Identitätdiskurs in der Moderne - Identitätssuche mit Computerspielen


Hausarbeit (Hauptseminar), 2006

25 Seiten, Note: 1,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

0. Vorwort – Auseinandersetzung mit der Identität

1. Einführung in die Identitätsproblematik von Computerspielen

2. Reale Welt versus virtuelle Welt

3. Allgemeine Beschaffenheit von Computerspielen
3.1. Erster Blickkontakt
3.2. Wesen der Computerspiele

4. Die unterschiedlichen Dispositionen von Computerspielen
4.1. Denkspiele
4.2. Actionspiele
4.3. Spielgeschichten

5. Gründe für die Zuwendung zu Computerspielen

6. Wirkung von Computerspielen
6.1. Transferprozesse beim Computerspiel
6.1.1. Mögliche Formen des Transfers
6.1.2. Spielfigur als Marionette
6.2. Analysebeispiel des Computerspiels „Legacy of Time“
6.2.1. Warum es geht
6.2.2. Äußere Merkmale des Spiels
6.2.3. Spielqualität
6.2.4. Wirkung des Spiels

7. Schlussgedanken

8. Anhang

9. Literaturnachweis

0. Vorwort - Auseinandersetzung mit der Identität

Durch Edmund Runggaldier wird die Frage aufgestellt, ob es überhaupt möglich ist, dass es Identität durch die Zeit ( diachrone Identität ) gibt. Wäre es zum Beispiel sinnvoll anzunehmen, dass das auf dem Foto abgebildete Baby derselbe Mensch ist der er heute ist? Feststellbar ist, dass die Unterschiede enorm sind. Wie soll mit Menschen umgegangen werden, die ihren Charakter, ihre Überzeugungen und Einstellungen im Laufe der Zeit verändert haben durch die Einwirkung einer Sekte oder einer fremden Kultur zum Beispiel? Ist es noch möglich zu behaupten, dass diese Personen noch dieselben sind?[1]

Wie schwierig es ist sich mit dem Begriff der Identität auseinanderzusetzen wird schon anhand dieser kurzen Aussage ersichtlich. Aus diesem Grund möchte ich zuerst eine Definition zum Identitätsbegriff anführen. Das lateinische Demonstrativpronomen „indem“ liegt dem benutzten Begriff „Identität“ zugrunde. Dieses bedeutet soviel wie „eben der“ oder „ein und derselbe“. Der Gesellschaft ist es mit Hilfe des Begriffs „Identität“ möglich, die Unterscheidung von Personen über die aktuelle Wahrnehmung hinaus vorzunehmen und diese Person in einem Zeitkontinuum von der Vergangenheit bis in die Zukunft hinein zu verankern.[2] Aber auch mit dieser Aussage stößt man auf Widersprüchlichkeiten in Bezug zu der oben angeführten Aussage.

Nach Anthony Giddens ist die Identität die Narration des Selbst über sich. Wobei die Narration als ein fortlaufender Prozess der reflexiven Deutung des Selbst verstanden werden muss. Solche Überlegungen sind gewiss nicht neu. Ihre spezifische Bedeutungsdimension haben sie jedoch erst in der Spät – bzw. Postmoderne entfaltet. Die reflexiven Anstrengungen des oder der Einzelnen bei der Identitätsartikulation haben mit der Ausdifferenzierung verschiedener Lebensstile und –formen beziehungsweise der damit verbundenen Entstandardisierung von Lebensläufen zugenommen.[3]

Zwar ist der Ausdruck „Postmodern“ erstmals schon vor einhundert Jahren begegnet, jedoch ist er zum Leitbegriff einer Debatte erst 1959/ 60 in den USA geworden. Ihren Ausgang nahm dort die weltweite Debatte um Moderne und Postmoderne.[4]

Mit dem Begriff Moderne wird ein Umbruch in allen Bereichen des individuellen, gesellschaftlichen und politischen Lebens gegenüber den Traditionen bezeichnet. Zeitlich wird heute dieser Terminus überwiegend mit den Entwicklungen des 18. und 19. Jahrhunderts in Verbindung gebracht. Für den Begriff der Moderne ist die Ersetzung der Traditionen durch neue „Versprechen“ charakteristisch.[5] Demgegenüber steht in der Postmoderne nicht die Innovation im Mittelpunkt des Interesses, sondern der Schwerpunkt liegt in einer Rekombination oder einer neuen Anwendung vorhandener Ideen. In der Postmoderne steht nicht das Fortschrittsziel im Mittelpunkt, sondern die Welt wird vielmehr als pluralistisch, zufällig und chaotisch angesehen. Die menschliche Identität gilt als instabil und durch viele, teils disparate, kulturelle Faktoren geprägt.[6]

Wolfgang Welsch äußert sich zur Postmoderne so, dass sie nicht die Verabschiedung der Moderne bedeute, sondern deren radikale Befragung bedeutet. Demnach ist die Postmoderne nicht durch einen Bruch mit der Moderne getrennt, sondern durch spezifische Verflechtungen mit ihr verbunden.[7]

Gegen die Uniformierungsdynamik der Moderne zielt die eigentliche Stoßrichtung der Postmoderne. Durch globale Konzepte einheitlicher Rationalität und vereinheitlichender Rationalisierung war die Moderne gekennzeichnet. Die realisierte Moderne zeigte wegen dieser Uniformierungstendenz katastrophale Züge. Die Aufgabe der Postmoderne ist es gegen diese Uniformierungsprozesse entgegenzutreten. Die Postmoderne versucht die Potentiale der Moderne nicht zu vereinheitlichen sondern diversifiziert zu nützen.[8] Demnach bildet ein entschiedener Pluralismus den Kern der postmodernen Tendenzen. Die Pluralität der Lebensformen ist grundlegend für die postmoderne Gestaltung, denn heute gehören inter- wie intrakulturelle Pluralität zur Alltagserfahrung. Dennoch sind diese durch gigantische Uniformierungsprozesse, insbesondere von neuen Technologien bedroht. Eine Alternative wäre die Betonung von lokalen beziehungsweise nationalen Identitäten sowie die Erzeugung von neuen hybriden Identitäten ergänzend zu den bestehenden Identitäten.[9]

In der heutigen Zeit geschieht die Artikulation von Identität zunehmend mittels medial vermittelter Ressourcen, dass heißt zum Beispiel durch Selbstidentifikation anhand von medienvermittelten Symbolen oder die Durchdringung des Alltages mittels medialer Muster und Themen. Demzufolge kann gesagt werden, dass Medien und Identität in der heutigen Zeit kaum voneinander zu trennen sind. Deswegen kann behauptet werden, dass es sich bei den gegenwärtigen Identitäten um Medienidentitäten handelt.[10] Zum Beispiel sind die in den virtuellen Welten stattfindenden textbasierten Rollenspiele dazu geeignet, unterschiedliche, zum Teil auch gegenläufige Identitätsentwürfe in konkreten Kommunikationsprozessen mit Partnern zu testen. Dennoch scheint es keine gravierenden Probleme zu geben, dass Unklarheit über den wahren Charakter der Mitspieler besteht. Vielmehr besteht die Bereitschaft, dass Selbstbild des anderen als etwas „Erfundenes“ zu akzeptieren durch die Virtualisierung des eigenen Ichs.[11] Trotzdem bleibt die „Einheit“ als zentraler Leitwert der Interaktionen bestehen. Demnach geht es nicht um die Auflösung von Differenzen, um das genüssliche Verharren im Unentschiedenen und Diffusen oder um geschlechtliche Eigenschaftslosigkeit. Vielmehr besteht die Aufgabe darin, sich für Identitätsindikatoren zu entscheiden und diese Entscheidung durch Kommunikationsakte, welche miteinander kompatibel sind, zu bekräftigen.[12]

Das Authentizitätserleben wird durch die medialen Räume gesichert, indem der Körper in die Strukturen eingebunden wird. Trotzdem möchte ich mich in meiner Arbeit der Frage widmen, ob es möglich wird durch die klaren Strukturen und die körperliche Vernetzung ohne Identitätsverlust mit den Grenzen zu spielen.

1. Einführung in die Identitätsproblematik von Computerspielen

Computer- und Videospiele sind zu einem festen Bestandteil der Lebenswelt der Menschheit geworden. Bereits jeder hat sie kennen gelernt und damit Zugangsmöglichkeiten zur virtuellen Welt erlangt. Der Prozess, der mit der Veränderung der Struktur von Identität einhergeht, wird durch die mediale Welt verstärkt und beschleunigt. Der Rezipient kann aus den Bildern, Tönen, Texten der medialen Welt auswählen und zusammenstellen, was zu den eigenen Identitätsentwürfen passen könnte. Die Stilelemente der Identitätsbildung arbeiten jenseits geschlossener und uniformierter Sinnsysteme mit der heutigen Sinnpluralität, Sinn – Vervielfältigung und Sinn – Beliebigkeit. Des Weiteren sind sie nicht mehr umfassend oder multifunktional sondern nur noch begrenzt verpflichtend. Stattdessen sind sie nur noch lose miteinander verknüpft, relativ beliebig zusammenstellbar, offener und beweglicher und können stets modifiziert werden.[13]

Jedoch gibt es aber nach wie vor die Realität jenseits der Wunsch- und Traummaschine. Die Möglichkeit, an und mittels dieser Maschine phantastische und beherrschbare Arrangements zu entwerfen, kontrastiert zu der unüberschaubar gewordenen, bedrohlichen und verstörenden Realität jenseits der Maschine. Zwar werden den Spielern neue Räume zur Entfaltung ihrer Träume und Phantasien angeboten, aber es sind begrenzte Räume. Die präsentierten Szenarien in den Computerspielen sind vorgedachte Szenarien. Hans Dieter Kübler meint, dass die Medienindustrie dazu tendiert, Spielern perfekte Ideale aufzudrängen oder sie in vollständig arrangierte Szenarien zu zwängen.[14]

Schließlich wird die virtuelle Welt zum Erfahrungsraum und zum sozialen Kontext für das Aushandeln von Identitätsentwürfen. Demzufolge tritt an die Stelle von Narrationen über die reale und mediale Welt die Unmittelbarkeit „virtuellen Lebens“ als die Grundlage einer „virtuellen Identität“.

Der Spieler hat beim Computerspiel im Unterschied zur medialen Welt die Möglichkeit, das Geschehen auf dem Bildschirm zu beeinflussen, wenn er sich in das Geschehene handelnd einbezieht. Die virtuelle Welt des Computerprogramms kann sich erst in den Strukturvorgaben entfalten, indem der Spieler seine Aufmerksamkeit auf den Bildschirm lenkt und etwas tut. Er kann durch handlungssensible Bildelemente seinen Einfluss auf das Spiel geltend machen. Somit erlebt sich der Spieler als Handelnder in einer virtuellen Welt. Durch die Computerspiele werden vielfältige Spielräume angeboten, in denen sich auf unterschiedlichen Ebenen und zu unterschiedlichen Thematiken die Frage nach Macht, Herrschaft und Kontrolle stellt. Im Prinzip versucht der Spieler die virtuelle Welt in den Griff zu bekommen, indem er Macht ausübt, um letztendlich weiter existieren zu können.[15]

Um die Problematik der realen und der virtuellen Welt aufzufassen, werde ich mich stärker mit dieser Thematik im folgenden Abschnitt auseinandersetzen. In weiteren Abschnitten erscheint es mir wichtig, näher auf die Fazinationskraft von Computerspielen, beziehungsweise welche Wirkung von den Computerspielen ausgeht, einzugehen.

2. Reale Welt versus virtuelle Welt

Der Mensch, der eingebettet in der realen Welt lebt, verfügt über weitere Welten. Diese Welten sind eng mit der Realität verwoben und helfen dem Gesamtkomplex der Lebenswelt des Menschen zu erweitern. Es handelt sich dabei um die Traumwelt, die mentale Welt, die Spielwelt, die mediale Welt und schließlich um die virtuelle Welt. Da sich das Thema dieser Arbeit auf Computerspiele bezieht, ersehe ich es als wichtig an, einen kurzen Überblick zur realen Welt und der virtuellen Welt abzugeben, um zu einem näheren Verständnis zu gelangen.

Wenn eine Wahrnehmung der Außenwelt zugeordnet werden kann und wenn sie dann auch noch den Status „Realität“ vertritt, dann wird von „realer Welt“ oder „Realität“ gesprochen. Ebenso erleben Menschen ihre Welt als real, wenn ihr Körperempfinden Schmerzen signalisiert. Wie jede andere Welt auch, ist die reale Welt eine Konstruktionsleistung des menschlichen Gehirns, das diese Welt durch spezifische Ordnung der Reizeindrücke hervorbringt. Trotzdem unterscheidet sich die reale Welt in ihrer Bedeutung für das Überleben des Menschen von anderen Welten. Denn eine „wirkliche“ Gefahr in der realen Welt wird für den Menschen als wesentlich bedrohlicher angesehen, als eine Gefahr die von der virtuellen Welt oder zum Beispiel der mediale Welt ( Film, Fernsehen ) ausgeht.[16]

[...]


[1] Vgl. Runggaldier, Edmund: „Identität durch die Zeit und sortale Kontinuität“, in: Laarmann, Matthias/ Trappe,

Tobias ( Hrsg.): Erfahrung – Geschichte – Identität. Zum Schnittpunkt von Philosophie und Theologie,

Freiburg ( Herder ) 1997, S. 344.

[2] Vgl. Fritz, Jürgen/ Fehr, Wolfgang: „ Identitätsangebote von Computerspielen“, in: Bundeszentrale für

politische Bildung ( Hrsg. ): Computerspiele auf dem Prüfstand, Bonn ( Bundeszentrale für politische

Bildung ) 1999, Staffel 11 ( 84 – 93 ).

[3] Vgl. Hepp, Andreas/ Thomas, Tanja / Winter, Carsten: „Medienidentitäten. Eine Einführung zu den

Diskussionen“, in: Winter, Carsten ( Hrsg. ): Medienindentitäten. Identität im Kontext von Globalisierung und

Medienkultur, Köln ( Halem ) 2003, S. 10.

[4] Vgl. Welsch, Wolfgang: Ästhetisches Denken, Stuttgart ( Reclam ) 1990, S. 202.

[5] Vgl. http://de.wikipedia.org/wiki / Moderne

[6] Vgl. http://de.wikipedia.org/wiki / Postmoderne

[7] Vgl. Welsch, Wolfgang: Ästhetisches Denken, Stuttgart ( Reclam ) 1990, S. 79.

[8] Vgl. ebenda , S. 214.

[9] Vgl. ebenda, S. 203 – 206.

[10] Vgl. Hepp, Andreas/ Tanja Thomas/ Carsten Winter: „Medienidentitäten. Eine Einführung zu den

Diskussionen“, in: Winter, Carsten ( Hrsg. ): Medienidentitäten. Identität im Kontext von Globalisierung und

Medienkultur, Köln ( Halem ) 2003, S. 17 – 18.

[11] Vgl. Ellrich, Lutz: „Identitätskonzepte der neuen digitalen Elite“, in Winter, Carsten ( Hrsg. ):

Medienidentitäten. Identität im Kontext von Globalisierung und Medienkultur, Köln ( Halem ) 2003, S. 300.

[12] Vgl. Funken, Christiane: „Digitale Identitäten“, in: Winter; Carsten ( Hrsg. ): Medienidentitäten. Identität im

Kontext von Globalisierung und Medienkultur, Köln ( Halem ) 2003, S. 292.

[13] Vgl. Fritz, Jürgen/ Fehr, Wolfgang: „Identitätsangebote von Computerspielen“, in: Bundeszentrale für

politische Bildung ( Hrsg. ): Computerspiele auf dem Prüfstand, Bonn ( Bundeszentrale für politische

Bildung ) 1999, Staffel 11 ( 84 – 93 ).

[14] Vgl. Schachtner, Christina: „Neue Medien im Kontext lebensweltlicher Umbrüche. Ansprüche an die

Medienerziehung“, in: Dichanz, Horst ( Hrsg. ): Medienerziehung im Jahre 2010. Probleme, Perspektiven,

Szenarien, Gütersloh ( Bertelsmann Stiftung ) 1997, S. 142 – 143.

[15] Vgl. Fritz, Jürgen/ Fehr, Wolfgang: „Identitätsangebote von Computerspielen“, in: Bundeszentrale für

politische Bildung ( Hrsg. ): Computerspiele auf dem Prüfstand, Bonn ( Bundeszentrale für politische

Bildung ) 1999, Staffel 11 ( 84 – 93 ).

[16] Vgl. Fritz, Jürgen: „Lebenswelt und Wirklichkeit“, in: Fritz, Jürgen/ Fehr, Wolfgang ( Hrsg. ): Handbuch

Medien. Computerspiele, Bonn ( Bundeszentrale für politische Bildung ) 1997, S. 15 – 16.

Ende der Leseprobe aus 25 Seiten

Details

Titel
Identitätdiskurs in der Moderne - Identitätssuche mit Computerspielen
Hochschule
Technische Universität Dresden  (Institut für Kunst- und Musikwissenschaften)
Note
1,0
Autor
Jahr
2006
Seiten
25
Katalognummer
V87531
ISBN (eBook)
9783638065894
Dateigröße
895 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Identitätdiskurs, Moderne, Identitätssuche, Computerspielen
Arbeit zitieren
Anja Pöche (Autor:in), 2006, Identitätdiskurs in der Moderne - Identitätssuche mit Computerspielen, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/87531

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