Über die Erzählung "Das Ende Certopchanovs" aus dem Zyklus "Aufzeichnungen eines Jägers" von I.S.Turgenev - eine Analyse


Hausarbeit (Hauptseminar), 2004

24 Seiten, Note: 2,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Die Aufzeichnungen eines Jägers

3. Die Erzählung Das Ende Čertopchanovs
3.1 Gliederung der Erzählung
3.2. Einzelcharakteristika
3.2.1. Čertopchanov
3.2.2 Nedopjuskin
3.2.3 Die Zigeunerin Maša
3.2.4 Der Jude
3.2.6 Der Erzähler
3.3 Bezüge zum gesamten Zyklus Aufzeichnungen eines Jägers

4. Zusammenfassung

5. Bibliographie

1. Einleitung

Ziel dieser Arbeit soll nicht sein, einen Überblick über die Geschichte der Juden in Russland zu geben, über das Judentum an sich oder allgemein über das jüdische Thema in der russischen Literatur (letzteres sollte Aufgabe des Seminars sein). Vielmehr soll es ganz speziell um die Darstellung eines Juden in Turgenevs Erzählung Das Ende Čertopchanovs aus dem Zyklus Aufzeichnungen eines Jägers, sowie um eine Gesamtanalyse derselben gehen. Bezüge zur Geschichte der Juden werden an geeigneter Stelle mit eingeflochten.

Zuerst werde ich in die allgemeine Thematik der Aufzeichnungen eines Jägers einführen und im Anschluss daran speziell in die Erzählung Das Ende Čertopchanovs. Im Folgenden werde ich die Erzählung gliedern, die jeweiligen Abschnitte inhaltlich zusammenfassen, die ganze Erzählung in einem Satz zusammenfassen (wird in der Einführung zur Erzählung vorweggenommen) und die einzelnen Personen charakterisieren. Ergänzend versuche ich, Parallelen oder Unterschiede in der Darstellung der Juden in den anderen Skizzen und Erzählungen des Zyklus festzustellen.

Biografische Hintergründe sind für das Verstehen des Zyklus nur von geringem Interesse und daher nur kurz an einigen Stellen erwähnt. Über das jüdische Thema in Turgenevs Gesamtwerk zu sprechen, wäre nicht fruchtbar, da sich nur eine seiner Erzählungen, Zid, in nennenswerter Weise damit auseinandersetzt.[1]

Es soll speziell die Erzählung Das Ende Čertopchanovs im Mittelpunkt stehen, in der die Lage der Juden in Russland deutlich gemacht und das schwierige und zwiespältige Verhältnis von Juden und Russen zur damaligen Zeit gezeigt wird.

2. Die Aufzeichnungen eines Jägers

Im Jahre 1852 erschienen I. S. Turgenevs Aufzeichnungen eines Jägers erstmals zusammengefasst als Buchausgabe.[2] Etwa 30 Skizzen hatte Turgenev vorbereitet, doch von diesen blieben einige aus Zensurgründen unvollendet oder wurden nicht in den Zyklus aufgenommen, weil sie die Einheit gefährdeten.[3] Das Fehlen einer Nummer bei der ersten Skizze, die in der Zeitschrift Der Zeitgenosse erschien, lässt vermuten, dass Turgenev das Werk nicht als Zyklus geplant hatte.[4] Diese Annahme scheint auch dadurch bestätigt, dass nicht Turgenev, sondern der Herausgeber des Zeitgenosse, I.I. Panajev, den Untertitel Aus den Aufzeichnungen eines Jägers unter die erste Skizzen gesetzt haben soll.[5] Dies übernahm Turgenev für alle folgenden Skizzen und Erzählungen.

Anfangs bestand der Zyklus aus 22 Prosaskizzen und Erzählungen, die seit 1847 in der Zeitschrift Der Zeitgenosse einzeln erschienen waren.[6] In der Ausgabe von 1860 erweiterte Turgenev seine Aufzeichnungen zeitweise um die Erzählung Die Fahrt in die Waldregion und die Skizze Über die Nachtigallen, die er dann jedoch wieder entfernte.[7] In den 1870er Jahren erweiterte Turgenev seine Aufzeichnungen um drei weitere Erzählungen,[8] so dass der Zyklus nunmehr aus 25 Skizzen und Erzählungen besteht.

Die lose angeordneten und in sich geschlossenen Prosaskizzen entstanden in einem Zeitraum von etwa dreißig Jahren und sind aus diesem Grund auf mehreren Ebenen z.T. sehr unterschiedlich. Turgenev beschritt mit seinen Aufzeichnungen den Weg zum russischen Realismus,[9] der sich auch innerhalb des Zyklus in der Entwicklung von den Skizzen der ersten Schaffensphase bis zu den Erzählungen der dritten und letzen zeigt. So ist neben der stilistischen eine gattungsmäßige Entwicklung innerhalb des Zyklus von der physiologischen Skizze zur kurzen Erzählung zu beobachten.[10] Inhaltlich gibt es einen Wandel von der sozialkritischen Darstellung speziell des bäuerlichen Alltags hin zu einer Darstellung ganz allgemeiner menschlicher Probleme.[11]

Turgenevs Aufzeichnungen bildeten den literarischen Höhepunkt der so genannten Natürlichen Schule,[12] die von Vissarion Grigorjewič Belinskij (1811 – 1848) mit seiner Theorie über die Prosa in den 1830er Jahren begründet wurde und sich ganz klar auf die Erzählungen Gogols bezog.[13] Das Programm der Natürlichen Schule forderte eine weitestgehend naturgetreue Darstellung des Alltags der damaligen Wirklichkeit in Russland. Die bevorzugte, weil am wenigsten fiktional erscheinende Gattung war die Skizze oder Miniatur nach französischem und englischem[14] Vorbild,[15] wo in den Physiologien der Alltag in Paris und London skizziert wurde.[16] Seit den 1840er Jahren entstand in Rußland dann speziell die physiologische Skizze. Sie beschreibt Personen, soziale Beziehungen, Milieus u.ä., nicht aber stellt sie handelnde Menschen dar.[17] Dies ist Aufgabe der Erzählung. Die Thematik des Alltags wurde nun auf die gesamte soziale Realität ausgedehnt,[18] d.h. es wurde nun nicht mehr nur das typische Alltagsleben in den Städten, verschiedene Berufsstände oder öffentliche Einrichtungen skizziert,[19] sondern es traten auch die Schicksale der Leibeigenen in das Blickfeld. Es sollte das Typische der Zeit abgebildet werden und damit wurde eben auch die Schicht der Armen, Unterdrückten und Asozialen zum Gegenstand der physiologische Skizze, die sonst nie beachtet, oder einfach vornehm umgangen worden waren.[20] Turgenev z.B. machte mit seinen Aufzeichnungen der damaligen lesenden Gesellschaft bewusst, dass Leibeigene, nicht weniger als freie Menschen, reich sind an Geist und tiefem und zarten Gefühl.[21]

Turgenev schuf mit seinen Aufzeichnungen einen Überblick über die verschiedenen Beziehungen zwischen Vertretern der untersten Klasse (meist leibeigene Bauern) und den Gutsherren, d.h. über die verschiedenen Arten der Abhängigkeit der Bauern im System der Leibeigenschaft.[22] Es wird das System der Leibeigenschaft an sich als inhuman und unproduktiv kritisiert.[23] Doch selten erfolgt diese Kritik auf direktem Wege,[24] werden Sch

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[1] Brang, Peter, Images und Mirages in Turgenevs Darstellung der Nationalcharaktere, Klischeezertrümmerung oder Trendverstärker? In: Ivan S. Turgene, Leben, Werk und Wirkung, B eiträge der Internationalen Fachkonferenz aus Anlaß des 175. Geburtstages an der Otto-Friedrich-Universität Bamberg, 15.-18. September 1993, Herausgegeben von Peter Thiergen,k München 1995, 1-25, (Vorträge und Abhandlungen zur Slavistik, Band 27), 20.

[2] Kluge, Rolf-Dieter, Ivan S. Turgenev, Dichtung zwischen Hoffnung und Entsagung, München 1992, (Quellen und Studien zur russischen Geistesgeschichte, Band 11), 59.

[3] Brang, Peter, I. S. Turgenev, Sein Leben und sein Werk, Wiesbaden 1977, 67.

[4] Turgenev, Ivan Sergeevic, Zapiski ochotnika, Grischunin/ Gromov/ Dolotova/ Smirnova (Hrsg.), Moskva 1991, 595.

[5] Peters, Jochen-Ulrich, Turgenevs „Zapiski ochotnika“ innerhalb der očerk-Tradition der 40er Jahre, Zur Entwicklung des realistischen Erzählens in Russland, Berlin 1972, (Osteuropa-Institut an der Freien Universität Berlin, Slavistische Veröffentlichungen. Band 40), 87.

[6] Kluge, 59.

[7] Brang, 67.

[8] Kluge, 64.

[9] Kluge, 47 f.

[10] Dolny, Christoph, Literarische Funktionen der Personeneigennamen in den Novellen und Erzählungen von I.S. Turgenev, Wien 1996, (SLAVICA HELVETICA. Band 51), 291.

[11] Dolny, Literarische Funktionen..., 291.

[12] Kluge, Ivan S. Turgenev…, 63.

[13] Nierle, Michael, Die Naturschilderung und ihre Funktionen in Verdichtung und Prosa von I.S. Turgenev, Studien zur Geschichte der russischen Literatur des 19. Jahrhunderts, Bad Homburg v.d.H., Berlin, Zürich 1969,(Osteuropastudien der Hochschulen des Landes Hessen, Reihe III, FRANKFURTER ABHANDLUNGEN ZUR SLAVISTIK, Band 11), 105.

[14] Russische Literaturgeschichte, Herausgegeben von Klaus Städtke, Stuttgart, Weimar 2002 (Metzler), 163.

[15] Kluge, 61-62.

[16] Russische Literaturgeschichte…, 163.

[17] Dolny, 291.

[18] Kluge, 61.

[19] Russische Literaturgeschichte…, 163.

[20] Kluge, 61.

[21] Brang, Peter, I. S. Turgenev …, 70-71.

[22] Russische Literaturgeschichte…, 185.

[23] Kluge, 71.

[24] Russische Literaturgeschichte…, 186.

Ende der Leseprobe aus 24 Seiten

Details

Titel
Über die Erzählung "Das Ende Certopchanovs" aus dem Zyklus "Aufzeichnungen eines Jägers" von I.S.Turgenev - eine Analyse
Hochschule
Technische Universität Dresden  (Slavistik)
Veranstaltung
Das jüdische Thema in der russischen Literatur
Note
2,0
Autor
Jahr
2004
Seiten
24
Katalognummer
V87725
ISBN (eBook)
9783638029520
ISBN (Buch)
9783638938914
Dateigröße
574 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Erzählung, Ende, Certopchanovs, Zyklus, Aufzeichnungen, Jägers, Turgenev, Analyse, Thema, Literatur
Arbeit zitieren
Susanne Staples (Autor:in), 2004, Über die Erzählung "Das Ende Certopchanovs" aus dem Zyklus "Aufzeichnungen eines Jägers" von I.S.Turgenev - eine Analyse, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/87725

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