt so- wohl Erziehung als auch die genetische Veranlagung eine Rolle für das Niveau der er- brachten Leistung. Daneben ist auch das Einüben von Bedeutung, um Leistungen spe- ziellen Grades abrufen zu können.57 Betrachtet man neben den individuellen Voraus- setzungen das Lernen, so bezeichnen Fähigkeiten auch die Resultate von Lernprozessen, die als komplexe Eigenschaften bestimmte Handlungen ermöglichen.58

Werden die Tätigkeiten, zu denen die Individuen mehr oder weniger befähigt sind, dann automatisiert, spricht man von Fertigkeiten. Das bedeutet, dass anfangs willkürliche Handlungsabläufe verstärkt durchgeführt und damit trainiert werden. Dadurch verfes- tigen sie sich. Jedoch ist die Automatisierung nicht so statisch, dass der Handlungsablauf in das Unbewusste abgleitet. Sobald nämlich eine Problemsituation auftritt, wird die Handlung analysiert, um die Ursache zu finden und zu beseitigen. Fertigkeiten erlauben flüssige Arbeitsabläufe ohne große Anstrengung oder Aufmerksamkeit.59

Dahrendorf unterscheidet funktionale und extra-funktionale Fertigkeiten. Funktionale Fertigkeiten sind diejenigen, die unbedingt notwendig sind, um den Arbeitsablauf durch- führen zu können. Sie beinhalten elementare Kenntnisse, sowie Fähigkeiten, die für den Arbeitsprozess notwendig sind. Extra-funktionale Fertigkeiten sind dagegen nicht tech- nisch erforderlich, sondern konzentrieren sich auf die organisatorischen und sozialen Zu- sammenhänge des Arbeitsprozesses. Sie sorgen nicht dafür, dass der Produktionsprozess funktioniert, sondern dass er reibungsloser und effizienter vonstattengeht.60

Fertigkeiten, Kenntnisse und Fähigkeiten bauen aufeinander auf und in der Zeit taylori- sierter Produktion hatten sie ihre Berechtigung. Allerdings führten die automatisierten Fertigkeiten zu einer problematischen Verfestigung und Unflexibilität. Diese wurde da- ran deutlich, wenn zum Beispiel erfahrene Praktiker ihr Wissen weiter geben sollten, aber Probleme mit der Verbalisierung der Vorgänge hatten oder, wenn beispielsweise neue Verfahren eingeführt wurden, an die sich die Fließbandarbeiter anpassen sollten.61 Dahrendorf findet als Antwort auf die Unflexibilität die extra-funktionalen Fertigkeiten, die über das Fachwissen hinaus gehen. In der Wissenschaft wird als Antwort auf die not- wendige Anpassungsfähigkeit und Höherqualifizierung der 1960er Jahre der Begriff der Qualifikation eingeführt, der das vormalige Berufskönnen um Flexibilität und Selbst- ständigkeit auf einer breiteren Berufsbasis erweitert.62

2.2.2 Qualifikation

Im Zuge der Bildungsreform der Bundesrepublik Deutschland ab den 1960er Jahren kam es zu einer Neuvereinbarung über die Ziele von Bildungsprozessen. Die Persönlichkeitsbildung, die seit Humboldt das Ideal aller pädagogischer Arbeit war, rückte zugunsten der gesellschaftlichen Erfordernisse in den Hintergrund. Unter ökonomischer Betrachtung folgte ein Input-Output-Vergleich, der zuungunsten der Persönlichkeitsentwicklung ausfiel. Das bewirkte eine Ausweitung der Erwachsenenbildung in ihrer Aufgabe, Struktur und Effizienz. Damit einhergehend gewann die berufliche Bildung an Gewicht und die Weiterbildung wurde durch den Bildungsrat als vierte Säule des Bildungssystems implementiert.63 Für die Ziele von Bildungsprozessen resultierte daraus, dass Qualifizierung zu Lasten von Bildung in den Vordergrund trat.64

Bildung wird allgemein als Sammelbegriff für die Fähigkeit des Einzelnen verstanden, seine Umwelt kritisch einschätzen zu können, Sachkenntnis und Wissen zu haben, sowie mündig und verantwortungsvoll zu sein. Das Verständnis geht auf die preußischen Bil- dungsreformen im beginnenden 19. Jahrhundert unter Wilhelm von Humboldt (1767- 1835) zurück.65 Dabei ist Bildung nicht anwendungsorientiert, sondern zielt auf die „in- dividuell-autonome Entfaltung“66 der Persönlichkeit ab. „Der wahre Zweck des Menschen [...] ist die höchste und proportionirlichste Bildung seiner Kräfte zu einem Ganzen.“67 Bildung richtet sich auf alle Kräfte des Menschen und subsumiert den Ver- stand, das Gefühl und die Fantasie.68 Der Verwertungsbezug ist universalisiert, da er nicht nur auf eine Sache oder einen Gegenstand bezogen ist, sondern überall Anwen- dung finden kann. Heute kann man Bildung unterteilen in materielle, wobei es vornehm- lich um den Erwerb von Wissen zum Beispiel für den Beruf geht, und in formale Bil- dung, hierbei geht es um die Fähigkeiten handeln zu können oder um Erziehungsziele.69 Die Qualifizierung sucht nicht die Vervollkommnung des Menschen und seiner Kennt- nisse und Fähigkeiten, vielmehr ist die Anpassung an die berufliche Wirklichkeit mit ihren Veränderungen das Ziel. Qualifikation wird daher präventiv verstanden, um das Potenzial der Arbeitnehmer zu erhöhen. Einhergehend damit sollte Qualifikation die Menschen durch Erhöhung der Flexibilität und der Mobilität auch für neue Berufsfelder öffnen und sie sollte es ihnen ermöglichen, sich an neue technische oder strukturelle Entwicklungen anpassen zu können. Diese Forderungen resultierten nicht unlängst aus der Erkenntnis der immer rascher voranschreitenden wirtschaftlichen und technolo- gischen Entwicklung, besonders durch die Bedeutungszunahme des Computers.70 Demnach wird Qualifikation als die Gesamtheit der Kenntnisse, Fertigkeiten und Fähig- keiten, die das Individuum zur Bewältigung der Aufgaben haben muss, verstanden. Doch es geht nicht nur um eine berufliche Tätigkeit, sondern um die breite Einsetzbar- keit seiner Qualifikation. Somit werden einerseits die Kenntnisse und Fertigkeiten durch Flexibilität und Mobilität ergänzt71, andererseits wird das Bildungsverständnis durch die Verwertbarkeit und Anwendbarkeit in Handlungssituationen erweitert.72 Trotz der flexibleren Gestaltung von Bildungsprozessen war Qualifikation immer noch das, was als notwendig erachtet wurde, um einen Beruf auszuüben. Dafür war dann ein entsprechender Ausbildungsgang vorgesehen, in welchem dem Lernenden die jeweiligen Arbeitsinhalte beigebracht wurden. Hierbei liegt der Vorteil in der Standardisierung und Überprüfbarkeit. Standardisierung meint, dass man bei zwei Personen, die die gleiche nachweisbare Qualifikation haben, davon ausgehen kann, dass sie in einer bestimmten Situation gleich handeln. Überprüfbarkeit meint, dass beispielsweise der Arbeitgeber genauestens festlegen kann, welche Qualifikationen für einen Beruf notwendig sein sollen. Diese können dann in berufsähnlichen Situationen überprüft werden.73 Das Problem ergibt sich aus der Anforderung, zukünftig erforderliche Qualifikationen zu bestimmen. Deswegen wurde eine Qualifikation gesucht, die der rasanten Entwicklung gerecht wird. Außerdem sollte diese Qualifikation noch mehr Mobilität ermöglichen. Aus diesen Forderungen entwickelte Mertens 1974 die Schlüsselqualifikationen, die er als „beschäftigungsunabhängige Bildungsziele“74 verstand. Der Mensch sollte Kennt- nisse, Fähigkeiten und Fertigkeiten erlangen, die für eine Vielzahl von Funktionen gelten und anhand derer er auch unvorhergesehne Aufgaben lösen kann.75 Daher galten Schlüsselqualifikationen als lang verwertbare Berufsqualifikationen, die sowohl fun- ktions- als auch berufsübergreifend dazu qualifizieren, berufliche Problemstellungen lö- sen zu können. Dabei unterstehen sie immer dem Postulat von Mobilität und Flexibilität.

Schlüsselqualifikationen beziehen sich nicht nur auf die fachliche Seite, sondern schließen die Persönlichkeitsentwicklung in gewissem Maß mit ein. Der qualifizierte Facharbeiter wird durch Merkmale wie Kritikfähigkeit oder die Fähigkeit, sich autodidaktisch neues Wissen anzueignen, erweitert. Aus dem Widerspruch von Persönlichkeitsentwicklung nach Humboldt und den Erfordernissen für die Gesellschaft der 1960er Jahre entstanden so die Schlüsselqualifikationen, die Persönlichkeitsentwicklung zum Qualifizierungsmerkmal beruflicher Bildungsprozesse machten.76

Schlüsselqualifikationen wurden zum viel diskutierten Thema und es entstanden ver- schiedene Vorstellungen, welche denn die entscheidenden Schlüsselqualifikationen seien. Nennt Mertens 1974 noch zwölf Zielvorstellungen77, so sind es zu Beginn der 1990er Jahre über 300, die sich auf unterschiedliche Anwendungsfelder beziehen.78 Mit dieser Entwicklung verschob sich auch das Verständnis der Schlüsselqualifikationen. Mertens als Arbeitsmarktforscher wollte eine ideale Qualifikation, die Absolventen des Bildungssystems näher an den Arbeitsmarkt bringen sollte. Dabei lag sein Schwerpunkt auf den materialen Fertigkeiten, also Fachqualifikationen, und formalen Fähigkeiten wie dem Methodenwissen. Seit Mitte der 1980er Jahre hat sich dieses Bild gewandelt. Das Subjekt mit seinen Werten und Verhaltensweisen steht nun im Vordergrund.79

2.2.3 Kompetenz

Der Einschätzung von Knauf muss man wohl dahingehend folgen, wenn man nur die betriebliche Weiterbildung betrachtet. Der deutsche Bildungsrat hat nämlich bereits 1974 in der Abgrenzung von Qualifikationen zu Kompetenzen die Subjektorientierung betont. Demnach sind Qualifikationen als Fähigkeiten, Fertigkeiten und Wissens- bestände hinsichtlich der Verwertbarkeit zu betrachten. Bei Qualifikationen steht die Nachfrageorientierung klar im Vordergrund. Dagegen sind erworbene Kompetenzen das Ergebnis der Kompetenzentwicklung und meinen die Fähigkeit des Einzelnen, in priva- ten, beruflichen und gesellschaftlichen Situationen eigenverantwortlich zu handeln.80 Daher wurde schon 1974 der Subjektbezug als das wesentliche Unterscheidungsmerk- mal manifestiert. Der Kompetenzbegriff wird in der beruflichen Ausbildung weiterentwickelt und findet 1987 mit der beruflichen Handlungskompetenz als anerkanntes Ausbildungsziel Eingang in die Neuordnung der Metall- und Elektroberufe. Handlungskompetenz wird dabei als Einheit von Fach-, Sozial- und Humankompetenz verstanden, was aber im Weiteren noch eingehender beschrieben wird.81

In der betrieblichen Weiterbildung hält der Kompetenzbegriff erst zu Beginn der 1990er Jahre Einzug.82 Ausschlaggebend dafür war der technische und ökonomische Struktur- wandel, der bis in die 1980er Jahre noch so moderat ablief, dass man die beruflichen Anforderungen noch prognostizieren konnte. Das Weiterbildungsangebot konnte darauf reagieren und konnte somit die Beschäftigten an die neuen Arbeitsformen anpassen. Die zunehmende Dynamisierung der Arbeitsorganisation seit Mitte der 1980er Jahre, die unter den Begriffen Trends und Megatrends in Kapitel 2.1 näher beschrieben wurde, hat dazu geführt, dass Anforderungen wie Flexibilität, Selbstständigkeit und Selbstorga- nisation, sowie Koordinierungs- und Kommunikationsfähigkeit in den Blick betrieb- lichen Verhaltens gerückt sind.83 Diese Anforderungen, die auf eine Orientierung an offenen Zielsituationen und die stärkere Betrachtung des Individuums abzielten, führten zu einer Erweiterung der betrieblichen Weiterbildung um die Kompetenzentwicklung.84 Mit der Diskussion um Kompetenzentwicklung ging auch ein generelles Hinterfragen der Weiterbildung einher. Es ging darum, ob Kompetenzentwicklung in die Weiter- bildung integriert werden oder sie ersetzen sollte. Letzterem folgen Staudt und Krieges- mann, die in der Implementierung des Kompetenzbegriffs ein Indiz dafür sehen, dass die Weiterbildung in ihrer Funktionalität ihre Berechtigung verloren hätte. Staudt und Krie- gesmann gehen davon aus, dass Weiterbildung nur die Wissensvermittlung berühre und zur eigentlich angestrebten beruflichen Handlungsfähigkeit wenig beitrage. Aus diesem Grunde sei die Kompetenzentwicklung die Antwort auf die neuen Anforderungen des beruflichen Lernens.85

Dieser Ansatz, Kompetenzentwicklung von der Weiterbildung zu lösen, ist weitgehend unzureichend, da sich sowohl Qualifikationen und Kompetenzen als auch Weiterbildung und Kompetenzentwicklung nicht völlig voneinander trennen lassen. Vielmehr umfasst der Kompetenzbegriff Qualifikationen und nimmt mit der Subjektorientierung traditio- nelle Bildungsziele auf86, die sich aber nun im Gegensatz zum Bildungsbegriff des Neu- humanismus an den Erfordernissen der Arbeitswelt orientieren.87 Deswegen können Qualifikationen, die in beruflichen Bildungsprozessen sowie in der Weiterbildung er- worben wurden, nicht vernachlässigt werden, sondern müssen in die Kompetenzent- wicklung integriert werden.88

Doch wie lassen sich nun Kompetenz und Handlungskompetenz definieren? Was sind die Kriterien, die eine handelnde Person kompetent machen? Und was sind dabei die wesentlichen Unterschiede zur Qualifikation?

Dazu muss man zunächst festhalten, dass es durchaus kein einheitliches Verständnis davon gibt, was Kompetenz nun eigentlich ist. Das wichtigste Merkmal von Kompe- tenzen ist der Subjektbezug. „Kompetenzen [...] vollziehen einen Perspektivwechsel und betrachten Fähigkeiten, Fertigkeiten und Kenntnisse aus der Sichtweise des Subjektes, das heißt sie stellen die Befähigung des lernenden Menschen in den Mittelpunkt.“89 Weiterhin sieht Elsholz im Kompetenzbegriff die Handlungsbefähigung nicht nur in be- ruflichen, sondern auch in privaten Situationen und geht über konkrete Anforderungen hinaus, indem er auch Werte und Einstellungen sowie die Persönlichkeit des Individu- ums mit einbezieht.90

Das ‚Außerberufliche’ ist auch bei Bunk von Bedeutung für die Abgrenzung zur Quali- fikation, denn er definiert Kompetenz wie Qualifikation als Fertigkeiten, Fähigkeiten und Kenntnisse für den Beruf, mit denen der kompetente Arbeiter „Arbeitsaufgaben selbstständig und flexibel lösen kann sowie bereit ist, dispositiv in seinem Berufsumfeld und innerhalb der Arbeitsorganisation mitzuwirken.“91 Der Kompetenzbegriff wird hier noch weiterhin dadurch abgegrenzt, dass außerberufliche Handlungsfelder sowie Partizipation und Mitgestaltung als Erweiterung der Schlüsselqualifikation eingeführt werden.

In einer umfassenderen Definition werden Kompetenzen „als Fähigkeiten, Methoden, Wissen, Einstellungen und Werte“ verstanden, „deren Erwerb, Entwicklung und Ver- wendung sich auf die gesamte Lebenszeit eines Menschen bezieht. Sie sind an das Sub- jekt und seine Befähigung zu eigenverantwortlichem Handeln gebunden. Der Kompe- tenzbegriff umfasst Qualifikationen und nimmt in seinem Subjektbezug elementare bil- dungstheoretische Ziele und Inhalte auf.“92 Hierbei werden neben dem Subjektbezug die Eigenverantwortlichkeit und die lebenslange Dauer in den Mittelpunkt gestellt. Im Gegensatz zu Bunk, der Kompetenz von Qualifikation abzugrenzen versucht, integriert diese Definition Qualifikation.

Erweitern kann man das Verständnis von Kompetenz zudem dadurch, dass Kompetenz zwar die Summe von Fertigkeiten, Werten, Einstellungen usw. ist, aber diese psychisch aktualisiert werden müssen, um besonders in komplexen Situationen den Anforderungen gewachsen zu sein. Dadurch wird Kompetenz zwar wieder an konkreten, aber problem- behafteten und komplexen Situationen festgemacht, was vormalig bei den Qualifika- tionen kritisiert wurde, aber hier geht es um das Zusammenspiel von Performanz93 und Kompetenz. Als ein Indikator für hohe Kompetenz ist hohe Performanz anzusehen. Diese kann aber nur in komplexen Situationen betrachtet werden. So zeigt das Durch- sägen eines Stück Holzes wohl eher eine Fertigkeit, aber noch lange keine Kompetenz.94 Neben diesen Definitionen des Kompetenzbegriffs95 spricht man in beruflichen Zu- sammenhängen von der beruflichen Handlungskompetenz, die den Kompetenzbegriff dahingehend erweitert, dass es um das geht, was für die Arbeit als notwendig erscheint. Hierbei werden einzelne Kompetenzen verschiedenen Bereichen zugeordnet, die dann als Einheit die berufliche Handlungskompetenz bilden. Die Kultusminister benennen als Einzelkompetenzen zusammenfassend Fach-, Sozial-, und Personalkompetenz. Erstere meint die Fähigkeit sowie die Bereitschaft, Aufgaben sachgerecht und selbstständig und unter eigener Ergebnisbeurteilung zu bearbeiten. Sozialkompetenz meint die Fähigkeit und die Bereitschaft, in eine verantwortungsbewusste und solidarische Interaktion mit anderen Personen zu treten und mit ihnen zu arbeiten. Personalkompetenz96 meint

[...]


1 Beschäftigungsfähigkeit wird erhalten durch die kontinuierliche Entwicklung der beruflichen Hand- lungskompetenz, um sich an die wandelnden Anforderungen anzupassen (vgl. Dehnbostel 2004, S.18).

2 Vgl. Clement 2002, S. 7.

3 Vgl. Erpenbeck/Rosenstiel 2003, S. IX.

4 Vgl. Dehnbostel 2005, S. 1.

5 Vgl. Gillen 2005, S. 8.

6 Vgl. dazu Erpenbeck/Rosenstiel 2003.

7 Vgl. Overwien 2002, S. 17f.

8 Die von Gillen in ihrer Dissertation formulierten Desiderate waren die Grundlage für die Ent- scheidung, die Gütekriterien und die Kriterien der Qualitätssicherung zu untersuchen (vgl. Gillen 2005, S. 250f.).

9 Zur Beschreibung des Projektes siehe Kapitel 4.3.1.

10 Gillen 2005, S. 10.

11 Titscher 1998, S. 151ff.

12 Titscher 1998, S. 74ff.

13 Gemeint sind alle Lernprozesse im Betrieb, die auf die Menschen, Gruppen und die Organisation des Betriebes bezogen sind. Betriebliche Bildungsarbeit ist als Einheit von Personalentwicklung, Organisa- tionsentwicklung und Berufs- und Betriebspädagogik zu betrachten (vgl. Dehnbostel 2006, S. 17ff.). Auf betriebliche Bildungsarbeit wird weiter unten noch eingegangen.

14 Vgl. Bergmann 2002, S. 14.

15 Sloane 2000, S. 93.

16 Vgl. Frey 2000, S. 271f.

17 Vgl. Dehnbostel 2006, S. 16.

18 Sloane 2000, S. 95.

19 Vgl. Bergmann 2000, S. 12f.

20 Vgl. Gillen 2005, S. 36.

21 Vgl. Frieling 1999, S. 154.

22 Es geht hierbei darum, was der Einzelne wirklich macht. Also nicht wie in der institutionell-sektoralen Betrachtung nach dem Endprodukt des Unternehmens, sondern nach der Tätigkeit des Arbeiters. So hat ein Autohersteller durchaus einen großen Dienstleitungssektor, obwohl er nach der unter institutio- nell-sektoralen Gesichtspunkten zum Industriesektor gezählt werden würde.

23 Ambrosius, G. 2001, S. 59ff.

24 Vgl. Dehnbostel 2006, S. 16f.

25 Vgl. Kleinhenz 1998, S. 406; Frey 2000, S. 271f.; Sloane 2002, S. 93ff.

26 Vgl. Schlaffke 2000, S. 123f.

27 Vgl. Frey 2000, S. 272ff.

28 Wittwer/Reimer 2002, S. 171.

29 Vgl. Baethge/Baethge-Kinsky 1998, S. 461.

30 Vgl. Voß 1998, S. 473ff.

31 Vgl. Bergmann 2000, S. 17f. Voß prägt hierbei die Entwicklung vom „beruflichen Arbeitnehmer“ zum „Arbeitskraftunternehmer“ (vgl. Voß 1998, S. 477ff.).

32 Konsortium Bildungsberichterstattung 2006, S. 123.

33 Ebenda.

34 Vgl. Dehnbostel 2006, S. 18f.

35 Dehnbostel/Pätzold 2004, S. 23.

36 Vgl. Gillen 2005, S. 38.

37 In Bezug auf die Betriebsorganisation bedeutete das Spezialisierung, Dezentralisierung und Projekt- organisation als Gegenteil des Fachabteilungsprinzips. Bei der Arbeitsorganisation wurden beispiels- weise flexiblere Arbeitszeitregelungen oder stärkere Kundenorientierung eingeführt (vgl. Elsholz 2006, S. 63.).

38 Weiterbildung umfasst das gesamte Lernen im Erwachsenenalter außerhalb der Hochschulausbildung und kann in berufliche, allgemeine und politische Weiterbildung unterschieden werden. Mit der beruf- lichen Weiterbildung werden Fortbildungen, Umschulungen, aber auch das Lernen im Prozess der Arbeit subsumiert. Betriebliche Weiterbildung fasst nun alle arbeitsbezogenen Lernformen zusammen, solange sie vom Betrieb angeboten werden (vgl. KomNetz 2006, S.150.).

39 Vgl. Dehnbostel/Pätzold 2004, S. 23ff.

40 Konstruktivismus: Konstruktivistische Lerntheorien gehen nach J. Piaget davon aus, dass der Lernende nicht durch die bloße Präsentation oder das Vermitteln von Informationen gemäß der instruktionisti- schen Lerntheorie lernt, sondern auf der Basis dieser Informationen sich Wissensstrukturen selbst kon- struiert. Der Lernende interpretiert, versteht und konstruiert sich also Wissen, um über Reflexion eigenständig und selbstorganisiert zu lernen. Euler sieht dabei „Lernen nicht als Folge einer Außen- steuerung durch Reize [...] sondern von einer Innensteuerung durch ein selbstbestimmtes Subjekt“ (Eu- ler 2001, S. 360ff.) (vgl. auch Pekrun 2002, S. 68f.; Dubs 1999, S. 246ff.).

41 Vgl. Baethge/Schiersmann 1998, S. 23ff.

42 Vgl. Overwien 2002.

43 Vgl. Konsortium Bildungsberichterstattung 2006, S. 130.

44 Vgl. Molzberger 2004, S. 88f.

45 Vgl. Konsortium Bildungsberichterstattung 2006, S. 130ff.

46 Vgl. Vonken 2001, S. 514.

47 Vgl. Elsholz 2002, S. 35ff.

48 Vgl. Gillen 2005b, S. 39f.

49 Taylorismus: Geht auf den Amerikaner Frederick Taylor (1856-1915) zurück. Dieser stellte die Be- triebsführung und die Arbeitsorganisation auf eine wissenschaftliche Grundlage. Er wollte dabei ein Konzept erstellen, welches die Arbeitskraft des Menschen mit derjenigen der Maschine so kombinierte, dass Arbeitsleistung, Produktivität und Effizienz perfekt funktionieren sollten. Taylor übertrug dabei die Verantwortung auf Manager, nutzte wissenschaftliche Methoden zur Optimierung und legte die Arbeitsabläufe genauestens fest. Das Ganze wurde streng kontrolliert. Die Massen- produktion in Akkordarbeit ist bestimmend für Taylor (vgl. Hughes 1991, S. 193ff.).

50 Maschinen ersetzen nicht nur menschliche Fertigungsprozesse, zunehmend übernehmen computer- gestützte Technologien auch die Kontrolle dieser Prozesse (vgl. Meyer 2003, S. 37ff.).

51 Vgl. Elsholz 2006, S. 60ff.

52 Vgl. Bunk 1994, S. 9f.

53 Ebenda, S. 9.

54 Vgl. Fröhlich 1998, S. 443

55 Boehm et al. 1976, S. 105.

56 Vgl. Ebenda, S. 103ff.

57 Vgl. Fröhlich 1998, S. 167.

58 Vgl. Boehm et al. 1976. S. 106ff.

59 Vgl. Ebenda. S. 202.

60 Vgl. Dahrendorf 1956, S. 549ff.

61 Vgl. Boehm et al. 1976, S. 102f.

62 Vgl. Bunk 1994, S. 9.

63 Vgl. Deutscher Bildungsrat 1970, S. 51.

64 Vgl. Beck 1995, S. 11.

65 Vgl. Wilsdorf 1991, S. 38f.

66 Groppe 2006, S. 47.

67 Humboldt 1792/1960, S. 64.

68 Vgl. Groppe 2006, S. 47.

69 Vgl. Wilsdorf 1991, S. 38f.

70 Vgl. Vonken 2001, S. 510ff.

71 Vgl. Beck 1995 S. 11f.

72 Vgl. Wilsdorf 1991, S. 43ff.

73 Vgl. Lichtenberger 1999. S. 291ff.

74 Mertens 1974, S. 36.

75 Ebenda. S. 40f.

76 Vgl. Wilsdorf 1991, S. 52ff.

77 Vgl. Mertens 1974, S. 43.

78 Vgl. Beck 1995, S. 12ff.

79 Vgl. Knauf 2003, S. 12ff.

80 Vgl. Deutscher Bildungsrat 1974, S. 65.

81 Vgl. Dehnbostel 2001, S. 76ff.

82 Der Bildungsminister gab im Projekt „Kompetenzentwicklung“ den Auftrag, den aktuellen Stand der Weiterbildungsforschung zusammenzutragen (vgl. Bolder 2002, S. 661f.).

83 Vgl. Baethge/Baethge-Kinsky et al. 2003, S. 9ff.

84 Vgl. Gillen 2005, S. 56f.

85 Vgl. Staudt/Kriegesmann 1999, S. 17ff.

86 Vgl. Dehnbostel 2001, S. 76.

87 Vgl. Vonken 2001, S. 512ff.

88 Vgl. Münk 2002, S. 216ff

89 Elsholz 2006. S. 65.

90 Vgl. Ebenda.

91 Bunk 1994, S. 10.

92 KomNetz 2006, S. 78.

93 Chomsky unterscheidet in der strukturalistischen Linguistik zwischen Performanz und Kompetenz und meint damit, dass Kompetenzen als subjektive Variablen nicht vollständig erfassbar sind und man nur über die von außen erkennbare Performanz auf sie schließen könne (vgl. Chomsky 1972).

94 Vgl. Franke 2005, S. 32ff.

95 Die Auswahl von verschiedenen Bestimmungen ist unübersehbar groß. Einen Katalog bietet Arnold 1997b. Zur Geschichte des Kompetenzbegriffes vgl. auch Wellek 1976, S. 918ff.

96 Sie wird in der Literatur auch als Humankompetenz bezeichnet. Da aus Sicht des Autors aber nur geringe nuancierte Unterschiede zwischen den Begriffen bestehen, sollen sie im weiteren Arbeiten synonym verwandt werden.

Fin de l'extrait de 109 pages

Résumé des informations

Titre
Bewertung von Kompetenzanalyseverfahren unter Zugrundelegung der Kriterien der Qualitätssicherung und der Gütekriterien der empirischen Sozialforschung
Université
Helmut Schmidt University - University of the Federal Armed Forces Hamburg
Note
1,5
Auteur
Année
2007
Pages
109
N° de catalogue
V87496
ISBN (ebook)
9783638022521
ISBN (Livre)
9783638923712
Taille d'un fichier
1325 KB
Langue
allemand
Mots clés
Bewertung, Kompetenzanalyseverfahren, Zugrundelegung, Kriterien, Qualitätssicherung, Gütekriterien, Sozialforschung
Citation du texte
Stefan Kuhles (Auteur), 2007, Bewertung von Kompetenzanalyseverfahren unter Zugrundelegung der Kriterien der Qualitätssicherung und der Gütekriterien der empirischen Sozialforschung, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/87496

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