Verfassungsrechtliche Fragen zum Lottostaatsvertrag

Glücksspielmonopol der BRD


Hausarbeit, 2007

15 Seiten, Note: 1,7


Leseprobe


Inhalt

1. Einleitung

2. Aktueller Stand

3. Verfassungsrechtliche Fragen
3.1 Berufsfreiheit, Art. 12 Abs. 1 GG
3.2 Recht auf Eigentum, Art. 14 GG
3.3 Gesetzgebungskompetenz, Art. 74 Abs. 1 Nr. 11 GG

4. EuGH-Urteil „Gambelli“, 2003

5. Conclusio

1. Einleitung

Der Glückspielmarkt ist ein hoch lukratives, wenn auch recht irrationales Gebilde: Weniger als die Hälfte der Einnahmen werden als Gewinn verteilt und die Wahrscheinlichkeit, den „Jackpot zu knacken“ ist verschwindend gering.

Der Gesamtumsatz des deutschen Glückspielmarkts 2005 betrug 30,5 Milliarden Euro, wobei sich 27% auf den Deutschen Lotto- und Toto-Block (DLTB), 31% auf Spielbanken, 18% auf Geldspielautomaten und 10% auf Sportwetten verteilen. Onlinekasinos, Klassenlotterien, TV-Lotterien und Pferdewetten bewegen sich im einstelligen Prozentbereich1 (zum Vergleich: der britische Markt weist mit einem Wettvolumen von 70 Milliarden Euro den doppelten Betrag auf).

Die Länder organisieren und verwalten im DLTB auf Grundlage des Lottostaatsver- trages (LottoStV) den Lotto- und Totobetrieb. Dabei treffen sie meist als 100%- Töchter der Finanzministerien Gebietsabsprachen (regionale Monopole) und sorgen für unterschiedliche Preise in den Ländern (Preisabsprachen). Diese Absprachen betreffen den Verbraucher in vollem Maße, da er nicht da spielen kann, wo er möch- te, sondern in dem Bundesland spielen muss, in dem er wohnt. 23% der Einnahmen werden vom Fiskus zweckgebunden vereinnahmt, wobei dieser Betrag vom Staat wieder für gesetzlich festgelegte Zwecke ausgegeben werden muss, wie z. B. Sport- förderung, Kunstankäufe, Umwelt- oder Jugendprojekte. Weitere 16,7% gehen als Lotteriesteuer in den allgemeinen Länderetat, was den Finanzministern der Länder zwischen den Jahren 1955 und 2005 ca. 20,5 Milliarden Euro eingebracht hat.

2. Aktueller Stand

Die Länder besitzen über ihre jeweiligen Landesgesellschaften ein Lotteriemonopol, das heißt, dass nur sie zur Veranstaltung von Lotterien und Vermittlung von Einsät- zen (z. B. 6aus49) sowie Wetten (ODDSET) befugt sind. Diese Regelung ergibt sich aus dem am 1. Juli 2004 in Kraft getretenen Staatsvertrag zum Lotteriewesen in Deutschland (Lottostaatsvertrag, LottoStV), der den Ländern Veranstaltung, Verwal- tung, gewerbliche Vermittlung von Glücksspielen mit Ausnahme von Spielbanken zuweist. Sinn und Zweck dieses Monopols ist die Kanalisierung der Spiel- und Wett- sucht. Aber auch der Jugendschutz und der Schutz vor betrügerischen Machenschaf- ten und vor irreführender Werbung sind Nebenzwecke des staatlichen Monopols. Daneben wurde im Staatsvertrag festgelegt, dass ein Teilbetrag vom Staat wieder für gesetzlich festgelegte Zwecke ausgegeben werden muss, wie z. B. Sportförderung, Kunstankäufe, Umwelt- oder Jugendprojekte. Es darf ausdrücklich nicht sein, dass der Hauptzweck die Erzielung von Einnahmen für den Staat ist (sog. fiskalpolitische Interessen).2

Die operative Durchführung erfolgt über konzessionierte Lottoannahmestellen (ca. 25.000 - 27.000) unter der Kontrolle der regionalen Lottogesellschaften. Jegliche weitergehende Veranstaltung ist verboten. Das Bundesrecht stellt unerlaubtes öffent- liches Glücksspiel in § 284 Strafgesetzbuch (StGB) unter Strafe. Nach dessen Abs. 1 wird mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft, wer "ohne behördliche Erlaubnis öffentlich ein Glücksspiel veranstaltet oder hält oder die Ein- richtungen hierzu bereitstellt". Mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstra- fe wird nach § 284 Abs. 4 StGB außerdem bestraft, wer für ein öffentliches Glücks- spiel wirbt. Außer für Wetten bei öffentlichen Leistungsprüfungen für Pferde, die nach dem Rennwett- und Lotteriegesetz in der Fassung des Dritten Gesetzes zur Ände- rung der Gewerbeordnung und sonstiger gewerberechtlicher Vorschriften3 erlaubt werden können, kennt das Bundesrecht keine weiteren Tatbestände, aufgrund derer eine die Strafbarkeit nach § 284 Abs. 1 StGB ausschließende Erlaubnis erteilt wer- den kann.

Aufgrund dieser Vorschrift wurde der Inhaberin eines Wettbüros für Pferdewetten in München die Erweiterung ihres, nach dem Rennwett- und Lotteriegesetz konzessio- nierten, Wettbüros auf die Vermittlung von Sportwetten an Wettunternehmen im EU- Ausland durch die Stadt München versagt. Die Beschwerdeführerin erhob daraufhin eine Klage vor dem Verwaltungsgericht gegen die Stadt. Das Gericht sollte die Fest- stellung einer Erlaubnisfreiheit für den Betrieb eines Sportwettbüros, alternativ: der Vermittlung ins EU-Ausland, treffen. Die Verwaltungsgerichte versagten der Be- schwerdeführerin mit Verweis auf § 284 StGB die Erteilung der Genehmigung.

Die Beschwerdeführerin sah sich in ihren Rechten nach Art. 12 Abs. 1 Grundgesetz4 verletzt und zog vor das Bundesverfassungsgericht. Das Bundesverfassungsgericht kam zu dem Urteil, dass ein staatliches Monopol für Sportwetten mit der Verfassung unvereinbar ist, wenn es nicht konsequent an der Einschränkung des Spielsuchtpo- tenzials ausgerichtet ist und die aktive Suchtbekämpfung nicht stärker in den Mittel- punkt gebracht wird. Gleichzeitig legte es den Ländern die Pflicht auf, den Lotto- und Glücksspielstaatsvertrag5 bis zum 31.12.2007 unter den Gesichtspunkten dieser Ent- scheidung neu zu regeln.6

Die suchthemmende bzw. eindämmende und kanalisierende Wirksamkeit des staatli- chen Monopols wurde offen angezweifelt. Derzeit bemühen sich die Länder um einen neuen Staatsvertrag, der weiterhin ein staatliches Monopol vorsieht. Um den Anfor- derungen des Urteils gerecht zu werden, müssen staatliche Einrichtungen z. B. ein Monitoring-System zur Beobachtung von Trends in der Spielsuchtgefährdung und zur Maßnahmenkontrolle einrichten. Zusätzlich müssen Beratungs- und Informationsan- gebote per Internet, eine bundesweite telefonische Beratungs-Hotline, schriftliche Informationsmaterialien bereitgestellt und eine massenmediale Kampagne zur Ver- mittlung spielsuchtpräventiver Botschaften an die Bevölkerung bzw. spezifischer Zielgruppen durchgeführt werden.

Aufgrund der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zog der DLTB zahlrei- che Werbekampagnen vom Markt, verzichtete auf die Internetvermittlung und ver- größerte namentlich die Hinweise zum Jugendschutz und der Suchtprävention. Die Verträge mit gewerblichen Vermittlern wurden gekündigt und der Anteilskauf von ge- werblichen Vermittlern an der Lottogesellschaft Lotto Rheinland-Pfalz GmbH verhin- dert. Das Bundeskartellamt und der 1. Kartellsenat des Oberlandesgerichts7 Düssel- dorf stellten noch einmal klar, dass Spielscheine, die von privaten Spielevermittlern eingereicht werden, auch abgenommen werden müssen, und dass Gebietsabspra- chen rechtswidrig sind. Daneben hat das OLG Düsseldorf festgestellt, dass § 5 Abs. 3 des Lotteriestaatsvertrages und darauf aufbauende Vorschriften des Landesrechts als Verstoß gegen den EG-Vertrag außer Anwendung setzt und den staatlichen Lot- togesellschaften die Befolgung dieser Bestimmungen verbietet. Auch das hat Rück- wirkungen auf den Glücksspielstaatsvertrag, der damit schon jetzt als gemein- schaftskartellrechtswidrig anzusehen ist. Zudem hat das OLG mit seinem Urteil dem DLTB bestätigt, dass die Länder dem Kartellrecht unterliegen - sie hatten bis zuletzt beharrlich eine kartellrechtsfreie Zone für sich reklamiert.8 Auch wenn das Bundes- verfassungsgericht über die Rechtsbeschwerde der Länder schon geurteilt hat, dürfte der Blick von Ländern und Gewerbetreibenden auf Brüssel gerichtet sein.

Wie EU-Kommissar Günter Verheugen im März in einem Brief an das Bundesau- ßenministerium und das Bundeswirtschaftsministerium mitteilen ließ, steht er dem geplanten Online-Glücksspiel- und Werbeverbot unter dem Gesichtspunkt der Ver- hältnismäßigkeit und Wirksamkeit kritisch gegenüber. Er bemerkt weiterhin, dass der Entwurf auf Lotto und Sportwetten beschränkt sei und potenziell suchtgefährdendere Glücksspiele wie Glücksspielautomaten davon ausgenommen blieben.9 Er spricht damit einen empfindlichen Punkt an, denn seit dem 1. Januar 2006 ist eine novellier- te Spieleverordnung10 in Kraft, die die Dauer zwischen zwei Spielen an Geldspielau- tomaten halbiert (§13 Abs. 1 Nr. 2 SpielV) und so in einer höheren Frequenz spielen lässt. Die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BzgA) geht davon aus, dass 80% aller pathologischen Spieler Automatenspieler sind. Unbestreitbares und wesentliches Merkmal von Sucht ist die hohe Frequenz sowie die schnelle Wiederho- lungsabsicht - und gerade die hohe Frequenz und die Möglichkeit zur Wiederholung fehlen bei Lotto.

[...]


1 SES Research, zitiert nach Financial Times Deutschland vom 30.07.2006 3

2 Bundesverfassungsgericht 115, 307

3 vom 24. August 2002 (BGBl I S. 3412, 3420)

4 Gesetzesangaben ohne nähere Bezeichnung sind solche des Grundgesetzes, GG

5 GlüStV bzw. LStV

6 Urteil vom 28.03.2006 - Az.: 1 BvR 1054/01

7 im Folgenden: OLG

8 1. Kartellsenat, Beschluss vom 08.06.2007 - VI - Kart 15/06 (V)

9 DIE WELT, 23. März 2007

10 Verordnung über Spielgeräte und andere Spiele mit Gewinnmöglichkeit, SpielV

Ende der Leseprobe aus 15 Seiten

Details

Titel
Verfassungsrechtliche Fragen zum Lottostaatsvertrag
Untertitel
Glücksspielmonopol der BRD
Hochschule
Leuphana Universität Lüneburg  (Fakultät der Rechtswissenschaften)
Note
1,7
Autor
Jahr
2007
Seiten
15
Katalognummer
V87673
ISBN (eBook)
9783638051347
ISBN (Buch)
9783638944298
Dateigröße
402 KB
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
Vollständige Zitierung über Fußnoten, daher kein Literaturverzeichnis erforderlich.
Schlagworte
Verfassungsrechtliche, Fragen, Lottostaatsvertrag
Arbeit zitieren
Marius Stern (Autor:in), 2007, Verfassungsrechtliche Fragen zum Lottostaatsvertrag, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/87673

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