Zu jeder Zeit sind Regierende Gegenstand der allgemeinen Betrachtung. Als öffentliche Menschen müssen sie sich nicht nur persönlich, sondern muss sich auch deren Personbilder den Interessen sowohl ihrer Zeitgenossen, als auch denen der Nachwelt aussetzen. Herrscher sind nicht nur ein Abbild einer Zeit oder Epoche, sondern fassen diese weiterhin in einem Leitbild und Ideal zusammen . Diesem Leitbild kommt die Literatur entgegen: in der literarischen Fiktion wird das Abbild mittels Projektion auf Grundlage politisch-ideologischer Aktualisierungen immer wieder aufs Neue bearbeitet. Hierbei eröffnen sich Möglichkeiten den Helden in einer didaktisch orientierten Fiktion, aktuelle gesellschaftliche Ideen und Programme durchspielen zu lassen.
Keine Herrscherfigur hat sich im Mittelalter so sehr in seiner Eignung zum fiktiv Herrschenden bewährt, wie die des König Artus. Die Dichtungen des 6./7. Jahrhunderts aus Großbritannien inspirierten, besonders seit der Historia Regum Britanniae (Geschichte der Könige Britanniens) des Geoffrey of Monmouths (um 1135), zahlreiche französische Dichter . Daraufhin belebte die französisch-englische Artusepik vom 12. bis zum 14. Jahrhunderts die volkssprachlichen Literaten in fast ganz Europa . Êrec gilt als erster Artusroman in deutscher Sprache (1185) und ist eine freie Übertragung des altfranzösischen Romans Erec et Enide von Chrétien de Troyes. Dieses Werk beschreibt den Individuationsweges des Helden Êrec, ein Zögling des Artushofes. Gesellschaftlicher Aufstieg und darauf folgender Fall lassen ihn zu dessen Bewährung auf âventiuren reiten, die ihn schließlich zusammen mit seiner Frau Ênîte, am Ende des Romans, zu einem idealen Herrscherpaar haben reifen lassen.
Inhaltsverzeichnis
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EINE THEMATISCHE EINFÜHRUNG
- Der Artusmythos
- Die Herrschaft um 1200
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DER RITTERLICHE HERRSCHER
- Der Dienstgedanke
- Das höfische Freudegebot
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DIE JOIE DE LA CURT-EPISODE: ERHÖHUNG ZUM IDEALEN HERRSCHER
- Die Empathiefähigkeit des Helden
- Die Erhöhung durch Empathie
- Der Sælden wec in göttlicher Demut
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Arbeit untersucht das Idealbild des Herrschers in Hartmanns von Aue "Erec" und analysiert, wie sich die Figur Êrecs im Laufe des Romans zu einem vorbildlichen Herrscher entwickelt. Die Arbeit beleuchtet dabei die Rolle des Artusmythos, die gesellschaftlichen Bedingungen des Hochmittelalters und die Bedeutung des ritterlichen Dienstgedankens für die Konstruktion des idealen Herrschers.
- Die Rolle des Artusmythos und seine Aktualisierung in Hartmanns "Erec"
- Das Bild des ritterlichen Herrschers im Hochmittelalter und dessen Eigenschaften
- Die Bedeutung des höfischen Lebens und der âventiuren für die Bildung des idealen Herrschers
- Die „joie de la curt"-Episode und ihre Bedeutung für die Entwicklung Êrecs
- Die Verbindung von Empathie und göttlicher Demut als Kennzeichen des idealen Herrschers
Zusammenfassung der Kapitel
Das erste Kapitel widmet sich dem Artusmythos und seiner Bedeutung für die Konstruktion des idealen Herrschers. Es werden die historischen Wurzeln des Mythos sowie die Veränderungen in der Darstellung Artus' im Laufe des Mittelalters beleuchtet. Das Kapitel beleuchtet auch die gesellschaftliche Situation des 12. Jahrhunderts, in der Hartmanns "Erec" entstand.
Das zweite Kapitel beschäftigt sich mit dem Bild des ritterlichen Herrschers im Hochmittelalter. Es werden die wichtigsten Eigenschaften eines ritterlichen Herrschers, wie zum Beispiel der Dienstgedanke, das höfische Freudegebot und die Verzahnung mit der Gesellschaft des Hofes, vorgestellt.
Das dritte Kapitel konzentriert sich auf die „joie de la curt"-Episode in Hartmanns "Erec". Diese Episode wird als Schlüsselmoment für die Entwicklung Êrecs zum idealen Herrscher dargestellt. Das Kapitel zeigt, wie Êrec durch Empathie und göttliche Demut zur Krone gelangt.
Schlüsselwörter
Die vorliegende Arbeit behandelt die Themen Artusmythos, ritterliches Herrschertum, höfische Kultur, Empathie, göttliche Demut, Individuation, "joie de la curt" und "Erec" von Hartmann von Aue. Im Mittelpunkt stehen die idealen Eigenschaften eines Herrschers und deren Entwicklung im Laufe des Romans.
- Quote paper
- Linda Raible (Author), 2008, Der ideale Herrscher in Hartmanns von Aue "Êrec", Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/87638